Erst fragen, dann klagen

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 21.02.2011
Rechtsgebiete: Familienrecht|5250 Aufrufe

 

beziehungsweise Antrag stellen.

Der Vater war im April 2009 zur Zahlung von Kindesunterhalt für seine beiden Kinder in Höhe von 343,00 Euro bzw. 379,00 Euro rückwirkend ab Mai 2008 verurteilt worden.

 

Im Dezember 2009 stimmten die Kinder außergerichtlich einer Herabsetzung des Unterhalts auf 295,00 Euro je Kind zu.

 

Im Juli 2010 teilte ihnen der Vater mit, er sei aufgrund der Anordnung von Kurzarbeit vorerst nur noch zur Zahlung eines Unterhaltsbetrages von insgesamt 400,00 Euro in der Lage und forderte die Antragsgegner unter Fristsetzung auf, der verringerten Zahlung zuzustimmen sowie die Zwangsvollstreckung aus dem Titel einzustellen. Nach fruchtlosem Fristablauf hat der Antragsteller einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe angebracht. Die Antragsgegner haben daraufhin mit anwaltlichem Schriftsatz eine Unterhaltsreduzierung auf 231,00 Euro je Kind anerkannt. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts haben sie im Hinblick auf aufgelaufene Rückstände abgelehnt.

Das Amtsgericht hat dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe für seinen Antrag auf gerichtliche Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Jever und Herabsetzung des Unterhalts auf die Höhe des anerkannten Betrages bewilligt. Diesen im schriftlichen Vorverfahren zugestellten Antrag haben die Antragsgegner unverzüglich nach Zugang anerkannt. Das Amtsgericht hat dem Antrag daraufhin mit dem angegriffenen Beschluss stattgegeben und die Kosten des Verfahrens gemäß § 243 FamFG dem Antragsteller auferlegt, da die Antragsgegner keinen Anlass für das Verfahren gegeben hätten.

 

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Die Antragsgegner haben den geltend gemachten Anspruch sofort, nämlich unmittelbar nach Zustellung des Verpflichtungsantrags anerkannt. Entgegen der Ansicht des Antragstellers haben sie auch keinen Anlass zur Erhebung des Antrags gegeben. Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn die Antragsgegner sich zuvor so verhalten hätten, dass der Antragsteller bei vernünftiger Würdigung davon ausgehen musste, er werde ohne einen gerichtlichen Antrag nicht zu seinem Recht kommen. Dies ist jedoch nicht festzustellen. Die Antragsgegner haben bereits im Verfahren über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erklärt, sie stimmten einer Reduzierung des zu zahlenden Unterhalts auf je 231,00 Euro - wie von dem Antragsteller letztlich begehrt - zu. Es besteht kein Anlass, an der Ernstlichkeit dieser Erklärung zu zweifeln. Es gab folglich keinen Grund für die Annahme, der Antragsteller erwarte mehr als die verlangte außergerichtliche Zustimmung. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass er sich bereits Ende des Jahres 2009 mit einer Verzichtserklärung der Antragsgegner betreffend eines Teils des titulierten Unterhalts begnügt hatte und den Antragsgegnern den unveränderten Titel beließ, obwohl aus diesem vollstreckt wurde.

Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller ein anzuerkennendes Interesse an einer gerichtsfesten Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels haben mochte. Für die zu treffende Kostenentscheidung kommt es vielmehr darauf an, ob der Antragsteller dies Interesse vor Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe gegenüber den Antragsgegnern rechtzeitig, aber erfolglos geäußert hat. Insoweit verhält es sich nicht anders als in dem Fall, dass die Titulierung freiwillig geleisteter Unterhaltszahlungen verlangt wird. Auch dann kommt es für die Frage der Anwendbarkeit des § 93 ZPO maßgeblich darauf an, ob der Unterhaltsschuldner vor der Einleitung gerichtlicher Schritte fruchtlos zur außergerichtlichen Titulierung aufgefordert worden ist Im vorliegenden Fall ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller vor Zustellung der Antragsschrift den Antragsgegnern gegenüber deutlich gemacht hat, dass ihm ein außergerichtlich erteiltes Anerkenntnis seines Abänderungsbegehrens nicht genüge. Eine Herausgabe des abzuändernden Titels hat der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt verlangt. Damit hatten die Antragsgegner auch keine Veranlassung, sich eine weitere vollstreckbare Ausfertigung mit einer eingeschränkten Vollstreckungsklausel erteilen zu lassen und dem Antragsgegner die Rückgabe der ersten vollstreckbaren Ausfertigung des Unterhaltstitels anzubieten. Dies wäre nur einer der Wege gewesen, dem berechtigten Interesse des Antragstellers auch ohne gerichtliches Verfahren Rechnung zu tragen, vor einer unberechtigten Vollstreckung aus dem Titel geschützt zu sein

Ebenso wenig hat der Antragsteller den Antragsgegnern angeboten, außergerichtlich einen neuen an die veränderten Verhältnisse angepassten Titel zu schaffen.

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Antragsteller mit seinem an das Gericht gerichteten Schriftsatz vom 13. September 2010 zum Ausdruck gebracht hat, er begehre eine gerichts- und vollstreckungsfeste Abänderung des Urteils des Amtsgerichts. Diese Erklärung erfolgte nicht gegenüber den Antragsgegnern, sondern nur gegenüber dem Gericht. Die Antragsgegner hatten aufgrund der unmittelbar nachfolgenden Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Antragsteller auch keine Möglichkeit, seinem Begehren noch außergerichtlich nachzukommen.

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Antragsgegner auf andere Weise Anlass für die Erhebung des Antrages gegeben haben. Dafür reicht insbesondere nicht aus, dass sie vorgerichtlich eine Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Jever vom 22. April 2009 abgelehnt haben. Vielmehr hindert eine Änderung des laufenden Unterhalts nicht die Vollstreckung rückständigen Unterhalts. Dass nach der Erteilung der Zustimmung zur ersten Herabsetzung des Unterhalts im Dezember 2009 noch eine Vollstreckung von laufendem Unterhalt über die anerkannte reduzierte Höhe hinaus Grenze erfolgte oder drohte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

OLG Oldenburg vom 15.02.2011 - 3 F 362/10

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