Eine Frage des Rechts und eine der "Moral"

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 30.01.2010

Eben höre ich im Radio, dass die Bundesfinanzverwaltung Daten über Steuerhinterziehungen in vermutlich dreistelliger Millionenhöhe angeboten bekommen hat: Wieder geht es um Konten, diesmal in der Schweiz. 2,5 Millionen Euro will der (wahrscheinlich rechtswidrig daran gekommene) Datenhändler für diese Gelegenheit, weiteren Steuerhinterziehern ans Leder gehen zu können. Warum manche Leute nach der Liechtenstein-Affäre meinen, sie könnten immer noch risikofrei steuerfrei Gelder im Ausland verstecken, ist mir ein Rätsel.

Aber die rechtliche und zugleich moralische Frage bleibt: Soll die Bundesregierung die illegal ausgespähten Daten "kaufen" und damit selbst zu einer Art "Datenhehler" werden? Auch wenn man um der Steuergerechtigkeit Willen die Möglichkeit, an die Steuerflüchtlinge heranzukommen sympathisch findet: Ich denke, man sollte hier eine konsequente Linie vertreten, und keine Geschäfte mit solchen Leuten machen.

 

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120 Kommentare

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Finanz-Datenschutz für "Steuerbetrüger"? Das ist aber nun wirklich zuviel des Guten. Wie kann man denn als unehrlicher Bürger auch nur im Entferntesten daran denken, dass man als Steuerhinterzieher/-verkürzer irgendwelche Datenschutzargumente für sich in Anspruch nehmen dürfte.

Der Bund wird hier kein "Datenhehler"; wenn die Steuerbehörde von Steuer-Straftaten hört, muss sie dem immer nachgehen, das ist ihr Auftrag. Im Übrigen zeichnet sich das ganze Steuerrecht und auch die Rspr. zum Steuerstrafrecht doch dadurch aus, dass vorrangig das Steuerinteresse des Fiskus befriedigt wird und ansonsten recht "humane" Strafe herauskommen, siehe zB die Staffelung bei sehr, sehr hohen Summen.

 

Das einzige Problem an der Sache ist natürlich die Gegenleistung in Form der Provision bzw. der Zahlung einer festen Summe. Das ist natürlich ungewöhnlich und wird hoffentlich nicht die Regel, normalerweise sollte das Finanzamt ja Mittel haben, selbst die Daten zu beschaffen. Gläserne Bankkonten haben wir schließlich schon. Wenn man das Ganze aber fiskalisch betrachtet, ist das nur ein normales Geschäft: Um einen höheren Gewinn zu erzielen, muss etwas investiert werden, wobei dann dieser Gewinn der Gemeinschaft wieder zu Gute kommt. So läuft das auf allen Ebenen staatlichen Handelns ab. Ob nun der Bauunternehmer der Autobahnteilstrecke Geld für seine Leistung bekommt oder nun der "Verräter" oder "whistleblower"; das macht keinen großen Unterschied. Am Ende steht eine vermutlich erhöhtes Steuereinkommen.

 

Ich bin sogar der Meinung, dass man alleine schon aus Gründen der Bewährung der Rechtsordnung das so machen muss. Selbst wenn das noch nicht mal ein eindeutiges Plus-Geschäft wäre! Das Argument, der dumme Lohnsteuerschuldner finanziere den Staat dumm und dämlich und muss dann sehen, wie eine Kita oder Schwimmbäde nach der anderen wegen Finanznöten geschlossen wird, ist einfach bestechend. Gerade in Zeiten, wo der Staatshaushalt ohne großes eigenes Verschulden dank des Versagens einer Branche in die Rekordverschuldung geht, wäre es zudem töricht, wenn man auf solch hohe Steuereinnahmen verzichtete! Die Schulden, die wir heute machen, schränken den Handlungsspielraum ganzer Generationen ein, Stichwort Generationengerechtigkeit.

 

Mein Mitleid hält sich dann daher auch für Steuerflüchtlinge in Grenzen. Kapitalgewinne werden in Deutschland nicht zu hoch besteuert im Vergleich zu Arbeitseinkommen. Wer trotzdem sich die 25 % sparen will, ist schlichtweg gierig. Das hat dann das gleiche Niveau eines gewöhnlichen Trickbetrügers oder Gewohnheitseinbrecher. Nur weil dahinter etwa ein gestandener A15 Beamter dann steckt oder etwa ein Manager im gehobenen Management (passt hier "white collar crime"?) dann "Gnade" walten zu lassen, sehe ich überhaupt nicht ein.

 

Es wird schließlich nirgends dem Täter so eine große Brücke in die legale Welt gebaut wie im Steuerstrafrecht. Wer die Gemeinschaft aus reiner Gier betrügt, der soll auch zittern und nicht ruhig leben können.

 

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Dürfte der Staat derartige Informationen denn nehmen, wenn er sie durch einen Bankmitarbeiter, den sein Gewissen plagt (“whistleblower”), kostenlos angeboten bekäme?

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Letztlich sind doch diese Daten illegal besorgt bzw. deren Veröffentlichung nicht genehmigt worden.

Whistleblower (nicht viel anderes ist das hier) werden in Deutschland strafrechtlich verfolgt/gesucht. Veröffentlicht man etwas von einem Whistleblower bekommt man große Probleme vom Deutschen Staat. Wenn der Staat das selbst (vor)macht ist die Vorbild-Funktion dahin. Ähnlich verhält es sich bei Beweisaufnahmen (fruit of the poisonous tree).

 

Also: cui bono. Wenn der Staat immer nach der Maxime handelt das es zweierlei Maß zu geben hat, nämlich das er sich das nehmen kann wenn es ihm gerade in den Kram passt aber der Bürger im Zweifel immer der Neger ist... ja dann begeben wir uns in Richtung staatlicher Willkür. Das ist dann eine Frage der Moral, nämlich der Vorbild-Funktion das man u.U. die Finger von etwas lässt was unrecht ist auch wenn man einen Vorteil daraus zieht (also entweder für alle erlaubt oder für alle verboten). Und es ist eine Frage für wen das Recht eigentlich gilt. Ich hatte das schon einmal hier in einem Blogbeitrag über die Weimarer Republik angemerkt. Wenn der Staat sich nicht an die eigenen Normen hält oder sie so weit verbiegt das zumindest für ihn keine <i>Werte</i> mehr enthalten sind, dann öffnet man der Willkür Tür und Tor. Man muss nur noch zugreifen. Und das ist die Essenz wenn man über Datenbestände spricht.

