Leichentrauung und Totenscheidung

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 19.08.2010
Rechtsgebiete: Familienrecht2|8280 Aufrufe

Die SZ berichtet, dass eine Französin am 10.08.2010 ihren bereits 2007 verstorbenen Verlobten geheiratet hat,. Die posthume Eheschließung kann in Frankreich mit besonderer Erlaubnis des Staatspräsidenten vollzogen werden.

Bei uns undenkbar?

Früher schon:

Die PersonenstandsVO der Wehrmacht vom 17. 10. 1942 (RGBl I 597), geändert durch VO vom 27. 9. 1944 (RGBl I 219), spielte im Zweiten Weltkrieg eine erhebliche Rolle. Neben Bestimmungen über die Beurkundung des Personenstands enthielt sie auch wesentliche Vorschriften über die Eheschließung. Bedeutungsvoll war die durch die VO eingeführte Möglichkeit der sog Ferntrauung (§§ 22-24). Danach konnten ursprünglich nur Wehrmachtsangehörige, später ein immer größerer Kreis von Personen, eine Eheschließungserklärung vor einem Offizier oder einer diesem gleichgestellten Person abgeben; der andere Verlobte konnte zeitlich später die entsprechende Eheschließungserklärung vor einem Standesbeamten oder einer entsprechenden Trauperson abgeben.

Mit dieser zweiten Erklärung kam dann die Ehe zustande, und zwar auch dann, wenn der Ersterklärende inzwischen gestorben war. Die Möglichkeit einer nachträglichen Eheschließung hatte ein geheimer Führererlaß vom 6. 11. 1941 eröffnet (abgedruckt im Urteil des KG vom 9. 5. 1947, JR 1947, 113). Demzufolge konnte nach dem Tode des Verlobten, ohne daß dieser zuvor eine Eheschließungserklärung abgegeben hatte, der Standesbeamte erklären, daß die Frau mit dem gefallenen Mann verheiratet gewesen sei. (Staudinger Einleitung § 1303 BGB RN 34)

Insgesamt kam es zu etwa 25.000 derartiger Ferntrauungen mit gefallenen Soldaten. Diese Eheschließungen wurden vom Volksmund auch „Leichentrauung“ genannt.

In der „5. Durchführungsverordnung zum Großdeutschen Ehegesetz“ vom 18. März 1943 wurde die Möglichkeit einer „Totenscheidung“ geschaffen, um „unwürdige Kriegerwitwen“ von Versorgungszahlungen und Erbschaftsansprüchen auszuschließen. Der Staatsanwalt konnte eine Scheidung beantragen, wenn „ein mutmaßlicher Scheidungswille angenommen werden konnte, falls der Tote die Umstände gekannt hätte.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

2 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Aus rein ideellen Gründen sollte das möglich sein. Regelmäßig stecken dahinter aber doch finanzielle Interessen. Wenn man mit einem Lebensgefährten jahrzehntelang in trauter Eintracht ohne Trauschein zusammengelebt und Kinder gezeugt und großgezogen hat, hat man sicher mehr für das Gemeinwesen getan als viele Kurzzeitehen, die sich als 3. oder 4. Ehe der Partner darstellen. Gleichwohl hat der unverheiratete hinterbliebene Lebenspartner steuerrechtlich keinen Anspruch darauf, hinsichtlich des Nachlasses ebenso günstig behandelt zu werden, wie der Kurzzeitehegatte.

 

Dem Kurzzeitehegatten steht ein fetter Freibetrag hinsichtlich der Erbschaftssteuer zu, dem jahrzehntelangen Lebensgefährten nicht. Klar, daß manche da gerne posthum verheiratet werden möchten, wenn das gemeinsam Erarbeitete zum großen Teil an den Fiskus zu fließen droht.  Bin dafür!

 

 

 

 

0

Naja Torsten, da stellt sich mir aber trotzdem die Frage, wenn man jahrelang zusammen gelebt hat und von den Vergünstigungen der Erbschaftssteuer profitieren möchte, warum man dann nicht eher geheiratet hat?!

Hatte man zB Angst, später für den Ehegatten evtl. Unterhalt zahlen zu müssen und deshalb gar nicht erst geheiratet? Dann sollte man auch nicht steuerlich (nach dem Tod des Partners) besser gestellt werden.

Man muss eben immer beide Seiten der Medaille betrachten.

0

Kommentar hinzufügen