Nach Leichenfund - Wiederaufnahme doch zulässig!

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 13.03.2010

In der Mord(?)sache Rupp in Neuburg an der Donau hat jetzt das OLG München die Wiederaufnahme für zulässig erklärt. Das ist ein großer Erfolg für die Verteidigung gegen die Landshuter Justiz, die es gleich der Staatsanwaltschaft für unerheblich hielt, dass die Version des Tatgerichts (Leiche des Opfers an Schweine und Hunde verfüttert, Mercedes verschrottet) sich nach dem Fund in der Donau quasi in Luft aufgelöst hatte.

Offenbar hat man in München auch die Entscheidung des BVerfG beachtet, nachdem eine Wiederaufnhame dann zulässig ist, wenn die tatsächliche Urteilsgrundlage, die vom Tatgericht festgestellt wurde, widerlegt ist. Eine neue Verhandlung  ist dann notwendig, unabhängig davon, ob man die Verurteilten nach wie vor für schuldig hält. Dagegen hatte die zuständige Staatsanwaltschaft und das LG Landshut angenommen, es sei egal, wie Rupp zu Tode gekommen sei, die Verurteilten seien trotzdem schuldig.

Hier ein Video des donaukurier.

Hier die bisherige Berichterstattung im Blog.

Natürlich ist die Zulassung des Antrags nur der erste Schritt auf einem längeren Weg. Aber immerhin muss sich jezt das LG mit der Begründetheit der Wiederaufnahme auseinandersetzen. Ob es dann tatsächlich zu einer neuen Verhandlung kommt und ob an deren Ende ein Freispruch steht, ist noch längst nicht gesagt.

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11 Kommentare

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Wenn die Justiz weiterhin die Argumentation des Bundesverfassungsgerichtes beachtet, so wird es auch eine neue Verhandlung geben. Denn nur dort können sich die Beschuldigten ggf. auch mit neuen Gutachten zum jetzt geänderten Tatvorwurf zur Wehr setzen. Insbesondere wird es dann um die Frage gehen, ob denn mit Sicherheit Unfall oder Selbstmord ausgeschlossen werden können und wie bestimmte seltsame Unstände der Auffindesituation (Automatikhebel in P-Stellung, Zündschlüssel etc.) mit einer Beseitigung einer Leiche in Einklang zu bringen sind. 

Ob es dann zu einem Freispruch reicht, wird sich zeigen. Interessant wäre die Frage, inwieweit sich das OLG München von der medialen Aufmerksamkeit und auch den (vernichtenden und vor Häme nur so strotzenden) juristischen Diskussionen in den Blogs hat beeinflussen lassen. Hätte man ohne diese öffentliche Diskussion vielleicht "alles unter den Teppich gekehrt" (denn Wiederaufnahmen sind ja eher exotisch, ich erinnere an die Bemühungen der Vera Brühne)?

Sehr geehrte Frau Ertan,

von den Häme-strotzenden Blogs (außer vielleicht Kommentaren im lawblog) hatte ich gar nichts gelesen, können Sie mir sagen wo? Hier jedenfalls sind wir noch gesittet geblieben, obwohl der Fall schon "ungewöhnlich" ist.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Natürlich waren wir hier im beck-blog immer sachlich. Ich dachte tatsächlich an den law-blog. Hier spottete schon Herr Vetter:

"Wieso sich das Landgericht Landshut angesichts der eklatanten Unrichtigkeit des ersten Urteils gegen eine zweite Chance für die Verurteilten sträubt, hinterlässt einen unangenehmen Beigeschmack.

Für die Justiz wäre es nämlich mit Sicherheit unangenehm, wenn nun geklärt wird, wie es zu den Geständnissen kam. Und wie offenkundig notwendige Fragen nicht gestellt wurden. Eine Leiche rest- und spurlos an Hoftiere verfüttern? Das ist jedenfalls eine Geschichte, die sich selbst fantasiebegabte Krimiautoren eher nicht trauen würden.

Noch bleibt ja Gelegenheit, die fragwürdige Entscheidung zu korrigieren. Sonst, das ist klar, wird der Fall Rudi Rupp den Ruf deutscher Strafgerichte nicht verbessern."

Aber auch der Focus spottete über die Qualität des Ersturteils in Anbetracht der neuen Fakten:

"Die Beweislage war von Anfang an dünn. Die Fahnder hatten weder die Leiche noch Spuren entdeckt. Kein Blut, keine DNA, nicht den kleinsten Knochen. Das Urteil basierte im Wesentlichen auf den – später widerrufenen – Geständnissen der intellektuell minderbemittelten Angeklagten. Insbesondere der zur Tatzeit 18-jährige Matthias E., ein arbeitsloser Alkoholiker, hatte den vermeintlichen Verlauf des Verbrechens überaus präzise geschildert. So beschrieb E., wie er ein Kantholz ins Genick des Opfers geschmettert habe. Wie er die Spitze eines Hammers viermal in dessen Schläfe schlug. Wie er den Toten zerlegte und ausweidete. Wie er die Teile Hunden zum Fraß vorwarf. All das nahmen die Richter für bare Münze. Es überstieg ihre Vorstellungskraft, dass jemand den Plot erfunden haben könnte – und sich damit selbst schwer belasten würde. An Widersprüchen und Ungereimtheiten in E.s Aussagen störte sich die Kammer nicht."

