Zu früh gefreut?! 4 Senate des OLG Hamm gegen Beweisverwertungsverbot aufgrund fehlenden Eildienstes

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.09.2009

Der 24-Stunden-Eildienst hat das Blog schon beschäftigt. Ein lieber Blogleser hat mich nun auf OLG Hamm 4 Ss 316/09 vom 10.9.2009 aufmerksam gemacht. Auch hier ging es wieder einmal um eine polizeilich angeordnete Blutprobenentnahme...und um die Frage eines Organisationsverschuldens. Das Bemerkenswerte: Alle Strafsenate sind anderer Ansicht als der 3. Senat (Urteil vom 18.08.2009 – 3 Ss 293/08) der ein Beweisverwertungsverbot (nach Durchsuchung) wegen fehlenden 24-Stunden-Eildienstes angenommen hatte. Hier die Beschlussbegründung auszugsweise:

 

 

 

 

 

 

 

"...Mit der Verfahrensrüge wird allein geltend gemacht, dass ein Beweiserhebungs- und daraus folgende Beweisverwertungsverbot sich daraus ergebe, dass die Polizeibeamtin R1, ohne sich um eine richterliche Anordnung bemüht zu haben, die Entnahme der Blutprobe (wegen Gefahr im Verzug) angeordnet und damit den Richtervorbehalt des § 81a StPO verletzt habe. Diese Rüge kann schon deshalb keinen Erfolg haben, da tatsächlich die Voraussetzungen für die Annahme von "Gefahr im Verzug" vorlagen. 

 

 

     

 

 

Tatzeit war 22:04 Uhr. Nachdem zunächst der Angeklagte als Fahrer ermittelt und sodann aufgesucht wurde, erfolgte die Blutentnahme gegen 23:13 Uhr. Wie im Urteil zutreffend ausgeführt wird, endet der richterliche Eildienst um 21:00 Uhr (vgl. RV des JM v. 15.10.2007 JMBl. NRW 2007, S. 185). Ein Eildienstrichter hätte daher erst am folgenden Tag um 6:00 Uhr zur Verfügung gestanden. Nach der dann erfolgten Anordnung hätte die Blutentnahme frühestens gegen 7:00 Uhr durchgeführt werden können. Die dadurch bedingte Rückrechnung über einen Zeitraum von mehr als sieben Stunden würden sowohl bezüglich der Feststellung der absoluten Fahruntüchtigkeit des Angeklagten als auch für die Frage der Beurteilung der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB zu der drohenden Gefahr eines Beweismittelverlustes führen (so zu Recht: OLG Hamm Beschl. v. 24.03.2009 – 3 Ss 53/09). Ein Zuwarten bis 6:00 Uhr stand auch nicht im Interesse des Angeklagten, da dieser dann für diese Zeit hätte in Gewahrsam gehalten werden müssen. Daher musste auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Anordnung der Entnahme der Blutprobe unverzüglich erfolgen.    

 

 

 

 

 

Auf die mit der Revisionsbegründung aufgeworfene Frage, ob es der Polizeibeamtin bewusst war, dass kein Richter zu erreichen war oder ob sie versuchen musste, ob zufällig ein Richter erreichbar war, kommt es nicht an. Maßgeblich ist die objektive Gefahrenlage hinsichtlich des Beweismittelverlustes.

 

 

