BVerfG präzisiert mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot den Untreuetatbestand - Tatsachengerichte müssen Schadenshöhe feststellen

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 14.08.2010

Die moderne Wirtschaft ist von einem Auseinanderfallen von Vermögensinhaberschafft und beauftragter Verfügungsmacht (Management) geprägt. Seit längerem stellen einige Rechtswissenschaftler und Strafverteidiger in Frage, ob der Untreuetatbestand, § 266 StGB, diesem Umstand in einer Weise Rechnung trägt, dass die Norm dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG noch entspricht.

Mit Beschluss vom 23. Juni 2010 hat das BVerfG in drei miteinander verbundenen Verfahren diese Zweifel ausgeräumt. Auch im Strafrecht müsse der Gesetzgeber in der Lage bleiben, „der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden.“ Ausnahmsweise genüge es, wenn lediglich das Risiko der Bestrafung erkennbar sei. Bedenken gegen die erhebliche Weite des Tatbestands – gerade im Zusammenspiel mit Bestimmungen des Aktiengesetzes – könne eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung entkräften. Das Verfassungsgericht betont ausdrücklich die Verantwortung der Strafgerichte, für die Konkretisierung eines nur mäßig bestimmten Gesetzes zu sorgen. Zudem müsse der Untreuetatbestand „hinreichend restriktiv“ ausgelegt werden.

Verfassungsrechtlich sei es nicht zu beanstanden, wenn bereits eine Vermögensgefährdung mit einem tatsächlichen Vermögensschaden gleichgesetzt werde. Den Schaden müssen die Strafgerichte dann aber mit Hilfe von Gutachtern nach „anerkannten Bewertungsverfahren“ genau beziffern. Wurde das Vermögen lediglich gefährdet, müsse die Höhe des Schadens niedriger angesetzt werden. Eine unterlassene Mehrung des Firmenvermögens kann ebenfalls strafbar sein, z.B. wenn ein Beschäftigter nicht das vorteilhafteste Geschäft abschließt, weil ihm ein anderer Vertragspartner Schmiergeld zahlt.

Für die Tatgerichte müssen also die Schadenshöhe genau feststellen. In diesem Bereich wird künftig "die Musik spielen“.

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