Super-BVerfG: Kein zwingendes Beweisverwertungsverbot bei polizeilicher Blutprobenanordnung außerhalb richterlicher Eildienstzeiten!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 15.03.2011

Die Entscheidung ist einmal klar und deutlich (BVerfG, , Beschl. vom 24.2.2011, 2 BvR 1596/10):

Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage, ob ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO bei Anordnung einer Blutentnahme zum Nachweis einer Trunkenheitsfahrt ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht.

 

1. Das Amtsgericht Weißwasser verurteilte den Beschwerdeführer zu 1) wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe. Die Berufung des Beschwerdeführers wurde vom Landgericht Görlitz als unbegründet verworfen. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand, den er habe erkennen können und müssen, an einem Sonntag gegen 16.00 Uhr mit einem Fahrrad im öffentlichen Straßenverkehr gefahren sei. Dabei habe er - ohne den Verkehr zu beachten - die Fahrbahn überquert, um auf den gegenüberliegenden Radweg zu gelangen. Ein entgegenkommender Funkstreifenwagen der Polizei habe deshalb bis zum Stillstand des Fahrzeugs abbremsen müssen, um nicht mit dem Fahrrad des Beschwerdeführers zu kollidieren. Da der Beschwerdeführer einer Blutentnahme widersprochen habe, habe einer der Polizeibeamten des Funkstreifenwagens beim Diensthabenden auf der Wache angerufen, damit dieser einen richterlichen Beschluss erwirke. Der Diensthabende habe den Richter telefonisch nicht erreichen können und dies dem Polizeibeamten vor Ort mitgeteilt. Dieser habe deshalb Gefahr im Verzug angenommen, die Entnahme einer Blutprobe angeordnet und den Diensthabenden auf der Wache hierüber informiert. Sein Vorgehen habe er nicht in der Akte dokumentiert, weil es beim Polizeirevier W. üblich sei, dass das der Diensthabende auf der Wache vornehme.

Das Ergebnis der um 16.30 Uhr entnommenen Blutprobe - die eine Blutalkoholkonzentration von 2,07 Promille im Analysenmittelwert ergeben habe - sei verwertbar. Die Voraussetzungen einer Eilanordnung durch die Polizei hätten vorgelegen. Die fehlende Dokumentation führe nicht zu einem Verwertungsverbot. Auch wenn - was nicht aufgeklärt worden sei - zugunsten des Beschwerdeführers unterstellt werde, dass der Diensthabende nicht versucht habe, den Ermittlungsrichter zu erreichen, resultiere daraus kein Verwertungsverbot. Maßgeblich sei, dass dem anordnenden Polizeibeamten die Rechtslage bekannt gewesen sei und er deshalb eine richterliche Anordnung habe herbeiführen wollen, indem er den Diensthabenden gebeten habe, den Bereitschaftsrichter zu kontaktieren. Sollte der Diensthabende dem nicht nachgekommen sein, könne das dem handelnden Polizeibeamten nicht angelastet werden. Dieser sei nicht gehalten, das Handeln des Diensthabenden zu überprüfen, sondern könne auf dessen Auskunft vertrauen.

 

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 10. Juni 2010 verwarf das Oberlandesgericht Dresden die Revision des Beschwerdeführers zu 1) gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. Selbst bei unterstellter Rechtswidrigkeit der Anordnung der Blutentnahme bestehe nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur ungerechtfertigten Inanspruchnahme einer gesetzlich eingeräumten Eilanordnungskompetenz im Ausgangsfall kein Beweisverwertungsverbot, weil der anordnende Polizeibeamte Schritte unternommen habe, um den Bereitschaftsrichter zu erreichen.

