Haftentschädigung wird mehr als verdoppelt – der Skandal geht trotzdem weiter

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 11.07.2009

wer unschuldig in Haft saß, also auf Grund eines Fehlurteils oder aufgrund irrtümlichen Tatverdachts dem Rechtsstaat Freiheit und Lebenszeit opfern musste, erhält nach der verabschiedeten Änderung des StrEG statt 11 Euro jetzt 25 Euro pro Tag, das ist die erste erhebliche Anhebung seit 22 Jahren (!), damals 20 DM.
Der Skandal bleibt allerdings erhalten – auch 25 Euro sind in Europa ein vergleichsweise niedriger Betrag, in einigen Ländern wird kein fester Betrag, sondern eine Einzelfallregelung getroffen.
In der taz von gestern heißt es:
„Die Österreicher machen das so. Dort hat sich die Verwaltungspraxis eingebürgert, im Schnitt 100 Euro pro Hafttag zu zahlen. Überhaupt das Ausland: Im Vergleich zu den meisten europäischen Ländern bildet Deutschland selbst mit der 25-Euro-Regelung immer noch das Schlusslicht. In Luxemburg werden zwischen 25 und 200 Euro pro Tag gezahlt, in den Niederlanden zwischen 70 und 95 und in Spanien kann der Tagessatz bei längerer Haft bis auf 253 Euro pro Tag steigen.“  

Neben den 25 Euro kann ein höherer Betrag nur bei Beweis weiterer Schäden gefordert werden. An der Beweislast scheitern viele Ansprüche.

Man sollte den erwähnten taz-Artikel in Gänze lesen, damit man sich einen Eindruck verschaffen kann, worum es geht: über zwei Jahre saß die Arzthelferin de Montgazon wegen angeblichen Mordes in lebenslanger Freiheitsstrafe, bevor sie nachweisen konnte, dass ein Brandgutachten des Berliner LKA  mit krassen Fehlern behaftet war (nach dieser  Quelle haben die zweifelhaften Methoden des LKA in einiegn Fällen zu Fehlurteilen geführt), der Staat war also doppelt (Justiz, Polizei) "schuld" an ihrem grausamen Schicksal. Ihre Entschädigung: ein paar tausend Euro, kein Betrag, mit dem sie nach dieser langen Zeit wieder auf die Beine kommen konnte.

Nicht mehr ganz so skandalös wäre es, wenn die Haft wenigstens soweit pauschal "vergütet" würde wie ein Tag "nutzlos aufgewendeter" Urlaubszeit (also wenn man nicht wie geplant eine Reise antreten kann oder die Reise aufgrund Mängeln völlig in die Hose gegangen ist) - die Gerichte setzen hier Pauschalen an, die zwischen 50 und 80 Euro liegen - obwohl die Betroffenen diese Zeit immerhin nicht in einer Zelle verbringen mussten.

 

 

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