Keine Diskriminierung durch Aufforderung zur Teilnahme an einem Deutschkurs

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 08.02.2010

Ein Arbeitnehmer wird nicht dadurch (mittelbar) wegen seiner ethnischen Herkunft diskriminiert, dass der Arbeitgeber ihn auffordert, an einem Deutschkurs teilzunehmen. Das hat das LAG Schleswig-Holstein entschieden (Urteil vom 23.12.2009 - 6 Sa 158/09).

Die Klägerin wurde 1951 im damaligen Jugoslawien geboren. Ihre Muttersprache ist Kroatisch. Sie ist seit 1985 (mit einer einjährígen Unterbrechung) als Reinigungskraft und Vertretung der Kassenkräfte in einem Schwimmbad tätig. Seit vielen Jahren verfügt sie über die Kassenbefugnis. Mit Schreiben vom 18.05.2006 forderte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin sie zur Teilnahme an einem Deutschkurs auf. In dem Schreiben heißt es unter anderem:

„… aufgrund Ihrer unzureichenden Deutschkenntnisse kommt es immer wieder zu Problemen in der Verständigung mit Kollegen, Vorgesetzten und Kunden. Es ist nicht möglich, Sie aufgabengerecht einzusetzen, wenn Sie Sachverhalte nicht verstehen, geschweige denn deuten können."

Nach einem vorprozessualen Schriftwechsel erhob die Arbeitnehmerin Klage und verlangte gemäß § 15 Abs. 2 AGG mindestens 15.000 Euro Entschädigung, da sie diskriminiert worden sei.

Das LAG Schleswig-Holstein hat - wie schon die Vorinstanz - die Klage abgewiesen. Die Aufforderung zum Besuch des Deutschkurses sei nicht aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft i.S. von § 1 AGG erfolgt. Für die Arbeitgeberin habe die konkrete Herkunft der Klägerin aus dem ehemaligen Jugoslawien und ihre Muttersprache Kroatisch keine Rolle gespielt. Die Beklagte habe die Klägerin zum Besuch des Sprachkurses aufgefordert, weil sie deren Deutschkenntnisse für nicht ausreichend hielt bzw. hält. Angeknüpft werde mit den von der Klägerin unerwünschten Aufforderungen also an ihre Sprachkompetenz und nicht an ihre Ethnie.

Die Kammer vermochte auch nicht zu erkennen, dass die Aufforderung, einen Deutschkurs zu besuchen, die Würde des Aufgeforderten angreift. Sicher liege darin eine Kritik an der vorhandenen Sprachkompetenz. Die Würde wegen der Zugehörigkeit zu einer nach § 1 AGG geschützten Gruppe werde dem Betroffenen damit jedoch nicht abgesprochen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Klägerin mehrfach deutlich gemacht habe, dass sie zum Besuch des Deutschkurses nicht weiter aufgefordert werden möchte.

Die unterlegene Arbeitnehmerin hat Revision eingelegt (Az. beim BAG: 8 AZR 48/10).

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Das Problem besteht hier vor allem darin, dass der Arbeitgeber nach fast 20 Jahren unbeanstandeten Bestehens des Arbeitsverhältnisses pauschal behauptet hat, die Sprachkenntnisse der Arbeitnehmerin hätten sich inzwischen so verschlechtert, dass es zu Kommunikationsschwierigkeiten gekommen sei. Diese vermeintlichen nahm er zum Anlass, von der Arbeitnehmerin durch zahllose mündliche und schriftliche Aufforderungen die Absolvierung eines Deutschkurses in ihrer Freizeit auf eigene Kosten zu verlangen.

Das LAG hat allein die pauschal behauptete Motivation des Arbeitgebers für sein Verhalten ausreichen lassen, um schon eine Benachteiligung i.S.d. § 1 AGG abzulehnen. Zu einer Prüfung der sachlichen Rechtfertigung nach § 3 II AGG kommt es so gar nicht mehr. Wenn das so richtig wäre, könnte jeder Arbeitgeber von jedem seiner ausländischen Arbeitnehmer die Absolvierung eines Deutschkurses auf eigene Kosten verlangen, ohne eine sachliches Rechtfertigung nachweisen zu müssen. Ich gehe daher nicht davon aus, dass das BAG dieses Urteil halten wird.

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