Tödlicher Extremberglauf zur Zugspitze - Veranstalter steht jetzt vor Gericht

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 23.11.2009

Vor etwa einem Jahr hatte Herr Kollege v. Heintschel-Heinegg das Thema schon einmal hier im Blog angesprochen. Der Veranstalter des Extremberglaufs, bei dem im Juli 2008 zwei Teilnehmer wegen Unterkühlung/Erschöpfung starben, steht jetzt wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht. Gegen den Strafbefehl (Geldstrafe in Höhe von 13500 Euro) hatte er Einspruch eingelegt.

Auf Zeit-Online wird er so zitiert:

«Ich bin der vollen Überzeugung, dass mich keine Schuld am Tod der beiden Läufer trifft»

Er habe auch nicht zu spät abgebrochen, da der Neuschnee keine nachteiligen Folgen für den Lauf gehabt hätte und die Läufer für die Kleidung selbst verantwortlich seien. Erst als eine Überlastung der Bergwacht, die etliche unterkühlte und erschöpfte Läufer schon aus dem Rennen genommen hatte, drohte, entschloss er sich zum Abbruch.

«Ich wollte der Überlastung der Bergwacht (nicht) Vorschub leisten.» 

Natürlich ist hier primär der Läufer für sich selbst verantwortlich, wie auch hier im Blog und anderswo mehrfach geäußert wurde. Zudem haben die Läufer einen Haftungsausschluss unterschrieben. Aber ich denke, es ist nicht ausgeschlossen, dass der Veranstalter eine strafrechtliche Mitverantwortung trägt. 

Ein "veranstaltetes" Rennen (mit Ordnern etc.) verleitet zumindest dazu, vom Veranstalter eine gewisse Fürsorge/Gefahrenvorsorge zu erwarten. Denn der Veranstalter kann Gefahren besser erkennen als der einzelne Teilnehmer.  Würde nach dem Start Lawinengefahr entstehen und wüsste der Veranstalter davon, dann wäre er sicherlich (auch angesicht des Schutzzwecks des § 222 StGB) verpflichtet zu warnen bzw. abzubrechen.

Ob sich diese Annahme übertragen lässt auf die angesichts des erwarteten Wetters erkennbar zu leichte Kleidung, erkennbare Erschöpfung etc. ist m.E. der Kern des strafrechtsdogmatischen Problems. Tendenziell neige ich zu der Auffassung, hier zumindest dann keine 100%ige eigenverantwortliche Selbstgefährdung mehr anzunehmen, wenn die Wetterlage am Gipfel für die Läufer nicht absehbar war. Und derjenige, der den Lauf veranstaltet und damit Teilnehmer dazu verleitet, sich derart extrem anzustrengen, muss mit darauf Acht geben, dass sie sich nicht - erkennbar - selbst gefährden, wenn sie aufgrund dieser Anstrengung nicht mehr fähig sind, vernünftige Entscheidungen (etwa: Aufgabe des eigenen Laufs) zu treffen.

In tatsächlicher Hinsicht könnte der Veranstalter aber mit dem Einsatz der Bergwacht dieser Pflicht schon hinreichend nachgekommen sein. Immerhin hatte die Bergwacht ja diverse Läufer aus dem Rennen genommen. Ein perfekter Schutz aller Läufer kann wohl nicht verlangt werden, nicht jeder Erfolg im Sinne des § 222 StGB ist auch Folge einer Pflichtverletzung.

Ich bin gespannt, welche Tatsachen in der Hauptverhandlung ermittelt werden und wie das AG  entscheiden wird.

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3 Kommentare

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M.E. gibt es an der Selbstgefährdung nichts zu rütteln:

Ein Wetterumschwung auf der Zugspitze ist potentiell todbringend punctum Für die Läufer mag die genaue Wetterlage nicht absehbar gewesen sein, jedoch die plötzliche und dramatische Änderung derselben schon. Das ist gegebenes Wissen über die Zugspitze. Jeder Bergwanderer muss sich dessen bewusst sein - erst recht ein Sportler, der die Aufstiegszeit von meinetwegen 10 auf 3 Stunden verkürzt, mit den schneller absolvierten Höhenmentern steigt auch die Gefahr, von der Plötzlichkeit des Wetterwechsels überrascht zu werden. Todbringend war wohl der Windchill, der auf die durchnässten Körper traf - Schneefall hin oder her.

Der Läufer nimmt in Kauf, sich mit dem Wetterwechsel konfontiert zu sehen - entsprechend dagegen wappnen muss er sich selbst. Dem Veranstalter kann kein Wissensvorsprung beim Start angelastet werden. Er muss aber die Versorgung der abbrechenden Läufer angemessen sicherstellen - das ist vorliegend geschehen.

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Mit einem unerwarteten Wetterumschwung hat man in den Bergen immer zu rechnen. Das ist das heimtückische der Gegend. Wer sich daran nicht hält, sei es der normale Wanderer oder ein Extremsportler, kann ein massives, wenn nicht sogar tödliches, Problem bekommen.

Geht man aber von der Hypothese aus, dass das Wetter hervorsehbar ist, dann sollte trotzdem klar sein. Das die Wirkung auf den menschlichen Körper bei extremen Leistung unter extremen Bedingungen mangels Erfahrungswerte schwer kalkulierbar sind. Es lassen sich sicherlich Sätze formulieren: "Wie Auskühlung droht!" Aber was dann die nötige Kleidung ist, ist immer noch nicht klar.

Und dann kommt das subjektive Erleben dazu. Ich habe mir mal als Jugendlicher die Finger zweiten Grades erfroren. Der Grund die minus 20 Grad fühlten sich wg. Windstille wärmer an als die Minus 10 Grad mit Wind am Vortag. Also bin ich ohne Handschuhe Joggen gegangen.

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