 

Grüße

ALOA

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Im Übrigen sollte man vielleicht mal nachdenken, den Erwerb solcher Daten gesetzlich zu regeln. Er scheint wohl inzwischen ja häufiger vorzukommen und wenn es wirklich Bedenken geben sollte, kann das Parlament ja darüber dann entscheiden. ;)

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Man könnte auch darüber nachdenken, solche Diebstähle gleich direkt staatlicherseits in Auftrag zu geben. Das Gesetz müsste dann lauten: Diebstahl steht unter Strafe, es sei denn, der Deutsche Staat ist Auftraggeber.

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IN welchem §§ ist eigentlich geregelt, dass der Staat solche Daten kaufen darf? (Wir erinnern uns: kein Handeln des Staates ohne Gesetz).

Also: wo steht's?

So lange es nirgendwo eine Befugnisnorm gibt, darf der Staat nicht.

 

Und wenn der Staat sich rechtswidrig Daten verschafft hat er nach meiner Überzeugung ein dickes Legitimationsproblem, wenn er von seinen Bürgen Gesetzestreue einfordert.

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Na selbstverständlich sollte ein Staat, der dich Rechtsstaat nennt, nicht Geschäfte mit solchen Leuten machen! Aber ich prophezeie hiermit, dass die deutsche Rechtsprechung - wie immer in solchen Fragen - den Ankauf zum Gegenstand einer Güterabwägung machen wird. Und wie die ausgehen dürfte, ist klar. Wenn der Staat etwa schon mit Zusfallsfunden, die aus einer rechtswidrigen Durchsuchung stammen, kein Problem hat, dann wird er sich hier ebensowenig zu einem Beweisverwertungsverbot  durchringen können. Alles andere wäre eine Überraschung.

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Sehr geehrte Mitdiskutanten,

auf einige Ihrer Kommentare möchte ich gern antworten.

@egal: ich denke es geht nicht darum, ob sich ein Steuerbetrüger auf Datenschutz berufen können soll. Es geht im Strafrecht auch nicht darum, welche Einwendungen unwirksam oder "verwirkt" sind, das sind zivilrechtliche Erwägungen, die für das Strafverfahren grds. unerheblich sein dürften. Anders ist es vielleicht im "normalen" Steuerverfahren. Vielleicht gibt es hier einen Ansatz zur  Differenzierung? Die angekauften Daten dürfen dann verwendet werden, um Steuern einzutreiben, aber nicht, um ein Strafverfahren zu betreiben.

@zorro: Im "kostenlosen" Whistleblowing liegt möglicherweise etwas anderes vor: Informationen, die z.B. eine Vertrauensperson der Polizei gibt, dürfen wohl in Ermittlunsgverfahren verwendet werden, wenn sie auch als Beweismittel in der Hauptverhandlung oft nicht zulässig sind. Das entscheidende Problem dürfte aber hier darin liegen, dass der Staat durch eine (mehr als großzügige) Zahlung Anreize gibt für Datenspionage.

@sergeant p.: Ihre Lösung (sofern sie ernst gemeint ist), würde die Sache eher verschlimmern: werden illegale Praktiken direkt vom Staat in Auftrag gegeben, dürfte es an der Rechstwidrigkeit und damit Unverwertbarkeit keinen Zweifel geben.

@Jens: Ja, das ist möglich, aber Sie dürfen nicht vergessen:  Bislang wurde diese Diskussion um ein Beweisverwertungsverbot erst nachher geführt und musste etwa im Liechtenstein-Fall gar nicht entschieden werden, da keiner der Beschuldigten es wirklich drauf angelegt hat, verurteilt zu werden, um den Fehler dann in der Revision zu rügen. Es wurde halt gedealt, um mit (relativ) milden Strafen davon zu kommen.

 

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

 

 

 

@le De: So einfach ist das aber nicht. Die Regel "Kein Handeln ohne Gesetz" gilt nur, falls das staatliche Handeln in die Rechte von Bürgern eingreift:

 

http://de.wikipedia.org/wiki/Vorbehalt_des_Gesetzes

 

Hier gibt es sicherlich einige Gesetze, die als Ermächtigungsgrundlage für einen solchen Datenkauf taugen. Die Frage ist eher, ob sie als Ermächtigungsgrundlage auch ausreichen. Eventuell kann Prof. Müller dazu was sagen?

 

Allgemein finde ich es überraschend, dass der Staat ausgerechnet hier "moralisch" wird. Bei der Suche nach Drogenhändlern z.B. ist sich der Staat nicht zu schade, Informanten mit kriminellem Hintergrund zu bezahlen oder Drogen-Testkäufe durchzuführen, bei denen echtes Geld und echte Drogen den Besitzer wechseln. Wo der Unterschied zu der hier diskutierten Art der Informationsbeschaffung ist, leuchtet mir nicht ein. Zudem sehe ich hier keinerlei schutzwürdiges Interesse auf Seiten der mutmaßlichen Steuerhinterzieher - es handelt sich ja, grundrechtlich gesehen, nur um einen wenig intensiven Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Strafermittlungen schränken normalerweise ganz andere Grundrechte ein, z.B. die Unverletzlichkeit der Wohnung, die Bewegungsfreiheit, etc.

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@Prof. Dr. Henning Ernst Müller

....werden illegale Praktiken direkt vom Staat in auftrag gegeben, dürfte es and er Rechstwidrigkeit und damit Unverwertbarkeit keinen Zweifel geben....

 

Worin liegt moralisch (!) der werthaltige Unterschied zwischen "wiederholtem (oder auch geschäftsmäßigem) erwerben" und dem "in Auftrag geben"? Ein Beamter welcher nur Bestechungsgelder annimmt aber nicht zur Bestechung auffordert wird wohl auch wegen Bestechung bestraft.

 

Rechtlich hat das Michael Rahe beleuchtet:

http://netzpolitik.michael-rahe.de/?p=697

Eine Ablehnung wird demnach wohl nicht juristisch sondern moralisch entschieden weil Daten (zu recht) nicht als "Sachen" gelten (außer natürlich wenn es argumentatorisch um sog. "Geistiges Eigentum" geht).

