Vertragsentwurf zu Internetsperren vom Chaos Computer Club veröffentlicht

von Jan Spoenle, veröffentlicht am 13.02.2009

Hacktivismus allenthalben: Nach dem Gesichtsverlust des Schäuble-Defacements taucht jetzt ein Vertragsentwurf zur Netz-Zensur auf. Der Chaos Computer Club hat auf seiner Website die von Bundesfamilienministerin von der Leyen geplante Verpflichtung der deutschen Access Provider zur Sperrung von Seiten mit kinderpornographischem Inhalt veröffentlicht.

Dabei sollen die notwendigen rechtlichen Anpassungen über Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Internetanbieter vorgenommen werden. Bedenklich erscheint vor allem die Klausel, nach der die Provider den Zugang zu den vom BKA mitgeteilten Websites "auf Grundlage des jeweiligen Stands der Technik" erschweren sollen. Das würde Maßnahmen einschließen, die zwar effektiver funktionieren als bloße leicht umgehbare DNS-Manipulationen, dafür aber in das Fernmeldegeheimnis eingreifen, was wiederum auf vertraglicher Basis schlechterdings unmöglich ist und gegen Verfassungsrecht verstößt (siehe auch das im Auftrag der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) erstellte Gutachten von Prof. Dr. Ulrich Sieber und Malaika Nolde).

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41 Kommentare

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Bedenklich ist für mich zunächst, dass der Bund über keinerlei Kompetenzen für Sperrungsverfügungen verfügt und nun, um dieses kleine Problem zu umgehen, mit den Providern "freiwillige" vertragliche Vereinbarungen trifft. Das ist faktische Eingriffsverwaltung ohne jede Rechtsgrundlage und allein aus diesem Grund rechtswidrig.

Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gilt nicht mehr viel offenbar.

Was die Definition der technischen Anforderungen in diesem Machwerk angeht, ein schönes Zitat aus Fefes Blog:
"Rein technisch fällt auf, dass die da explizit von einer Liste von "vollqualifizierten Domainnamen" reden, nicht von Regex- oder Wildcard-Matches, d.h. wenn der erste Kinderporno-Anbieter einen Wildcard-DNS-Record einträgt, läuft die Liste gegen eine Wand. Der Vertrag wurde offensichtlich von Leuten gemacht, die sich nicht durch Sachkenntnis der Materie ablenken liessen."

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Ich bin so frei, §303a StGB zu zitieren:

"(1) Wer rechtswidrig Daten (§202a Abs.2) löscht, unterdrückt, unbrauchbar macht oder verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar."

§202a Abs. 2
"Daten im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden."

Ohne die Strafbarkeit des Verschaffens von KiPo Material in Frage zu stellen, sehe ich hier durchaus eine Subsumierbarkeit. Denn die Frage der Rechtmäßigkeit der Manipulation sehe ich noch nicht geklärt.

Ohne einen Kommentar zur Hand zu haben:
-Es liegen Daten vor, die übermittelt werden (sollen); sowohl die Namensauflösung im DNS, als auch die tatsächlichen Web-Seiten.
-Ein Nicht-Weiter-Routen von Daten auf der Sperr-Liste ist eine Unterdrückung der Daten; die Anzeige einer Stoppschild-Seite ist ein Veränderung und ein Unbrauchbarmachen der ursprünglichen Website-Daten; erhält der Client falsche/veränderte DNS-Daten, bezieht sich die Veränderung auch auf die DNS-Einträge.
-die Rechtswidrigkeit für die Unterdrückung von Daten (DNS Einträgen) ergibt sich für mich zunächst aus der fehlenden Rechtsgrundlage.

Hierbei fände ich es interessant zu diskutieren: Wem gehören die DNS-Daten, selbst wenn sie beim Provider lagern?
Es ist zu fragen, ob die Daten der DNS-Server, die die Access-Provider betreiben, Daten sind, die dem Access Provider "gehören", sodass er sie rechtmäßig manipulieren kann; oder aber es sind "fremde Daten", die diese bereithält, die ihm übermittelt wurden, um das Internet-Routing funktionsfähig zu halten; dann wären die DNS Routing Daten zwar in seinem DNS Server für das Routing, und unter seiner Kontrolle; aber sie "gehörten" ihm nicht in dem Sinne, dass er sie selbst erzeugt hat. Womöglich darf er sie nicht beliebig, und damit nicht rechtmäßig verändern.

Ohne die Frage der DNS-Veränderung wird in jedem Fall die Übermittlung von Daten der eigentlich angefragten Website-Inhalte -selbst wenn sie strafbares Material enthielte- unterdrückt.

Eine Rechtmäßigkeit für die Unterdrückung erschließt sich mir hierfür momentan nicht. Es gibt mE eine Reihe von Argumenten für die Widerrechtlickeit.

Ein Vorsatz -kein Netzwerk-Ausfall oder eine versehentliche Manipulation- wäre ebenfalls gegeben.

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Ich wundere mich ohnehin, dass dieses Thema beim BKA aufgehängt werden soll, in dessen gerade erst in Kraft getretener gesetzlicher Grundlage m.E. keine Aufgaben- und auch keine Befugnisnorm für die Sperrung von Websites mit kinderpornographischem Inhalt enthalten ist. Zwar sind solche Sperren meiner Ansicht nach aus mannigfaltigen Gründen ohnehin abzulehnen; eine bessere Chance auf Akzeptanz zumindest in der Nicht-Fachöffentlichkeit wäre aber sicher gegeben, wenn entsprechend befugte und erfahrene Stellen wie die KJM im Spiel wären ...

