AGB-Kontrolle in Altfällen – Widersprüchliches vom BAG

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 30.04.2011

 

Mit seiner – erst als Pressemitteilung vorliegenden (Nr. 33/11) – Entscheidung vom 20.4.2011 (5 AZR 191/10) distanziert sich der 5. Senat des BAG von der Rechtsauffassung des Neunten und des Zehnten Senats. Zum Hintergrund: Auch zehn Jahre nach Inkrafttreten der Schuldrechtsmodernisierung mit ihrer Erstreckung des AGB-Rechts auf die Kontrolle von Arbeitsverträgen ist der Anteil der noch nicht an die neuen Vorgaben angepassten sog. Altverträge immer noch sehr hoch. Von großer praktischer Bedeutung ist daher die Frage, ob und in welcher Weise die Rechtsprechung den Parteien – in erster Linie den betroffenen Arbeitgebern – Vertrauensschutz gewährt. Das Urteil des Fünften Senats zu Widerrufsvorbehalten vom 12.1.2005 (BAG - 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465) hatte hier frühzeitig die Richtung gewiesen: Der Senat betonte, dass ein Festhalten an der Unwirksamkeitsfolge zu einer Bindung an die vereinbarte Leistung ohne Widerrufsmöglichkeit führen würde und damit unverhältnismäßig in die Privatautonomie eingreife. Deshalb sei die entstandene Lücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung in der Weise zu schließen, dass jedenfalls wirtschaftliche Verluste als Voraussetzung des Widerrufs gegeben sein müssten. Dagegen hat Neunte Senat (BAG 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809; mit dem Neunten Senat sympathisierend, den Punkt aber letztlich offen lassend der Zehnte Senat, BAG 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, AP Nr. 40 zu § 307 BGB; 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428) später die Ansicht vertreten, das Vertrauen des Arbeitgebers auf die teilweise Aufrechterhaltung komme nur in Betracht, wenn er während der einjährigen Übergangsfrist des Art. 229 § 5EGBGB erfolglos einen Versuch unternommen habe, den Vertrag den neuen Vorgaben anzupassen. Ein Altfall und damit eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ist sodann vom Zehnten Senat (BAG 30. 7. 2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173) mit der Begründung verneint werden, es sei nach dem 1.1.2002 eine Änderung des Arbeitsvertrages vereinbart worden. Damit würde der gebotene Vertrauensschutz nahezu vollständig entwertet. Von daher ist es zu begrüßen, dass der 5. Senat auf der Fortgeltung seiner Rechtsprechung besteht, wobei sich die Frage einer Vorlage an den Großen Senat allerdings aufdrängt. Die Pressemitteilung des BAG lautet in den entscheidenden Punkten:

„Der Widerruf einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen versprochenen Leistung des Arbeitgebers darf nicht grundlos erfolgen. Seit dem 1. Januar 2002 müssen die Widerrufsgründe in der Vertragsklausel angegeben werden. Fehlt diese Angabe, ist die Klausel nach § 308 Nr. 4, § 307 BGB unwirksam. Die hierdurch entstandene Vertragslücke kann in vor dem 1. Januar 2002 vereinbarten Klauseln im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden. Dabei ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in der gesetzlichen Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2002 eine Anpassung der Klausel an den strengeren Rechtszustand angetragen hat.“

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