Ferner ist es unerheblich, ob ein Organisationsverschulden der Justiz darin gesehen werden könnte, dass ein richterlicher Eildienst nicht auch für die Zeit zwischen 21:00 Uhr und 6:00 Uhr eingerichtet worden ist. Zwar ist der 3. Senat des OLG Hamm für den Bezirk des LG Bielefeld von der Notwendigkeit eines solchen Eildienstes ausgegangen (Urteil vom 18.08.2009 – 3 Ss 293/08). Der Senat teilt diese, im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung zur Nachtzeit ergangenen Entscheidung und die dort angestellten Überlegungen nicht. Jedenfalls können sie nicht auf die Anordnung einer Blutentnahme gem. § 81a StPO übertragen werden. Dies folgt schon daraus, dass im Gegensatz zu dem im Grundgesetz angeordneten Richtervorbehalt für die Wohnungsdurchsuchung, Art. 13 II GG, der Vorbehalt des § 81a StPO ein einfachgesetzlicher ist. Dies ist sowohl bei der Frage, ob aus einer Verletzung des Vorbehaltes ein Beweisverwertungsverbot folgen kann, wertend mit heranzuziehen, als auch schon bei der Vorfrage, ob wegen der Anzahl der Blutentnahmen zur Nachtzeit ein Eildienst zwingend erforderlich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wegen der Eilbedürftigkeit ohnehin nur ein telefonischer Antrag und eine entsprechende Entscheidung möglich sind. Eine sachliche richterliche Kontrolle, ob die Voraussetzungen für die Anordnung gegeben sind, könnte nur sehr eingeschränkt stattfinden. Der Sinn des Richtervorbehalts, dem betroffenen Bürger einen möglichst effektiven Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 IV GG zu gewähren, ließe sich auf diesem Wege kaum erreichen. Der mit der Einrichtung eines Eildienstes einhergehende erhebliche personelle Aufwand –bei den knappen Ressourcen der Justiz- stünde damit in keinem Verhältnis zu dem erreichen Erfolg hinsichtlich des Rechtsschutzes des Bürgers vor Strafverfolgungsmaßnahmen. –Der 1., 2. und 5. Senat haben auf Anfrage mitgeteilt, dass sie diese Ansicht teilen.- ..."

 

 

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5 Kommentare

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Ein befremdliches Urteil:

"Der mit der Einrichtung eines Eildienstes einhergehende erhebliche personelle Aufwand -bei den knappen Ressourcen der Justiz- stünde damit in keinem Verhältnis zu dem erreichen Erfolg hinsichtlich des Rechtsschutzes des Bürgers vor Strafverfolgungsmaßnahmen."
Anders ausgedrückt: Es gibt nur soviel Rechtsschutz, wie das Finanzministerium bereit ist zu finanzieren.

Vielleicht übersehen die Richter, mit solcher Rechtsprechung sich ins eigene Fleisch zu schneiden. Denn solange Personalmangel bei Gericht zu Lasten des Bürgers und nicht zu Lasten des Staates gilt, werdeneiter Richterstellen gekürzt anstatt geschaffen.

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Aber das ist doch nur die Umsetzung dessen, was das BVerfG verlangt. 

 

Auszug aus der Castor-Entscheidung:

b) Ferner gibt die Art und Weise der Durchführung des richterlichen Bereitschaftsdienstes Anlass zu verfassungsrechtlichen Beanstandungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein nächtlicher richterlicher Bereitschaftsdienst erst dann gefordert, wenn hierfür ein praktischer Bedarf besteht, der über den Ausnahmefall hinausgeht (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Dezember 2003 – 2 BvR 1481/02 -, NJW 2004, S. 1442). Im vorliegenden Fall war, bedingt durch die Kenntnis des bevorstehenden Castor-Transports und die zu erwartenden Massendemonstrationen, ein Bedürfnis für die besondere Regelung des richterlichen Eildienstes auch zur Nachtzeit an diesen Tagen sehr naheliegend. Unter Berücksichtigung der Vorkommnisse anlässlich des Castor-Transportes im März 2001 - die in der Allgemeinverfügung vom 27. Oktober 2001 enthaltene Gefahrenprognose nennt diverse Blockaden, die erst am Abend stattfanden - musste gerade im nahen zeitlichen Zusammenhang mit dem Transport mit Masseningewahrsamnahmen gerechnet werden, die nicht sämtlich zur Tageszeit sachgerecht bewältigt werden konnten. Daher konnte sich der richterliche Bereitschaftsdienst nicht auf die Tageszeit beschränken, sondern musste im Hinblick auf die Möglichkeit von Masseningewahrsamnahmen und den damit verbundenen Zeitaufwand auch eine Regelung für die Nachtzeit beinhalten.

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In den vorausgegangenen Berichten wird doch einiges durchaneinder geworfen. Ein richterliche Anordnung ist bei einer Blutprobe

gesetzlich zwingend vorgeschrieben. Dies wird auch in allen Bundesländern auch am Wochenende praktiziert. Nur in NRW gibt es dies am Wochenende nicht. Deshalb ja auch das Urteil aus Hamm.Die Stadt Bielefeld hat daraufhin sofort reagiert.

Keine Ahnung, warum es die anderen Städte nicht machen.

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