Umsonst Tanken an einer Selbstbedienungstankstelle: Computerbetrug!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.08.2008

Eine interessante Entscheidung zum sog. "Tankbetrug" des OLG Braunschweig (Urteil v. 12.10.2007 - Ss 64/07, veröffentlicht in NStZ 2008, 402) hat etwas verspätet noch den Weg in den Blog gefunden (Sie war auf meinem Schreibtisch ein bisschen zu weit nach unten geraten :-)))).  In dem zu beurteilenden Fall hatte die Angeklagte Kenntnis von dem Defekt einer vollautomatischen Selbstbedienungstanstelle. Bei der Anlage handelte es sich um eine solche, die mittels Bankkarte das Tanken zulässt, was dann automatisch zu einer Abbuchung auf dem Konto des Tankenden führt. Die Angeklagte wusste aber, dass Entnahmen von mehr als 70 Euro von dem System wegen eines Anlagendefektes nicht zu Abbuchungen führten. Gleichwohl tankte sie daraufhin in 33 Fällen (!) "umsonst" für Beträge von 70 bis 80 Euro.

Nach einem Freispruch in erster Instanz wurde das Urteil des AG vom OLG Braunschweig aufgehoben. Angeklagt war hier nur Unterschlagung, § 246 StGB. Das OLG Braunschweig das Urteil aufgehoben und  das Verfahren zurückverwiesen und zu zwei Normen Stellung genommen:

 

Computerbetrug, § 263a StGB:

Die unbefugte Einwirkung auf den Ablauf eines Datenverarbeitungsvorgangs hat das OLG darin gesehen, dass die Angeklagte  "ihr spezielles Wissen" beim Tanken ausnutzte. Insbesondere komme es nicht darauf an, wie die Angeklagte zu ihrem Wissen gekommen ist. Darauf komme es nämlich nur an, wenn ein fehlerfrei funktionierender Automat manipuliert werde.   

 

Unterschlagung, § 246 StGB:

Das Benzin bleibe (auch im Tank des betankten Fahrzeugs - und dann ja wohl auch in Fällen der Vermischung) eine fremde Sache, wenn der Tankstellenbetreiber den Treibstoff nur (wie üblich) gegen Zahlung de Entgelts übereignen will.

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11 Kommentare

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"Das Benzin bleibe (auch im Tank des betankten Fahrzeugs - und dann ja wohl auch in Fällen der Vermischung) eine fremde Sache, wenn der Tankstellenbetreiber den Treibstoff nur (wie üblich) gegen Zahlung de Entgelts übereignen will."

Wenn der Tankstellenbetreiber nur gegen Bezahlung übereignen will, will er dann nicht auch nur gegen Bezahlung den Gewahrsahm aufgeben?

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@Niels:
Stehe ich da nun auf dem Schlauch, oder...

Beim Gewahrsam geht es doch nicht darum, was gewollt ist, sondern darum, wie es tatsächlich aussieht. Wenn der "Kunde" den Treibstoff in seinen Tank füllt und spätestens wenn er sich damit von der Tankstelle entfernt, hat er doch eigenen Gewahrsam begründet, oder?

Ich verstehe nicht, wie das OLG da die Einschlägigkeit des § 246 ablehnt.

Tatobjekt: Fremde, bewegliche Sache (+)
Tathandlung: Zueignung (=Manifestation des Zueignungswillens[Weite und Enge Theorie])(+) mit Wegfahren von der Tankstelle
Vorsatz bzgl. der Rechtswidrigkeit: (+)

P Wutz

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"Beim Gewahrsam geht es doch nicht darum, was gewollt ist"

Nicht für die Feststellung wer Gewahrsam hat, aber zur Bewertung, ob der Gewahrsamswechsel gewollt war oder nicht - sonst bräuchten wir keine Unterscheidung von Diebstahl und Unterschlagung ;)

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Habe ich das richtig verstanden, dass Niels dann auf einen 242 hinauswill? DANN geht mir ein Licht auf! (Stichwort: Bedingtes Einverstandnis zum Gewahrsamswechsel, was hier dann einen Gewahrsamsbruch bejahen lässt)

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Zum Gewahrsam: Zumindest in dem Fall, dass der Kunde - wie an den meisten Tankstellen üblich - zunächst tankt und dann bezahlt, kann der Wille zur Gewahrsamsübertragung und zur Eigentumsübertragung auseinanderfallen.
Der Tankstellenbetreiber muss in dieser Konstellation nämlich mit dem Übergang des Gewahrsams auf den Kunden (Kunde hat nach der Verkehrsanschauung wohl Alleingewahrsam am Bezin im Tank seines Autos) einverstanden sein, ansonsten würde das Geschäftsmodell (erst tanken, dann bezahlen) nicht funktionieren.
Das Eigentum könnte er sich aber zur Sicherung seines Kaufpreisanspruchs zumindest bis zur Bezahlung vorbehalten wollen. In dieser Konstellation bliebe das Benzin fremd (kein Eigentumsübergang), ein Gewahrsamsbruch läge aber nicht vor.

Wie es sich verhält, wenn der Kunde zunächst bezahlen soll (etwa bei Tankautomaten, an denen man den Betrag, für den man tanken möchte, festlegen kann) und erst dann der Tankvorgang stattfindet, steht auf einem anderen Blatt. Hier könnte man tatsächlich überlegen, auch den Gewahrsamsübergang (und nicht nur den Eigentumsübergang) von der ordnungsgemäßen Bedienung der Zahlfunktion abhängig zu machen. Man wäre dann beim Diebstahl.

