Diskriminierung wegen des Geschlechts bei tariflichen Vorruhestandsregelungen

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 15.02.2011

Immer noch finden sich in Tarifverträgen Regelungen, die Frauen wegen ihres Geschlechts diskriminieren. Der Neunte Senat des BAG hatte über eine Vorruhestandsregelung zu entscheiden, nach der der Versorgungsanspruch endet, sobald der Arbeitnehmer vorzeitig Altersrente beanspruchen kann. Diese Möglichkeit besteht für Frauen derzeit noch (letztmalig im Jahre 2011) im Alter von 60 Jahren (§ 237a SGB VI), für Männer dagegen erst mit 63 (§ 36 Satz 2 SGB VI). Dementsprechend endet der Versorgungsbezug für Frauen früher, sie müssen bei der Rente Abschläge von 18% (5 Jahre x 12 Monate x 0,3% je Monat) in Kauf nehmen, Männer dagegen deutlich weniger. Das BAG hält die Differenzierung im Grundsatz für unzulässig, hat dem Hessischen LAG aber aufgegeben, zu prüfen, ob die tariflichen Leistungen geeignet sind, den Nachteil des kürzeren Bezugszeitraums auszugleichen (BAG, Urteil vom 15.02.2011 - 9 AZR 584/09).

Die Pressemitteilung des BAG dazu lautet:

Tarifvertragliche Regelungen, die Frauen wegen ihres Geschlechts benachteiligen, sind gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Eine solche Benachteiligung kann vorliegen, wenn ein Versorgungsverhältnis nach einer tarifvertraglichen Vorschrift zu dem Zeitpunkt endet, zu dem der Versorgungsempfänger vorzeitig Altersrente in Anspruch nehmen kann. Denn das gesetzliche Rentenrecht regelt die Möglichkeit, vorzeitige Altersrente zu beziehen, für Männer und Frauen unterschiedlich. Während Frauen bestimmter Geburtsjahrgänge gemäß § 237a Abs. 1 SGB VI nach Vollendung des 60. Lebensjahres vorzeitige Altersrente beanspruchen können, besteht diese Möglichkeit für Männer erst nach Vollendung des 63. Lebensjahres. Die Tarifvertragsparteien können diesen Nachteil beseitigen, indem sie für die kürzere Bezugsdauer einen finanziellen Ausgleich schaffen.

Die 1946 geborene Klägerin schied 2005 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus. Nach einem in dem Unternehmen der Beklagten bestehenden Tarifvertrag bezog die Klägerin im unmittelbaren Anschluss an das Arbeitsverhältnis ein Jahr lang Versorgungsleistungen in Form von Übergangsgeld. Nach den tarifvertraglichen Regelungen sollte das Versorgungsverhältnis zu dem Zeitpunkt enden, zu dem der Empfänger von Übergangsgeld vorzeitige Altersrente in Anspruch nehmen konnte. Dies war bei der Klägerin 2006, als sie das 60. Lebensjahres vollendete, der Fall. Die Klägerin verlangt, wie männliche Versorgungsempfänger behandelt zu werden, die das Übergangsgeld bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres erhalten. Während das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat, hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben.

Der Neunte Senat hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Die Anknüpfung an das gesetzliche Rentenversicherungsrecht kann, wovon das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen ist, für sich genommen die unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen nicht rechtfertigen. Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob die tariflichen Leistungen geeignet sind, den Nachteil des kürzeren Bezugszeitraums auszugleichen.

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