Keine Altersdiskriminierung durch differenzierte Sozialpläne

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 12.04.2011

Ob Sozialpläne altersdifferenzierte Leistungen vorsehen dürfen und welche Grenzen dabei ggf. zu beachten sind, ist seit dem Inkrafttreten des AGG umstritten. § 10 Nr. 6 AGG gestattet Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind. Bereits mehrfach hat das BAG sich mit der Anwendung dieser Vorschrift auseinandergesetzt und die gängige betriebliche Praxis im Wesentlichen bestätigt (BAG vom 26.05.2009 - 1 AZR 198/08, NZA 2009, 849 [853 f.]; vom 23.03.2010 - 1 AZR 832/08, NZA 2010, 774 [775 f.]; siehe aber auch EuGH 12.10.2010 - C-499/08, NZA 2010, 1341 [1341 ff.]).

BAG bestätigt erneut Differenzierungen nach dem Alter

Diese Linie hat das BAG mit einem heute verkündeten fortgesetzt (Urt. vom 12.04.2011 - 1 AZR 764/09). Nach dem bei der beklagten Arbeitgeberin geltenden Sozialplan bestimmte sich die Höhe der Abfindung nach einem Faktor, der mit dem Produkt aus Betriebszugehörigkeit und Bruttomonatsverdienst zu multiplizieren war. Der Faktor betrug bis zum 29. Lebensjahr des Mitarbeiters 80%, bis zum 39. Lebensjahr 90% und ab dem 40. Lebensjahr 100%. Die Beklagte zahlte der zum Zeitpunkt der Kündigung 38jährigen Klägerin eine mit dem Faktor von 90% errechnete Abfindung in Höhe von rund 31.000 Euro. Mit ihrer Klage verlangt sie die Differenz zur ungekürzten Abfindung. Ihre Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

§ 10 Satz 3 Nr. 6 AGG ist mit Gemeinschaftsrecht vereinbar

Arbeitgeber und Betriebsrat dürfen bei der Bemessung der Abfindungshöhe in einem Sozialplan gemäß § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG Altersstufen bilden, weil ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt typischerweise größere Schwierigkeiten als jüngere haben, eine Anschlussbeschäftigung zu finden. Die konkrete Ausgestaltung der Altersstufen im Sozialplan unterliegt nach § 10 Satz 2 AGG einer Verhältnismäßigkeitsprüfung: Sie muss geeignet und erforderlich sein, das von § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG verfolgte Ziel tatsächlich zu fördern und darf die Interessen der benachteiligten Altersgruppen nicht unangemessen vernachlässigen. Das ist mit dem Verbot der Altersdiskriminierung im Recht der Europäischen Union vereinbar.

Die Altersstufen des Sozialplans waren auch verhältnismäßig

Die in dem Sozialplan der Beklagten gebildeten Altersstufen sind nicht zu beanstanden. Die Betriebsparteien durften davon ausgehen, dass die Arbeitsmarktchancen der über 40jährigen Mitarbeiter typischerweise schlechter sind als die der 30 bis 39jährigen. Die vereinbarten Abschläge für jüngere Arbeitnehmer sind nicht unangemessen.

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