Moralisch wäre ein solches Angebot abzulehnen. Umsonst würde sich wohl niemand der Gefahr aussetzen und etwas "besorgen". Also geht es um einen bezahlten Auftrag - und nicht den ersten.

 

Ich präzisiere meine Eingangsfrage: warum sollte der Staat rein rechtlich nicht einen von ihm bezahlten Hehler beauftragen dürfen der jemanden im Ausland zum Datendiebstahl auffordern soll. Der Erwerb ist ja nicht strafbar, es ist weiterhin keine Hehlerei. Es ist auftragsspionage. Was spricht also dagegen. Internationales Recht? Und wenn ja - wo ist der Unterschied?

 

Grüße

ALOA

 

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@aloa5: Wie schon oben von mir angedeutet (und in dieselbe Richtung geht ja auch Rahe): Für das Starfverfahren (nicht unbedingt gleichzeitig auch für das Steuerverfahren) gelten engere Grenzen. Da für die Ermittlungen/Beweiserhebungen regelmäßig Rechtsgrundlagen erforderlich sind, ist es problematisch, hier mit illegal geworbenen/angekauften oder gar in Auftrag gegebenen Spionageergebnissen zu arbeiten. Innerhalb der Geheimdienste kann so etwas natürlich "erlaubt" sein. Aus dem Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot wird regelm. ein Beweisverwertungsverbot folgen. Es kann zulässig sein - jedenfalls nach entspr. Abwägung lt. Rspr. - , einen rechtswidrig erl. "Zufallsfund" zu verwerten, aber es ist m.E. immer noch unzulässig, gezielt unter Gesetzesverstößen erlangte Beweismittel zu verwerten. Das gilt natürlich entspr. auch für die von Ihnen gestellte Frage zu einem quasi "dazwischen" liegenden Sachverhalt, der recht ähnlich ist (so hatte ich mich ja im Ausgangsbeitrag auch geäußert).

Mit besten Grüßen
Henning Ernst Müller

"aber es ist m.E. immer noch unzulässig, gezielt unter Gesetzesverstößen erlangte Beweismittel zu verwerten."

 

Welches (Deutsche) Gesetz wird bei einem (ausländischen) Datendiebstahl gebrochen?

Was sollte den Fall Zumwinkel und den BND von dem Fall hier unterscheiden? Wird es anders wenn der BND und nicht Schäuble die CD erwirbt?

Es geht mir darum, das ich nicht abschätzen kann inwiefern ein "Ertrag" an Daten von eigenen oder auch bezahlten Spionen im Ausland unter ein Beweisverwertungsverbot fällt.

 

Grüße

ALOA

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Eine interessante Frage. Sollte der Staat sich dazu entschliessen die Daten zu kaufen, eröffnet dies Hackern völlig neue Geschäftsfelder. Es ist nicht mehr nötig, sich selbst Geld von einer Bank zu beschaffen und dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit aufzufliegen, sondern es können einfach die Daten geklaut und an einen zuverlässigen und solventen Partner verkauft werden, der gleichzeitig Straffreiheit für die Beschaffung (oder wie im letzten Fall sogar eine neue Identität) anbietet.

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abc, Sie haben völlig recht. Ein Hacker braucht nicht mehr risikoreich die betroffene Bank (oder das  betroffene sonstige Wirtschaftsunternehmen) erpressen, welches Opfer des Datenklaus wurde. Mit dem deutschen Staat gibt es einen solventen und hochinteressierten Abnehmer, dem man das Ganze jederzeit straffrei anbieten könnte. Das dürfte zahlreiche Nachahmungstäter geradezu ermuntern (aus deutscher Sicht nicht mal unerwünscht). So sieht das auch die Schweiz.

Der Zweck heiligt immer öfter die Mittel. Wenn es gegen Steuerbetrüger geht, soll auch Diebstahl zulässig sein. Wenn es gegen Kinderpornographie geht, sollen Internetsperren adäquat sein. Wenn es gegen Schwerkriminalität geht, soll der große Lauschangriff richtig sein.

Wir müssen uns entscheiden, wohin der Weg gehen soll.

 

 

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"falls das staatliche Handeln in die Rechte von Bürgern eingreift:"

vs.

"es handelt sich ja, grundrechtlich gesehen, nur um einen wenig intensiven Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht."

Innerhalb von drei Absätzen selbst widerlegt, Danke :)

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le D schrieb:

"falls das staatliche Handeln in die Rechte von Bürgern eingreift:"

vs.

"es handelt sich ja, grundrechtlich gesehen, nur um einen wenig intensiven Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht."

Innerhalb von drei Absätzen selbst widerlegt, Danke :)

 

Ich hätte mich nur selbst wiederlegen können, wenn ich eine konkrete These formuliert hätte. Habe ich aber nicht. ;-) Vielmehr habe ich allgemein darauf hingewiesen, dass der Satz "Kein Handeln ohne Gesetz" nicht zwangsläufig gilt, sondern nur für Grundrechtseingriffe. Das BVerfG hat diese Regel in Form der "Wesentlichkeitstheorie" weitergesponnen und verlangt, dass eine Eingriffsgrundlage um so bestimmter / konkreter sein muss, umso mehr in Grundrechte eingegriffen wird.

 

Vor diesem Hintergrund stellt sich mir die Frage, ob, bzw. welche Ermächtigungsgrundlage hier die einschlägige für einen solchen "Datenkauf" wäre. Wie bereits oben angedeutet, sollte diese Frage m.E. der Ausgangspunkt einer juristischen Diskussion zu diesem Thema sein.

 

Die These, der Staat dürfte sich nicht "krimineller Mittel" bedienen, geht demgegenüber m.E. am Problem vorbei. Der Staat ist kein normales Rechtssubjekt - insofern stehen ihm auch ganz andere Mittel zur Verfügung. Der Staat darf z.B. gegen den Willen von Wohnungsbesitzern in deren deren Wohnräume eindringen (Hausfriedensbruch?), er darf Bürgern Gegenstände wegnehmen (Diebstahl?) oder bestimmte Personen einsperren (Freiheitsberaubung?). All dieses Handeln ist aber nicht "kriminell", weil es Gesetze gibt, die dem Staat genau das erlauben. Und das führt nun wieder zu der Frage nach der Ermächtigungsgrundlage.