 

2. Das Amtsgericht Wuppertal verurteilte den Beschwerdeführer zu 2) wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe. Der Beschwerdeführer habe an einem Sonntag gegen 04.25 Uhr mit einem Fahrrad in - wie ihm bewusst gewesen sei - alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand in Schlangenlinien eine öffentliche Straße in Wuppertal befahren. Die Untersuchung der ihm um 04.55 Uhr auf Anordnung der Polizei - die zuvor erfolglos versucht gehabt habe, den staatsanwaltschaftlichen Bereitschaftsdienst zu erreichen - entnommenen Blutprobe habe eine Blutalkoholkonzentration von 2,78 Promille ergeben. Es sei gerichtsbekannt, dass in Wuppertal zwischen 21.00 Uhr und 06.00 Uhr kein gerichtlicher Eildienst existiere. Ein Zuwarten bis zur Erreichbarkeit des gerichtlichen Eildienstes hätte die Blutentnahme nicht unerheblich verzögert, während der Arzt zeitnah erreichbar gewesen sei.

 

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 25. August 2010 verwarf das Oberlandesgericht Düsseldorf die Sprungrevision des Beschwerdeführers zu 2) gegen das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. Ob die Blutentnahme rechtmäßig gewesen sei, könne dahinstehen. Der Senat folge der Auffassung, dass die Entnahme einer Blutprobe ohne richterliche Anordnung gemäß § 81a StPO in der Regel nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führe. Für eine Ausnahmekonstellation enthielten die Feststellungen des angefochtenen Urteils und die Revisionsbegründung keine Anhaltspunkte.

 
II.
 

1. Der Beschwerdeführer zu 1) rügt eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG sowie von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK. In der Ermittlungsakte sei keine Gefahrenlage dokumentiert; außerdem sei dort kein Hinweis enthalten, dass der Diensthabende tatsächlich versucht habe, den Ermittlungsrichter zu erreichen. Unterstelle man - wie es das Landgericht getan habe - als wahr, dass der Diensthabende einen solchen Versuch nicht unternommen habe, liege eine bewusste Missachtung des Richtervorbehalts durch den Diensthabenden vor, die zwingend zu einer Unverwertbarkeit der zu Beweiszwecken entnommenen Blutprobe führen müsse. Bei der Prüfung eines Beweisverwertungsverbots dürfe nämlich nicht nur auf den tatsächlich die Blutentnahme anordnenden Beamten abgestellt werden, wenn - wie hier mit dem Diensthabenden - ein weiterer Beamter beteiligt gewesen sei. Das Verhalten der Polizeibeamten sei als Einheit zu bewerten.

 

2. Der Beschwerdeführer zu 2) rügt eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG. Er beanstandet insbesondere, dass in Wuppertal kein nächtlicher richterlicher Bereitschaftsdienst vorhanden sei. Dies sei objektiv willkürlich, nachdem das Oberlandesgericht Hamm bereits entschieden habe, dass in einer Großstadt ein nächtlicher richterlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet sein müsse. Hier sei nicht einmal der Bereitschaftsdienst der Staatsanwaltschaft erreichbar gewesen. Dieser Gesetzesverstoß sei so schwerwiegend, dass hieraus ein Beweisverwertungsverbot folgen müsse.

 
III.
 

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Den Verfassungsbeschwerden kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl.

BVerfGE 90, 22 <24 ff.>;

96, 245 <248 ff.>

).

 

