Großer Senat des BGH: Neue Tatsachen für nachträgliche Sicherungsverwahrung nach Unterbringungserledigung bei noch offener Freiheitsstrafe notwendig

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 07.12.2008

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt erklärt worden, weil der Verurteilte doch schuldfähig ist, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 3 StGB nachträglich anordnen. Wie der Große Senat des BGH jetzt mit Beschluss vom 7.10.2008 - GSSt 1/08 - bestätigt hat, gilt dies aber nicht, wenn der Betroffene im Anschluss an die Erledigung noch eine - zugleich mit der Unterbringung angeordnete - Freiheitsstrafe zu verbüßen hat. In diesem Fall kann eine nachträgliche Sicherungsverwahrung regelmäßig nur unter den Voraussetzungen des § 66b Abs. 1 oder Abs. 2 angeordnet werden, also nur bei Vorliegen neuer Tatsachen, die erst nach der Verurteilung bekannt wurden. Solche neue Tatsachen sind gegeben, wenn vor dem Hintergrund der nicht (mehr) vorhandenen Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die qualifizierte Gefährlichkeit des Verurteilten nunmehr auf abweichender Grundlage belegt ist.

Diese restriktive Auslegung entspricht nach Auffassung des Großen Senats der eindeutigen Auffassung des Gesetzgebers in dem im Jahr 2004 durchgeführten Gesetzgebungsverfahren, sie widerspreche dem Wortlaut der Norm nicht  und stehe in Einklang mit Systematik und Zweck des Gesetzes. Danach komme nachträgliche Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 3 StGB  regelmäßig nur gegen Täter in Betracht, die wegen angenommener Schuldunfähigkeit nicht bestraft, sondern nur im psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden waren. Auf Täter, die wegen nicht aufgehobener, sondern nur erheblich verminderter Schuldfähigkeit daneben auch bestraft worden waren, sei die Bestimmung hingegen nur in seltenen Ausnahmefällen anzuwenden, weil die verhängte Strafe in diesen Fällen regelmäßig nur zum Teil vor der Unterbringung vollstreckt werde. Bei fortdauernder massiver Gefährlichkeit solcher Verurteilter für die Allgemeinheit bleibe jedoch die Möglichkeit der Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung nach dem anderen Absätzen des § 66b StGB. Dabei seien die hierfür erforderlichen neuen Tatsachen gegeben, wenn vor dem Hintergrund der nicht (mehr) vorhandenen Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die qualifizierte Gefährlichkeit des Verurteilten nunmehr auf abweichender Grundlage belegt sei auch

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