Verfassungsbeschwerde gegen Gesetz zur Datenspeicherung eingereicht

von Gast, veröffentlicht am 02.01.2008

Kernpunkte des Gesetzes

Kern der seit Neujahr geltenden Gesetzesnovelle sind zwei umstrittene Neuerungen zur Datenspeicherung und Telefonüberwachung. Telekommunikationsfirmen müssen nun für ein halbes Jahr Rufnummer, Uhrzeit und Datum einer Verbindung speichern, bei Handys auch den Standort zu Gesprächsbeginn. Ebenso werden Verbindungsdaten zu SMS-Kurznachrichten, der Internet-Nutzung und E-Mails gespeichert. Die Inhalte selbst werden nicht aufgezeichnet.

Polizei und Staatsanwaltschaft können die Daten nur zur Aufklärung konkreter Straftaten und aufgrund einer Richterentscheidung verlangen. Bislang durften Daten ohne Verdacht auf eine Straftat in Deutschland nur für Abrechnungszwecke oder mit Zustimmung der Kunden gespeichert werden.

Neuregelung der Telefonüberwachung

Das Gesetz regelt auch die Telekommunikationsüberwachung neu, die auf schwere Straftaten begrenzt wird. So soll der Grundrechtsschutz bei heimlichen Ermittlungsmaßnahmen gestärkt werden. Nach Abschluss der Überwachung müssen Betroffene benachrichtigt werden. Einen absoluten Schutz vor Überwachung haben Strafverteidiger, Seelsorger und Abgeordnete. Andere Gruppen wie Ärzte, Journalisten und die übrigen Anwälte erhalten jedoch nur einen relativen Schutz. Insgesamt wurde die Neuregelung, die im November 2007 von der Großen Koalition verabschiedet und in der letzten Dezemberwoche 2007 von Bundespräsident Horst Köhler unterzeichnet worden war, mit der Sorge vor neuen Terroranschlägen begründet. Die Bundesregierung setzt damit eine Richtlinie der Europäischen Union zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung um.

Datensammlung soll durch einstweilige Anordnung sofort ausgesetzt werden

Die jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz eingereichte Klageschrift umfasst mehr als 150 Seiten. Der Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik äußerte sich zuversichtlich, dass die Beschwerde Erfolg haben wird. «Die verdachtslose Überwachung, so wie sie der Gesetzgeber nun vorsieht, muss das Bundesverfassungsgericht eigentlich ablehnen.» Die Kritiker beantragten zugleich, die Datensammlung durch eine einstweilige Anordnung sofort auszusetzen. Einen Zeitpunkt für eine Entscheidung gibt es nach Angaben einer Gerichtssprecherin aber noch nicht.

«Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung» hat Vollmachten von rund 30.000 Bürgern gesammelt

Für die Beschwerde hat der «Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung» nach eigenen Angaben Vollmachten von rund 30.000 Bürgern gesammelt. Der Arbeitskreis sieht in der Neuregelung eine «Totalprotokollierung der Telekommunikation», für die 80 Millionen Bundesbürger grundlos wie potenzielle Straftäter behandelt würden. Arbeitskreis-Sprecher Ricardo Cristof Remmert-Fontes sagte, eine freie Gesellschaft benötige «überwachungsfreie Räume». Das Gesetz gehe viel weiter als die EU-Richtlinie. Falls sich Karlsruhe wegen der «europäischen Dimension» für unzuständig erklärt, wollen die Gegner den Europäischen Gerichtshof einschalten, kündigte Anwalt Starostik an.

Unterstützung der Beschwerde von Grünen, Linke und FDP

Die Verfassungsbeschwerde wird von der Opposition im Bundestag unterstützt. Grünen-Chefin Claudia Roth erklärte: «Der Raubbau an unserem Rechtsstaat durch Schäuble, Zypries und Co. muss verhindert, die Bürgerrechte müssen unter den Bedingungen des digitalen Zeitalters gestärkt werden.» Die stellvertretende Vorsitzende der Linke-Bundestagsfraktion, Petra Pau, warnte: «Auf dem Spiel stehen verbriefte Bürgerrechte und mit ihnen der demokratische Rechtsstaat.» Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sagte: «Der Terror bleibt eine reale Bedrohung. Aber unsere freiheitliche Wertordnung können wir nicht dadurch verteidigen, indem wir sie aufgeben.» Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (ebenfalls FDP) sprach in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa von einer «schleichenden Entwicklung hin zu einem Überwachungsstaat».

beck-aktuell-Redaktion, 2. Januar 2008 (dpa).

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