Manche lernen es nie

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 30.09.2011

In einem Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz war gegen ihn im Wege der einstweiligen Anordnung ein Näherungs- und Kommunikationsverbot (§ 1 I 3 GewSchG) verhängt worden, weil er sie verprügelt und ernsthaft verletzt haben soll.

(Jetzt erst) anwaltlich vertreten ging er in die Beschwerde (vgl. § 57 Nr. 4 GewSchG) und berief sich auf Notwehr.

Der Anwalt (anscheinend eine echte Konifere) benannte in der Beschwerdeschrift Zeugen für die Version des Mannes. Eidesstattliche Versicherungen der Zeugen oder des Antragsgegners selbst fügte er nicht bei.

Das musste in die Hose gehen.

Seine Behauptung, er habe in Notwehr gehandelt, hat der Antragsgegner nicht in geeigneter Weise glaubhaft gemacht. Das geht zu seinen Lasten, da er die Rechtfertigung seines Verhaltens durch Notwehr geltend macht.

Insbesondere kann der Antragsgegner sich nicht auf die von ihm in der Beschwerdeschrift vom 14.07.2011 benannten Zeugen berufen, denn gemäß § 31 Abs. 2 FamFG ist eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, zur Glaubhaftmachung unstatthaft. Das Gericht ist trotz des in Gewaltschutzsachen gemäß § 26 FamFG geltenden Amtsermittlungsprinzips im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht verpflichtet, Aussagen von Beweispersonen erst herbeizuschaffen. Allein die Benennung von Zeugen genügt zur Glaubhaftmachung daher grundsätzlich nicht. …. Vielmehr sind dazu schriftliche Erklärungen der Zeugen vorzulegen. Ob dies in Fällen anders zu beurteilen ist, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben und das Gericht zur rechtzeitigen Ladung der benannten Zeugen in der Lage ist (so Greger, in: Zöller, Komm. z. ZPO, 28. Aufl. 2010, § 294 ZPO Rn 3), kann dahinstehen. Der Antragsgegner hat die Zeugen, auf die er sich zur Glaubhaftmachung beruft, erstmals im Beschwerdeverfahren benannt. In diesem ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG nicht zwingend vorgeschrieben.

 

Der Antragsgegner hat die Richtigkeit seiner Darstellung des Vorfalls vom 02.06.2011 auch nicht an Eides Statt versichert, sondern sich nur im Rahmen seiner Anhörung durch das Familiengericht mündlich und in der Beschwerdebegründung durch seinen Verfahrensbevollmächtigten schriftlich dazu geäußert. Das reicht zur Glaubhaftmachung nicht aus. Zwar kann hierzu ausnahmsweise auch die einfache Erklärung eines Beteiligten genügen. Eine solche Ausnahme ist aber nur anzunehmen, wenn dem Beteiligten andere Mittel der Glaubhaftmachung nicht zur Verfügung stehen (BGH, Beschluss vom 04.02.1993, NJW-RR 1994, 316). Dass es dem Antragsgegner nicht möglich ist, schriftliche Aussagen der von ihm benannten Zeugen beizubringen oder die Richtigkeit seiner Darstellung des Vorfalls vom 02.06.2010 an Eides Statt zu versichern, hat er aber nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Auf die weitere Frage, ob das Verhalten des Antragsgegners bei tatsächlichem Bestehen einer Notwehrlage gerechtfertigt gewesen wäre, kommt es damit nicht an.

 

Hanseatisches Oberlandesgericht v. 17.08.2011 - 4 UF 109/11

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9 Kommentare

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"vgl. § 57 Nr. 4 GewSchG" korrigieren nach "vgl. § 57 Nr. 4 FamFG"

 

(das GewSchG hat erst 4 §§ :-))

 

Urteil kostenlos zu lesen hier, RN10 liest sich wie eine RTL show :-(

openjur.de/u/172763.html

 

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Der Beschuldigte konnte seine Unschuld, auch aufgrund von formalen Fehlern seines RA nicht ausreichend beweisen.

Er war daher schuldig zu sprechen.

Das hat er jetzt davon.

 

Ein Rechtssystem auf das wir wirklich stolz sein können!

Solon würde sich im Grabe umdrehen.

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Schuldig?