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"Habe ich das richtig verstanden, dass Niels dann auf einen 242 hinauswill?"

Genau. Aber von solchen theorieüberladenen Strafrechts-Diskussionen kriege ich immer Kopfschmerzen. :-D

Immerhin zeigt dieser Fall, dass es nicht nur akademischer Sadismus ist, mit solchen Spielereien und Abgrenzungsschlachten Erstsemester in Anfängerhausarbeiten zu quälen.

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Dieser Einschätzung kann ich mich nur anschließen. Irgendwann im Studium habe ich einmal eine Hausarbeit zu dem Thema geschrieben - ich glaube aber, dass ich das schon damals kaum verstanden habe. Die Praxis löst das alles ja immer sehr einfach: Betrug, wenn es eine normale Tankstelle ist - im übrigen wird gem. § 154a StPO beschränkt. Wenn es dann die Automatentankstelle ist, kommt es halt zum Computerbetrug - auch hier kann § 154a StPO Sicherheit schaffen für das Gericht. Die Diskussion an dieser Stelle zeigt aber auch, dass ein eigentlich alltägliches Problem wie so oft zu einem wirklichen Juraproblem werden kann.
Meine Fragen an diejenigen, die näher am Studium dran sind:
- Kommt es denn bei einer normalen SB-Tankstelle für die materielle Rechtslage auch darauf an, ob der Tankstellenbesitzer (oder eine von ihm beauftragte Person) sich den Tankvorgang anschaut?
- Wie sieht es aus, wenn ein sich über die Bezahlung keine Gedanken machender Tankwart (solche gibt es wieder!) das Einfüllen übernimmt?

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Ist ja mal wieder typisch, 10 Juristen 20 Meinungen. ;-) Ich dachte Unterschlagung solls jetzt sein?
Wobei ich als Laie nicht verstehe, warum es strafbar sein soll, wenn der Lieferant selber zu blöd ist den korrekten Preis zu berechnen, bzw abzubuchen, nachdem ich ihm alle dafür notwendigen Daten und Genehmigungen überlassen habe.
Wieso muss man für seine Unfähigkeit bzw die von seinen Drittbeauftragten (Hersteller/Programmierer) einstehen?

Wenn ich öfters an der Imbissbude das Gleiche bestelle weil ich gemerkt habe, dass die Bedienung nicht kopfrechnen kann und jedesmal 5 Euro zuwenig fordert, ist dass dann Betrug?

Wie sieht das eigentlich mit den Verjährungsfristen bei sowas aus?

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Also bei aller Liebe für die Tankstellenbesitzer: Wer ein Programm schreibt, dass so gravierende Fehler besitzt und es dann ohne sorgfältige Nachprüfung und Korrekturen im täglichen Betrieb laufen lässt handelt selbst schuldhaft. Zivilrechtlich würde ich sagen ist der Schaden daher aufgrund hohen Mitverschuldens mindestens 50 / 50 zu aufzuteilen.

Strafrechtlich ist das natürlich wieder ein wunderschönes dogmatisches Mienenspiel. Ich bin aber der Meinung es darf nicht strafbar sein, weil die zu überschreitende Grenze zu niedrig ist. Wenn ich auf den Alexanderplatz in Berlin gehe und dort 50 € auf die Straße lege, dann etwas schlendere und irgendwann wiederkomme und mich wundere dass das Geld weg ist bin ich der Meinung ich trage die Verantwortung selbst. Wenn ich das dann mehr als 30 mal mache, ohne etwas dabei zu lernen - oder gar nie nachprüfe, ob das Geld überhaupt weg ist - dann macht es das nicht wirklich strafbarer.

Wir können doch die Leute nicht vor ihren eigenen mangelnden geistigen Kapazitäten schützen wollen? Wenn ein Bankautomaten morgen Geld auch ohne Karte und PIN ausspuckt werden dann alle strafrechtlich verfolgt die dort Geld "abgehoben" haben oder was? Und die arme, arme Bank braucht staatlichen Schutz und nicht vielleicht ein Konzept zur Qualitätssicherung?

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Und nochmal direkt zum (grausam abstrakten) Gesetzestext

§ 263a
(I) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unrichtige Gestaltung des Programms, durch Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, durch unbefugte Verwendung von Daten oder sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf beeinflußt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

unrichtige Gestaltung _des Programms_? nein.
unrichtige oder unvollständige Daten? nein.
unbefugte Verwendung von _Daten_? (nicht Informationen) nein.

* sonst unbefugte Einwirkung auf den Ablauf? nein.
-> zu viel Tanken kann sicherlich keine unbefugte Einwirkung darstellen, das ist ja nicht subjektiv aus Sicht des Tankstellenwarts zu beurteilen!) Objektiv gesehen kann man nicht zu viel Tanken, solange man bereit ist zu zahlen. Und das war sie sicherlich, denn sie musste ja damit rechnen, dass der Fehler inzwischen behoben wurde. Dass sie es immer wieder versucht ist ja schon aus Neugierde möglich. Mich würde da auch interessieren, ob der Fehler endlich behoben ist.

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