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Könnte das nicht auch ein Fake sein? Wieso sollte das BKA einen Vertrag mit den Providern abschließen? Wegen der Lieferung einer "Stop"-Html-Seite und einer Sperr-Liste? Alles etwas abwegig.

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Zu "Wem gehören die DNS-Daten":

Mir. Wen ich einen DNS-Server laufen habe, sind dies meine Daten...

Ausserdem: Schon die Sperrung einer "Webseite" - à lá ana-Blogs - sperrt nicht gezielt die indizierte Seite, sondern - vergleichsweise - sozusagen die Adresse des Verlages, das geamte Gebäude bzw. Stadtviertel.
Meine These zu den "Kinderpornografieservern": Erpressung, wenn diese Server nicht vom Netz genommen werden sondern von Polizeibehörden weiterbetrieben werden, um angebliche Konsumenten zu phischen, soll mir bitte keiner was von Rechtsstaatlichkeit erzählen. In Grossbritannien erpressete die Polizei vom Unterhaus ein Schlaraffensalzamt und vom Oberhaus haben einige, die die Daten auch hatten, einen Untersuchungsausschuss darüber erpresst. Sollte man sich doch antun, die "Landlside"-Affäre komplett durchzulesen, eine gute Zusammenfassung in deutscher Sprache hier:

http://karlweiss.twoday.net/stories/4056209/

Stuff

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@Stuff:
Vielleicht hab ich da was nicht richtig verstanden, dann klären Sie mich bitte auf:
Enthält Ihr DNS Server nicht (zum allergrößten Teil) gecachte DNS Records, deren Urheber nicht Sie selbst sind? Die (meisten) DNS Records sind doch nur Kopien von Records, die vom jeweiligen authoritative DNS stammen?

Insofern liegen in Ihrem DNS Server Datensätze, die zwar unter Ihrer Kontrolle sind, ja. Aber es sind Kopien von Datensätze, die jemand anders ursprünglich und erstmalig angelegt hat. Und die sich replizieren bis zu Ihrem DNS.

Darauf bezieht sich das Argument. Sie manipulieren fremde Datensätze, deren Urheber sie nicht waren, wenn Sie (fremde) DNS Records ändern. Ich sehe das analog dem DNS Spoofing.

Oder müsste Sie analog nicht auch bei HTML-Daten sagen, wenn Sie zB als Provider einen Web-Proxy zum cachen verwenden, "es sind meine Daten", wenn sie in Ihrem Cach liegen, obwohl sie für Kunden zum Abruf gecacht werden und nicht verändert werden dürfen?

Insofern sehe ich gecachte DNS Records als genauso schützenswert wie gecachte Web-Seiten, die jeweils nicht beliebig manipuliert werden dürfen.

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@j.: Da die ISPs diese Unterdrückung in ihre AGB reinschreiben werden. Ist es dann keine unerlaubte Unterdrückung mehr und somit legal.

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Freiheitsrechte, die die Kommunikation betreffen und damit die Idee einer sich so konstituierenden Öffentlichkeit befördern, haben einen ideellen Ubeerschuss: Es geht um die Verständigung mündiger Bürger um Fragen des politischen, sozialen und kulturellen Lebens. Freiheitsrechte des pesönlichen Kommunikationsbereichs sollen private Interaktionsebenen frei von stattlicher Ingerenz halten. Die Nutzung kinderpornographischer Inhalte leistet nicht nur nichts für eine zivilgesellschaftliche Kommunikationssphäre, sondern ist die Aberkennung der Menschwürde von Kindern, die zu Objekten degradiert und körperlich und seelisch verletzt werden. Diese Form gewalttätiger privater Kommunikation bedarf keines Schutzes, weil sie andere Personen zu Mitteln der (Trieb-)befriedigung degradiert. Kann man im Ernst Freiheitsrechte in Stellung bringen, um solch eine Kriminalität zu unterbinden? Das ist verfassungsgeschichtlich uninformiert, dogmatisch unbelegt und unbegründet, sozial ohne Verständnis für die Prozesse der Identitätsbildung und Anerkennung anderer Personen sowie politisch ohne Sinn und Verstand.

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Sehr geehrter Herr Rechtsarbeiter,

in der hiesigen Diskussion sind Freiheitsrechte der Verbreiter von Kinderpornographie nicht "in Stellung" gebracht worden. Ihr Argument, dass sich die Verbreiter von Kinderpornographie nicht auf Freiheitsrechte berufen können - so habe ich Sie verstanden - scheint mir auch die Problematik nicht hinreichend zu erfassen.
Es sind vielmehr zwei andere rechtliche Probleme virulent:
1. Die Frage, ob der Staat zum Zweck der (wenn auch materiell berechtigten) Unterdrückung bestimmter Inhalte, ohne erkennbare Rechtsgrundlage überhaupt diesen eingeschlagenen Weg (Vertragsschluss mit den ISP) gehen darf.
2. Ob dieses Vorgehen nicht die Gefahr in sich birgt, dass zukünftig auch andere (staatlich unerwünschte) Inhalte auf diese Weise ohne demokratische gesetzgeberische Entscheidung unterdrückt werden.

Es wird daneben auch die technische Frage aufgeworfen (die via "Geeignetheit" letztlich auch eine rechtliche ist), nämlich,
ob die Sperre überhaupt technisch das leistet, was das Ministerium behauptet, nämlich die Verbreitung von Kinderpornographie zu unterbinden und zugleich nicht andere Arten von Inhalten zu stören (siehe die Beispiele aus Skandinavien).