 

Also nochmal: Welche Norm könnte für einen solchen Ankauf der Daten einschlägig sein?

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Politisch ist festzuhalten: Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Joachim Poß drängt zum Kauf; keinesfalls dürfe Rücksicht genommen werden auf die Wählerklientel von Union und FDP. Dagegen raten Koalitionspolitiker ab; es sei gestohlenes Gut, keine Geschäfte mit Kriminellen. Da mag sich jeder sein eigenes Bild machen.

Mit Blick auf die Steuermoral und das Gerechtigkeitsempfinden darf der Staat das, was er seinen Bürgern im Inland an Steuern abnimmt, den Kapitalanlegern im Ausland nicht belassen! Aber es muss mit rechten Dingen zugehen.

So schön es wäre, das Haushaltsdefizit überraschend etwas verringern zu können, gegen das "unmoralische Angebot" spricht juristisch das gravierende Bedenken, dass  der Staat sich nicht zur Verfolgung von Steuerhinterziehungen als Datenhehler mit dem Datendieb zusammmentun sollte. Wie die Frage vom BGH und BVerfG sicher eines Tages entschieden werden wird, weiß heute niemand. Juristisch ist der Datenankauf jedenfalls sehr problematisch.

Verringert wird das Haushaltsdefizit gleichwohl. Das von dem Informanten übergebene Testmaterial ergab, dass in jedem der fünf Fälle eine Steuernachzahlung von jeweils einer Million fällig wird.  

Writschaftlich gesehen dürfte die Diskussion auf jeden Fall für den Fiskus lukrativ werden, selbst wenn die Daten (nach einigen Wochen weiterer Bedenkzeit) nicht angekauft werden. Denn jeder Steuerhinterzieher weiß jetzt, dass auch die Schweiz nicht mehr sicher ist. Außerdem dürfte es zu nicht wenigen Selbstanzeigen kommen. Das ist sicherlich politisch gewünscht und auch nicht verwerflich (anders als ein tatsächlicher Ankauf des Diebesgutes).

Allerdings muss in der Rechnung auch berücksichtigt werden, dass mittlerweile die Schweiz anonym ohnehin eine Art "Abschlagssteuer" an Deutschland abführt. Die liegt m.W. schon bei deutlich über 30 Prozent. Insofern wird wohl das Interesse der Deutschen, Geld anonym in der Schweiz zu parken, ohnehin für die Zukunft stark rückläufig sein. Es kann hier nur noch um Altfälle gehen.

 

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Ein Vorschlag zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit: der Datendieb wird festgenommen, die CD beschlagnahmt und die Steuerflüchtigen verfolgt.

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Aloa: "Welches (Deutsche) Gesetz wird bei einem (ausländischen) Datendiebstahl gebrochen?"

Wenn Sie das Strafrecht meinen:  § 202a StGB enthält keine Beschränkung auf "deutsche" Daten. Das deutsche Strafrecht ist auch anwendbar, wenn ausländische Daten ausgespäht werden. Einen Anknüpfungspunkt nach § 3 ff. StGB lässt sich finden, z.B. § 7 Abs.1 StGB.Zudem brauchen die deutschen Ermittler für Ermittlungsmaßnahmen  eine Eingriffsgrundlage. Die entfällt nicht nur bei Strafbarkeit.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Nun man sollte auch die wesentlichen Nachteile ersehen, die dem Staat und deutschen Steuerzahler entstehen, wenn die Daten nicht angekauft werden. Damit würden Steuerhinterzieher im großen Maßstab weiterhin gedeckt, deren Erkennung und Verfolgung verhindert. Daher sollte man die Daten ankaufen, gleichzeitig und im Anschluss jedoch die Ermittlungen gegen den Datendieb führen. Das schiene mir der optimale Weg im Sinne aller Interessen zu sein.

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"Also nochmal: Welche Norm könnte für einen solchen Ankauf der Daten einschlägig sein?"

 

Wie immer über §§ 160 I u. II, 161 StPO iVm §§ 399, 386 AO.

 

 

Es gibt dazu ("Aussetzung von Belohnungen für die Mitwirkung von Privatpersonen bei der Aufklärung strafbarer Handlungen oder der Ergreifung gesuchter Straftäter") auch Ländererlasse dazu:

- etwa für Brandenburg

http://www.bravors.brandenburg.de/sixcms/detail.php?gsid=andbb_lds_test_...

- oder für NRW

https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=7&vd_id=11561&ver...

 

Bei ca. 1000 Fällen und 2500 Euro "Belohnung" bekommt man dann schon mal auf 2,5 Millionen Euro.

 

Muss man bei einer solchen Belohnungsaussetzung auch moralische Bedenken haben, wenn man durch den Hinweis den Brandstifter oder Mörder fasst?

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Letztlich sind die in der Praxis sehr häufigen sog. Deals im Strafverfahren http://de.wikipedia.org/wiki/Verst%C3%A4ndigung_im_Strafverfahren nichts anderes. Warum wird hier gehadert, wo es doch um wirklich sehr beachtliche Summen und vermutlich ausschließlich ganz vorsätzliche Straftaten geht, weil es die sog. "bessere" (*räusper*) Gesellschaft betrifft, soll hier ungleichbehandelt werden? Also Kaufempfehlung, Steuergelder sichern und hinsichtlich aller Beteiligten ermitteln.

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@Prof. Müller

Zudem brauchen die deutschen Ermittler für Ermittlungsmaßnahmen  eine Eingriffsgrundlage. Die entfällt nicht nur bei Strafbarkeit.

 

Sagen wir man beauftragt niemanden sondern man bietet an eine Sammlung von Strafanzeigen wegen Steuerhinterzieheung zu honorieren. Nur für Bank-Daten, nur aus dem Ausland und nur ab einer Summe von 1mio Euro macht man ein Angebot von 20% des Erlöses (200.000) als Aufwandsentschädigung. Dann ist es keine Ermittlungstätigkeit.

