Ein Kind - zwei Väter

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 28.05.2010

Und wieder wollten zwei Männer Vater eines Kindes sein.

F war schwanger.

V1 erkannte noch vor der Geburt die Vaterschaft gegenüber dem Standesamt an, F stimmte dem zu.

Dann aber begab sich auch V 2 zum Standesamt und erkannte ebenfalls die Vaterschaft noch vor der Geburt an. Auch dem stimmte F zu und erklärte, sie habe jetzt festgestellt, dass V 1 nicht der Vater des Kindes sein könne.

Dann endlich kam Kind K auf die Welt. Der Standesbeamte wusste nicht, wen er denn nun als Vater in die Geburtsurkunde eintragen sollte und rief gemäß § 49 II PStG das Gericht an.

Das OLG (wie zuvor schon AG und LG) kam zu dem Ergebnis, V 1 sei in die Geburtsurkunde als Vater einzutragen.

Liegen nämlich zwei pränatale Vaterschaftsanerkennungen vor, so entfalte diejenige Anerkennung, bei der zuerst der zweiaktige Tatbestand von Erklärung und Zustimmung jeweils in der vorgeschriebenen Form erfüllt ist, Sperrwirkung nach § 1594 Abs. 2 BGB gegenüber der späteren Anerkennung. Zutreffend habe das Landgericht keine Erwägungen dazu angestellt, wer nach dem Vortrag der Beteiligten der biologische Vater sein soll. Auf die biologische Richtigkeit einer Vaterschaftsanerkennung komme es im hier erörterten Zusammenhang nicht an: Einzutragen im Geburtenregister sei nicht – selbst wenn er feststünde – der „biologisch wahre“, sondern der rechtliche Vater. Die rechtliche Vaterschaft kraft Anerkennung hänge nicht davon ab, dass die Anerkennungserklärung mit der biologischen Wahrheit übereinstimmt.

OLG München FamRZ 2010, 743

Einen Weg Vater zu werden hätte es für V 2 aber doch gegeben: Er hätte F vor der Geburt heiraten müssen. Dann wäre er gemäß § 1592 Nr. 1 BGB Vater geworden. Dies hätte eine Sperrwirkung für die Anerkennung durch V 1 gehabt.

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14 Kommentare

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Ich frage mich auch ernsthaft, ob die einschlägigen Vorschriften mit Art. 3 Abs. 2 GG vereinbar, also verfassungsgemäß sind. Wenn der biologische Vater eindeutig feststeht, dann kann es meinem Rechtsempfinden nach nicht sein, dass die alleinige Zustimmung der Mutter ausreicht hinsichtlich des Anerkenntnisses eines Dritten ausreicht, um dessen rechtliche Vaterschaft zu begründen. Hier ist meiner Meinung nach auch die Zustimmung des biologischen Vaters einzuholen.

Soweit ich das überblicken kann, könnte sich aufgrund dieser Regelung auch durchaus eine Missbrauchsgefahr zum Nachteil des biologischen Vaters durch kollusives Zusammenwirken von Mutter und Drittem ergeben. Will die Mutter bspw. das Umgangsrecht des biologischen Vaters ausschließen, so könnte einfach ein Dritter (bspw. ihr neuer Lebensabschnittsgefährte) die Vaterschaft anerkennen und die Mutter würde zustimmen. Auch, wenn es nachvollziehbare Gründe für ein solches Verfahren geben kann, so wird der Vater doch um seine Rechte aus den Art. 3 Abs. 2 sowie 6 Abs. 1 GG gebracht.

Sehe ich das so richtig?

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Kant schrieb:

Soweit ich das überblicken kann, könnte sich aufgrund dieser Regelung auch durchaus eine Missbrauchsgefahr zum Nachteil des biologischen Vaters durch kollusives Zusammenwirken von Mutter und Drittem ergeben. Will die Mutter bspw. das Umgangsrecht des biologischen Vaters ausschließen, so könnte einfach ein Dritter (bspw. ihr neuer Lebensabschnittsgefährte) die Vaterschaft anerkennen und die Mutter würde zustimmen. Auch, wenn es nachvollziehbare Gründe für ein solches Verfahren geben kann, so wird der Vater doch um seine Rechte aus den Art. 3 Abs. 2 sowie 6 Abs. 1 GG gebracht.

Sehe ich das so richtig?

Das sehen Sie richtig.

Das Abstammungsrecht war Gegenstand des Verfahrens BVerfG NJW 2003, 2151. Im Ergebnis hat das BVerfG dem biologischen Vater nur dann eine Anfechtungsmöglichkeit zugestanden, wenn Kind und rechtlicher Vater nicht in einer sozial-familiären Beziehung stehen. Ergebnis des Urteils ist der neugefasste § 1600 BGB.

Missbrauchsmöglichkeiten gibt es diverse. So soll es Hartz-IV-Empfänger gegeben haben, die für eine entsprechende Zahlung die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter anerkannt haben, um Kind und Mutter den Aufenthalt in D zu ermöglichen. Die Beweismöglichkeiten des § 1600 I Nr. 5 i.V. mit Abs III sind beschränkt.

