OLG Stuttgart: Beleidigung eines Polizeibeamten durch Äußerung der Buchstabenfolge "A.C.A.B."

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 09.07.2008

Die englische Parole mit der Buchstabenfolge "A.C.A.B." steht in Jugendsubkulturen sowie in der rechte Szene für "all cops are bastards". Nach dem Beschluss des OLG Stuttgart vom 23. Juni 2008 - Az. 1 Ss 329/08 - macht sich wegen Beleidigung nach § 185 StGB strafbar, wer auf einen Polizeibeamten zeigt und ihm diese Buchstabenfolge zuruft. Die individuelle Bezeichnung eines Polizeibeamten ("cop") als "bastard" sei sowohl in der englischen wie auch in der deutschen Sprache objektiv ehrverletzend. Nach den vom Tatrichter getroffenen Feststellungen war die Äußerung auch subjektiv gewollt als ehrverletzend geäußert worden, ohne dass es dazu irgendeinen Anlass gegeben hätte. Die Formalbeleidigung sei weder durch Wahrnehmung berechtigter interessen gemäß § 193 StGB noch durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gerechtfertigt.

Das OLG weist daraufhin, dass die Strafbarkeit anders zu beurteilen sein könne, wenn sich die Buchstabenfolge ohne nähere Bezeichnung gegen eine nicht abgegrenzte Personenmehrheit von Polizeibeamten richte - z.B. als Aufdruck eines eines T-Shirts. In einem solchen Fall könne es sich um eine nicht ausreichend konkretisierbare - und damit straflose - so genannte Kollektivbezeichnung handeln.

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3 Kommentare

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Das LG Stuttgart hat in einem Berufungsurteil vom 4.7.07 (38 Ns 25 Js 34332/05) A.C.A.B. als straflos bezeichnet und freigesprochen. "All cops" seien keine abgrenzbare Personenmehrheit. Das Urteil ist veröffentlicht in StraFo 2007, 384. Gegen dieses Urteil hat die StA Stuttgart keine Revision eingelegt. Dieser Umstand ist in der "Scene" bekannt geworden. Deshalb liegt ein Verbotsirrtum sehr nahe, auch wenn der Sachverhalt anders gewesen sen mag, als beim bloßen Tragen eines T-Shirts mit diesen Buchstaben.

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RE "Das LG Stuttgart hat in einem Berufungsurteil vom 4.7.07 (38 Ns 25 Js 34332/05) A.C.A.B. als straflos bezeichnet und freigesprochen. ... Dieser Umstand ist in der “Scene” bekannt geworden. Deshalb liegt ein Verbotsirrtum sehr nahe..."

Sobald der Beschluss des OLG Stuttgart vom 23. Juni 2008 (Az. 1 Ss 329/08) in der "Scene" bekannt wird, hat sich das ja dann wieder erledigt mit dem Verbotsirrtum, oder?

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Wenn dem so wäre, dass das LG Stuttgart einen Verbotsirrtum bejaht hätte, dann haben Sie recht! - Der Verbotsirrtum entschuldigt den Täter nach § 17 S. 1 StGB nur, wenn er diesen nicht "nicht vermeiden konnte". Vermeiden konnte er ihn, wenn das Unrecht für ihn immerhin erkennbar war. Die Erkenntnismittel sind "Nachdenken und Erkundigen" (BGHSt 4, 1 [5]). Ein Weg, sich über die Rechtmäßigkeit des geplanten Handelns zu unterrichten, ist die Prüfung, ob Rechtsprechung zu der entsprechenden Rechtsfrage vorliegt. Die Rechtsprechung ist zwar selbst nicht unmittelbar Gegenstand der Unrechtseinsicht, hat aber erhebliche Bedeutung für die Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit.

Ein Hinweis am Rande: Jakobs Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 19/45 behandelt die juristisch interessante Frage, wie die Bedeutung einer hypothetisch falschen Information zu beurteilen ist.

Nur: Das LG Stuttgart (abrufbar bei www.juris.de) hat in der zitierten Berufungsentscheidung keinen Verbotsirrtum bejaht, sondern ist von einer straflosen Kollektivbezeichnung ausgegangen. Es heisst:

"Soweit dem Angeklagten in der zugelassenen Anklage unter Ziffer 4 vorgeworfen worden war, er habe in der Öffentlichkeit und für jedermann erkenn- und wahrnehmbar u.a. am 24.04.2005 gegen 19.05 Uhr in S, B straße /L straße , eine schwarze Jacke, auf deren Rücken ein Aufnäher mit den in altdeutscher Schrift geschriebenen Buchstaben "A.C.A.B." (mit der in der Szene bekannten Bedeutung: "All cops are bastards") aufgenäht war, getragen, wobei er sich Bier trinkend im Bereich des Treppenaufgangs zur Haltestelle K straße befunden habe und dort der Aufnäher von den Polizeibeamten ... wahrgenommen worden war, wobei der Angeklagte, dem der ehrverletzende Inhalt des Aufnähers bekannt und erwünscht gewesen war, auch wollte, dass die vorgenannten Zeugen Kenntnis vom Inhalt nahmen und in ihrer Ehre herabgesetzt würden, war der Angeklagte aus rechtlichen Gründen freizusprechen.

Es handelte sich hier vorliegend der Form nach um eine Kollektivbeleidigung, wobei jedoch der fragliche Personenkreis der zu Beleidigenden, nämlich alle Polizisten auf der Welt, so groß ist, dass sich die ehrenrührige Äußerung in der Masse verliert und den Einzelnen nicht mehr erreicht. Unter diesen Umständen liegt eine strafbare Kollektivbeleidigung nicht vor."

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