Ansonsten ein Beispiel aus einem Blog (von vielen anderen mit ganz ähnlichem Tenor):

Ein Bauer namens Rupp wurde laut Geständnis seiner eigenen Familie von dieser im Jahr 2001 ermordet, zerstückelt und den Hunden zum Frass vorgeworfen. Die Familienmitglieder haben die achteinhalb Jahre wegen gemeinschaftlichen Totschlags bald abgesessen. Jetzt hat man seine Leiche frei von Spuren äusserer Gewalt aus der Donau gezogen. Der Chefermittler von Ingolstadt zeigte sich völlig überrascht, glaubt aber nicht an eine Wiederaufnahme des Falles, schliesslich lägen ja komplette Geständnisse vor, die noch dazu ohne verfälschenden anwaltlichen Beistand und ohne Protokoll der Vorgespräche zustande gekommen waren. Bei solchen Vorgesprächen wird die Wahrheit von Fachkräften vorsondiert, Protokolle hindern den zügigen Ablauf und lähmen die Kreativität der Ermittler. Auch die Abwesenheit von Spuren am Tatort ist eine Ohrfeige ins Gesicht des modernen, hochentwickelten forensischen Aufklärungsapparates und muss durch den Einsatz instinktsicherer und durch langjährige Erfahrung erprobter Techniken der psychologischen Erkenntnisgewinnung ausgeglichen werden. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Körper des Bauern Rupp um einen genetischen Fingerabdruck, der böswillig vom Tatort verschleppt wurde. Die nächste Frage dabei ist: wenn das also nicht der Bauer Rupp war - wen haben die Hunde wirklich gefressen?

 Selbstverständlich hat die Tatsache, dass 3 fast gleichlautende, dann aber falsche Geständnisse nach mehreren Monaten U-Haft das Urteil in wesentlichen Teilen getragen haben, die Phantasie der Blog-Autoren beflügelt (nun ja, meine auch etwas: wie konnten die 3 sich denn zu diesen Falschaussagen in der U-Haft absprechen?). Aber auch die Nonchalance der Staatsanwaltschaft, dass der Bauer schließlich tot sei und deshalb das Urteil richtig, hat natürlich einige Kommentare provoziert. Und ein bisschen amüsiert über die Argumentation der Staatsanwaltschaft haben wir uns ja auch.

iris6000 schrieb:

Natürlich waren wir hier im beck-blog immer sachlich. Ich dachte tatsächlich an den law-blog. Hier spottete schon Herr Vetter: [...]

 

und er spottete zurecht....denn alleine schon die Tatsache das die Leiche zerstückelt und den Hunden zum Fraß vorgeworfen wurde, ohne zurück bleiben der kleinsten forensischen Spur wie DNA, Blut, Gewebereste, Knochensplitter sollte genügend Zweifel am Hergang der Tat aufwerfen oder glaubt jemand der beschriebene Ablauf der Tat würde absolut keine Spuren hinterlassen?

 

bombjack

 

 

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Sehr geehrter Tourix,

Sie meinen sicherlich den Grund nach § 359 Nr.5 StPO. In der Tat stützt sich wohl der hiesige Wiederaufnahmeantrag darauf, dass neue Tatsachen zu einer Freisprechung der Verurteilten führen können. Ob dieser Antrag zulässig ist, darüber entscheidet das Gericht nach § 368 Abs.1 StPO. Hier wurde der Antrag  erst in der Beschwerdeinstanz für zulässig erklärt.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

Vielen Dank Prof. Dr. Müller für die Information.

 

@ bombjack

Eine akribische Suche auf einem Bauernhof nach Kleinstspuren ähnelt der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Nicht zuletzt auch wegen einer zu erwartenden Vielzahl von Spuren, die überwiegend tierischer Natur sein dürften

und es dürften tatsächlich auch Spuren vom Opfer zu finden sein, die aber vor der Tat entstanden sind.

Wie will man das dann zeitlich zuordnen ?

Es ist leicht mal eben davon zu reden, der Aufwand dürfte aber kaum zu bewältigen sein wenn nicht gerade Kommissar Zufall mithilft.   

Ich bin mir sicher, Herr Vetter ist sich dessen bewusst, aber er muss / will ja sein Klientel bedienen. 

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Ich weiss gar nicht wo da unsachlicher Spott sein soll. Wenn, dann ist es korrekter sachlicher Spott,  denn die genannten Zitate sind doch rein sachbezogen beschreibend. Sachbezogenheit ist sachlich und nicht unsachlich.