1. a) Die Verfassungsbeschwerden geben keinen Anlass, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den aus dem Recht auf einen effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Maßstäben für die Entscheidung über das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots infolge möglicherweise verfahrensfehlerhafter Blutentnahme zu überprüfen oder fortzuentwickeln. Danach haben die Gerichte im Strafprozess die Rechtmäßigkeit der Blutentnahme nicht umfassend nachzuprüfen, sondern nur insofern, als dies für die Entscheidung über das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots von Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 -, juris Rn. 8 f.). Die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften hat und ob hierzu ein Beweisverwertungsverbot zählt, obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten (vgl. BVerfGK 4, 283 <285>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 -, juris Rn. 10). Insofern gehen die Strafgerichte in gefestigter, willkürfreier und von den Beschwerdeführern auch als solcher nicht angegriffener Rechtsprechung davon aus, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist, und dass die Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist (vgl. dazu BGHSt 44, 243 <249>; 51, 285 <289 f.>). Die Annahme eines Verwertungsverbots schränkt - auch wenn die Strafprozessordnung nicht auf Wahrheitserforschung „um jeden Preis“ gerichtet ist - eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts ein, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle hierfür bedeutsamen Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist. Insbesondere die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers können danach ein Verwertungsverbot nach sich ziehen (vgl. BGHSt 44, 243 <249>; 51, 285 <290 ff.>; BGH, Urteil vom 18. April 2007 - 5 StR 546/06 -, NStZ 2007, S. 601 <602 f.>; speziell zu § 81a StPO Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 16. Juni 2010 - (1) 53 Ss 68/10 (34/10) -, juris Rn. 17 ff.; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 4. Februar 2008 - 1 Ss 226/07 -, juris Rn. 26 ff.).

 

b) In den Ausgangsfällen haben die Gerichte das Verhalten der Ermittlungsbehörden an diesem Maßstab überprüft und sind somit ihrer Verpflichtung aus Art. 19 Abs. 4 GG gerecht geworden.

 

aa) Dass die strafgerichtliche Rechtsprechung davon ausgeht, eine fehlende Dokumentation allein führe nicht zu einem Verwertungsverbot (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2007 - 1 StR 135/07 -, NStZ-RR 2007, S. 242 <243>, unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 13. Januar 2005 - 1 StR 531/04 -, NStZ 2005, S. 392 <393>), ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal diese Rechtsprechung die Möglichkeit offen lässt, den Dokumentationsmangel entsprechend seinem Gewicht im Einzelfall als Gesichtspunkt in der vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 -, juris Rn. 10). Ebenso wenig ist es verfassungsrechtlich bedenklich, dass das Oberlandesgericht Dresden im Verfahren des Beschwerdeführers zu 1) bei der Prüfung eines Beweisverwertungsverbots auf den die Anordnung der Blutentnahme vor Ort aussprechenden Polizeibeamten abgestellt hat.

 

bb) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass das Fehlen eines nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienstes kein Beweisverwertungsverbot begründet. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Notwendigkeit eines richterlichen Bereitschaftsdienstes zur Nachtzeit betrifft den in Art. 13 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verankerten Richtervorbehalt bei der Wohnungsdurchsuchung (vgl.

BVerfGE 103, 142 <156>

; BVerfGK 2, 176 <178>). Sie kann nicht schematisch auf den einfachrechtlichen Richtervorbehalt des § 81a StPO übertragen werden, der nicht als rechtsstaatlicher Mindeststandard geboten ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 -, juris Rn. 12). Selbst wenn das Fehlen eines nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienstes der Inanspruchnahme der Eilkompetenz entgegenstünde, folgte daraus von Verfassungs wegen kein Beweisverwertungsverbot. Die Strafgerichte können darauf verweisen, dass die handelnden Polizeibeamten in einem solchen Fall den Richtervorbehalt nicht willkürlich oder zielgerichtet umgehen.

 

cc) Schließlich führt die Nichterreichbarkeit des staatsanwaltschaftlichen Bereitschaftsdienstes im Fall des Beschwerdeführers zu 2) nicht zu einem verfassungsrechtlich gebotenen Beweisverwertungsverbot. Nach dem Wortlaut von § 81a Abs. 2 StPO sowie der Systematik der Richtervorbehalte der Strafprozessordnung haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch ihre Ermittlungspersonen im Sinne von § 152 GVG die Befugnis, eine Blutentnahme anzuordnen. Das Ergebnis einer polizeilich angeordneten Blutentnahme ist daher von Verfassungs wegen unabhängig von der Antwort auf die einfachrechtliche Frage verwertbar, ob und bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen die Eilkompetenz nach § 81a StPO vorrangig durch die Staatsanwaltschaft wahrzunehmen ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 -, juris Rn. 10; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juni 2010 - 2 BvR 1046/08 -, juris Rn. 26).

