Internetüberwachung durch das BKA: Löschen statt sperren? Ist das ein gutes Argument?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 08.06.2009

In der intensiven Diskussion um Netzsperren, angeregt durch den umstrittenen Gesetzentwurf von Bundesfamilienministerin von der Leyen, wird ein Argument prominent vorgetragen: Die bloße Sperre sei ineffektiv, die Löschung durch den Provider sei der einzig sinnvolle Weg, um Kinderpornographie aus dem Internet zu verbannen. Dem ist im Ergebnis grundsätzlich zuzustimmen, denn strafbare Inhalte, insbesondere Kinderpornographie haben im Netz nichts verloren. Aber trägt dies auch als Argument gegen die Listen des BKA und die DNS-Sperren? Meines Erachtens nicht, im Gegenteil.

Schon frühzeitig tauchte im Netz die Behauptung auf, in Skandinavien gesperrte und auf deutschen Servern gehostete Kinderpornographie sei von der deutschen Polizei nicht verfolgt worden und auch nicht aus dem Netz entfernt worden, obwohl dies ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Allerdings konnte mir auf Nachfrage kein konkreter solcher Fall genannt werden, in dem tatsächlich in Deutschland strafbare Kinderpornographie von der deutschen Polizei bewusst nicht verfolgt wurde (siehe hier). Vielmehr ergab sich, dass diese auf skandinavischen Listen genannten und auf deutschen Servern gehostete Seiten wohl gar keine nach deutschem Recht strafbare Kinderpornographie (mehr) enthielten.
Ein weiteres Argument betraf ausländische Server bzw. Host-Provider: Hier sei es so, dass man - wie die Organisation carechild und der deutsche Netzaktivist Alvar Freude (AK gegen Internetsperren und Zensur) mit eigenen Versuchen dokumentierten - ohne Weiteres auch die ausländischen Provider dazu bringen könnte, einschlägige Seiten zu entfernen (zu löschen), wenn man sie auf die strafbaren Inhalte hinweise:
Zitat vom AK gegen Internet-Sperren und Zensur:
„Die Abschaltung von Webauftritten mit kinderpornographischen Inhalten dauert nicht länger als die Übermittlung einer Sperrliste. Dies führt die Argumentation der Befürworter des bloßen Sperrens ad absurdum - es gibt keinen sachlichen Grund, strafbare Inhalte im Netz zu belassen und sie für alle einschlägig Interessierten mit minimalem Aufwand weiterhin zugänglich zu halten. Was für eine Bürgerinitiative wie den Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur möglich ist, sollte für die deutsche Regierung und Strafverfolgungsbehörden ein Leichtes sein und die hier erzielten Ergebnisse deutlich übertreffen können."

Mit dieser Argumentation brachte man die Familienministerin tatsächlich etwas in Bedrängnis. Aber sie hat bereits argumentiert, man müsse natürlich beides tun: löschen, wenn möglich und sperren zumindest dann, wenn eine Löschung länger dauere. Letzteres sei insbesondere bei ausländischen Servern erforderlich. Nun wurde ja belegt, dass man auch ausländische Provider mit E-Mail oder Telefonanruf recht schnell dazu bringen konnte, die inkriminierten Seiten vom Netz zu nehmen. Die Vorgehensweise des BKA, erst einmal den zeitlich ineffektiven Dienstweg einzuschlagen, sei hingegen amateurhaft.
Erfolg dieser Argumentation: Es kann wohl damit gerechnet werden, dass der Gesetzentwurf tatsächlich entsprechend geändert wird, nämlich, dass ein Löschversuch der Sperre vorausgehen muss, bzw. beides gleichzeitig erfolgen muss.

Aber es fragt sich, ob damit nicht das Argument der Netzaktivisten schlichtweg verpufft wie schon bei der groß in Szene gesetzten Strafanzeige gegen die Familienministerin (siehe hier). Die Netzsperren sind ja nicht deshalb problematisch, weil sie sich gegen strafbare Kinderpornographie richten, sondern weil man befürchten muss, mit der Einführung solcher Sperrlisten werde ein Modell zur Inhaltskontrolle des Internet eingeführt, das künftig auch andere Inhalte betreffen könnte. Problematisch erscheint dabei vor allem die dem BKA zugedachte Funktion als Inhaltskontrolleur des Netzes.  
Wenn das BKA aber nunmehr noch dazu gedrängt und ermächtigt wird, nicht einmal mehr den Dienstweg einzuhalten, wenn es um die Löschung (nicht nur Sperre) von Inhalten geht, die auf ausländischen Servern vorgehalten werden, wird das Problem nicht geringer sondern tendenziell eher größer.  Denn wie wäre es zu beurteilen, wenn das deutsche BKA künftig einfach ausländische Host-Provider anruft, schönen Gruß von der deutschen Regierung bzw. Polizei ob man nicht freundlicherweise „freiwillig" die ausländische Nazi-Propaganda vom Netz nehmen wolle, Urheberrechtsverletzungen bitte auch, und vielleicht auch noch diesen unseriösen koreanischen Killergame-Anbieter und den osteuropäischen Glücksspielanbieter (wegen der „Suchtgefahr" und der Konkurrenz zum Staatslotto Deutschlands)? Wenn die nicht spuren, kann man ja immer noch (ersatzweise) sperren.

