Ausschluss der Öffentlichkeit im Prozess um das Schulmassaker von Ansbach

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 22.04.2010

Die Jugendkammer des LG Ansbach hat beschlossen, die Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung gegen den jungen Mann, der im vergangenen Jahr in Ansbach begonnen hatte, ein Massaker an seiner Schule anzurichten und dabei mehrere Mitschüler schwer verletzt hatte, gemäß § 48 Abs.3 S.2 JGG auszuschließen. Die erfahrene Gerichtsberichterstatterin Gisela Friedrichsen hat auf Spiegel Online diese Entscheidung als Fehler bezeichnet (Quelle). Sie beklagt, dass man seitens des Gerichts nicht wenigstens einen kleinen Pool von Journalisten (ohne Bildjournalisten) zugelassen habe.

Es sei wichtig, die Öffentlichkeit an dieser Verhandlung teilhaben zu lassen, um das öffentliche Interesse an Hintergrund-Informationen über diesen Fall zu befriedigen. Es gehe darum, was wichtiger sei:

"der Schutz des Angeklagten oder das Recht der Öffentlichkeit zu erfahren, wie es zu einer Straftat kommen konnte, die weitaus mehr Menschen in Angst und Schrecken versetzte als "nur" die unmittelbar Geschädigten." (so wörtlich Friedrichsen)

Wie aus meinen bisherigen Beiträgen ersichtlich schätze ich die Rolle der Medien bei den bisherigen Schulmassakern als höchst problematisch ein, wenn nicht gar mitverursachend (hier). Auch wenn das bei der Berichterstattung über die Hauptverhandlung anders wäre (und von Frau Friedrichsen ist man ja durchaus profunde und wenig sensationsheischende Berichterstattung gewohnt), so stellt Frau Friedrichsen hier m. E. falsche Alternativen einander gegenüber: Die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung dient nach meinem Verständnis gerade nicht einem öffentlichen Publikationsinteresse, dieser Gedanke ist vielmehr nur der Reflex aus einer Öffentlichkeitsmaxime, die der Transparenz der Urteilsfindung dient.  Und diese Transparenz - nicht das Medieninteresse - muss zurücktreten, wenn andere entwicklungspädagogische Erwägungen entgegenstehen. Möglicherweise war die Entscheidung der Jugendkammer auch eine Reaktion auf das  in Winnenden und Ansbach unmittelbar beobachtbare tatsächliche Verhalten "der Medien", dessen Fortsetzung  jetzt leider zu befürchten war.  

 

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