Ich meine auch nicht "deutsche Daten" (was immer deutsche Daten sein könnten). Ich meine die Anwendbarkeit auf einen Diebstahl im Ausland. Wenn Daten im Ausland gestohlen und ggfs. das auch noch von einem Ausländer, dann findet Deutsches Recht wohl keine Anwendung. Demnach würde ein Beweisverwertungsverbot - Anwendung finden können oder nicht?  Gefühlsmäßig würde ich annehmen: nein, es findet keine Anwendung. Wenn dem so wäre würde ich vermuten das ein Szenario in welchem der Deutsche Staat einen Auslands-Datendiebstahl welcher im Ausland begangen wird honorieren und auch das Honorar anbieten darf.

 

Grüße

ALOA

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@ #23 (egal)

Gegen eine Belohnung für die Mitwirkung bei der Aufklärung von Straftaten ist ja grundsätzlich nichts einzuwenden.

Aber hier ist für jedermann offensichtlich, dass die Mitwirkung nur unter Begehung weiterer Straftaten erfolgen kann (nämlich Verstoß gegen 202a StGB). Eine solche Belohnung, die nur unter Begehung von Straftaten erlangt werden kann, erscheint zumindest sittenwidrig. Eine Belohnung kann es nur dann geben, wenn die Mitwirkung bei der Aufklärung von Straftaten (Steuerhinterziehung) nicht ihrerseits unter Begehung weiterer Straftaten (Datenklau) erfolgt.

Deshalb ist nicht einmal Steinbrück (der die Kavallerie reiten lassen wollte) auf die Idee gekommen, für Informationen über Steuerhinterzieher in der Schweiz vorab eine Belohnung auszuloben.

Nun gut, man mag argumentieren, dass die Straftat ja ohnehin schon begangen wurde, deshalb könne man auch nachträglich eine Belohnung zahlen. Wenn der Staat jedoch dieses Vorgehen mehrfach praktiziert, so ist diese Belohnung für den Datenklau berechenbar. Das ist dann schon fast wie die o.g. Auslobung einer Belohnung für den noch zu erfolgenden Datenklau. Dann wäre der Staat mit einer solchen Belohnung nicht sehr weit weg von der Anstiftung zu Straftaten.

Auch vom Straftatbestand der Hehlerei ist der Staat nicht sehr weit weg. Hier hilft ihm nur, dass die (zwar auf einer CD gespeicherten) Daten nicht als Sache angesehen werden.

 

@26 Nein, denn wenn gegen den Datendieb ebenfalls ermittelt wird, kommt der Staat dem Strafbedürfnis der Bürger nach. Wem sind nicht selbst die Fälle as dem TV bekannt, wo Ermittler Geld für Rauschmittellieferungen bezahlen um erfolgreich an die Hintermänner zu gelangen und kriminelle Strukturen zu beseitigen, völlig zu Recht. Nicht anders gelagert ist es hier. Daher ist die Aufregung völlig unverständlich. Ein Interesse an der Verhinderung des Datenerwerbs könne somit eigentlich nur selbst Betroffene, deren Lobbyisten oder Sympathisierende haben.

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@27

Ich halte den (insbesondere wiederholten) Ankauf gestohlener Daten weiterhin juristisch für problematisch und schließe mich da ganz der Meinung von Herrn Heintschel-Heinegg an (#7). So sieht das übrigens auch der französische Staat, der wohl den Ankauf der gleichen CD abgelehnt hat (aktuelle Pressemeldungen).

Interesse an der Verhinderung des Datenerwerbs hat wohl niemand (aus CDU und FDP, aber auch der Datenschutzbeauftrage sowie einige Juristen hier im Blog); wohl aber Bedenken, dafür zu bezahlen.

Das hat einen ganz einfachen Grund: Während V-Männer der Polizei stets gegen die Verbrecher direkt eingesetzt werden, so verhält es sich bei den Straftaten gegen Schweizer Banken anders: Die Schweizer Banken sind keine kriminellen Vereinigungen, insbesondere begehen die Banken selbst keine Straftaten (Steuerhinterziehungen).

Hätte also ein V-Mann der Polizei die Daten direkt bei den Steuerhinterziehern geklaut (z.B. direkt bei Herrn Zumwinkel) so wären meine Bedenken wesentlich geringer, dafür auch zu zahlen.

Nachtrag

Sofern der deutsche Staat meint, die Schweizer Banken sind zumindest moralisch mitschuldig an der Steuerhinterziehung deutscher Bürger, so muss man dieses Problem anders in den Griff bekommen. Gezielte Wirtschaftsspionage und gezielter Datenklau bei Schweizer Banken sind jedenfalls die falsche Methode. Statt dessen bieten sich beschleunigte Verhandlungen über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen an, auch andere wirtschaftliche und politische Druckmittel stehen zur Verfügung.

Sehr geehrte Mitdiskutanten, vielen Dank für Ihre vielen kontroversen Ideen und Anregungen.

Das Denken in Analogien ist in der Rechtswissenschaft natürlich richtig, aber manche Analogien passen besser, manche weniger gut: Die Aussetzung einer Belohnung für Hinweise ist etwas anderes als auf ein Angebot , rechtswidrig erlangte Informationen zu "kaufen", einzugehen. Mit dem Ankauf von Rauschmitteln werden diese dem Markt entzogen, zudem sind gerade diese Geschäfte im Rauschgiftmilieu keineswegs unumstritten.

@Aloa: Ihre Beispiele lassen sich ja schnell auf alle möglichen Straftaten erstrecken, und das wäre nur "gerecht" - warum denn nur eine Einnahmequelle für Schweizer Datendiebe?  Wer den Behörden Hinweise gibt auf Straftaten und OWi, erhält 20 % der sichergestellten Tatbeute / des Werts der sichergestellten Rauschmittel/ der hinterzogenen Steuern/ der Strafgebühren fürs Falschparken / der GEZ-Gebühren  etc. So etwas entspricht  aber sicher nicht dem Standard unserer Rechtsstaatlichkeit; es würde auch einen Denunziationsstaat begünstigen, in dem sich keiner mehr wohlfühlen würde.   Nach § 7 Abs.1 StGB ergibt sich übrigens eine Strafbarkeit in D, auch wenn ein Ausländer im Ausland Daten ausspäht, die einem Deutschen "gehören".  Ich gehe davon aus, es handelt sich bei den "Steuersündern" um Deutsche.

