Miete vom Staat

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 31.01.2010

Das Urteil des OLG Hamm vom 8.1.2010 (Az.: 11 U 27/06) hat einiges an Aufsehen erregt. Es behandelt aber einen Extremfall. Das OLG Hamm spricht einem Spediteur Schadensersatz nach § 839 BGB zu, weil das erstinstanzliche Verfahren 18 Jahre gedauert hatte und der Beklagte zwischentzeitlich in Insolvenz geraten war. Der Senat war der Auffassung, dass seine Kollegen hätten sich nicht mit der nötigen Nachhaltigkeit um die Förderung, Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens bemüht.
Nun habe ich selbst noch an keinem Verfahren teilnehmen müssen, dass mehr als 5 Jahre (in einer Instanz) gedauert hat. Wenn man aber die Praxis unserer Gerichte bei der Behandlung von Räumungsklagen sieht, ist man versucht, auch kürzere Zeiträume als unzumutbar anzusehen, wenn der Mieter in der Zwischenzeit keine Zahlungen mehr leistet oder die Immobilie unvermietbar (und damit verlustbringend) ist, der letzte Mieter aber nicht weichen will. Die Mehrheit der Amtsrichter bemüht sich zwar, die Fälle des Zahlungsverzuges im schriftlichen Vorverfahren zügig zu erledigen. Bei Landgerichten ist dies aber bei Gewerberaummietsachen schon nicht gängige Praxis, zumal wenn Spezialkammern fehlen, die die besonderen Belange der Parteien zu werten wüssten. Aber auch bei Amtsgerichten werden die Verahren immer länger, weil die Personaldecke der Geschäftsstellen infolge Mittelkürzungen dünner wird und z.B. Verfügungen z.T. wochenlang nicht ausgeführt werden. Verfahren von 9 - 12 Monaten sind keine Seltenheit mehr.
Richtungsweisend ist hier die Entscheidung des BGH v. 11.1.2007 (III ZR 302/05, NJW 2007, 830). Danach müssen zwar bei der Entscheidung über die Besetzung der einzelnen Dienststellen auch andere Umstände als die Einzelinteressen des Bürgers/Vermieters wie insbesondere die finanzielle Leistungsfähigkeit der betreffenden Körperschaft und die Möglichkeit zur Aufbringung der notwendigen Mittel berücksichtigt werden. Das hindert aber nicht, die dem nachgeordnete Verpflichtung der Judikative oder Exekutive zur sachgerechten Verteilung der ihr zur Verfügung stehenden Mittel dann als drittschützend zu werten, wenn es an einzelnen Verwaltungsstellen wegen Überlastung der zuständigen Bediensteten zu unzumutbaren Verzögerungen kommt und es allein in der Hand der übergeordneten (Zentral-)Behörde liegt, hier für Abhilfe zu sorgen (noch weitergehend Soergel/Vinke, BGB, 13. Aufl., § 839 Rn. 119: mangelnde Personal- oder Sachmittelausstattung könne eine Verzögerung nicht rechtfertigen). Nach diesen Maßstäben kommt es darauf an, ob die zuständigen Behördenleiter die ihnen - nach Maßgabe der beamtenrechtlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen, wobei die berechtigten Belange der betroffenen Beamten oder Angestellten nicht unberücksichtigt bleiben dürfen - jeweils möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen haben, um eine Erledigung der von einem Antragsteller, Kläger o.ä. gestellten Anträge in angemessener Zeit sicherzustellen. Darlegungs- und beweisbelastet hierfür ist die Behörde, da dem geschädigten Dritten solche internen Abläufe im Behördenbetrieb in aller Regel nicht bekannt sind und auch nicht bekannt sein müssen.
Nach diesen Grundsätzen kommt eine Haftung der Justizbehörden aus § 839 BGB in Betracht, wenn Räumungsklagen wegen Überlastung der Gerichte „übermäßig“ lange dauern (Vgl. dazu auch: Börstinghaus, MK 2003, 161 und MK 2004, 70).
Allerdings wir der Vermieter zunächst Umstände vortragen müssen, die eine Amtspflichtverletzung nahe legen. Allein eine lange Prozessdauer wird dazu noch nicht ausreichen, denn diese kann auch aus Zustellungsverzögerungen o.ä. herrühren. Deshalb sollte Akteneinsicht genommen werden, um minutiös zu ermitteln, wie lange z.B. die Akte auf der Geschäftsstelle oder in der Kanzlei unbearbeitet liegen geblieben ist. Mit diesem Wissen kann z.B. ein parallel gelaufener (Räumungs-) Prozesse vergleichend dargestellt werden, um aufzuzeigen, dass andere Behörden besser organisiert sind, weil sie ihre Mittel effizienter einsetzen.

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