Da erscheint mir der ordnungsgemäße Dienstweg fast noch die rechtsstaatlichere Lösung.

Links: Kommentar von Christian Rath in der taz und Thomas Stadler auf internet law zum "Dienstweg".

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23 Kommentare

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Man könnte natürlich auch einfach den Dienstweg optimieren. Zunächst auf deutscher Seite, weil wir hier eigene Kompetenzen haben. Durch internationale Abkommen könnte man dies aber vielleicht auch in einigen anderen Staaten erreichen. Und Schwubbs haben wir wieder die Löschung als vorzugswürdige Lösung.

Ein langer Dienstweg kann vor allem dann nicht als Ausrede herhalten, wenn dieser im Zurechnungsbereich der Bundesregierung bzw. der Landesregierungen liegt und durch personelle wie organisatorische Veränderungen verkürzbar wäre.

Absurd ist es dagegen, wenn wegen eines etwas längeren Dienstweges eine "vorübergehende" Sperre verlangt wird, weil man einer dauerhaften Rechtsverletzung nicht tatenlos zuschauen könne. Nichts anderes geschieht bei der Ermittlung von ganzen KiPo-Händlerkreisen (Mikado, Himmel) und ist auch außerhalb des KiPo-Disziplinierungsrechts üblich. Aber hier will man ja dem Vernehmen nach primär Gefahrenabwehr betreiben und eben keine Strafverfolgung, was natürlich die absolute Dringlichkeit erfordert. Aber müsste mit dem gleichen Argument, haben wir es einmal in der Welt, nicht auch jegliche Observierung und Infiltrierung von Händlerkreisen abbrechen, um die Rechtsverletzungen unverzüglich zu beenden? Ist das nicht die Konsequenz aus einer vermeintlich zwingend unmittelbaren Reaktion?

Der Gedanke dahinter ist nicht wirklich neu. Statt die Handlung zu sanktionieren, verhindern wir sie lieber. Das ist dem Grunde nach logisch. Beißt sich jedoch wieder mit Art. 5 I 3 GG, der ja eben die vorherige Intervention verhindert bzw. massiv einschränkt - wenn auch nur im Bereich der Meinungsfreiheit.

Sehr geehrter Herr Malte S.,

Sie schreiben: "Der Gedanke dahinter ist nicht wirklich neu. Statt die Handlung zu sanktionieren, verhindern wir sie lieber." Ja, das eine nennt man Strafrecht  das andere Polizeirecht. Beides existiert seit langer Zeit nebeneinander und hat auch beides seine Berechtigung. Nur, bei der (vemeintlichen) Alternative Löschen/Sperren geht es ja gar nicht um Sanktionieren oder Gefahrenabwehr, es sind vielmehr beides Formen der Gefahrenabwehr. Und um "Verhinderung" einer Handlung geht es auch nicht, denn sowohl Löschen als auch Sperren setzt ja voraus, dass bereits die Handlung, nämlich das Verbreiten von strafbaren Inhalten erfolgt ist. Ob der Begriff "Zensur" hier passt, darüber haben wir ja schon an anderer Stelle gestritten. Eine "vorherige Intervention" kann ich auch bei der Sperre nicht erkennen.

Ob eine sofortige Reaktion/Gefahrenabwehr erfolgen muss oder gewünscht wird, ist m.E. eine rechtspolitische Frage (letztlich Mehrheitsentscheidung). Nur weil man anderer Stelle auf ein sofortiges Abstellen der Straftaten zugunsten besserer Ermittlungen verzichtet, heißt das nicht, dass man gezwungen wäre, dies überall so zu handhaben.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

selbstverständlich ist mir der Unterschied zwischen präventivem Gefahrenabwehrrecht und repressivem Strafrecht geläufig. Der Begriff Polizeirecht für Gefahrenabwehrrecht wurde mir zumindest als reichlich veraltet beigebracht - obwohl die "gute policey" ja mittlerweile wieder auf dem Vormarsch ist.

Selbstverständlich muss nach dem aktuellen Plan bereits eine rechtswidrige - bei weitem keine strafbewehrte - Handlung bzw. ein solcher Zustand vorliegt. Ich meinte das auch weniger auf exakt auf diesen Fall bezogen, sondern auf die Tendenz der Rechtspolitik. Wir bewegen uns jedoch in einen Bereich, in dem rechtspolitisch immer stärker mit der Gefahrenabwehr argumentiert wird, während die damit begründeten Methoden schon längst für repressive Maßnahmen eingeplant werden.