Inzwischen äußern sich ja viele Politiker in der Kontroverse. Wolfgang Bosbach (Jurist) ist einer der Befürworter aus der CDU. Er sagt (lt. Spiegel Online):

"Wenn der Staat von vornherein keine illegal erworbenen Daten nutzen dürfte, müsste das auch für alle anderen Fälle gelten", sagte Bosbach. Dies sei aber nicht der Fall. Oft genug würden Verbrechen dadurch aufgeklärt. Zunächst müsse die Validität der Daten geprüft werden, erst dann könne man entscheiden. Experten zufolge könnten mit der CD nachträglich 100 Millionen Euro Steuern eingetrieben werden.

Ich halte auch diese Analogie nicht für zutreffend, weil es nicht darum geht, Zufallserkenntnisse zu verwerten, sondern darum, dass der Staat gezielt Geld für (rechtswidrig) ausgespähte Daten einsetzen soll.

Auch Renate Künast (ebenfalls Juristin) von den Grünen will die Daten ankaufen:

"Es ist in diesem Land üblich, dass für Informationen auch Geld gezahlt wird", sagte sie im Radiosender NDR Info. Zudem würden in anderen Fällen immer wieder Geschäfte mit Kriminellen gemacht, etwa bei der Kronzeugenregelung. Mittäter gingen dabei sogar straffrei aus, weil sie Informationen geliefert hätten.

Auch dies erscheint mir eine unzutreffende Analogie: Die Kronzeugenregelung ist ein Gesetz, nach dem unter bestimmten umständen Strafmilderung gegen Informationen versprochen wird. Diese Gesetzgebung ist (zu recht) umstritten, aber sie ist, anders als der hier diskutierte Datenankauf, eben eine schon demokratisch getroffene Regelung. Und Geld wird hier nicht bezahlt.

Ich bin übrigens einverstanden damit, dass man dem Daten"dieb" Straffreiheit anbietet, wenn er die CD kostenlos herausgibt.


Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

Ich weiß das sie sich schnell ausdehnen lassen Herr Prof. Müller. Wobei die von Ihnen dargestellten Dinge meist Sachen betreffen oder im Inland stattfinden.

Darüber das es moralisch verwerflich ist... Sie gehen sogar weiter und reden von Rechtsstaatlichkeit... dessen sind zumindest wir Beide uns denke ich einig.

Entschuldigen Sie meine Penetranz, aber ich frage trotzdem weiter.
 §7(1)StGB stellt auf Strafbarkeit bei einem strafbaren Vergehen gegen einen Deutschen ab.

 

Daran schließe ich folgende Fragen:

A) Zivilrechtlich ist das ohne belang für die Beweisverwertung im Steuerverfahren (Nachberechnung)?

B) Ist das ein Vergehen gegen die (deutsche) Person oder nicht doch ein "Diebstahl" (Kopieren) der Bankdaten der Auslandsbank?

C) Und  dies nur unter einer u.U. nicht strafbaren Verletzung des Datenschutzes?

Es scheint mir also das es nur dann strafrechtlich zu einem Beweisverwertungsverbot kommen kann wenn z.B. in der Schweiz das kopieren der Daten zu einem Strafbaren Delikt aufgrund eines Eingriffes in die Persönlichkeitsrechte einer betroffenen Person (bzw. vieler jew. einzeln) kommen könnte.

Halte ich (in Unkenntnis) jedoch für unwahrscheinlich. Ich halte es u.U. für strafbar weil man die Bank "angegriffen" hat (und damit keinem Deutschen bzw. keiner Person).

 

Grüße

ALOA

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@aloa:

zu A) Die Option, die Daten anzukaufen, aber dann ausdrücklich kein Strafverfahren zu betreiben, sondern nur eine steuerliche Nachberechnung, würde ich für weniger problematisch halten.Aber man bekäme Probleme mit dem Legalitätsprinzip

zu B) § 202a StGB schützt nach meinem Verständnis (auch)  jeden, dessen pers. Datengeheimnis betroffen ist, nicht nur den Eigentümer des Datenspeichers.

zu C) was meinen Sie mit "u.U. nicht strafbaren Verletzung des Datenschutzes"? Die Tat ist wohl (wie die Speicherung genau geschah, ist ja nicht bekannt) nach § 44 Abs.1 BDSG strafbar . Ob es eine entspr. Strafbarkeit in der Schweiz gibt (Tatortstrafbarkeit), weiß ich momentan nicht, aber ich gehe davon aus, dass auch Strafbestimmungen in der Schweiz verletzt wurden. Rechtsgut des § 44 BDSG ist der Schutz personenbezogener Daten und damit ist auch derjenige geschützt, auf dessen Person sie bezogen sind.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Finale Frage:

Man könnte nach Ihren Ausführungen wenn es eine Bank im Inland gewesen und man betroffen wäre den Täter als Einzelperson anzeigen? (Wenn also 1000 Datensätze gestolen würden könnten 1000 Personen Strafantrag stellen)

 

Grüße

ALOA

0

Ich sehe da insoweit kein Problem, sofern man auch zur Strafermittlung gegen den Datendieb auf das Angebot eingeht. Die Verwertung der im Rahmen der Strafverfolgung erlangten Daten zur Aufklärung und Verhinderung weiterer schwerer Straftaten sollte also unproblematisch sein.

0

@aloa: Hinsichtlich § 202a StGB ist die Frage umstritten, mehrheitlich wird hier angenommen, das Datengeheimnis sei nur abstrakt geschützt und deshalb nur die zur Speicherung Berechtigten betroffen. Ich halte das persönliche Datengeheimnis auch hier (v. a. aus systematischen Gründen: Abschnittsüberschrift im StGB, Regelung nach Briefgeheimnis und vor Privatgeheimnisschutz) für mitgeschützt - ebenso der Kommentar von Lackner/Kühl.

Im Falle des §44 BDSG ist in der Tat unbestritten jeder einzelne Betroffene geschützt und auch antragsberechtigt.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Es ist doch nichts ungewöhnliches bei der Verfolgung von Steuerstraftaten, dass Anzeigen anonym eingehen und die Datengrundlage dabei sicher auch häufig gegen das BDSG verstößt, sei es weil die/der Ex-Ehefrau/mann ein paar Daten gesammelt hat oder ein Arbeitskollege sich fürs Mobbing rächen will. All diese Anzeigen werden auch unproblematisch verfolgt.

