Bundesverfassungsgericht: Vorschuss auf Pauschgebühr für den Pflichtverteidiger verfassungsrechtlich geboten !

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 27.07.2011

 

Betroffen ist man, wenn man die Sachverhaltsdarstellung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 01.06.2011 -1 BvR 3171/10 – liest und sieht, zu welch gravierenden, ja existenzbedrohenden Auswirkungen eine Pflichtverteidigerbestellung führen kann und dass es dabei sogar notwendig wird, bis zum Bundesverfassungsgerichts zu gehen, um einen eindeutig berechtigten Anspruch auf Vorschuss auf eine Pflichtverteidigervergütung durchzusetzen. Erfreulich sind die klaren Wort aus Karlsruhe: So gewinnt in Strafsachen besonderen Umfangs, die die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch nehmen, ohne dass er sich dieser Belastung entziehen könne, die Höhe des Entgelts für den betroffenen Rechtsanwalt existenzielle Bedeutung. Und Art. 12 Abs. 2 GG gebiete weiter dem Pflichtverteidiger einen (angemessenen) Vorschuss zu zahlen, wenn das Strafverfahren lange dauert, die höhere Pauschgebühr mit Sicherheit zu erwarten ist und es für den Verteidiger unzumutbar ist, die Festsetzung der endgültigen Pauschgebühr abzuwarten. Es bleibt zu hoffen, dass sich mit dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Rechtsprechung ein verständnisvollerer Umgang mit den Ansprüchen von Pflichtverteidigern auf Pauschgebühren durchsetzen wird.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

3 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Es zeigt sich an diesem Beispei erneut, daß diejenigen, die von ihrem Dienstherren Arbeitsmaterialien, Büroräume und Personal gestellt und ihre Besoldung pünktlich monatlich im voraus überwiesen erhalten, sich keinerlei Gedanken über betriebswirtschaftliche Fragen machen.

0

hans-jochem.mayer schrieb:

Es bleibt zu hoffen, dass sich mit dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Rechtsprechung ein verständnisvollerer Umgang mit den Ansprüchen von Pflichtverteidigern auf Pauschgebühren durchsetzen wird.

 

Wenn es um Vergütung oder Kostenerstattung geht, die die Landeskasse an einen Verteidiger zu zahlen hat, habe ich in meinen Jahren als Strafverteidiger jede Hoffnung auf Änderung aufgegeben. Der Kollege Werner Siebers, Braunschweig, hat es einmal treffend umschrieben: Kostenbeamte (in diesem Fall: Richter am OLG) haben einen Igel in der Tasche, wenn es um Verteidigerhonorare geht.

 

Beim Lesen des Sachverhalts fällt allerdings zweierlei auf. Zum einen scheinen mir die angegebenen Zeiten für das Studium der Akte erheblich übertrieben. Zwar mag man soviel Zeit benötigen, wenn man bei diesem Aktenumfang Seite für Seite liest.  Solange die Staatsanwaltschaft und das Gericht nicht dargetan haben, worauf es hinausläuft und welche Aktenteile für relevant gehalten werden, genügt es jedoch regelmäßig, die Akten "querzulesen". Soweit Aktenbestandteile bereits im Vorverfahren zur Entlastung benötigt werden, kann der Mandant zumeist mitteilen, was zu suchen und wo es zu finden ist. Daß man sich Seite für Seite durch 60 Leitzordner quälen muß, um verteidigungsrelevante Schriftstücke zu finden, ist wirklich selten.  In Wirtschaftsstrafverfahren werden regelmäßig die gesamten Geschäftsunterlagen beschlagnahmt. 80% hiervon sind für die strafrechtliche Bewertung vollkommen unerheblich und bestehen aus so wichtigen Aktenordner wie "Angebote für Leasingfahrzeuge", "Angebote Gärtner Pötschke", "Werbung", etc.   Den Großteil des Aufwands macht das Ablichten der Akten aus, der durch die Dokumentenpauschale aus VV 7000 RVG keinesfalls gedeckt ist.

 

Zweitens: Ohne einen entsprechenden Vorschuß des Mandanten oder der Staatskasse fasse ich solche Aktenberge gar nicht erst an.  Erst mehrere hundert Stunden Arbeit aufzuwenden und sich dann um die Vergütung zu kümmern ist ebenso unprofessionell wie unökonomisch. Dann muß man sich nicht wundern, wenn die Kanzlei bald pleite ist.

 

 

 

 

0

Kommentar hinzufügen