Natürlich ist es auch mit reinen Gefahrenabwehrmaßnahmen schon möglich faktische Strafen zu erreichen. Man denke nur an die abschreckende und diskreditierende Wirkung, wenn eine Domain plötzlich auf der Sperrliste steht; der tatsächliche Inhalt ist dann schon egal. Einfach und effektiv.

Argumentativ muss auch die "Mehrheit" schlüssig begründen können, warum man an der einen Stelle eine sofortige an der anderen eine extrem verzögerte Aktion wünscht. Selbst wenn man dem Gesetzgeber - der zumindest im Ermittlungsbereich diese Entscheidung ja gar nicht trifft - einen extrem weiten Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum überläßt, entbindet das im diskursiven Bereich nicht von dem ZWang zur Begründung.

Im Übrigen ist auch sehr interessant, dass scheinbar auch international lieber auf die Sperre als auf die Löschung geguckt wird (via RA Stadler). Die Löschung - das um Längen sinnvollere Mittel - wird gar nicht wirklich gewollt. Sperren sind um einiges sinnvoller...

Mit besten Grüßen

Malte S.

Sehr geehrter Herr Kompa,

danke für den Hinweis auf den Beitrag auf Telepolis, der sich kritisch mit den FAQ auf der Seite des Familienministeriums auseinander setzt. Eine Anmerkung dazu:

Frau Winsemann kontert gegen die Argumentation der Familienministerin, es müsse (und werde) nicht nur gesperrt, sondern auch mit Strafe verfolgt sowie gelöscht:

"Dennoch finden sich auf europäischen Sperrlisten auch deutsche Seiten, was zu einer Ungereimtheit in den FAQs führt, die den Leser nicht nur fassungslos, sondern auch wütend zurücklässt."

Dies trifft zu, kann aber auf mehreren Gründen beruhen, die bei näherem Hinsehen die Fassungslosigkeit und Wut reduzieren:

a) es war nie Kinderpornographie darauf - die Site wurde irrtümlich oder fehlerhaft von der ausländischen Behörde/dem ausländischen Sperrlistenverantwortlichen gesperrt.

b) Die site enthielt oder enthält nur Links auf Kinderpornographie und wurde deshalb gesperrt

c) die Site enthielt irgendwann einmal Kinderpornographie, die aufgrund der Sperre oder aus sonstigen Gründen inzwischen gelöscht wurde. Dass die Sperrlisten eine Vielzahl solcher veralteter links enthalten, liegt daran, dass die ausländischen Sperrlisten (ebenso wenig wie die vom BKA geplante) keinerlei Routine kennen, wie eine Domain wieder von der Sperrliste herunter genommen werden soll. Dies ist ein entscheidender Gesetzesfehler und führt zu ständig wachsenden Sperrlisten mit ganz überwiegend veralteten Angaben.

Aber: In allen drei Fällen kann man der bundesdeutschen Polizei nicht vorwerfen, sie verfolge keine Täter. Wo nichts (mehr) ist, kann auch nicht verfolgt werden. Ich warte immer noch auf eine konkrete Angabe (mit vollständigen Daten!) von einer nach deutschem Strafrecht beurteilten kinderpornographischen Seite auf einem deutschen Server, bei der die Verantwortlichen, obwohl die Tat der Polizei bekannt geworden ist, nicht verfolgt wurden. Ich würde in einem solchen Fall auch Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt erstatten.  Bisher habe ich, wenn man den entsprechenden Behauptungen nachgeht, diese nicht bestätigt gefunden. Allein, dass eine auf deutschen Servern gehostete Seite auf einer ausländischen Sperrliste steht, sagt noch nichts aus.

 

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

Selbstverständlich ist eines der Hauptprobleme bei den Sperren, dass diese auf weitere Inhalte ausgeweitet werden. Das sage ich schon seit Jahren ;-)

 

Ansonsten ist es durchaus so, dass eine halb-offizielle "Stelle" entsprechende Lösch-Aufforderungen an ausländische Provider verschickt. So sagt jugendschutz.net im Jahresbericht 2007:

"Im Ausland lässt sich die Einhaltung des Jugendschutzes am besten über die Kontaktaufnahme zu Host-Providern durchsetzen, die den Speicherplatz im Internet zur Verfügung stellen. Mit Hinweis auf deren Geschäftsbedingungen konnte jugendschutz.net 2007 insbesondere die Entfernung rechtsextremer Angebote erreichen. In 80 % der Fälle war das so genannte Notice-and-Take-Down-Verfahren erfolgreich."

 

Ansonsten: es geht bei der Diskussion ja um zwei wesentliche Elemente: auf der einen Seite haben wir Teile der Politik, die etwas gegen die Verbreitung von Kinderpornographie machen wollen. Auf der anderen Seite die große Mehrheit der Netzgemeinschaft, die keine Sperr-Systeme etabliert haben will. Mit "Löschen statt Sperren" können beide zufrieden sein.

Könnten. Denn offensichtlich ist zumindest eine der beiden großen Parteien weitergehenden Sperrungen nicht ganz abgeneigt, möchte das aber erstmal nicht so laut sagen ...