Alles drei sind m.E. diskussionswürdige Anliegen, die nicht damit erledigt sind, dass man auf die rechtsverletzenden und üblen Inhalte hinweist, gegen die hier vorgegangen werden soll.

Beste Grüße
Henning Ernst Müller

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Das Problem kennen wir von den Mautbrücken. Anfangs ein guter Zweck, es werden Einrichtungen geschaffen. Dann kommen die Begehrlichkeiten. Hier mal Mord, da mal Terrorismus. Dann plötzlich schon Raub oder gefährliche Körperverletzung. Dann generell Kfz-Kennzeichenvergleich, kann ja nicht angehen, dass jemand seine Steuern nicht zahlt oder mit gefälschten Kennzeichen rumfährt... Schwupps, da ist die Totalüberwachung da.

Die Dammbruchtheorie trifft aufs Internet leider vollends zu. Wenn es erstmal die Einrichtung gibt, wird man generell überlegen, ob nicht etwa die Propagandadelikte oder Volksverhetzung abzusperren sei. Natürlich muss man den kompletten Datenverkehr erstmal erfassen. Wie das mit dem Durchgangsverkehr durchs deutsche Backbone-Netz dann wohl aussehen mag. Muss ja auch gefiltert werden.

Letztendlich kommen wir da hin, wo China schon heute ist. Der Staatsapparat überwacht die Internet-Nutzung. Alleine eine ungewöhnliche Webadresse ist schon verdächtig und könnte Haussuchungen nach sich ziehen...

Ich muss mich manchmal Wundern. Die deutsche Presse hat soviel über China in Bezug auf Olympia und die Einschränkung der Berichterstattung geschimpft, aber hier in Deutschland regt sich nichts. Ab und zu ein paar Berichte. Eigentlich müsste es Demonstrationen geben gegen Datenvorratsspeicherung oder ähnliche Überwachungsphantasien.

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Alvar Freude berichtet über die letzte Sitzung der "Arbeitsgruppe Access Blocking" und veröffentlicht das Dokument des Familienministeriums (gutachterliche Stellungnahme). Die Autoren versuchen sich an der Bewertung der Frage, ob beim Inhalte-Blockieren ein hoheitlicher Eingriff in das Fernmeldegeheimnis vorliegen soll. Die Juristen des Familienministeriums gelangen zu dem Schluss, dass dies nicht "unmittelbar" der Fall sei.

http://blog.odem.org/2009/02/grundrechtseingriffe-wegzaubern.html

Direkter Link zum PDF Dokument:
http://blog.odem.org/2009/02/19/finale-stellungnahme.pdf

(über Fefes Blog http://blog.fefe.de/?ts=b7630428)

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Meines Erachtens kann man hier auch mal das vom Verfassungsgericht neu geschaffene "Grundrecht auf Integrität Informationstechnischer Systeme" ins Spiel bringen.

Denn der Systembegriff muss hier in der ganzen Kette von Host, DNS-Cache des Providers bis zum Zielhost gelten. Nur dieser System-Verbund macht das Internet funktionsfähig. Wären keine (fremden) DNS Daten repliziert, wären (fremde) Zielhosts nicht auflösbar und erreichbar.
Und werden Bestandteile dieses Systemverbunds, das man auch als Gesamtsystem sehen kann, manipuliert, so wird ihre Integrität verletzt. Die manipulierten DNS Records sind nicht mehr identisch mit den Replizierten.

Dass die Hoheitlichkeit bei der angstrebten Konstruktion hier fehle, ist ein reines Hilfsargument. Nachdem die Provider "die Liste" des BKAs direkt durchschalten und keine eigene Bewertung vornehmen (Verantwortung für die Inhalte tragen Provider ohnehin nicht), ist die Qualität des Eingriffs nicht anders als hoheitlich zu werten.

Ist es also ein hoheitlicher Eingriffsakt, so ist das Grundrecht auf die Integrität des informationstechnischen Systems mE. unbestreitbar betroffen.

Dieser Eingriff bedarf aber einer Rechtsgrundlage; diese fehlt bisher.

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Aus verfassungsrechtlicher Sicht teile ich die hier geäußerten Bedenken. Selbst wenn eine Sperre einzelner Seiten nicht in das Telekommunikationsgeheimnis eingreift, stellt eine staatliche Sperre zumindest einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG dar. Ein solcher staatlicher Eingriff liegt nicht nur dann vor, wenn der Staat selbst die Sperre vornimmt, sondern auch dann, wenn er private Anbieter damit beauftragt, wie es hier geplant ist. Anderenfalls könnte der Staat das Eingriffsverbot leicht umgehen. Der Eingriff bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die für das BKA nicht ersichtlich ist. Damit wäre der öffentlich-rechtliche Vertrag unwirksam und das BKA würde zumindest Art. 2 Abs. 1 GG verletzen.