 

2. Die Verfassungsbeschwerden sind auch nicht im Hinblick auf die Rüge anzunehmen, die Ablehnung eines Beweisverwertungsverbots verstoße gegen das Recht auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren.

 

a) Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind geklärt. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht - auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte - ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (vgl.

BVerfGE 57, 250 <276>;

64, 135 <145 f.>;

122, 248 <272>

).

 

Der einfachrechtliche Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO gehört nicht zum Bereich des rechtsstaatlich Unverzichtbaren (vgl. bereits BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 -, juris Rn. 12). Das Grundgesetz enthält ausdrückliche Richtervorbehalte nur für Wohnungsdurchsuchungen (Art. 13 Abs. 2 GG) und Freiheitsentziehungen (Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG), nicht aber für Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 3 GG). Auch die hohe Bedeutung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebietet verfassungsrechtlich nicht, dass die - zwingend von einem Arzt vorzunehmende - Blutentnahme zum Nachweis von Alkohol, Betäubungsmitteln oder Medikamenten im Blut nur durch einen Richter angeordnet werden dürfte. Eine Blutentnahme zum Zwecke der Aufklärung eines Sachverhalts tastet das Grundrecht nicht in seinem Wesensgehalt an (vgl.

BVerfGE 5, 13 <15>

) und stellt auch keinen so schwerwiegenden Eingriff dar, dass aus dem Gesichtspunkt der Eingriffstiefe heraus ein Richtervorbehalt zu verlangen wäre (vgl.

BVerfGE 16, 194 <200 f.>

). Der Richtervorbehalt nach § 81a Abs. 2 StPO beruht auf einer Entscheidung des Gesetzgebers, nicht auf einer zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgabe.

 

Dies bedeutet allerdings nicht, dass ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO im nachfolgenden Strafverfahren keine verfassungsrechtliche Bedeutung erlangen könnte. Es bleibt jeweils zu prüfen, ob die maßgeblichen strafrechtlichen Vorschriften unter Beachtung des Fairnessgrundsatzes und in objektiv vertretbarer Weise, also ohne Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), ausgelegt und angewandt worden sind (vgl.

BVerfGE 18, 85 <92 f.>

; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 -, juris Rn. 12).

 

b) Vorliegend sind keine Anhaltspunkte für eine willkürliche, den Fairnessgrundsatz ignorierende Handhabung der strafprozessualen Grundsätze über Beweisverwertungsverbote gegeben. Insbesondere ist es nicht willkürlich, dass im Ausgangsverfahren des Beschwerdeführers zu 1) die rechtliche Prüfung allein das Vorgehen des die Blutentnahme unmittelbar anordnenden Ermittlungsbeamten in den Blick genommen hat.

 

3. Ob der in der Blutentnahme liegende Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Beschwerdeführer Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt, ist vorliegend nicht zu prüfen, da Gegenstand der Verfassungsbeschwerden nicht die Anordnung der Blutentnahme, sondern die jeweilige strafgerichtliche Verurteilung ist. Auch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebietet nicht, im Falle eines - unterstellten - Verstoßes gegen § 81a StPO im Zuge einer polizeilich angeordneten Blutentnahme ein Verwertungsverbot hinsichtlich der erlangten Beweismittel anzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 -, juris Rn. 11). 


Hinweis:

Das Thema ist auch in anderen Blogs zu finden (freilich deutlich kritischer gesehen), so etwa hier, hier, hier und hier.

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12 Kommentare

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"Super-BVerfG" Naja, auch als bekennender "Richtervorbehaltsnichtfürwichtighhalter", nun bleiben Sie mal auf dem Teppich. 

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"(freilich deutlich kritischer gesehen), " ich suche die Kritik in Ihrem Beitrag. "deutlich kritischer" setzt ja wohl voraus, dass Sie irgendwo Kritik am BVerfG üben.