 

Grüße

  Alvar Freude, http://ak-zensur.de/

 

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Alvar Freude schrieb:

 Auf der anderen Seite die große Mehrheit der Netzgemeinschaft, die keine Sperr-Systeme etabliert haben will.

Grüße

  Alvar Freude, http://ak-zensur.de/

 

Und da sitzen Sie einem Irrtum auf. Die große Mehrheit der Netzgemeinschaft, die sich zu diesem Thema artikuliert, ist gegen Sperr-Systeme. Die Mehrheit als solche ist dafür, wie auch die Mehrheit der Gesamtbevölkerung sind dafür, sofern parallel Maßnahmen zum Löschen ergriffen werden. Und das ist aktuell schon der Fall, auch wenn dies immer wieder anders dargestellt wird.

 

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"Wenn das BKA aber nunmehr noch dazu gedrängt und ermächtigt wird, nicht einmal mehr den Dienstweg einzuhalten, wenn es um die Löschung (nicht nur Sperre) von Inhalten geht, die auf ausländischen Servern vorgehalten werden, wird das Problem nicht geringer sondern tendenziell eher größer."

Momentchen mal: es geht mE nicht darum, dass das BKA sich rechtswidrig verhalten soll (was mE hoch problematisch wäre), sondern darum, dass der momentan rechtswidrige "kurze Dienstweg" rechtmäßig ausgestaltet werden kann und nach meiner Auffassung sollte.

Der Gesetzgeber hätte das durchaus in der Hand, indem multilaterale Abkommen abgeschlossen werden, die den Polizeibehörden (oder einer zentralen Stelle) in Fällen von Dokumenten, die Kindesmißbrauch zeigen, wechselseitig die Befugnis einräumt, die entsprechenden Hoster unmittelbar zu kontaktieren (die dann nach einem mit den örtlichen Strafverfolgungsbehörden abgestimmten Procedere) die jeweiligen Inhalte aus dem Netz nehmen - oder gibt es da grundsätzliche Bedenken?

Das hätte zwei angenehme Effekte: Die Dokumente mit Kindesmißbrauch verschwinden effektiv aus dem Netz und es bleibt (jedenfalls mutmaßlich) auf Dokumente mit Kindesmißbrauch beschränkt, weil nur dort der internationale Konsens groß genug sein dürfte, um eine Löschung zu erreichen.

MfG aus K

Ein Aspekt kommt bei der Diskussion meiner Ansicht nach bislang zu kurz:

Bevor man sich um die Fragen der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit i.e.S. kümmert muss man doch zunächst klären, wie eine derartige Sperre in die Grundrechte jedes Einzelnen eingreift.

An dieser Stelle wird von den Befürwortern immer argumentiert, es gebe kein Recht auf den Zugang zu den illegalen Inhalten.

Ich sehe jedoch den Eingriff in erster Linie darin, dass bei derartigen Sperren jeder (legale) Zugriff auf das Internet mit den Sperrlisten abgeglichen wird, um die illegalen Inhalte herauszufiltern. Mit anderen Worten wird bei jedem Webseitenzugriff bei dem Erfüllungsgehilfen des BKA nachgefragt, ob der Zugang zu dieser Webseite zulässig ist. Hinzu kommt, dass die Liste auch geheim ist, man bei seinem Handeln gar nicht abschätzen kann, ob der Zugriff gestattet wird oder nicht.

Die Schwere dieses Eingriffs zeigt sich vor allem bei den Menschen, die einen Großteil ihrer sozialen Kommunikation über das Internet tätigen. Es führt dazu, dass ein Großteil Ihrer sozialen Interaktion stets mittelbar vom BKA erlaubt werden muss.

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Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

ich gestattte mir einige Anmerkungen zu Ihrem sehr interessanten Beitrag. Ihren Hinweis, dass Ihnen niemand einen konkreten Fall benennen konnte, in dem strafbare Inhalte von der deutschen Polizeit nicht verfolgt worden sind, kann ich zumindest anhand Ihres Links nicht nachvollziehen. Es war offenbar zumindest so, dass man einen für Durchsuchungsmaßnahmen ausreichenden Tatverdacht bejaht hat, während man es zeitgleich nicht für notwendig befand, die Inhalte beim Hoster entfernen zu lassen.

Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur sammelt möglichst alle Argumente, die gegen Netzsperren sprechen, von denen Sie jetzt ein einzelnes herauspicken.

Das Argument ist - vielleicht sind sie ja anderer Ansicht - im Ergebnis zumindest juristisch stichhaltig. Denn im öffentlichen Recht gibt es eine abgestufte Störerhaftung, die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung trägt. Danach ist es zur Beseitigung einer Gefahr grundsätzlich nicht statthaft einen Nichtstörer (Access-Provider) in Anspruch zu nehmen, wenn die Möglichkeit besteht, die Störung anderweitig zu beseitigen. Das klang im Rahmen der Expertenanhörung im Wirtschaftsausschuss auch sehr deutlich an. Ihr Kollege Prof. Bäcker - der einzige Verfassungsrechtler der dort eingeladen war - hat auf diesen Aspekt hingewiesen.