Nichts anderes liegt doch hier vor. Der einzige Unterschied ist nur, dass diesmal nicht anonym Anzeige erstattet wird, sondern dass der "Anzeigeerstatter" eine Belohnung für sachdienliche Hinweise zur Ergreifung von Straftätern haben möchte. 

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@David

Nein. Eine Ehefrau hat legal Zugang zu den Daten und ein Arbeitskollege ggfs. auch bzw. er wird eine Vermutung äußern. Zudem ist es auch so, das jemand der zur Polizei geht und sagt "ich weiß wer der Mörder ist, aber ich sage es erst wenn ich 1mio erhalte" im Normalfall nicht gerade mit offenen armen empfangen werden sollte.

Es ist somit in mehrfacher Hinsicht etwas anderes. Wenn Sie eine Analogie ziehen wollen können Sie hingehen und sagen ein Nachbar geht zur Politei und erklärt "ich bin bei jemandem eingebrochen und weiß nun wer der Täter ist, sage das aber erst wenn ich 1mio bekomme".

 

Was ist wichtiger. Den Mörder zu schnappen oder einem Kriminellen doch nicht zu einer staatliche Tatbelohnung zu verhelfen? "Der Zweck heiligt (nur für den Staat) alle Mittel"?

 

Der Staat benimmt sich hierbei wie ein moralischer Fußabstreifer. Er ist es nicht wert.

 

Grüße

ALOA

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Wer also wegen der angebotenen Kontodaten heute moralische Empörung bekundet und von den Behörden eine reine Gesinnungsethik fordert, hat bisher offenbar nicht gemerkt, in welchem Staat er lebt.

 

Wie recht er hat, der Herr Ochmann. Nur nicht in dem Sinne wie er es meint. Und seine Analogien sind ja schon zum schreien. Nicht alles was ein Vergleich ist hinkt.

 

Grüße

ALOA

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Sehr geehrter Herr David, Sie schreiben:

Nichts anderes liegt doch hier vor. Der einzige Unterschied ist nur, dass diesmal nicht anonym Anzeige erstattet wird, sondern dass der "Anzeigeerstatter" eine Belohnung für sachdienliche Hinweise zur Ergreifung von Straftätern haben möchte.

Sie haben völlig Recht, dass dies hier der einzige bedeutsame Unterschied ist. Fraglich ist eben, ob es sich um den entscheidenden Unterschied für die rechtliche Bewertung handelt, wofür ich plädiere.

@Hans:

Zu den Argumenten von Möller: er hebt zunächst auf eine angebliche "Notlage" des Staates ab. Wenn dies ein Argument wäre, brauchten wir gar keine geschriebenen Gesetze und Formalien mehr: Wenn es für den Staat zu schwierig wird, beruft er sich eben auf eine Notlage und ermittelt dann so wie beliebt. Wieso haben wir dann eigentlich so lange über den Lauschangriff diskutiert (und dies bei schwereren Straftaten)? Das Argumnet ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich.

Zur Analogie zur Kronzeugenregelung habe ich bereits oben (Renate Künast) Stellung genommen: Auch hier geht es eben nicht ohne gesetzliche Grundlage.

Und Herr Ochmann im Stern, der im Stile von "ist der Ruf erst ruiniert, lebt sichs völlig ungeniert" diskutiert und das noch mit philosophischen Termini anreichert - das kommt mir ungehobelt und trotzdem flach vor. Folgte man ihm, brauchte man keine Diskussion mehr zu führen.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

 

 

Auch Dieter Ondracek meldet sich zu Wort und winkt hier zu Recht mit der Moralkeule: "Es bedeute "keinen Unterschied, ob der Finanzminister für diese Hinweise Geld zahlt oder die Staatsanwaltschaft für Hinweise zur Ergreifung eines Straftäters Belohnungen auslobt". Für das spätere Strafverfahren sei unerheblich, wie die Anzeige zustande gekommen ist. Ondracek: "Hier kommt es dann einzig auf die saubere Beweissicherung an. Gesetzestreue Steuerzahler haben einen Anspruch darauf, dass der Staat Steuersünder zur Kasse bittet. Kein Rentner mit 500 Euro im Monat würde verstehen, dass er vom Finanzamt belästigt wird, aber die mit den dicken Konten in der Schweiz ungeschoren davon kommen." http://www.zeit.de/newsticker/2010/1/31/iptc-bdt-20100131-204-23719718xml

 

Wie sollte man ein Nichtermitteln bei der erdrückenden Beweislage bitte auch der großen Zahl sozial gepeinigter Hartz-IV-Sklaven im Land erklären oder etwa am unterfinanzierten, schlechten und krankreformierten deutschen Bidlungssystem verzweifelnden Betroffenen?

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Sehr geehrter Herr Hans,

es ist schade, dass auf die "schützenden Formen" des Rechts, insbesondere des Strafrechts so wenig (und leider immer weniger) Wert gelegt wird. Natürlich gibt es aus der Wirklichkeit immer Beispiele dafür, wie die schützende Form einen Schuldigen (zu Unrecht) vor Strafe und Verfolgung bewahrt.  Aber Sie müssen auch das Ende Ihres Arguments bedenken: Die totale Gerechtigkeit gibt es leider nur gegen die totale und nicht durch schützende Formen gebremste Kontrolle. Letzteres wird nicht nur die paar reichen Steuerhinterzieher betreffen, den ich jetzt durchaus ein paar schlaflose Nächte gönne, während wir diskutieren. 