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Detlef Burhoff schrieb:

... setzt ja wohl voraus, dass Sie irgendwo Kritik am BVerfG üben...

... oder auch generell mehr als einen Einleitungssatz schreiben.

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Wieso wird eigentlich in - gefühlt - jedem zweiten Beitrag Werbung für eines der von Ihnen mitgeschriebenen Bücher gemacht? (Warum schwirrt mir grade Nr. 11 des Anhangs zu § 3 III UWG durch den Kopf)

   
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Das mit der Werbung geht mir auch auf den Keks. Ich lese im Normall deshalb keine von Herrn Krumms Beiträgen mehr. In diesem Fall habe ich eine Ausnahme gemacht, da ich die Hoffnung hatte, erhellende Worte vorzufinden.

 

Tut mir leid, Herr Krumm, aber es ist meiner Meinung nach einfach völlig überzogen, nahezu jeden Blogbeitrag mit Werbung auszustatten, wobei häufig das Buch nicht mal was mit dem Blogthema zu tun hat. Daher werde ich Ihre Beiträge wieder meiden.

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@Dortmund: Nun ja, es gibt ja auch blogs, die weitgehend aus Entscheidungs"rezensionen" bestehen, welche mit den Worten "Man fasst es nicht" (wegen welcher furchtbaren Fehler, z.B. "geboten" statt "unerlässlich" bei kurzen Freiheitsstrafen zu schreiben, ein "Untergericht" mal wieder gerüffelt wurde) beginnen.......

@ Burhoff: "deutlich kritischer" ist doch kritischer als unkritisch? 

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Man sollte diese Entscheidung freilich "deutlich kritischer" sehen.  Denn wenn ein Verstoß gegen das Gesetz de facto folgenlos bleibt, welche Motivation besteht dann noch sich an das Gesetz zu halten?

@Ulli: Über die Werbung kann man geteilter Meinung sein. Das Blog ist ansonsten werbefrei, so dass ich grundsätzlich Verständnis für ein klein wenig Werbung habe. In diesem Beitrag passt die Werbung sogar ganz gut. Ansonsten empfinde ich es als irritierend, wenn der Beitrag keinen Zusammenhang zu dem genannten Buch aufweist.

 

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So, da will ich mich wenigstens einmal kurz melden: Zunächst ist ja (Herr Melchior hat`s ja angedeutet) mehr oder weniger klar und wird auch keinen erstaunen, dass ich ein Befürworter der Abschaffung des Richtervorbehalts bin - ich habe das ja auch stets offen vertreten, wie etwa in meinem Beitrag "Richtervorbehalt bei der Blutprobe: Weg damit!“ in der ZRP 2009.

Einer längeren Einführung in das Thema bedurfte es meines Erachtens auch nicht - alles was wichtig ist, ergibt sich aus der Überschrift und den gefetteten Passagen.

Was die Werbung angeht, so sind andere Blogs, die von kommerziellen Anbietern stammen auch nicht werbefrei - man denke etwa an das von Herrn Burhoff oder an schadenfix. Früher gab es bei Beck an der Seite auch offizielle "Werbeeinspielungen", auf die jetzt verzichtet wird. Ich denke, wenn der Verlag Beck ein solches Medium wie das Blog kostenfrei zur Verfügung stellt, dann darf der Leser auch mit Werbung konfrontiert werden - das gilt umso mehr, als ich ja nur für meine Bücher werbe. Es mag zwar manchem Leser auf die Nerven gehen, was ich zu einem gewissen Grad sogar verstehe - ich bitte aber auch mich zu verstehen, wenn ich den Bekanntheitsgrad meiner Bücher durch das Blog erhöhen will.    

Schön das sich einige Leser hier über die Werbung echauffieren.
 

