Kündigung wegen Stromdiebstahls

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 06.09.2010

Kündigungen wegen sog. Bagatelldelikte beschäftigen auch weiterhin die Arbeitsgerichte. Ob die Entscheidung in Sachen Emmely hier künftig zu einer Befriedung beitragen wird, bleibt abzuwarten. Die Instanzgerichte entscheiden jedenfalls überwiegend auf der Grundlage eines moderaten Beurteilungsmaßstabs, nach dem nicht jedes Vermögensdelikt des Arbeitnehmers ausnahmslos die außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Auf dieser Linie liegt auch eine neue Entscheidung des LAG Hamm (Urteil 2.9.2010, Az. 16 Sa 260/10). Konkret ging es um einen heute 41-jährigen Angestellten, der seit fast 20 Jahren bei der Firma beschäftigt ist. Als er im Mai 2009 einen Elektroroller gemietet hatte, schloss er diesen nach Angaben des Gerichtes "im Vorraum zum Rechenzentrum der Beklagten an eine Steckdose an, um den Akku aufzuladen". Nachdem sein Vorgesetzter ihn dazu aufgefordert hatte, nahm er das Gerät nach ca. 1 ½ Stunden wieder vom Netz. Die entstandenen Kosten betrugen laut LAG 1,8 Cent. Diesen Vorfall nahm der Arbeitgeber zum Anlass, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Zu Unrecht, wie das LAG Hamm jetzt entschied. Zur Begründung führten die Richter an, es gebe "keine absoluten Kündigungsgründe", sodass "im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Interessenabwägung vorgenommen" werden müsse - und diese gehe "zulasten der beklagten Arbeitgeberin aus". Grund dafür sei zum einen der geringe Schaden und zum anderen die langjährige Beschäftigung des Klägers. Zudem sei bekannt gewesen, dass "im Betrieb Handys aufgeladen und elektronische Bilderrahmen betrieben wurden, die Arbeitgeberin aber nicht eingegriffen hätte". Insofern "hätte das verlorengegangene Vertrauen durch eine Abmahnung wieder hergestellt werden können".

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7 Kommentare

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Apropos "Bagatellkündigungen": Ist das Urteil im Fall "Emmely" mittlerweile eigentlich als Volltext abrufbar bzw. in der NJW oder anderer Fachzeitschrift besprochen worden?

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Nein, weder Beck noch Juris haben die Entscheidung bis jetzt im Volltext veröffentlicht. Das BAG selbst auch nicht.

Besprechungen im eigentlichen Sinne gibt es auch noch nicht. Nur Kurzmeldungen, etwa Baeck/Winzer, NZG 2010, 821.

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Interessant ist, dass der Anschluss privater Kaffeemaschinen bei der SSI Schäfer GmbH angeblich ohne Beanstandung geduldet wird, obwohl diese wesentlich mehr elektrische Energie als der kurzzeitige Ladevorgang eines Akkus verbrauchen.

http://www.youtube.com/watch?v=ullRhTM3xsI

http://www.tagesschau.de/multimedia/video/ondemand100_id-video765746.html

 

Nebenbei: Meine Mülltonne von SSI Schäfer stinkt immer ganz schön kräftig im Inneren. Ob das wohl am Aufdruck des Firmennamens liegt? ;-)

 

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Hallo,

Frau Emme macht mal wieder Aufsehen. Heute lese ich bei Bild.de, dass sie vier Monate Urlaub nehmen will, da dieser ja im Zeitraum ihrer Freistellung entstanden sei und daher auf dieses Jahr zu übertragen ist.

Link: http://www.bild.de/BILD/politik/wirtschaft/2010/09/07/emmely-deutschland...

 

Wie passt das denn bitte mit 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz zusammen??? Kann mir das mal bitte einer erklären?

 

mfg,

 

peterle

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Bei solchen Kündigungen fragt man sich, wem eigentlich jegliches Rechtsgefühl fehlt: dem angeblichen Dieb oder dem Arbeitgeber. Unbezahlte Überstunden oder die Nutzung des Privatwagens für dienstliche Zwecke müßten dementsprechend astronomische Schadensersatzforderungen des Arbeitnehmers rechtfertigen. Wer wegen 1,8 Cent um seine Existenz gebracht werden soll, muß billigerweise wegen 5 Minuten unbezahlter Mehrarbeit doch Anspruch auf Schadensersatzzahlungen im fünfstelligen Bereich gegen den Arbeitgeber haben. Vertrauen im Arbeitsrechtsverhältnis gilt schließlich wechselseitig. Und das Verhältnismäßigkeitsprinzip prägt unsere Rechtsordnung insgesamt. Das scheinen Arbeitsgerichte mitunter zu vergessen.

Ist das Benutzen der Firmentoilette eigentlich Wasserdiebstahl? Pinkeln ist ja eigentlich mehr Privatsache...

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schon peinlich für solche großen "weltfirmen"!

erinnert an Bericht von chenisischen Arbeitgebern....

auch ein grund warum mir kein i-phonxx ins haus kommt, wenn man weis unter welchen Bedinungen die hergestellt werden

 

 

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