Whistleblowing - Änderung des § 612a BGB geplant

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 16.05.2008

Nach Informationen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände plant die Bundesregierung eine Änderung des § 612a BGB. Die Änderung soll in das bereits laufende Gesetzgebungsverfahren zum Lebens- und Futtermittelrecht eingebracht werden. Ziel der Neufassung des § 612a BGB soll es sein, eine klare und eindeutige Regelung im Bereich des Informantenschutzes zu schaffen, und damit die Rechtssicherheit für Arbeitnehmer, die über gesetzwidrige Praktiken in ihrem Betrieb informieren, deutlich zu verbessern. Die geplante Gesetzesänderung ist vor dem Hintergrund der Vorfälle um überlagertes Fleisch (Gammelfleisch-Skandal) zu sehen.  Eine Anhörung im Ausschuss für Ernährung Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestat soll dem Vernehmen nach am 4. Juni stattfinden. Insgesamt wirft dieser Plan in verschiedener Hinsicht Fragen auf. Der geplante neue § 612a BGB soll folgenden Wortlaut haben:

§ 612a
Anzeigerecht

(1) Ist ein Arbeitnehmer auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, dass im Betrieb oder bei einer betrieblichen Tätigkeit gesetzliche Pflichten verletzt werden, kann er sich an den Arbeitgeber oder eine zur innerbetrieblichen Klärung zuständige Stelle wenden und Abhilfe verlangen. Kommt der Arbeitgeber dem Verlangen nach Abhilfe nicht oder nicht ausreichend nach, hat der Arbeitnehmer das Recht, sich an eine zuständige außerbetriebliche Stelle zu wenden.

(2) Ein vorheriges Verlangen nach Abhilfe ist nicht erforderlich, wenn dies dem Arbeitnehmer nicht zumutbar ist. Unzumutbar ist ein solches Verlangen stets, wenn der Arbeitnehmer aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung ist, dass

1. aus dem Betrieb eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder für die Umwelt droht,

2. der Arbeitgeber oder ein anderer Arbeitnehmer  eine Straftat begangen hat,

3. eine Straftat geplant ist, durch deren Nichtanzeige er sich selbst der Strafverfolgung aussetzen würde,

4. eine innerbetriebliche Abhilfe nicht oder nicht ausreichend erfolgen wird.

(3) Beschwerderechte des Arbeitnehmers nach anderen Rechtsvorschriften und die Rechte der Arbeitnehmervertretungen bleiben unberührt.

 

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8 Kommentare

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Da fällt mir schon einiges ein:
- Was sind konkrete Anhaltspunkte?
- was umfasst die "betriebliche Tätigkeit"?
- "nicht ausreichendes nachkommen des AG"?

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Ich will nur kurz einige Fragen in den Raum stellen: Die Kernfrage lautet ja schlicht:
Brauchen wir eine gesetzliche Regelung dieses Detailproblems? Immerhin hat ja die Rechtsprechung des BVerfG und des BAG die Grundlinien vorgegeben. Dagegen ließe sich sagen, daß ja auch der Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes von Henssler/Preis diesem Punkt einen Paragraphen (§ 78) widmet. Zweite Frage: Ist die Gesetzesfassung wirklich hinreichend bestimmt, so dass der Arbeitnehmer auf dieser Grundlage wirklich erkennen kann, was er tun darf? Dritte Frage: Soll es wirklich für das sofortige Anzeigerecht (ohne vorheriges Abhilfebemühen) ausreichen, dass der Arbeitnehmer von irgendeiner Straftat erfährt? Soll wirklich jede Straftat ausreichen oder müßte man hier nicht eine irgendwie qualifizierte Straftat fordern? Und die letzte Frage: Warum soll diese Vorschrift § 612a BGB werden und der frühere § 612a BGB zu § 612b BGB? Sollte man nicht die neue Regelung als § 612b BGB ins BGB einstellen?

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In der Koalition gibt es Widerstand gegen die beabsichtigte Änderung des § 612a BGB. Das berichtet der SPIEGEL in seiner heutigen Ausgabe (Heft 22/2008, S. 20). Der Fraktionschef der Union, Volker Kauder, habe intern klar gemacht, dass die geplante Regelung so auf keinen Fall umgesetzt werde. Der Gesetzentwurf untergrabe das "Vertrauensverhältnis" zwischen Firmenleitung und Arbeitnehmern.

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Hier noch ein aktueller Beitrag von Heise online
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p://www.heise.de/newsticker/Umstrittene-Normaenderung-zum-Whistleblowing--/meldung/108799

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