Mir hingegen fällt auf, dass einmal die Rede von 16:00 Uhr und einmal von 04:25 ist. Aufgrund des Sachverhalts ist wohl eher 04:xx gemeint und nicht 16:00 Uhr :).

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Das BVerfG bestärkt die Fachgerichte einmal mehr in der Auffassung, daß Gesetzesverstöße folgenlos zu bleiben haben (jedenfalls wenn die Gesetzesverstöße von Polizei und Justiz begangen werden). Nun, auch das ist eine Art von Rechtssicherheit.

 

Ich habe daher, getreu dem Motto "Strafrecht macht man nur solange bis man es kann" vergangenes Jahr meine 15-jährige Verteidigertätigkeit eingestellt. Ich war es leid, ständig mit Gesetzesbrechern zu tun zu haben. Und die Mandanten waren kaum besser. ;-)   Aus meiner Sicht werden im Strafrecht alle professionellen Verfahrensbeteiligten von Jahr zu Jahr unseriöser. "juris" sei Dank, findet jeder immer eine beliebige Entscheidung, die zur eigenen Meinung paßt. Ob sie auch zur ständigen Rechtsprechung des eigenen Spruchkörpers oder des zuständigen Obergerichts paßt, scheint zunehmend gleichgültig zu sein.  Und die Rechtsprechung des BVerfG, obgleich gemäß § 31 BVerfG verbindlich, interessiert bei den Fachgerichten ohnehin niemand - es sei denn, sie ist geeignet, die eigenen Position zu untermauern.

 

Einen solchen Klamauk, der mit Rechtswissenschaft nun wirklich überhaupt nichts mehr zu tun hat, mache ich nicht mehr mit.

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Gesetz ist Gesetz und wenn man über das Gesetz Bescheid weiss, und es Gerichtsbeschlüsse gibt wo verurteilte Angeklagte/Verdächtigte oder wie auch immer eine Verfahrensrüge einlegt, dann ist dies sein gutes Recht, denn es steht so im Gesetztestext drin und so ist es nunmal.

Und das OLG Hamm hat hier Tatverdächtige die verurteilt worden, wieder zurückverwiesen, da es im Gesetz so verankert ist.....und sie nicht wissen was sie dort tun sollen......

Klar ist Alkohol am Steuer verboten, aber wenn keine richterliche Anordnung oder die der Staatsanwaltschaft vorliegt, oder der zuständige richterliche Bereitschaftsdienst sein Handy ausschaltet (Bereitschaft ist Bereitschaft, da muss man auch Bereit sein, wie bei der Feuerwehr), finde ich sollte das Gesetz geändert werden.Oder es sollten die Strafverfahren die keine richterliche Anordnung zur Blutentnahme vorliegen haben, eingestellt werden, da hier ein deutlicher Verfahrensfehler darbietet.

 

Ich habe die Gesetze nicht geschrieben aber ich finde es spitze, denn die Poilzei, geht immer von Gefahr im Verzuge aus.........

 

So jetzt die gute Frage 1,5 Promille Atemalkohol, nicht im Fahrzeug gesessen, kein Unfall, kein Schlüssel, verdächtigt Fahrzeug geführt zu haben, 2 Zeugen gesehen(Polizisten)

Atemalkoholtest nicht verweigert, jedoch den Bluttest, da der Verdächtige nur auf der Bank gesessen hat und zu Fuß unterwegs war, was nun.....Blutentnahme ohne richterliche Anordnung durchgeführt, mit Gewalteinwirkung vom PK, dann gefragt worden ist nun gut....wir können das auch so Handhaben?????was sagt der Beschuldigte.......okay ist schon gut.

Spricht man da nicht von polizeilicher Willkür nur um einen Verdächtigen zu überführen, trotz keiner richterlichen Anordnung?

 

Und bei der Vorladung wird dann im Protokoll erwähnt, das eine sachliche Diskussion stattgefunden hat, ich weiss ja nicht so recht..........

 

Das stinkt förmlich nach WILLKÜR!

 

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