Das BKA muss sich eigentlich in jedem einzelnen Sperrfall die Frage stellen, ob es eine einfachere und mindestens gleich effektive Möglichkeit gibt, die Gefahr zu beseitigen. Der pauschale Sperrautomatismus, wie er im Gesetzesentwurf vorgesehen ist, genügt diesen Anforderungen nicht. Nachdem die Erfahrung zeigt, dass man einen Großteil von tatsächlicher Kinderpornografie durch schlichte Abuse-Mails innerhalb von Stunden aus dem Netz bekommt, besteht in Fällen tatsächlich auch eine effektivere Handlungsmöglichkeit.

Dass sich deutsche Behörden an ausländische Host-Provider wenden, um rechtsradikale Inhalte "sperren" zu lassen, hat die Bezirksregierung Düsseldorf bereits praktiziert. Dort hatte man offenbar keine Bedenken wegen Nichteinhaltung des Dienstwegs.

 

Schöne Grüße

Thomas Stadler

 

 

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Zu #11, Sven:

 

Jetzt kann man sich natürlich trefflich darüber streiten, wen man alles zur "Netzgemeinschaft" zählen soll. Jeder, der in der Firma mal an einen Computer mit Internet-Anschluss herankommt, oder jeder der von zu Hause aus einmal in der Woche E-Mails liesst? Oder nur solche Leute, tagtäglich mehrere Stunden online sind und selbst Inhalte im Internet publizieren oder anderweitig sehr aktiv sind?

Ich denke, beides ist falsch, aber darüber kann man natürlich trefflich streiten.

 

Fakt ist, dass Sperren nicht nötig sind, um gegen Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern (Kinderpornographie) vorzugehen, wie auch die Studie aus Cambridge zeigt.

Es gibt also nur drei Gründe Sperren zu fordern:

 

  1. entweder will man mittel- und langfristig ganz andere Inhalte sperren, bei denen die Sperren im Gegensatz zu dem Bereich Kinderpornographie auch wirken
  2. oder eine effektive Strafverfolgung ist nicht gewünscht oder mit den technischen und personellen Kapazitäten der Ermittler nicht machbar
  3. oder die Inhalte sollen weiter im Netz bleiben, die Sperren dienen als eine Art Spamfilter und diejenigen, die dann noch die Honeypots der Strafverfolger aufrufen bekommen ein Problem, da sie etwas genauer unter die Lupe genommen werden ...
Ich vermute, dass von allen drei Punkten ein bisschen was dabei ist. Sperren sind im Kampf gegen Kinderpornographie schlicht nicht nötig. Und ich denke wir alle hier wissen, dass über das Web sowieso kaum einschlägiges Material getauscht wird. Die Mehrheit geht über andere Wege, die ohne massive Deep-Packet-Inspection nicht sperrbar sind. Grüße   Alvar Freude, Arbeitskreis gegen Internet-Sperren

 

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"Wenn das BKA aber nunmehr noch dazu gedrängt und ermächtigt wird, nicht einmal mehr den Dienstweg einzuhalten, wenn es um die Löschung (nicht nur Sperre) von Inhalten geht, die auf ausländischen Servern vorgehalten werden, wird das Problem nicht geringer sondern tendenziell eher größer. "

Wieso sollte das BKA überhaupt gedrängt werden? Es Bedarf überhaupt nicht des BKAs! Es gibt bereits etablierten Stellen für "Problemfälle im Internet". Diese sollten unterstützt und informiert werden, damit sie sich der bekannten Probleme annehmen können. Es sollte auch nichts dagegen sprechen, dass eine polizeiliche Dienststelle sich direkt z.B. per E-Mail (mit Bildschirmkopie der beanstandeten Webseite) an einen ausländischen Provider wendet, mit der Bitte dies zu prüfen, wobei dieser Vorgang zu dokumentieren wäre. Jeder bessere Provider hat rechtlichen Beistand und kann prüfen, ob die Inhalte gegen nationales oder ev. internationales Recht verstoßen. Ich sehe da weniger Probleme als bei dem Gesetzesvorstoß van der Leyens.

Davon unabhängig muss natürlich die internationale Zusammenarbeit, der Dienstweg, verbessert werden, allerdings OHNE in "geheimdienstliche Methoden" zu verfallen. Interessant wäre dabei dann auch die internationale Diskussion, was den KiPo ist und wo sie anfängt bzw. aufhört! Siehe dazu die gesetzlichen Änderungen hier zu Lande.

Und der Vollständigkeit wegen: Schon mal validiert, was unsere Regierung wirklich zur Prävention bzgl. KiPo getan hat? Wie sieht es mit Sozialarbeitern und Hilfen etc. wirklich aus? Unbestritten ist doch, dass ein Hauptproblem der Missbrauch des Kindes in der Familie, Verwandschaft und den Mitarbeitern in Bereichen der Jugendarbeit/Schule liegt. Hier gehört das Augenmerk hin, nur kann man da politisch weniger marktschreierisch auftreten! Und mit den immer wieder auftretenden Fällen innerhalb der kirchlichen Mitarbeiter (und deren unbefriedigenden Lösungen) liegt nun ja auch eine echte Tretmine in der KiPo-Landschaft für die christlichen Parteien aus.