Danke für Ihre Antwort. Das beruhigt mich dann ja doch noch etwas. Aber wie ist das Begriffspaar "sozial - familiäre Beziehung" auszulegen? Sind dort subjektive Elemente zu berücksichtigen, namentlich, ob bspw. das Kleinkind geistig überhaupt in der Lage ist eine solche Beziehung aufzubauen oder reicht die einseitige Pflege und Fürsorge für das Kind aus? Das Wort Beziehung spricht zwar für ein subjektives Element auch auf Seiten des Kindes, aber es stellt sich halt die Frage, wie hoch dort die Voraussetzungen anzusetzen sind. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist diese Hürde meiner Meinung etwas höher anzusetzen, da es sonst wohl sehr leicht wäre, das Anfechtungsrecht zu umgehen.

Die Geschichte mit den Hartz - IV - Empfängern ist mir neu. Schockierend. Würde da gerne was zu schreiben, aber das Gehört wohl eher ins Sozialrecht.

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Okay, das war jetzt peinlich von mir. Einfachste juristische "Methodenlehre" nicht beachtet; "Zwei vor und zwei zurück" sowie "immer auch die weiteren Absätze lesen". Prima :D

Dankeschön jedenfalls :-)

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@Kant (#2),

zum Entstehen eines Kindes gehören ja (meist) zwei Personen. Um die Konsequenzen, die Sie beschreiben, auszuschließen, müsste ein Mann die Frau heiraten, bevor er sich so verhält, dass ein Kind entstehen kann, auf das er irgendwelche "Rechte" beanspruchen möchte. So wahrscheinlich der (jedenfalls ursprüngliche) Hintergedanke des Gesetzgebers, nicht nur der katholischen Kirche geschuldet: Recht auf ein Kind nur dann, wenn der Mann auch bereit ist Rechtspflichten gegenüber der Mutter einzugehen. Ansonsten bestehen eben nur (zum Schutz de Kindes) Zahlungspflichten.  Dieser Gedankengang entsprach ja auch den damaligen regelmäßigen (und heute auch nicht ganz seltenen) sozialen Verhältnissen. Dass dem biologischen Vater irgendein "Nachteil" daraus entstehen könnte, war ein damals wohl eher fernliegender Gedanke. Die Frage ist, ob man die Rechtslage heutigen Vorstellungen und Verhältnissen anpassen muss. Bisher hat man allerdings davon abgesehen, dem bloß biologischen Vater gegen den Willen der Mutter generell Rechte am Kind zuzuerkennen, wohl auch aus der Befürchtung, dies könne dem Kind zumindest dann schaden, wenn es mit dem rechtl. Vater in einer emotionalen Beziehung steht.  Für ganz abwegig halte ich diese Konsequenzen nicht. Aber ich bin kein Familienrechtler.

 

Nicht ganz abwegig?
Die von Ihnen gemutmaßten Hintergedanken des Gesetzgebers sind doch nachvollziehbar dargestellt. Nur passt das noch in die heutige Zeit und in das heutige (europäische) Recht?

 

Der Vater soll also nur Rechte an und gegenüber seinem Kind haben, wenn er die Mutter heiratet, aber die Mutter hat selbstverständlich alle Rechte auch ohne zu heirateten?

Heißt das alle schwangeren Frauen wollen (oder müssen?) den Erzeuger heiraten? Oder wird der Frau vom Gesetzgeber nicht vielmehr die Möglichkeit und das Recht eingeräumt, einen beliebigen Mann (mit dessen Einverständnis) als Vater anzugeben und damit den eigentlichen Vater vollständig aller Rechte zu berauben, ohne dass dieser etwas dagegen tun könnte?

Oder ist man als Mann selbst schuld, wenn man mit einer Frau, mit der man nicht verheiratet ist, Geschlechtsverkehr hat? Der Pabst würde diese Frage sicherlich bejahen. Das deutsche Familienrecht auch.

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zum Entstehen eines Kindes gehören ja (meist) zwei Personen

anderes soll sich - glaubt man einer weit verbreiteten Geschichte - letztmals vor ca. 2010 Jahren ereignet haben.

Im Ernst: Die Frage ist, soll der Fortschritt der Untersuchungsmöglichkeiten dazu führen, dass in allen Fällen die genetische Wahrheit  ermittelt werden muss?

Soll es einem Paar (gleich ob verheiratet oder nicht) nicht mehr möglich sein, ohne Einmischung eines Dritten oder gar des Staates zu sagen, das ist unser Kind?

Am Ende stünde die genetische Reihenuntersuchung aller Neugeborenen. Wollen wird das?

