AG Mannheim: „Poli Scan Speed“ nicht ausreichend zuverlässig

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 24.01.2009

Vielleicht weiß ja ein Blogleser mehr über den Hintergrund dieser Pressemeldung des AG Mannheim, auf die ich durch den Klawtext aufmerksam geworden bin:

"...Das Gericht kam nach ausführlicher Beweisaufnahme und Anhörung eines Sachverständigen zu dem Ergebnis, dass nach derzeitigem Sachstand die Messung mittels „Poli Scan Speed“ nicht ausreichend zuverlässig nachgeprüft werden kann, um mögliche Fehler auszuschließen. Die Stadt Mannheim hat derzeit vier Geräte dieses Typs im Einsatz."

Ausführliche Informationen zu dem PTB-zugelassenen Messsystem findet sich auf der Herstellerseite, auf der es allgemein zu dem System u.a. heißt:

"PoliScanspeed erfasst und dokumentiert Geschwindigkeitsverstöße vollautomatisch und digital. Dahinter steht eine neue Technologie in Form eines so genannten LIDAR-Messkopfes (Light Detection and Ranging= Detektion mittels Licht- und Abstandmessung), die auf Laserlaufzeitmessung basiert, und benötigt daher keine zusätzlichen Auslöseeinrichtungen wie z. B. Lichtschranken. Erstmals können damit auch schnell und dicht hintereinander rasende Fahrzeuge kontrolliert werden. Auch kontrolliert diese Technologie die Geschwindigkeit in Kurven, an unübersichtlichen Stellen und in Tunnels.

Die neue, effiziente Geschwindigkeitskontrolle arbeitet unabhängig von Tageszeit, Wetterlage und Verkehrsdichte. PoliScanspeed stellt sicher, dass die Dokumentation der Verkehrsverstöße lückenlos ist und vor Gericht Bestand hat. Messwert, Zeugendaten, Ortszeit und andere Eingaben zu den Umgebungsbedingungen sind in nur einem Beweismitteldatensatz vereint. Eine zertifizierte elektronische Signatur und Verschlüsselung schützt vor Manipulation von Falldaten und verhindert unberechtigten Zugriff. Optional dokumentiert PoliScanspeed automatisch den Standort. Die Eichgültigkeit wird vollautomatisch überwacht."

 

Gibt es auch Blogleser, die bereits Erfahrungen mit dem System haben?

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5 Kommentare

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Dieses Geschwindigkeitsmessverfahren ist eines der oder das derzeit jüngste zugelassene in Deutschland. Entsprechend wenig Erfahrungsberichte gibt es dazu, insbesondere, was Fehlerquellen betrifft.
Ich finde allerdings die Überschrift etwas irreführend. Das scheint sich aber auch durch die Beiträge anderer Quellen zu ziehen. Das AG sagt nicht, dass das Messverfahren nicht zuverlässig sei, sondern, dass es nicht zuverlässig überprüft werden kann, was ein großer Unterschied ist.

Es ist nicht detailliert bekannt, wie das Gerät den Messwert tatsächlich bildet. Das dürfte eventuell aus den Zulassungsunterlagen der PTB hervorgehen oder ansonsten Firmengeheimnis von Vitronic sein. Im Gegensatz zu anderen Messverfahren, bei denen z. B. die Ausrichtung wichtig ist, suggeriert die Gebrauchsanweisung dieses Geräts, dass man das Gerät mehr oder weniger "irgendwie" aufstellen kann. Da man nicht davon ausgehen kann, dass der Messwert gleichzeitig mit dem Foto gebildet wird, ist es auch schwerlich möglich, anhand des Fotos die Geschwindigkeit des Betroffenen zu überprüfen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich hieraus Gründe ableiten, dass das AG Mannheim wie zitiert entschieden hat.

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Für Experten ist die Problematik in Mannheim bzw. die Entscheidung des Amtsgerichts überhaupt keine Überraschung. Es scheint gesichert, dass auch das von der Stadt Mannheim in Auftrag gegebene Gutachten die Bedenken des Sachverständigen Dr. Löhle aus Freiburg bestätigen wird. Schließlich bietet das Übertretungsfoto keinerlei Plausibilitätskontrolle. Auf diese sollte aber unter gar keinen Umständen verzichtet werden. Insofern wird der Gerätehersteller nachbessern müssen. Zu fragen ist in diesem Zusammenhang, ob PolyScan-Speed-Säulen überhaupt für amtliche Messungen eingesetzt werden sollten. Was passiert zum Beispiel, wenn irgend jemand einen ganz normalen Spiegel unmittelbar vor dem in der Säule unter der Kamera befindlichen Scanner hält und diesen so positioniert, dass der Spiegel einerseits von der Kamera nicht erfasst wird, andererseits aber den Scanner in den Gegenverkehr umlenkt. Dann werden definitiv Fahrzeuge aus der Gegenrichtung gemessen. Befindet sich dann zufällig ein langsam fahrendes Fahrzeug aus der Normalrichtung im Kamera-Blickfeld, ist überhaupt nicht auszuschließen, dass der Geschwindigkeitsmesswert aus der Messung der Gegenrichtung dem langsam fahrenden Fahrzeug zugeordnet wird. Befindet sich dann auch noch zufällig der Fahrzeugrahmen des Messsystems an der richtigen Stelle, muss der langsam fahrende Verkehrsteilnehmer unter Umständen seinen Führerschein abgeben, nur weil ein Fahrzeug aus der Gegenrichtung zu schnell war. So ein Messsystem gehört nicht nur überprüft, sondern muss aus dem Verkehr gezogen werden.

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Ich bin einer der "glücklichen" Empfänger eines der Knöllchens, nachdem die Stadt Mannheim die Fälle aufarbeitet.

Gibt es denn trotzdem die erfolgversprechende Hoffnung auf weitergehende Messfehler oder andere Möglichkeiten, den Knollen wieder loszuwerden?

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Sieht schlecht aus: Der gleiche Richter am Mannheimer Amtsgericht, der noch im Januar aufgrund des Gutachtens von Dr. Löhle die Einstellung des Verfahrens angeordnet hatte, hat nun in einem anderen Verfahren, bei dem mit dem Poliscan speed gemessen wurde, den Bußgeldbescheid bestätigt. Zitat aus dem Urteil: „Die Geschwindigkeitsmessung ist mit dem Messgerät ‚PoliScan speed’ vorgenommen worden. Das Gerät arbeitet amtsbekannt zuverlässig, was sich aus nunmehr zahlreichen Verfahren und mehrfach eingeholten Gutachten ergibt.“

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