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Der unten stehende Link verweist auf ein Gutachten (angeblich aus dem Bundesinnenministerium) zur verfassungsrechtlichen und medienrechtlichen Einschätzung des Sperrvertrags (via netzpolitik.org):

http://blog.odem.org/2009/02/19/finale-stellungnahme.pdf

Beim ersten Drüberschauen fällt mir auf, dass lediglich ein Eingriff in Art. 10 GG gepprüft wurde und weder Art. 5 GG noch Art. 2 GG erwähnt werden. Ich halte die verfassungsrechtliche Argumentation für relativ lückenhaft. Herr Uerpmann-Wittzack wird das aber besser beurteilen können.
Besonders pfiffig hält man sich wohl in dem "Trick" hier über einen Vertrag mit den Providern vorzugehen: "Darüber hinaus ist festzustellen, dass, sofern es zu einer Sperrung auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen dem Zugangsanbieter und dem Bundeskriminalamt kommt, es bereits an einem hoheitlichen Eingriff fehlt." Auch diese Folgerung beruht darauf, dass man lediglich einen Eingriff in Art. 10 GG für möglich hält. Den ganzen Text des Gutachtens:

http://blog.odem.org/2009/02/19/finale-stellungnahme.pdf

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Die Umgehung der klassischen Eingriffsverwaltung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag ist wirklich nicht sonderlich originell. Außerdem regeln doch § 54 S. 2, 59 Abs. 2 Nr. 1, 2 VwVfG dieses Problem. Wenn der Vertrag einen VA ersetzt, dann sind an den Vertrag ohnehin dieselben Anfordeungen zu stellen, wie an den VA.

Und was ist eigentlich mit § 58 VwVfG? Ein Vertrag der in Rechte Dritter eingreift, wird erst wirksam, wenn der Dritte zustimmt.

Im übrigen muss beim öffentlich-rechtlichen Vertrag die zuständige Behörde handeln. Nun gibt es aber nach geltendem Recht keine Zuständigkeit des BKA bzw. des Bundes als Verwaltungsträger für Sperrrungen. Vielmehr fällt dieser Bereich bislang in die Zuständigkeit der Länder.

Die Juristen bei Frau von der Leyen, die diesen Unfug rechtfertigen müssen, tun mir aufrichtig leid.

Der wirkliche politische Skandal der Sperrmaßnahmen besteht m.E. aber darin, dass die Analyse der skandinavischen Sperrlisten gezeigt hat, dass ein beträchtlicher Teil der zu sperrenden Server in Europa steht und v.a. Deutschland und Holland mit jeweils über 300 Servern im Spitzenfeld zu finden sind. Siehe:
http://scusiblog.org/?p=330
Vielleicht sollte unsere Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden zuerst ihre Arbeit machen, bevor zu rechtswidrigen und wirkungslosen Maßnahmen gegriffen wird.

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@Stadler: Meines Wissens, sind diese 300 Server in Europa nicht illegal, da dies Seiten nur auf illegales verlinken. So ist z.B. auch eine Seite eines Aktivisten gesperrt der diese eigentlich vertrauliche Domain-Liste veröffentlicht hat.

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Das hier verlinkte Dokument enthielt Passagen, in denen u. a. Verbrechen, die mit einer Mindeststrafe von 2 Jahren bedroht sind, verharmlost werden. Daher habe ich den Kommentar entfernt.

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Interessant, aber es sind einige Ungenauigkeiten drin: z.B. zu den KP Magazinen von CCC

"Diese Zeitschrift wurde ueberall -wenn nicht ueber den Ladentisch zumindest unter diesem- verkauft. Erst in den 80er Jahren wurde die Zeitschrift aufgrund neuer Gesetze eingestellt."

Die kommerziellen KP Magazine wurden in DK im Dez.79 eingestellt, da das dänische Parlament fast einstimmig ein § verabschiedet hatte, nur gegen die Stimmen der Liberalen, welches die Produktion und den Vetrieb/Verkauf/Kauf von KP
( Pornographie mit Unmündigen = unter 15-jährigen nach dänischem Recht ) unter Strafe stellte.

Die Zeitschriften wurden bis zum Verbot in DK/FIN/SWE/BEL/NL NIE unter dem Ladentisch verkauft, denn sie waren nach dem § ja völlig legal.

z.B. konnte man KP Magazine in den NL an Kiosken, in der Bahnhofsbuchhandlung, an Tankstellen, usw. kaufen.

Lediglich in z.B. ÖST oder D wurden sie meist unter dem Ladentisch verkauft, denn der VK von KP war dort nie legal. Wurde allerdings bis zur Wende kaum, bzw. mit nur geringen Geldstrafen verfolgt.

Legal war KP in D/ÖST aber nie.
Letzterer Punkt wird auch aus deutschem Politikermund immer wieder falsch behauptet.

Es wird auch nicht (mehr) erwähnt, daß es durchaus auch große Pornogrossisten in den NL gab, die den Vertrieb von KP aus moralischen Gründen strikt ablehnten (z.B.bookpress), obwohl er bis 86 legal war.

@ Herr Stadler schrieb:

"Vielleicht sollte unsere Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden zuerst ihre Arbeit machen,"

In der Tat liegt die Fehlerquote bei diesen gesperrten Seiten bei 90%.
Der eigentliche Skandal scheint mir, daß hier alles mögliche, aber fast nie KP gesperrt wird !

Wenn das BKA selbst schreibt, in seinem letzten öffentlich zugänglichem Bericht, und dieses auch z.B. von ECPAT bestätigt wird, daß fast alle Server von KP in Weißrussland, Rußland, der Ukraine und Moldawien liegen, dann verwundert es schon sehr, daß praktisch keine Seite aus diesen Ländern auftaucht !

Liest man beim BKA die eigenen Berichte nicht mehr ?

Scheinbar rennt man hier gegen Wände. Kann also in den Ländern selbst nichts erreichen. Nur sperren könnte man dann diese Seiten doch trotzdem ?

Anstatt aber hier den Druck auf dubiose Staaten zu verstärken, wird der Druck im Inland erhöht. Nicht gegen Kinderpornographie, sondern selbst normale Pornographie wird in diesen Sumpf hineingezogen (Stichwort: Jugendpornographie).