Generell sollte sich aber jeder doch fragen, wieso mal wieder ein ABSTELLLBARER MIßSTAND zu einer äußerst zweifelhaften Maßnahme wie der Sperrung von Internetseiten seitens des BKA und einer Vorstufe zur allgemeinen Zensur führen soll? Da ist zumindest mir die Politik die Erklärung schuldig geblieben!

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Sehr geehrte Mitdiskutanten, über Ihre Resonanz freue ich mich und auch über Ihre Beiträge im Einzelnen. Die Diskussion um die Sperrlisten hat jedenfalls dazu geführt, dass sich mittlerweile viele zu "Experten" im Internet(straf)recht entwickelt haben. Insofern kann man Frau von der Leyen auch dankbar sein ;-).

Ich möchte auf einige Kommentare antworten.

@Herr Freude #7: Solche Initiativen kann man eigentlich nur begrüßen, denn sie entsprechen einer wünschbaren Selbstregulation des Netzes. Ich hatte ja auch schon an anderer Stelle so etwas ähnliches wie eine FSK des Internet als Alternative vorgeschlagen. Ich fürchte nur, die 80 % werden von der Politik so verstanden, dass man für die restlichen 20 % doch noch etwas anderes "braucht".

@Herr Boecker #8: Sebstverständlich wäre auch eine solche internationale Abmachung wünschenswert, jedoch wird man entgegnen: Bis wir eine solche Abmachung haben, brauchen wir doch noch die Sperrlisten, die sich viel schneller umsetzen lassen. Zudem: Es gibt - auch hinsichtlich Kinderpronographie - durchaus nationale Unterschiede (Schutzalter, virtuelle Pornographie - als Animation, Anscheinskinderpornographie). Dann gibt es auch noch die Länder, die nichts tun wollen/können, weil sie sich noch mit anderen Problemen rumschlagen ode einfach nicht die Infrastruktur haben. Wir könnten dann ein ähnliches Problem bekommen wie bei den Steueroasen und den Ländern, die ihre Flagge an Sklavenschiffe heften lassen.

@Herr Julius #9: Die vorgesehene Sperrung bedeutet keinen Abgleich jeglicher Webseitenabfrage mit der Sperrliste. Die "Umleitung" auf das Stopp-Schild kommt nur dann zum Zuge, wenn eine der gesperrten Domains aufgerufen wird (und dies bei einem in die Routine einbezogenne DNS-Server, also praktisch dem Internet-Telefonbuch, das Ihre Anfrage in IP-Adressen "übersetzt"). Wenn Sie irgendeine Domain aufrufen, die nicht auf der Sperrliste ist, wird diese nicht etwa "geprüft" oder "abgeglichen", auch wird nicht jede Anfrage beim BKA "durchgeleitet" und dort geprüft -  das BKA könnte dies schon technisch nicht bewältigen, denn es gibt sicherlich mehrere Milliarden Seitenaufrufe am Tag. Die Gefahr der Sperrliste sehe ich darin, dass hier anonyme BKA-Leute ohne Kontrolle entscheiden sollen und dieses System sehr leicht auch auf andere Inhalte ausgeweitet werden kann.

@Herr Stadler #10: Es ist tatsächlich so, wie ich sage. Meine disbezüglichen Recherchen endeten jeweils in Sackgassen und inzwischen bin ich der Auffassung, dass gern "ungare" Beispiele verwendet und verbreitet werden, um damit argumentieren zu können, aber wenn es konkret wird, gibt es dann doch immer einen guten Grund, weshalb eben nicht in diese Richtung ermittelt wurde/werden konnte. Wenn Sie mir den Fall (mit Daten!) konkretisieren können, dann tun Sie das bitte oder erstatten selbst Anzeige gegen die beteiligten Polizeibeamten. Hier in diesem Strang habe ich ein einzelnes Argument herausgegriffen. Ich habe hier schon drei Debatten zum Thema Internetsperren eröffnet, wo die anderen Argumente diskutiert wurden.
Hinsichtlich Ihrer Ausführungen zur Störerhaftung stimme ich mit Ihnen und Herrn Kollegen Bäcker weitgehend überein. Man müsste sich überlegen, inwieweit man damit den Gesetzgebungsprozess beeinflussen kann, ohne das Gegenargument: "Gut, dann machen wir eben beides" entkräften zu können.

Nochmals vielen Dank für Ihre Debattenbeiträge, weiter geht´s

Henning Ernst Müller

 

 

 

@14: Aber das stimmt doch so nicht:

Um gesperrte Domains auf gesperrte Server umleiten zu können, muss ich jede Anfrage darauf prüfen, ob eine gesperrte Domain abgefragt wird.