 

PS: Nochmals zur Erinnerung. In dem vorliegenden Fall hatte nicht der V2 irgendwelche Rechte geltend gemacht, sondern der Standesbeamte stand vor dem Problem, wen er als Vater in die Geburtsurkunde eintragen soll. Es handelt sich um ein Verfahren nach dem Personenstandsgesetz. Soll der Staat von Amts wegen den biologischen Vater ermitteln?

Sehr geehrter Herr Burschel,

 

Ihre Frage geht doch am eigentlichen Problem vorbei. Ich habe schon in dem anderen Beitrag (Ein Vater, der es werden und einer, der es bleiben wollte) nicht verstanden, wieso Sie wiederholt eine „staatliche Zwangsuntersuchung“ ins Spiel bringen.

 

Das ist doch völlig unnötig. Wenn sich kein (potentieller) Vater meldet und die Anerkennung bzw die Vaterschaft eines anderen bestreitet – und dies wird wohl in wenigstens 99 % der Fälle zutreffen – gibt es überhaupt keinen Grund für eine genetische Untersuchung. Geht die Frau fremd, wird schwanger und erkennt ein Mann an, ist dies doch völlig unproblematisch – biologische Vaterschaft hin oder her. Erst wenn ein (anderer) Mann geltend macht, der Vater zu sein, besteht doch Bedarf an einer genetischen Untersuchung. In vielen Fällen mag der biologische Vater gar kein Interesse haben, auch der rechtliche Vater zu sein und sei es nur, um keinen Unterhalt zahlen zu müssen.

 

Die Frage ist doch, kann eine Rechtslage richtig sein, die es zulässt, einen (biologischen) Vater, der die Verantwortung für sein Kind übernehmen möchte, völlig rechtlos zu stellen, ohne das er (und sein Kind) darauf irgendeinen Einfluss haben.

 

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Die Frage ist doch, kann eine Rechtslage richtig sein, die es zulässt, einen (biologischen) Vater, der die Verantwortung für sein Kind übernehmen möchte, völlig rechtlos zu stellen, ohne das er (und sein Kind) darauf irgendeinen Einfluss haben.

Was erneut zu der Frage führt, ob eine ggf. erst nach Jahren durchgeführte Anfechtung stets im Interesse des Kindes ist und seinem Wohle dient opder ob nicht auch die soziale Vater-Kind-Beziehung schützenswert ist. Aber da waren wir uns ja schon einig, nicht einig zu sein

Das ist richtig. Ich meine, es kann niemals richtig sein, den eigentlichen Vater (der die Verantwortung übernehmen möchte) völlig auszuschließen. Ein soziale Beziehung kann ein Kind (Mensch) in jedem Alter aufbauen. Das muss ja nicht heißen, das die soziale Beziehung zum Scheinvater zerstört werden muss.

Doch die derzeitige Rechtslage kann ja auch dazu führen, dass ein (biologischer) Vater völlig rechtlos gestellt wird, wenn noch keine "soziale-Vater-Kind-Beziehung" vorliegt. Von einer Anfechtung "nach Jahren" kann in solchen fällen keine Rede sein. Angenommen der obige V2 ist der biologische Vater. Ob eine Vaterschaftsanfechtung überhaupt Erfolg hätte, wage ich zu bezweifeln. Im Zweifel braucht der V1 beim Spaziergang nut mal die Hand an den Kinderwagen legen. Dann kann der biologische Vater natürlich nicht die gefestigte "soziale-Vater-Kind-Beziehung" stören und wird rechtlos gestellt.

Genauso natürlich, wenn der V1 der richtige Vater wäre und V2 einfach die Mutter vor Geburt geheiratet hätte. Völlig absurd.

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Urteil aus Straßburg stärkt Rechte leiblicher Väter,  Schneider / Deutschland (Beschwerde 17080/07)

15.9.11 Berlin/Straßburg (dpa) - Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Rechte lediger Väter wiederholt weiter gestärkt. Deutsche Gerichte dürfen Männern nicht einfach die Klärung der Vaterschaft und den Umgang mit ihren mutmaßlichen Kindern verweigern, wie die Straßburger Richter urteilten.

Dabei spiele es keine Rolle, dass der Nachwuchs einen rechtlichen Vater habe - also die Mutter mit einem anderen Mann eine Familie gegründet habe. Die Straßburger Richter gaben am Donnerstag einem 53-Jährigen Recht, der vergeblich versucht hatte, einen Vaterschaftstest und ein Umgangsrecht für ein Kind durchzusetzen, das er für sein eigenes hält. Das Gericht forderte, es müssten immer die genauen Umstände zum Wohl des Kindes geprüft werden.

Fazit: Leiblicher Vater muss auch dann Umgang/Sorge mit eigenem Kind haben, wenn Mutter mit anderem Mann zusammen/verheiratet ist. Das Recht des Kindes und des leiblichen Vaters steht höher, als das eines evtl. rechtlichen Vaters/Stiefvaters.

Weitere Verurteilungen Deutschlands wegen der Nichtgleichstellung der leiblichen/nichtverheirateten Väter durch den EGMR stehen bevor.
 

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