Schützt ein "Ich fahre schwarz"-Shirt vor Strafe?

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 26.02.2010Jedenfalls nicht nach Auffassung des Amtsgerichts Hannover, das am 24.02.2010 einen 38-Jährigen, der dreimal ohne gültiges Ticket in der Straßenbahn erwischt worden war, zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilt hat. Der Angeklagte hatte argumentiert, er habe das T-Shirt deutlich sichtbar getragen und deswegen keine Leistungen nach § 265a StGB erschlichen.

 

Dagegen betonte der Richter, dies sei unerheblich, da der Mann weder den Fahrer noch die Kontrolleure vor der Abfahrt auf den Aufdruck aufmerksam gemacht hatte. Vor der Verhandlung hatte der 38-Jährige das dunkle T-Shirt mit dem weißen Aufdruck «Ich fahre schwarz» noch siegessicher den zahlreichen Pressefotografen und Filmteams präsentiert. Mit Unschuldsmine beteuerte er, dass er keine Leistungen erschlichen habe. Dem hätte aus seiner Sicht etwas Heimliches oder eine bewusste Täuschung vorangehen müssen. Außerdem wolle er mit dem Prozess zivilen Ungehorsam zeigen. Seine Verteidigerin fügte hinzu, dass das Verfahren auch als «Aufschrei zu sehen ist, dass sich Hartz-IV- Empfänger nicht mal ein Sozialticket für den öffentlichen Nahverkehr leisten könnten».

 

Der Richter hatte für solche Erklärungen jedoch wenig übrig. «Sie können nicht einfach ohne Ticket in die Bahn steigen nach dem Motto ‹Django zahlt heute nicht›», sagte er in seiner Urteilsbegründung. Außerdem glaubte er dem mehrfach wegen Raubes, Körperverletzung und Missbrauchs von Ausweispapieren vorbestraften 38-Jährigen nicht, dass er das T-Shirt bei seinen Schwarzfahrten überhaupt getragen hatte. «Für mich ist das eine nachträglich ersonnene Schutzbehauptung.» So hatten die drei Kontrolleure, die den Mann erwischt hatten, kein T-Shirt bemerkt.

 

Zeige dagegen ein Schwarzfahrer ein solches Shirt dem Fahrer oder den Kontrolleuren und erhalte von diesen die Erlaubnis einzusteigen, könne der Fall anders bewertet werden, sagte der Richter.

 

Alleine im vergangenen Jahr wurden in den Bussen, U-Bahnen und Stadtbahnen in Hannover fast 3,5 Millionen Fahrgäste kontrolliert. Mehr als 74.000 waren ohne Ticket unterwegs und mussten 40 Euro zahlen. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen schätzt den bundesweit entstehenden Schaden von Schwarzfahrern auf jährlich bis zu 300 Millionen Euro.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

6 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Dass man beim Amtsgericht mit solch feinsinniger Argumentation (bzw. wg Verletzung des Bestimmtheitsgebots der Strafnorm) durchkommt, war auch nicht zu erwarten.

 

 

5

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen schätzt den bundesweit entstehenden Schaden von Schwarzfahrern auf jährlich bis zu 300 Millionen Euro.

halte ich für die gleiche Milchmädchenrechnung die die Musikindustrie immer aufmacht. Aus einem illegalen Umsatz zu folgern, dass dieser bei strikter Bezahlkontrolle genauso 1:1 angefallen wäre und daraus auf den Verlust zu schließen halte ich für falsch.
Musikstücke werden kopiert weil es ein (kostenloses) Angebot gibt, fällt das Angebot weg, wird weniger von dieser Musik kopiert.
Ebenso im Personennahverkehr, wird rigoros kontrolliert, fallen nicht nennenswert mehr Einahmen an, sondern die Leute laufen oder fahren mit dem Rad (der größte Anteil zumindest) — weil, es ist einfach kein Geld da.
Ein Schüler der 20€ Taschengeld zur Verügung hat und für 2000€ Musik illegal downloaded würde doch bei Verunmöglichmachung illegaler Downloads nicht 1980€ Kredit aufnehmen und die gleiche Menge Musik konsumieren.

Schwarzfahrer verursachen keinen Schaden in diesen Größenordnungen. Ob ne 100to Straßenbahn 2 Leute zu 80kg mehr mitnimmt oder nicht dürfte wurscht sein.