Ich dachte hier geht es um eine einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz.. steht zumindest so im Beitrag.. und anders wäre der ja auch sehr sinnfrei ;)

Im Strafrecht geht es darum, dass der Staat für ein bestimmtes unerwünschtes Verhalten eine Strafe ausspricht, hier aber geht es wie im gesamten Zivilrecht darum, die rechtlichen Interessen zweier (oder mehr) Personen zum Ausglewich zu bringen.  Da ist eine Beweislastverteilung zwischen den PArteien unerlässlich und eine Unschuldsvermutung ist einfach nicht passend.

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 Nein, das mußte nicht in die Hose gehen. Eidesstaatliche Versicherungen sind nämlich nicht zwingend notwendig.

 

Zur im einstweiligen Anordnungsverfahren ausreichenden Glaubhaftmachung einer Tatsachenbehauptung – auch im Sinne von §§ 51 Abs. 1 S. 2, 31 FamFG – bedarf es nicht der vollen gerichtlichen Überzeugung, sondern genügt nach allgemeinem Verständnis ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung, der bereits vorliegt, sofern bei freier Würdigung des gesamten Verfahrensstoffs eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft (BGH MDR 2007, 669; 2004, 172).

 

Sicherheitshalber sollte man natürlich immer eidesstattliche Versicherungen beibringen, da die meisten Gerichte davon ausgehen, diese seien als Mittel der Glaubhaftmachung unverzichtbar.

 

Falsch ist jedenfalls der Schluß, es liege (immer) am Anwalt wenn solche "Fehler" begangen werden. Gerade in Gewaltschutzsachen ist der Mandant oftmals kein einfacher, ganz gleich, ob es sich um den Antragsteller oder den Antragsgegner handelt. Er kommt also aufgeregt in die Kanzlei, legt auch gleich den Vorschuß auf den Tisch, bringt aber die geforderten eidesstattlichen Versicherungen nicht bei. Auf entsprechende Belehrung reagiert er mit Unverständnis und verlangt die Begründung der Beschwerde. Was also tun?  Die Begründung der Beschwerde verweigern, um den eigenen guten Ruf bei Gericht nicht zu gefährden und nicht als Trottel darzustehen? Einen Streit mit dem Mandanten, auch über die bereits gezahlten (und entstandenen) Gebühren, riskieren, weil man sich geweigert hat, ohne eidesstattliche Versicherungen das Rechtsmittel zu begründen?  Warten, daß der Mandant einem dafür entzürnt die Kanzleitür eintritt und das Personal belästigt?

 

Nein, da riskiere ich lieber, von Richtern, die keine Ahnung vom Betrieb einer Kanzlei haben, als Konifere verspottet zu werden. Wenn der Mandat ordnungsgemäß belehrt wurde und gleichwohl auf eine gerichtliche Entscheidung besteht, lege ich auch Klagen und Rechtsbehelfe ein, die wenig Aussicht auf Erfolg haben. Der Bürger hat schließlich ein Recht darauf, es schwarz auf weiß von einem Gericht zu erfahren, daß der Anwalt ihn zutreffend belehrt hat.

 

 

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Die Unschuldsvermutung ist nicht nur nie unpassend sondern Grundlage jedes kultivierten Rechtssystems.

Und auch wenn das Gewaltschutzgesetz Straf- und Zivilrecht in unerträglicher Weise zu verschwurbeln versucht, geht es hier um die Ahndung einer, behaupteten, Straftat, inklusive Sanktionen, die einer Vorverurteilung einer Straftat gleich kommen.

Unter Weglassung aller so lästigen und hinderlichen Elemente wie Unschuldsvermutung und Beweislast des Anklägers.

 

Das Gewaltschutzgesetz ist, genau wie das oben beschriebene Verfahren, eine Schande für ein System, dass sich rechtsstaatlich nennen will.

Es entspricht eher Standgerichten und Lynchjustiz.

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*Konifere (lat.) = „Zapfenträger“, eine Bezeichnung für Nadelholzgewächse, die zuweilen verwechselt wird mit dem Wort Koryphäe (gr.) = herausragender Fachmann.

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Vielleicht war ja auch Carnivore gemeint.

 

Ich traue Herrn Burschel aber schon zu, dass er den Unterschied zwischen diesen Begriffen kennt und nur einen kleinen Scherz gemacht hat.

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