Ausländische Jugendschutz-Altersfreigaben - ohne Bedeutung in Deutschland?

von Prof. Dr. Marc Liesching, veröffentlicht am 25.02.2008

"Steht der Grundsatz des freien Warenverkehrs im Sinne des Art. 28 EG einer deutschen Rechtsvorschrift entgegen, die den Vertrieb von Bildträgern (DVD, Videos) im Versandhandel verbietet, die keine Kennzeichen darüber tragen, dass sie in einer deutschen Prüfung der Jugendfreiheit unterzogen wurden?" - Diese Frage wurde dem EuGH vom Landgericht Koblenz durch Beschluss vom 25.04.2006 zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Im konkreten Fall vertrieb die beklagte Partei im Wege des Versandhandels Bildträger (DVDs bzw. Videokassetten) über ihre Internethomepage bzw. über die Internethandelsplattform amazon.de. Diese hat sie zuvor aus Großbritannien eingeführt, wo sie durch das British Board of Film Classification (BBFC) auf ihre Jugendfreiheit hin überprüft worden und für Jugendliche ab 15 Jahren freigegeben worden waren. Trotz dieser BBFC-Freigabe gelten die Bildträger in Deutschland als „nicht gekennzeichnet" und unterliegen denselben Beschränkungen wie Bildträger mit dem Label „Keine Jugendfreigabe" (§ 12 Abs. 3 JuSchG).

Der EuGH hat nun im Urteil vom 14.02.2008 entschieden, dass dies grundsätzlich nicht gegen europarechtliche Grundfreiheiten nach Art. 28, 30 EG verstößt. Die deutsche Jugendschutzregelung (§ 12 Abs. 3 JuSchG) verbiete nämlich nicht den Vertrieb von Bildträgern im Versandhandel. Sie sehe vielmehr für alle Marktteilnehmer gleichermaßen vor, dass Bildträger, um auf diesem Wege vertrieben werden zu können, einem nationalen Prüf- und Einstufungsverfahren zum Zweck des Schutzes Minderjähriger unterzogen worden sein müssen, und zwar unabhängig davon, ob ein entsprechendes Verfahren bereits in dem Mitgliedstaat stattgefunden hat, aus dem die Bildträger ausgeführt wurden. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit müsse allerdings ein entsprechendes nationales Prüfverfahren leicht zugänglich sein und innerhalb eines angemessenen Zeitraums abgeschlossen werden können. Dies sei bei der deutschen Regelung der Fall.

Hat die Entscheidung des EuGH zur Folge, dass ausländische Altersfreigaben für den deutschen Jugendschutz überhaupt keine Rolle spielen? Bei Bildträgern mit Filmen und Spielprogrammen mag dies aufgrund der deutlichen Vorgabe des § 12 Abs. 3 JuSchG so sein. Was gilt aber bei Telemedien, also z.B. Video-on-Demand-Angeboten von Filmen im Internet. Was gilt bei der Ausstrahlung (ausländischer) Filmproduktionen im Fernsehen? Kann sich hier der Internetanbieter/Rundfunksender an ausländischen Freigaben im Hinblick auf die erforderlichen Jugendschutzmaßnahmen orientieren?

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1 Kommentar

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Interessant finde ich in diesem Zusammenhang Frage, ob die (direkte) Einfuhr von Bildträgern im Wege des Versandhandels, die nicht entsprechend dem JuSchG gekennzeichnet sind, als Verstoß gegen § 12 Abs. 3 JuSchG zu werten ist. Einmal angenommen der Bildträger wird bei einem im Ausland ansässigen Versandhandelsunternehmen durch einen Minderjährigen bestellt und in der Folge tatsächlich an diesen in Deutschland geliefert.

Der Wortlaut von § 12 Abs. 3 Nr. 1 JuSchG ist hinreichend breit gefasst, auch einen solchen Fall zu erfassen, da er jegliche Form des "Zugänglichmachens" erfassen will. Etwas enger ist da bereits der Wortlaut von § 12 Abs. 3 Nr. 2, der nur das "Anbieten" oder "Überlassen", vom Wortlaut her aber nicht alle Formen des "Zugänglichmachens" erfassen will.

Andererseits suggeriert der Wortlaut des § 15 Abs. 1 JuSchG, dass der Gesetzgeber zwischen "Zugänglichmachen" (§ 15 Abs. 1 Nr. 1) und "Einfuhr im Wege des Versandhandels" (§ 15 Abs. 1 Nr. 5 JuSchG) differenzieren wollte.

Soll tatsächlich nur die Einfuhr von indizierten Medien durch das JuSchG unterbunden werden?

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