Hierzu muss ich jede DNS-Anfrage mit der Blacklist abgleichen.

[Mit der tatsächlichen Umleitung von Anfragen auf gesperrte Domains hat das noch nichts zu tun.]

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@15: Es muss eben kein Abgleich der Abfrage erfolgen. Die Einträge im DNS-Server selbst werden verändert, was einen Abgleich unnötig macht. Dadurch kann der gesperrte Content - im Grunde wird ja nur der gesperrt - nicht mehr unter der Domain erreicht werden.

Nö, aber die von mir beschriebene Methode ist die Sperrungsmethode, die nach dem Willen unserer der Politiker eingesetzt werden soll. Insofern ist die Abfragemethode egal, wenn der abgefragte Server ein Ergebnis liefert. Aber bitte, kläre mich auf, warum eine Eintragungssperre in Form der Veränderung der Verweisung nicht funktioniert.

Sehr geehrter Kai (#13), Sie schrieben:

"Wieso sollte das BKA überhaupt gedrängt werden? Es Bedarf überhaupt nicht des BKAs! Es gibt bereits etablierten Stellen für "Problemfälle im Internet". Diese sollten unterstützt und informiert werden, damit sie sich der bekannten Probleme annehmen können. Es sollte auch nichts dagegen sprechen, dass eine polizeiliche Dienststelle sich direkt z.B. per E-Mail (mit Bildschirmkopie der beanstandeten Webseite) an einen ausländischen Provider wendet, mit der Bitte dies zu prüfen, wobei dieser Vorgang zu dokumentieren wäre. Jeder bessere Provider hat rechtlichen Beistand und kann prüfen, ob die Inhalte gegen nationales oder ev. internationales Recht verstoßen. Ich sehe da weniger Probleme als bei dem Gesetzesvorstoß van der Leyens."

Ich kann dem nichts entgegensetzen, Ihren Vorschlag halte ich für gut und richtig. Ich ahne aber, dass dies die Sperrfreunde nicht als Alternative, sondern nur als vorgeschaltete zusätzliche Maßnahme akzeptieren, siehe dazu auch meine Antwort an Herrn Boecker in #14.

 

Sehr geehrter Herr Julius M. (#15, #17),

ich glaube, in diesem Fall ist Malte S. Recht zu geben. Eine Anfrage von Ihrem Rechner an den DNS-Server wird dann auf das "Stopp-Schild" führen, wenn der Provider zuvor aufgrund der BKA-Liste diese von Ihnen aufgerufene Domain IP-Adresse mit der des Stopp-Schilds überschrieben hat (analog: die Nummer in einem Telefonbuch mit einer anderen überschrieben)  - theoretisch könnte der Provider, sobald das geschehen ist, die Sperrliste in den Papierkorb werfen, denn für diese Art der Umleitung ist ein scannen oder eine "Überprüfung" der Anfragen anhand einer "blacklist" nicht mehr nötig. Rufen Sie eine beliebige andere (nicht gesperrte) Domain auf, ändert die Sperre  an der bisherigen Routine nichts. Mit dem DNS-Resolver (einem Programm auf Ihrem Rechner) hat das alles nichts zu tun.

Mit freundlichen Grüßen

Henning Ernst Müller

Sebstverständlich wäre auch eine solche internationale Abmachung wünschenswert,

Das ist nach meiner Überzeugung der einzig sinnvolle, gangbare und nachhaltige Weg, um dem Problem dauerhaft Herr zu werden (und zugleich der einzige Weg, es wirklich auf dokumentierten Kindesmißbrauch zu beschränken und keine Ausweitung auf andere Inhalte fürchten zu müssen).

jedoch wird man entgegnen: Bis wir eine solche Abmachung haben, brauchen wir doch noch die Sperrlisten, die sich viel schneller umsetzen lassen.

Wenn es um Schnelligkeit ginge, dann hätte die Ministerin die letzten Jahre nicht im Elfenbeinturm der Glückseligkeit verbringen sollen.

Edith: Nachtrag: Und ich habe in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass viele Abuse-Abteilungen bei Providern 24/7/365 besetzt sind und man dort unproblematisch jemanden ans Telefon bekommt, respektive eine Mail gelesen (und beantwortet wird; meine Erfahrungswerte aus dem Bereich Spamming, Hacking und Phishing). Das geht de facto schneller, als wenn spätestens 6 Stunden nach Übersenden der Liste der DNS-Eintrag manipuliert wird (zumal ja auch noch vom Finden des Contents über das Schreiben in die Liste bis zur Versendung Zeit vergeht. Wenn unmittelbar nach dem Finden die Mail an den Provider verschickt wird, ginge das wohl schneller und auch zielgenauer als mit einer Sperrung per Liste).

Das Thema ist auch alles andere als neu oder brandaktuell, nur wird es jetzt in einem Tempo durchgeprügelt, das sich andere Gesetze nur wünschen können.

