AG Landstuhl: Vorsatz bei 60 % Geschwindigkeitsüberschreitung

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.05.2011

Vollkommen richtig, oder?

"...Die Betroffene hat sich damit für einen Verstoß gegen §§ 3 Abs. 3, 49 StVO, 24 StVG zu verantworten. Sie hat, so die ordnungsgemäße Messung, außerhalb geschlossener Ortschaften auf einer Bundesautobahn die vorgeschriebene Geschwindigkeit um 84 km/h überschritten. Das Gerät ESO ES 3.0 ermöglicht ein standardisiertes Messverfahren (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2009, Az. 1 SsRs 71/09). Mehr als die obigen Feststellungen (II.) musste das Gericht zum Messergebnis nicht treffen. 

Die Betroffene handelte vorsätzlich. Grundsätzlich wird bei standardisierten Verkehrsordnungswidrigkeiten die fahrlässige Begehung angenommen. Bei Vorliegen besonderer Umstände und gleichzeitigem Schweigen des Betroffenen zur Begehungsweise der Tat ist jedoch die Annahme der vorsätzlichen Begehung zulässig. Vorsätzliches Handeln wird bei Geschwindigkeitsverstößen im Bußgeldrecht ohne nötige weitere Indizien bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von über 40% unproblematisch angenommen (vgl. Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 2. Auflage, 2010, Kap. C, §5, Rn. 201 m. w. N.). Bei dem hier erreichten Wert von 60,74% (214 km/h bei erlaubten 130 km/h) ist die Annahme von Vorsatz zu bejahen (vgl. auch OLG Bamberg, DAR 2006, 464; OLG Jena, DAR 2006, 523)...." 

AG Landstuhl: Urteil vom 10.02.2011 - 4286 Js 12300/10 = BeckRS 2011, 06033  = BeckRS 2011, 06033

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2 Kommentare

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alles über 40% ist also Vorsatz. Nur mal kurz nachrechnen:

40% von 30km/h sind 12kmh, also alles über 42 km/h ist Vorsatz.

Und übertrieben, bei Schrittgeschwindigkeit (der Einfachheit mit 10km/h angenommen) ist bei 14km/h der Vorsatz dabei. Schön dass mein Tacho bereits bei 20km/h beginnt...

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Diese Rechtsprechung ist abenteuerlich. Auch wenn ich mit meiner Meinung scheinbar alleine stehe:

Als "standardisiertes Messverfahren" mag man ein Fingerabdruckgutachten akzeptieren, dessen Methodik offenkundig und für jedermann nachprüfbar ist.

Dass elektronische Messverfahren, deren Abläufe nicht kontrollierbar sind, deren Details der Funktionsweise vom Hersteller geheim gehalten werden und deren Tests durch die PTB nicht nachvollziehbar sind, ebenfalls kritiklos hingenommen werden, stellt eine Missachtung der rechtsstaatlicher Prüfpflichten und der Rechte des Betroffenen dar. Denn es ist für den Betroffenen unmöglich, Einwände gegen ein Messverfahren vorzutragen, dessen Einzelheiten ihm verborgen sind. Ebensowenig kann er mögliche Störfaktoren identifizieren geschweige denn vortragen, wenn er die Funktionsweise des Geräts und die Tests der PTB nicht genau kennt.

Gleichsam kann man auch nicht Vorsatz aus dem Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung herleiten. Ein solcher Schluss setzt voraus, dass dem Betroffenen im Moment der Tat die Geschwindigkeitsbegrenzung bewusst war. Wie dies aus dem Schweigen des Betroffenen geschlussfolgert und bewiesen werden soll, ist schleierhaft.

 

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