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Lieber Prof. Müller,

zunächst herzlichen Dank für Ihre rege Beteiligung. Selbstverständlich ist es richtig, einer pauschalen und generellen staatlichen Notlage in allen Fällen ganz grds. nicht zuzustimmen, da Sie sehr zu Recht darauf hinweisen, dass dies gefährlich wäre. Es kommt jedoch darauf an. In diesem Fall haben wir auch ein überragendes öffentliches Interesse an einer Aufklärung, zudem besteht ein grobes Mißverhältnis relevanter Interessen. Vorrangig stehen sich hier wohl das "blosse" Recht auf Datenschutz vermutlich vorsätzlich handelnder Krimineller der Aufklärung von Straftaten und dem staatlichen Anspruch auf Finanzierung zur Existenz auch und gerade unter sozialstaatlichen Gesichtspunkten gegenüber. Es scheint mir, als sollte es nach Abwägung aller Interessen möglich sein, diese Daten zu erwerben und verwenden. Oder sollte man besser von einem übergesetzlichen Notstand ausgehen oder ein Einschreiten aus dem Naturrecht ableiten, da für die soziale Existenz der Bürger und ihres demokratischen Staates eine gesetzestreue Staatsfinanzierung aller Steuerunterworfenen unumgänglich ist?

 

 

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Einen guten Überblick über die verschiedenen politischen (teils auch juristischen) Einschätzungen gibt das Handelsblatt:

http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/steuersuender-merkel-gib...

Bedenkenswert finde ich den Hinweis von Schaar:

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte dagegen im RBB: „Der Staat darf nicht mal im Entferntesten in den Verdacht geraten, dass er selbst als Datenhehler agiert.“ Eindringlich wies er auf die rechtlichen und tatsächlichen Probleme hin. „Wer sagt denn, dass es sich hierbei nur um Daten von Straftätern handelt?“, fragte er. „Wer sagt denn, dass diese Daten tatsächlich richtig sind? Was passiert, wenn eine solche Praxis zwischen Rechtsstaaten einreißt?“

Schaar erinnerte daran, dass viele Bürger gegen die Übermittlung von Bankdaten in die USA sind. „Und dann kann ich es nicht gut heißen, dass unsere Behörden, sogar vorbei an Rechtshilfeabkommen, auf die Daten zugreifen, die in anderen Staaten gestohlen worden sind.“

 

@Frau Ertan Ich denke man sollte abwägen, handelt es sich ganz offensichtlich um die Daten Krimineller oder gesetzestreuer Bürger? Sollten Daten unbescholtener Bürger darunter sein, die ihre Konten bei Schweizer Banken ordnungsgemäß versteuerten (was doch sehr abwägig wirkt), muss selbstvertsändlich der Datenschutz garantiert sein, womit wir beim Erfordernis zu unterlassender Öffentlichkeitsarbeit unter Namensnennung der Ermittlungsbehörden sind.

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@hans

Bei allem Verständnis für Ihre Position steht für mich der Datenschutz höher (selbst in diesem Fall). Ich bin auch gegen eine Übermittlung sämtlicher Bankdaten an die USA (obwohl ja jemand, der nichts zu verbergen hat, angeblich auch nichts befürchten muss. Aber das Gegenteil ist oft schon bewiesen worden - wie schnell geraten Unschuldige auf solche Listen, und dann ist es nahezu unmöglich, unbeschadet aus einer solchen Affäre herauszukommen).

Deshalb darf es den gläsernen Bürger nicht geben, auch wenn die Neugier noch so groß ist. Der rechtsstaatliche Erwerb von Daten, die dann wirklich nur Kriminelle betreffen, ist davon natürlich ausgenommen. Darauf beruht (noch) unsere Strafverfolgung. Sie hingegen plädieren für grenzenloses Datensammeln, selbst ohne gesetzliche Grundlage und mit rechtswidrigen Methoden (zumindest des Ersttäters). Das ist nicht mein Land.

Nachtrag:

Kreuzposting mit hans. Ich kann Ihre Argumente gut nachvollziehen, jedoch scheint mir das "Abwägen" mehr ein Abwägen zu sein zwischen maximaler Transparenz (und maximaler Gerechtigkeit durch maximale Kontrolle) einerseits und Lebensqualität durch Bürgerrechte und minimale Einmischung des Staates andererseits (mit der Folge, dass gelegentlich auch dicke Steuersünder dem Fiskus und der Strafverfolgung entgehen mögen und hierdurch Ungerechtigkeit entsteht).

Jedenfalls möchte ich ungern mit meinen Steuergeldern zukünftig kriminelle Hacker unterstützen, die als Nachahmungstäter bald den Datenklau als lukrative Einnahmequelle entdecken werden und sich auf den Abnehmer (deutscher Fiskus) verlassen können.

@Frau Ertan

 

Auch ich bin natürlich froh, dass wir noch nicht soweit wie in GB sind, wo an nahezu jeder Ecke Kameras positioniert sind und via Internet quasi in Echtzeit und ganztags Bürger Bürger kontrollieren, was hinsichtlich Straftaten sinnvoll sein kann, jedoch auch zu einem voyeuristischen Volksspannertum einlädt. Ähnlich verhielte es sich auch mit den Datenschutz negierenden umfangreichen Hackversuchen zur Finanzierung aus Datendiebstählen.

 

Es besteht jedoch ein sehr großer Unterschied zu Ihrem Bsp. der Datenübermittlung an die USA, denn diese soll grds. pauschal und verdachtsunabhängig möglich sein. Im Fall der Bankdaten Finanzkrimineller ist der Personenkreis jedoch sehr eng auf 1500 Personen begrenzt und insbesondere nicht auf unbescholtene sondern gerade nahezu ausschließlich finanzkriminelle Bürger in großem Ausmaß.

 

 

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Sehr geehrter Herr Hans,

ich sehe in der Diskussion eine gewisse Inkonsequenz: Einerseits wird (gegenüber dem "kleinen" Mangel, dass es keine Rechtsgrundlage gibt) die große Moralkeule ausgefahren: Die bösen Steuerhinterzieher, Notstand des Staates, hunderte Millionen, die bildungshungrigen HartzIV Kinder etc.

Wenn aber diese Argumentationsweise einmal hinterfragt wird und die Gefahren einer solchen gesetzlich haltlosen Ermittlungstätigkeit unter Bezahlung krimineller Handlungen aufgezeigt werden, dann wird wieder auf den bloßen Einzelfall abgestellt: Schließlich gehe es ja nur um diese 1500 millionenschweren Steuerbetrüger etc. es betreffe schließlich nur bescholtene Bürger (woher wissen Sie das?) usw.

Rechtsstaatlichkeit handelt aber davon, dass nicht im Einzelfall mal eine passende Ausnahme gemacht wird.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

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