Dies scheint der dt. Regierung immer noch nicht zu reichen:

Schon jetzt werden ja Begehrlichkeiten für den "KP" Blocker angemeldet, auch illegale Glücksspiele, rechtsextreme Seiten, Pro Magersucht Seiten, illegale Downloads, usw.usw. auch zu sperren.

Dies alles ohne jede demokratische Kontrolle !

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Liebe Frau Kaiser,

Danke für Ihren Beitrag, aber erlauben Sie mir die Bitte, dass wir "ihr" Thema Jugendpornographie und niederländische Zeitschriften etc. hier von vornherein ausklammern. In den Kommentaren zum entsprechenden Blog-Beitrag wird ja nach wie vor diskutiert, insofern würde ich die Diskussion hier gerne wieder in Richtung einer juristischen und technischen Bewertung der Vorhaben der Bundesregierung lenken.

Danke auch an den anonymen Kommentator für den Hinweis auf den Text im Scusi-Blog. Mich würde einmal interessieren, was diejenigen von den Aussagen des anonymen Insiders halten, die von der anderen Seite aus "professionell" mit dem Thema zu tun haben - also etwa Staatsanwälte, Polizeibeamte und Jugendschützer?

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Bitte prüfen Sie, ob Sie nicht den Beitrag von "Anonym" von 14:13 löschen. Ich habe bei dem in dem Beitrag verlinkten Blogbeitrag ganz stark den Eindruck, dass es sich um eine Anleitung zu kriminellem Tun handelt.

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@ Herr Spoenle:

OK, ich will deshalb auf das Kernthema zurückkommen:

"Der Eingriff bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die für das BKA nicht ersichtlich ist."

Eben, dafür fehlt (noch) eine gesetzliche Grundlage.
Diese wird der Gesetzgeber aber ziemlich schnell nachreichen, vermute ich mal.

"Vielmehr fällt dieser Bereich bislang in die Zuständigkeit der Länder."

Dies ist ja - in Zeiten des Internets - auch ein Anachronismus. Falls es nicht möglich ist dieses auszuhebeln, vermute ich, daß die LKAs in diese Sperren eingebunden werden und praktisch nur die Anweisungen des BKAs 1:1 umsetzen. Die LKAs würden dann den Medienaufsichtsbehörden der Länder Anweisungen geben. Damit wäre pro forma die Hoheit der Länder gewahrt, natürlich nur auf dem Papier.

"Mich würde einmal interessieren, was diejenigen von den Aussagen des anonymen Insiders halten, die von der anderen Seite aus “professionell” mit dem Thema zu tun haben - also etwa Staatsanwälte, Polizeibeamte und Jugendschützer?"

Meine Stellungnahmen kennen Sie ja schon zur Genüge. Fast hätte ich im Herbst 02 eine Karriere als Polizeiwissenschaftlerin in den NL eingeschlagen, aber durch diese Gesetzesreform hat sich dies für mich erledigt.

Stellungnahmen deutscher Polizisten können Sie aber z.B. auf der privaten Polizeiseite "copzone" nachlesen.

Staatsanwälte und erst recht OStA, treten ohnehin nie mit differenzierten Aussagen zum Thema KP an die Öffentlichkeit.

Gelegentlich äußern sie sich lieber in der "SUPER ILLU" oder der "BILD" Zeitung, um immer weitere Gesetzesverschärfungen zu forden.

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@ Frau Strasser:

Sie schrieben:
"(..)Ich habe bei dem in dem Beitrag verlinkten Blogbeitrag ganz stark den Eindruck, dass es sich um eine Anleitung zu kriminellem Tun handelt."

Da der Artikel ja nicht mehr verlinkt ist, will ich da nicht weiter drauf eingehen. Aber ist es nicht Tautologie, diesen Text sofort als strafbare Handlung einzustufen ?

Wenn ich dies so streng auslege, dann wäre bereits die Forderung nach einer Gesetzesänderung strafbar, sofern ich eine Liberalisierung der Gesetze fordere. Mit dieser strengen Auslegung wäre eine liberale Strafrechtsreform nie mehr möglich, weil ja noch nicht mal straffrei darüber diskutiert werden darf, sondern immer nur Forderungen nach weiteren Verschärfungen geäußert werden dürfen !

Wenn jetzt jemand lediglich das alte, ja bis Nov.08 geltende Sexual-Strafrecht verteidigt, macht er sich Ihrer Meinung nach damit schon strafbar ?

Die Frage ist auch für die geplanten Internetsperren relevant, denn Familien- und Justizministerin forderten ja auch, daß pädophile Diskussionsforen ebenfalls gesperrt werden sollen. Die irische Regierung hat sogar schon wissenschaftliche Diskussionsforen ÜBER Pädophilie abgeschaltet.

Der wissenschaftlich recht klar definierte Begriff Pädophile (<12), wird in der Rechtspolitik mittlerweile auf <18 ausgedehnt. Wissenschaftlich gesehen völlig absurd, nur:

Gestern ist mir ein Fall bekannt geworden, wo ein Richter in D einen HD Beschluß unterzeichnet hat, mit der Begründung, der Beschuldigte KÖNNTE KP besitzen, wäre vorbestraft und er hätte unseren Schutzalterblog verlinkt.

Als stichhaltige Begründung für die HD, wurde lediglich die Verlinkung unseres Schutzalterblogs genannt, sowie seine Vorstrafe.

Letzteres kann ja bei einem HD Beschluß eigentlich keine Rolle spielen, dann müßte man bei allen Vorbestraften ständig verdachtsunabhängige HD durchführen.