Selbstverständlich hat die Tatsache, dass 3 fast gleichlautende, dann aber falsche Geständnisse nach mehreren Monaten U-Haft das Urteil in wesentlichen Teilen getragen haben, die Phantasie der Blog-Autoren beflügelt (nun ja, meine auch etwas: wie konnten die 3 sich denn zu diesen Falschaussagen in der U-Haft absprechen?)

Entsprechende Falschaussagen werden Menschen gerne bei Verhören psychologisch eingetrichtert. Wenn man sagt was der Herr Kriminalbeamte wissen äh hören möchte, dann ist man lieb. Sagt man etwas anderes, dann ist man Böse. Und man möchte doch lieb sein auch gegenüber der Staatsanwaltschaft und gegenüber den Richtern, denn wenn man gegenüber den Richtern Böse ist, dann gibt es evtl. sofort eine Rechtsbeugung als Strafe und wenn man viel lieb ist, dann bekommt man lob.
Entsprechendes kann man auch sehr gut mit einer rethorischen Fragetechnik erzeugen.

Und je weniger man sich rechtich auskennt um so mehr wird man rechtlich über den Tisch gezogen.

Desweiteren ist bei Gericht das Ansehen der Person das wichtigste Entscheidungskriterium.

Wenn man erklärt, dass ein Staatsanwalt oder ein Richter etwas falsch gemacht hat, dann wird das ebenfalls besonders im Ansehen der Person als unsachlich verworfen, denn ein solcher schwerer Vorwurf stellt eine Beleidigung dar aufgrund dessen man manchmal auch seine Rechte, Grundrechte und Menschenrechte automatisch verlieren muß und daher mit solchen Beleidigungen auch gar nicht mehr gehört werden kann.

Heinrich Senfft in „Richter und andere Bürger", 1988, Seiten 53ff:
„Der Vorsitzende ist Herr des Protokolls, der Zeuge erst in zweiter Linie. Selten diktiert der Richter etwas ins Protokoll, das der Zeuge gar nicht gesagt hat, oft aber, was er so nicht gesagt hat. Die feinen, aber immer deutlichen Nuancen lassen erkennen, wie dieser Satz des Zeugen später im Urteil auftauchen wird: Er wird passen. Überhaupt hat man den Eindruck, dass die ganze Beweisaufnahme mehr dazu dient, die Meinung des Richters zu bestätigen als die Wahrheit zu ermitteln, weil der Richter ohnehin auf ein bestimmtes Ergebnis fixiert ist. Und da sie ohnehin nicht in sozialen Rollen, sondern in juristischen zu denken gelernt haben, lindern ihre Urteile nicht soziale Konflikte, sondern schaffen bloß Ordnung mit Hilfe staatlicher Herrschaftsgewalt.

Sensibelchen in schwarzen Roben, Anwalt: 'Saustall von Justiz, der mit eisernem Besen ausgekehrt werden müsse', Deutsche Richterzeitung DRiZ 2007, 77
Ein Angeklagter darf sich nicht auf den Sachverstand der Richter verlassen, sondern sollte das Wohlwollen des Richters in Ansehen der Person nicht durch schlechtes Benehmen verspielen!

SENDUNG VOM DIENSTAG, 17. MAI 2005, 23.00 UHR, Rolf Bossi (81)
Die deutschen Strafgerichte sind so ungerecht, dass man die Urteile auch auswürfeln könnte," sagt Rolf Bossi, Deutschlands bekanntester Strafverteidiger. Justizirrtümer seien demnach "sozialstaatlich sanktionierte Kunstfehler.

http://justiz.xp3.biz/juristenzitate.htm

Aus dem Gespäch mit Mandanten und insbesondere auch im Gespräch mit Beschuldigten, die am Anfang jedes Verfahrens jedesmal der Auffassung sind wie sie es wahrscheilich auch aus dem Fernsehen oder aus traktierten Mustern erkennen, das sie völlig objektiv behandelt werden, wenn sie vor Gericht stehen und das auch schon die Ermittlungen objektiv stattfinden. Es gibt dann aber, und da kann ich sagen in fast jedem der Verfahren egal wie es nachher ausgeht aber auch im Wege dieses Verfahrens die Erfahrung für diese betreffenden Personen, die Anfangs diese Auffassung vertraten, das sie diese Meinung revidieren müssen.
Er drängt vielleicht seinen Anwalt bestimmte seiner Meinung nach entlastende Informationen den Ermittlungsbehörden sofort mitzuteilen, weil er sich nicht vorstellen kann in welch erschreckendem Ausmaß das was zwischen Rechtsanwalt und Staatsanwalt abläuft Ähnlichkeiten mit einem Pokerspiel hat.
http://www.beschwerdezentrum.de/ifdm/hohmann_interview.htm


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