LAG Hamm legt dem EuGH erneut Fragen zum Urlaubsrecht vor

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 07.06.2010
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtEuGHKrankheitUrlaubSchultz-Hoff1|8456 Aufrufe

Ist das Urteil des EuGH in Sachen "Schultz-Hoff" (vom 20.1.2009 - C-350/06 u.a., NZA 2009, 135) wirklich ernst gemeint? So muss man wohl die Fragen des LAG Hamm interpretieren, die das Gericht in einem jetzt veröffentlichten Beschluss (vom 15.04.2010 – 16 Sa 1176/09) dem EuGH vorgelegt hat. Konkret möchte das Gericht wissen, ob bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch für jedes Jahr erhalten bleibt, so dass der betroffene Arbeitnehmer über Jahre Urlaubsansprüche ansammelt.

Im Streitfall war der schwerbehinderte Kläger in der Zeit vom 01.04.1964 bis zum 31.08.2008 in dem Dortmunder Betrieb der Beklagten als Schlosser beschäftigt. Er war seit dem 23.01.2002 zunächst arbeitsunfähig krank und bezog ab dem 01.10.2003 jeweils befristet eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 31.08.2008 durch eine Aufhebungsvereinbarung beendet.

Nach Veröffentlichung des "Schultz-Hoff"-Urteils des EuGH hat der Kläger beim Arbeitsgericht Dortmund Klage auf Abgeltung seines Urlaubs für die Jahre 2006, 2007 und 2008 in Höhe von jeweils 35 Arbeitstagen eingereicht. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs von 60 Arbeitstagen und des Schwerbehindertenurlaubs von 15 Arbeitstagen für die Jahre 2006, 2007 und 2008 zugesprochen (Urt. vom 20.08.2009 - 4 Ca 1334/09). Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Das LAG Hamm bittet den EuGH um Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG. Im "Schultz-Hoff"-Fall ging es nämlich nur um Urlaubsansprüche für das Vorjahr und das laufende Jahr. Die Frage, ob Urlaubsansprüche über viele Jahre angesammelt werden können, ist vom EuGH bislang nicht beantwortet worden. Hierum geht es jedoch in dem Fall des Landesarbeitsgerichts Hamm. Der Kläger macht Urlaubsabgeltung für drei Jahre geltend. Theoretisch hätte er Ansprüche seit dem Jahre 2002 einklagen können.

Das LAG Hamm hat dem EuGH daher die Frage vorgelegt, ob Urlaubsansprüche langjährig arbeitsunfähiger Arbeitnehmer angesammelt werden können oder ob sie zeitlich befristet sind. Hierfür könnte es nach Überzeugung des LAG Hamm Anhaltspunkte in dem Übereinkommen Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) geben. Der EuGH hatte in seiner Entscheidung vom 20.01.2009 auf die Bedeutung des Übereinkommens für die Auslegung des Art. 7 RL 2003/88/EG hingewiesen. Außerdem betont der EuGH in ständiger Rechtsprechung, dass der Arbeitnehmer normalerweise über eine tatsächliche Ruhezeit verfügen können muss, damit ein wirksamer Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit sichergestellt ist. Das LAG Hamm hat Zweifel, ob dieser Zweck des Urlaubsanspruchs die Ansammlung von Urlaubsansprüchen über viele Jahre erfordert. Da die Beantwortung dieser Frage von der Auslegung des Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG abhängig ist, hat es die Vorlage zum EuGH beschlossen.

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Unklar ist geblieben, wie die Ansprüche zu beurteilen sind, die von Arbeitnehmern in der Zeit zwischen den Entscheidungen dews EuGH von 2009 und 2011 geltend gemacht wurden. Gilt insoweit das Urteil von 2009?

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