Unseren Blog lasse ich aber regelmäßig juristisch prüfen, mein Vater ist Rechtsanwalt in D. Er konnte bisher keine strafbaren Links oder Meinungsäußerungen feststellen, ist aber wegen des neuen Sexualstrafrechts auch nicht 100% sicher, wie dies zukünftig ausgelegt wird. Noch nicht einmal das BVG scheint sich ja darüber im Klaren zu sein, wie soll dann da ein "kleiner" Rechtsanwalt durchsteigen ?

Mir scheint, der deutsche Gesetzgeber will hier eine kritische Diskussion abwürgen und viele in eine Ecke stellen, in der sie nicht hingehören.
Absurd auch, daß gegen die Blogbetreiber selbst nicht ermittelt wird, aber gegen jemanden, der diesen legalen Blog verlinkt.

Ich vermute auch mal, daß unser Blog selbst bald in dieser KP Sperrliste auftauchen wird, obwohl er sich klar und deutlich gegen KP ausspricht.

Es gab ja nicht wenige Juristen, selbst in der Expertenkommission des Bundestags, die diese Reform ebenfalls, zumindest in Teilen, kritisiert haben. Wird gegen die dann auch ermittelt ?

Ich will es auf einen Punkt bringen: Sind diese langen Erörterungen hier über Vertragsentwürfe oder Strafrechtsänderungsreformen nicht Makulatur, wenn ohnehin in D willkürlich HD angeordnet werden ?

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@ Jan Spoenle:

Die Arbeitsgruppe mag aufgelöst worden sein, aber die Sperren kommen trotzdem, dann eben ohne "Öffentlichkeit".

Viel Lärm um Nichts...
Schön wenn es so wäre.
Tatsächlich geht man mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln gegen die Kritiker DIESER KP Blockadesysteme vor.

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Eine Sache möchte ich zu dieser Diskussion noch ergänzen, denn es gibt wieder einmal eindeutige Belege dafür, dass die Kinderpornografie an der Quelle effektiv bekämpft werden kann.
http://www.carechild.de/news/politik/internetzensur_carechild_versuch_bl...
Die Erkenntnisse, die der Versuch von Care Child liefert, zwingt zu der Schlussfolgerung, dass Netzsperren schon nicht erforderlich sind, weil es weniger einschneidende und gleichzeitig effektivere Möglichkeiten gibt. Wer bisher in Fachpublikationen die Verhältnismäßigkeit noch bejaht hatte, sollte dies nun nochmals überdenken.
http://www.internet-law.de/2009/03/kinderpornografie-im-web-kann-effekti...
Die traurige Wahrheit ist die, dass deutsche Politiker und Sicherheitsbehörden untätig sind im Kampf gegen die Kinderpornografie im Web sind. Stattdessen ermittelt man hierzulande lieber gegen Blogger die auf Sperrlisten verlinken und führt wie Frau von der Leyen sinnlose Verhandlungen mit den ISPs über "freiwillige" Access-Sperren.

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@Stadler: Das ist zumindest für den Fall richtig und effektiv, dass der einschlägige Content nicht von mehreren Reihen Proxies im Rahmen eines Fast-Flux-Netzes geschützt wird. Häufig schaltet man so nur einige der zahllosen Weiterleitungs-Domains ab, der eigentliche Content hingegen bleibt nach wie vor verfügbar. Richtig ist aber in jedem Fall, dass schon dann, wenn auch diese Technik nur ein Tropfen auf den heißen Stein bedeutete, die Vorgehensweise weniger eingriffsintensiv wäre als eine Sperrung mit hybriden Filtern und effektiver als eine DNS-Sperre.

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Bislang wurden in Deutschland ja immer nur DNS-Sperren diskutiert und bei den Düsseldorfer Sperrvefügungen auch praktiziert. Das dürfte jedenfalls die am wenigstens geeignete Maßnahme sein.

Weiterleitungs-Domains scheinen aber auf den skandinavischen Sperrlisten auch jede Menge vorhanden zu sein. Leute die sich getraut haben das zu testen, berichten, dass 80 % der zu sperrenden Domains ohnehin tot sind.

Warum sollten deutsche Ermittler nicht einfach hergehen und Abuse-Mails schreiben? Es ist doch seltsam, dass die Mehrzahl der Sites, die auf den Sperrlisten stehen, in Ländern gehostet werden, in denen Kinderpornografie strafbar ist.

Bei Servern, die in Europa und Nordamerika stehen, sind Access-Sperren m.E. immer unverhältnismäßig, weil man die Hoster und die Behörden vor Ort informieren kann. Die Bezirksregierung Düsseldorf konnte ja noch damit argumentieren, dass diese NS-Geschichten in den USA nicht strafbar sind. Bei Kinderpornografie zieht dieses Argument aber nicht.

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Herr Stadler schrieb:

"Es ist doch seltsam, dass die Mehrzahl der Sites, die auf den Sperrlisten stehen, in Ländern gehostet werden, in denen Kinderpornografie strafbar ist."

Ja ! Mittlerweile ist aber ohnehin in fast allen Staaten, Afrika mal ausgenommen, KP strafbar.

Daß z.B. islamische Länder keine spez. § gegen KP haben, heißt ja nicht, daß sie dort nicht strafbar wäre. In diesen Ländern ist jegliche Pornographie verboten.

Es ist noch seltsamer, daß kaum eine Adresse aus den Ländern stammt, die doch laut BKA Bericht das Kinderpornozentrum Europas sind, z.B. Belarus, Moldawien, Ukraine, Rus.