Zudem: Es gibt - auch hinsichtlich Kinderpronographie - durchaus nationale Unterschiede (Schutzalter, virtuelle Pornographie - als Animation, Anscheinskinderpornographie).

Also geht es doch nicht um Kinder, die vor laufender Kamera vergewaltigt werden, sondern um Animationen, Anime und Anscheinskinderpornographie, also um lokale Besonderheiten. Wenn aber schon diese lokalen Besonderheiten berücksichtigt werden, warum dann nicht auch die weiteren nationalen Besonderheiten wie § 130 StGB oder § 284 StGB (und bei letzterem stehen die Lobbyisten ja schon wiederholtermaßen Schlange [trotz des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland in dem Bereich]).

Dann gibt es auch noch die Länder, die nichts tun wollen/können,

Ist ist bislang kein einziges Land namentlich gemacht worden, das nichts tut oder sich damit verteidigt, das man nichts tun könne. Können Sie ein solches Land benennen (und zwar bitte im Bereich Verbreitung von Dokumenten, die Kindesmißbrauch zeigen, keine Animation, Anime oder Anscheinskinderpornographie)?

weil sie sich noch mit anderen Problemen rumschlagen ode einfach nicht die Infrastruktur haben.

Wenn die nicht die Infrastruktur haben, wie haben die dann Internet? Das Internet ist die Infrastruktur - und das ist keine leblose Masse, sondern dahinter stehen Rechner, die administriert werden (müssen).

Wir könnten dann ein ähnliches Problem bekommen wie bei den Steueroasen

Und hilft es, wenn wir die Steueroasen im Atlas schwärzen? Das verlangt kein Politiker. Warum aber in der Online-Welt?

MfG aus K

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Müller,

wenn Sie bei dem Nameserver Ihres Providers einen DNS-Namen abfragen reicht dieser diese Anfragen an übergeordnete autoritative Nameserver für .de / .com / etc. weiter. Lediglich für die Domains, die der Provider selbst hostet hat er bereits selbst einen Eintrag in der eigenen Liste. Der Regelfall ist, dass ein anderer Nameserver das Zonefile für die angefragte Domain hostet.

Aus Sicherheitsgründen empfiehlt sich weiter für jeden Provider die DNS-Server von den DNS-Resolvern zu trennen (vgl. http://cr.yp.to/djbdns/separation.html ).

Die Liste mit den gesperrten Domains wird jetzt auf dem Resolver hinterlegt und jede angefragte Domain mit der Liste verglichen. Der DNS-Resolver simuliert hierbei, selbst für diese Domains selbst verantwortlich zu sein.

Technisch muss deshalb jede DNS Anfrage mit dieser hinterlegten Liste verglichen werden, bevor die Anfrage an die eigentlich verantwortlichen Nameserver weitergeleitet wird. Genau in diesem Vergleich sehe ich einen Grundrechtseingriff.

[Es ist also gerade nicht so, dass auf jedem DNS-Server eine komplette Liste sämtlicher Domains vorgehalten wird und nur die Einträge aus der Zensurliste hier ersetzt werden.]

Viele Grüße

Julius M.

 

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Sehr geehrter Herr Julius,

dass es sich um einen Grundrechtseingriff handelt, egal auf welche Weise gesperrt wird, wird, soweit ich das sehe, von niemandem mehr bestritten (nur bei dem ersten Versuch, ohne gesetzliche Grundlage per Vertragslösung die Sperren durchzuführen, war man im Ministerium offenbar noch dieser Ansicht, dies ist hier dokumentiert) Ich denke auch bei dem von Ihnen beschriebenen Modell bedarf es nicht eines vollständigen Vergleichs aller Abfragen mit der Sperrliste, der eine gegenüber dem natürlich immer nötigen automatischen Abgleich, ob und wo die aufgerufene Adresse zu finden ist, hinaus geht. Gedacht ist v.a. an die folgende Vorgehensweise, die Prof. Sieber in seinem lesenswerten Gutachten zu nationalen und internationalen "Sperrverfügungen im Internet" auf S. 47 beschreibt:

"Häufig betreiben die Zugangsvermittler einen eigenen DNS-Server. In diesem
Fall können sie grundsätzlich die Einträge im (Cache-)Verzeichnis ihres DNSServers
ändern, sodass bei einer Abfrage nicht mehr die zutreffende numerische IPAdresse
ermittelt wird, sondern zum Beispiel eine „Host not found"-
Fehlermeldung, ein Verbindungsabbruch („Could not connect") oder eine Umleitung
auf einen Hinweis zu den Sperrmaßnahmen erfolgt."

Andere mögliche DNS-Manipulationen zum Zwecke einer Sperre werden von Kai Raven hier beschrieben. Auch hierzu ist ein Abgleich aller Anfragen mit der Liste nicht erforderlich.

Aber, wie schon gesagt, von der genauen technischen Durchführung der Sperre (die im Übrigen im Gesetzentwurf ja offen gelassen wird) dürfte die rechtliche Beurteilung nicht abhängen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 


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