LAG Berlin-Brandenburg sieht in "Flashmob"-Aktionen ein zulässiges Arbeitskampfmittel

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 29.09.2008

Die Gewerkschaft ver.di erprobt zur Zeit neue Methoden, den Druck im Arbeitskampf auf die Gegenseite zu erhöhen. Dazu gehört der Aufruf zu sog. Flashmob-Aktionen (wörtlich "Blitzpöbel"), bei denen viele Personen durch synchrone gleichförmige Handlungen einer bestimmten Forderung Nachdruck verleihen. Im jetzt vom LAG Berlin-Brandenburg (29.9.2008 - 5 Sa 967/08, Pressemitteilung 34/08) entschiedenen Fall wirkte ver.di per SMS darauf hin, dass möglichst viele Personen in den bestreikten Filialen zur Blockade des Kassenbereichs Pfennigartikel kauften bzw. Einkaufswagen voll packten und stehen ließen. Das LAG Berlin-Brandenburg hat einer Klage des Handelsverbands Berlin-Brandenburg gegen die Gewerkschaft ver.di auf Untersagung solcher Aktionen nicht stattgegeben. Das Gericht ist der Auffassung, derartige Aufrufe zur Ergänzung laufender Streikmaßnahmen seien zulässig und durch die den Tarifvertragsparteien zugewiesene freie Wahl der Kampfmittel grundrechtlich geschützt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt und die Rechtspositionen der Gegenseite überwögen auch nicht das Recht der Gewerkschaft zur Auswahl der Kampfmittel im Arbeitskampf. Hätte das Urteil Bestand, so wäre eine neue Intensitätsstufe des Arbeitskampfes erklommen. Gezielte Sabotage der Geschäftstätigkeit des Handels wäre zulässig. Rieble (NZA 2008, 796) hat jüngst die Bedenklichkeit einer solchen Ausweitung der Arbeitskampfmittel eindringlich beschrieben. Von daher ist es jedenfalls zu begrüßen, dass das LAG Berlin-Brandenburg die Revision zum BAG zugelassen hat.

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7 Kommentare

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Ein Schelm, der Böses dabei denkt ;-)
M. E. ist eine Gewerkschaft, die unpolitisch ist: zweckfrei.
Dass das LAG BB das wohl anders bzw. differenzierter sieht als Niels, ist zu begrüßen- ebenso fantasievolle, engagierte und mutige Gewerkschaften.
MfG
N. Arndt
p. s. "Dada" ist nicht unpolitisch ... und auch nicht sinnlos- bei "wikipedia" reinzuschauen hilft:
"Im Wesentlichen war es eine Revolte gegen die Kunst von Seiten der Künstler selbst, die die Gesellschaft ihrer Zeit und deren Wertesystem ablehnten."

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Ich habe gelesen, dass "Flashmob"-Aktionen über längere Zeit andauern. Für wie lange Zeit genau sieht das LAG Brandenburg-Berlin solche Blockaden als legitim an? Nur für einige Stunden oder auch über mehrere Tage?

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Hallo Herr Prof. Dr. Stoffels,

da mich das Thema doch sehr interessiert, habe ich mich heute telefonisch bei der Justizverwaltung in Brandenburg bezüglich des Zeitfaktor bei "Flashmob"-Aktionen erkundigt. Dort teilte man mir mit, dass das Gericht hier rechtlich keine besonderen Einschränkungen getroffen hat. Schließlich würden Boykottieren über mehrere Monate gerade im Einzelhandel zur kommerziellen Schwächung des betroffenden Betriebs und somit zur eigenen Gefährdung des Arbeitsplatzes führen. Von daher beschränke sich der Zeitraum wohl nur über Stunden oder wenige Tage und das sei dann auch rechtmäßig.

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Streik ist eine Arbeitsniederlegung durch die Beschäftigten. Soweit die Flaschmobber (FM) Beschäftigte sind, ist das Vollladen der Wagen keine Arbeitsniederlegung, sondern Schlechtleistung, und soweit sie externe sind, ist es keine Arbeitsniederlegung sondern ein Eingriff in den ausgeübten Gewerbebetrieb. Wie das LAG FM unter Streik zu subsumieren mag, kann nicht nachvollzogen werden. Mal sehn, ob das BAG hier eine Entscheidung trifft, die Rechtsfrieden wieder herstellt.

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Bisher habe ich ausschließlich von "Flashmob"-Aktionen im Einzelhandel gehört. Sind derartige Arbeitsblockaden nur dort oder auch in anderen Branchen, wie etwa im Industriegewerbe denkbar?

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