Am Allerseltsamsten ist allerdings, daß fast nur harmlose und vollkommen legale Seiten gesperrt werden.

Sie schrieben:
"Die traurige Wahrheit ist die, dass deutsche Politiker und Sicherheitsbehörden untätig im Kampf gegen die Kinderpornografie im Web sind."

Kann ich absolut nicht bestätigen, wenn ich mir die Flut der HD und Ermittlungsverfahren ansehe. Nur geht der Staat auch gegen Kritiker massiv vor, bei denen er dann eine Verbreitungsabsicht von KP konstruiert.
Auch der perfekt getimte Fall Tauss, der macht mich doch sehr stutzig.

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Wenn man aus dem "perfekt getimet" Verschwörungstendenzen entnehmen soll, so sind diese doch nach der derzeitigen Erkenntnislage an den Haaren herbeigezogen.

Tauss' Behauptung solches Material aus Gründen seiner Arbeit als Abgeordneter und damit "dienstlich" im Sinne des § 184b V StGB zu haben, ist wenig glaubwürdig. Auch ohne jetzt einen aktuellen Kommentar zur Hand zu haben, zielt dieses Privileg wohl nur auf die Staatsanwälte, Rechtsanwälte & Co., also direkte Verfahrensbeteiligte, ab.

Warum sollte ein Abgeordneter in seiner Privatwohnung und nicht in elektronischer Form so etwas aufheben? Die Strafbarkeit kannte er wohl als Experte auch nur zu gut und auf einer "Abnehmerliste" zu stehen, komplettiert einen gewissen Eindruck, dass er wohl nicht zu dienstlichen Zwecken das brauchte. Inwieweit das nun ein Zufallsfund oder ein gelenkter Fund sein soll, ist doch dann nachrangig.

Die Ermittlungen werden sicherlich mit Hochdruck nun geführt werden; es ist ja auch nicht ganz unwahrscheinlich, dass noch andere Abgeordnete davon evtl. gewusst und vielleicht darin verwickelt sind. Im Vorfeld der Listenkandidaturen spielt das natürlich eine große Rolle.

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Passend zum Thema ist nun die juristische Einschätzung des zuständigen BMI-Referats im Netz aufgetaucht. Eine inhaltliche Zusammenfassung für den schnellen Überblick bietet u.a. Heise. Interessant finde ich, dass das BMI einerseits der Meinung zu sein scheint, HTTP-Get-Requests würden keine von Art. 10 GG geschützte Kommunikation darstellen, aber andererseits dynamischen IP-Adressen ohne große Diskussion Personenbezug angedeihen lässt. Vielleicht wurde ja einfach nur die Schablone zur Beurteilung der Eingriffsintensität verkehrt herum gehalten ...

Herr Hoeren hat es in dem anderen einschlägigen Strang schon verlinkt, deshalb hier auch noch einmal. Die Leyen-Internet-Sperre via "freiwilligem" Vertrag wird offenbar derzeit nicht weiterverfolgt:

http://www.heise.de/newsticker/Freiwillige-Vereinbarung-zu-Kinderporno-S...

Andererseits hat von der Leyen noch nicht aufgegeben. Siehe hier:

http://www.neuepresse.de/Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/Familienmi...
Angeblich verhandelt sie weiter mit "acht großen Zugangsanbietern"  und "einzelne Verträge sind bereits unterschriftsreif" Sie würden in den kommenden Wochen geschlossen.

 

Vielleicht blamiere ich mich ja oder es entsteht der Eindruck, da will sich jemand wichtig machen, oder vielleicht lande ich ja auf der "Watch-List" des BKA.

Ich werde heute oder morgen bei der Staatsanwaltschaft München einen Strafantrag gegen Frau von der Leyen, Herrn Schäuble und Herrn Ziercke stellen. Ich sehe den Anfangsverdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung mit dem Ziel der Begehung von Straftaten nach §303a StGB. Und zwar gilt dies solange und soweit die Sperr-Bemühungen in der Ausprägung "DNS Blockade" oder "DNS Manipulation" vom BKA in Komplizenschaft mit Access Providern ohne weitere Rechtsgrundlagen durchgeführt werden sollen.

Die Access Provider sollen in den Vereinbarungen DNS-Daten vorenthalten oder verändern.  Diese Daten gehören aber nicht den Access Providern, sondern die DNS Datensätze sind Kopien von Original-Datensätzen, die ein Authoritative Domain Server erstmalig und alleingültig herausgibt, und die weitergegeben werden, mit dem Ziel der Weiterleitung an den Endkunden.  Sie werden herausgegeben, in der Annahme, dass andere DNS Server sie unverfälscht an die Endkunden oder weitere Server weitergeben.

Es sind also fremde Datensätze, die der Provider deshalb zwischenspeichert, weil Bandbreiten und Serverkapazitäten begrenzt sind und nicht jeder Host direkt beim Authoritative anfragen kann. Allein technische Kontrolle über zwischenspeicherte, fremde Daten konstitutieren noch keine Rechtmäßigkeit beliebiger Manipulation. Die Frage wäre: Kann sich der Provider aussuchen, welche Daten, die er zur Weiterleitung erhält, er an Kunden weiterleitet und welche er unterdrückt oder "unbrauchbar macht", wie es in der Norm heisst?

Solche fremden Datensätze müssen damit, so meine Überzeugung, dem Schutzbereich des §303a StGB unterfallen. Dieser belegt die rechtswidrige Manipulation, das Vorenthalten oder Unbrauchbarmachen von Daten mit Strafe.