Das das nicht in Ordnung ist, einverstanden. Und das sowas entsprechend geahndet werden muss auch.
Aber es ist doch nicht Sache des Staates, das Geschäftsmodell der ÖPNVBetreiber, Eingangskontrollen und Schaffner einzusparen und als Drohung ein paar erwischte Trittbrettfahrer mit der ganzen Keule des Strafrechts zu überziehen. incl teilweise Eintragung in Strafregister.

Entweder die Verkehrsunternehmen haben unterm Strich einen Vorteil dadurch, dass sie Kontrollen einsparen und dafür ein paar "Schmarotzer" in Kauf nehmen, oder sie müssen das ändern.

MfG

5

Lieber Herr Kollege von Heintschel-Heinegg,

die Schwarzfahr-Rechtsprechung ist aus mehreren Gründen problematisch. Dass die Argumentation mit dem Schaden nicht ganz stimmig ist, zeigt sich, wenn man die Folgen der Rechtsprechung berücksichtigt: Fast ein Drittel der zu diesem Zeitpunkt in der JVA Plötzensee (für 80 Euro Steuergeld am Tag) einsitzenden Gefangenen waren dort wegen "Erschleichens von Leistungen"; sie saßen eine Ersatzfreiheitsstrafe ab. Ich schätze, dies hat sich seither (der Blogbeitrag stammt von Juli 2009) nicht gravierend verbessert. Das sind jeden Tag ungefähr zwei Monatstickets.

Wer das Ende der Geschichte von  "Django zahlt heute nicht" kennt, der weiß im Übrigen auch, dass auch dieses "Argument" des AG nicht ganz zutrifft. Denn der "Django" aus der Geschichte zahlt heute nicht, weil er ein Monatsticket hat.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Interessant ist, dass das AG Hannover "Schwarzfahrer" vor einiger Zeit nicht bestrafen wollte. In der vom OLG Celle (BeckRS 2009, 05373) kassierten Entscheidung heißt es:

"Wenn der Gesetzgeber das unbefugte Benutzen eines öffentlichen Verkehrsmittels als solches hätte unter Strafe stellen wollen, so hätte er dies auch im Gesetzestext aufnehmen müssen."

5

aber am Ende, man muss ja "schwarz fahren" heut zu Tage, wenn man zum Beispiel dringend irgendwo hin muss.

Wer kann sich das schon leisten, die Preise für Fahrscheine zu bezahlen? Soviel verdient doch kaum jemand noh. Als Sozialhilfeempfänger hat man erst recht nicht das Geld.

Na ja, bin früher auch immer viel schwarz gefahren, als ich noch studiert habe. Bin sogar mit ICE teilweise gefahren.

Manchmal habe ich Strafe bommen usw. hab ich aber nie bezahlt den Kram, war mir egal.

Ich hab zum Glück gesetzlichen Betreuer, weil ich kein Geld habe, er muss Verträgen zustimmen. So kann ich immer sagen, mein Betreuer hat nicht eingewilligt in den Beförderungsvertrag, also kein Vertrag zustande gekommen, und ich muss nix zahlen. So mach ich das auch manchmal, wenn ich dringed wo hin muss, und ich rufe ein Taxi. Da musste ich auch schon oft auf die Poliezi, als ich kein Geld hatte. Aber zun Glück hat mein Betreuer das dann immer noch irgendwie regeln können, ohne dass es zur Anzeige kam.

Aber ist schon blöd am Ende, weil JEDER möchte auch mal verreisen, oderr jemanden besuchen. Ohne Auto mit Schwerbehinderung und öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, das ist so schon schwierig genug. Und wenn man kein Geld hat, bleibt einem nunmal nichts anderes übrig, als schwarz zu fahren, leider. --alles nur Kapitalistenbonzen eben, die abzocken ohne Ende. Da muss man rumstehen am Bahnhof in der Kälte stunenlang an einsamen Bahnhöfen usw. niemanden kann man fragen, um Hilfe bitten, Menshen mit Behinderung kommen nicht shnell genug raus beim Aussteigen, keinerlei Service mehr vorhanden, aber Fahrpreiste steigen ständig ins Unermessliche, traurig sowas.

 

5

Kommentar hinzufügen