Die Sperren erfolgen auch nicht auf der Rechtsgrundlage der eigentlich zuständigen Landesbehörden (youporn-Fall).

Damit sind etwaige Veränderungen an den zwischengespeicherten Daten durch die Provider im Auftrag des BKA "rechtswidrig".

Ein nur im Auftrag des nicht zuständigen BKAs handelnder Provider, der die ihm von anderen Servern übertragenen DNS Daten ändert, handelt mE hier nicht anders, als ein Hacker, der den DNS-Server von Access Providern so manipuliert, dass Kunden anstatt zum eigentlichen Ziel-Host zum Host des Angreifers geleitet werden.
Beide machen sich strafbar.

Die Konstruktion mittels Vertrag zwischen BKA und Access Providern könnte man vielleicht mit einem Tatherrschafts-Kontrollapparat vergleichen. Die Täterschaft der DNS-Manipulation liegt direkt beim BKA, da die Listenerstellung und der Taterfolg -unbrauchbarmachen oder verändern von DNS Datensätzen- untrennbar zusammenhängen, und die Access Provider die Liste nur im Auftrag durchschalten.

Ab dann möge sich die Staatsanwaltschaft mit dieser Frage auseinandersetzen.

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Ob hier eine Strafbarkeit nach § 303a StGB gegeben wäre, halte ich für fraglich. Schon oben wurde darauf hingeweisen, dass die Provider im Zweifel ihre Kunden in ihren AGB darauf hinweisen, dass Seiten, die das BKA als kinderpornographisch bzw. als solche mit strafbarem Inhalt einstuft, nicht aufgerufen werden können (#10).  Dann wäre die Umleitung und die damit einhergehende Unterdrückung von Daten nicht unbefugt.
(Nicht im Inhalt aber in der Form analog einer Bestimmung der Post, die Versendung von explosiven Materialien sei ausgeschlossen und im Falle, dass diese trotzdem zur Post gegeben werden, selbige sofort entsorgt werden)
Hinzu kommt, dass die Sperre die allgemein angenommene Schutzrichtung des § 303a StGB wohl nicht betrifft. Denn nicht derjenige, der die Daten abruft, sondern derjenige, der eine  "eigentümerähnliche" Verfügungsberechtigung hat, soll durch § 303a StGB vor Unterdrückung/Veränderung/Löschen seiner Daten geschützt werden. Aber derjenige wird durch eine Sperre wie sie hier vorgesehen ist, nicht betroffen.

Problematisch ist es aber, dem BKA ohne eindeutige Rechtsgrundlage die Entscheidung darüber zu geben, welche Webseiten auf diese Art "gesperrt" werden - im Zweifel können dann die Gründe für die Sperrung auch nicht mehr überprüft werden, es entsteht eine Art "Polizeizensur" extra legem. Wie hier auch schon angemerkt wurde, gibt es im Ausland eine Tendenz dazu, auch diejenigen Seiten zu sperren, auf denen über die Sperre diskutiert wird. Damit erhielte die Polizei die Möglichkeit, eine Diskussion über ihre Arbeit zu unterdrücken. Nach wie vor gelten zudem die verfassungrechtlichen Bedenken einer Sperrmöglichkeit ohne gesetzliche Grundlage auf Vertragsbasis zwischen Providern und Staat.
Die Befürchtung auch andere von der Exekutive als "strafbar", "jugendgefährdend" oder "urheberrechtlich bedenklich" angesehene Inhalte zu sperren, wenn diese Möglichkeit einmal eröffnet wurde, ist  naheliegend.

Lieber Herr Prof. Müller,

ich gebe zu, dass ich den §303a hier etwas weiter auslege; ich sehe in der korrekten Weitergabe der Zuordnungsinformation durchaus ein Interesse des Domain-Inhabers, vor Manipulation (oder Umleitung) geschützt zu werden.

Ich verstehe Ihre Argumente bezüglich der AGB; andererseits frage ich mich im Umkehrschluss, ob es folglich für einen Access Provider straffrei möglich wäre, etwa ein Verbraucherforum, das negativ über ihn selbst berichtet, aus seinem DNS zu entfernen, um seinen Kunden Negativkritiken vorzuenthalten. Insofern, so wäre meine Einschätzung, hätte der Veröffentlicher des DNS Datensatzes des Verbraucherforums durchaus ein Interesse daran, dass sein Datensatz nicht unterdrückt würde. Käme der §303a hier nicht zur Anwendung, dann wäre der Provider, zumindest nach dieser Norm, nicht verfolgbar.

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Sehr geehrte/r Frau/Herr beyond,

auch in diesem Fall käme meine strafrechtliche Würdigung zum Ergebnis, dass nicht § 303a StGB verwirklicht wäre. Allerdings könnte es gut sein, dass dann eine zivilrechtliche Pflichtverletzung des access providers vorläge. Das Ausnutzen einer Monopolstellung zur unterdrückung von Kritik könnte auch  wettbewerbsrechtliche Folgen haben. Zudem würde ein solches Wettbewerbsverhalten sicherlich diesen acess provider am Markt "unmöglich" machen. Nicht jedes (zivil-)rechtswidrige Verhalten ist auch strafbar. (Analog: das bloße Zustellen einer Werbeplakattafel eines Konkurrenten, so dass dessen Werbung nicht mehr vom breiten Publikum wahrgenommen werden kann, ist nicht nach § 303 StGB tatbestandsmäßig, könnte aber einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch nach sich ziehen).

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