Interessanter Ansatz aus Karlsruhe (aber vom Amtsgericht)

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 13.12.2011

 

Nach mehrjähriger nichtehelicher Lebensgemeinschaft kam es zur Trennung. Die beiden Kinder blieben bei der Mutter, der die Alleinsorge zustand. Warum niemals eine Sorgerechtserklärung abgegeben worden ist (Unwissen? Glaube an die „ewige Liebe“? raffiniertes Kalkül der Mutter?) ist nicht bekannt.

 

Der Vater, der regelmäßigen Umgang mit den Kinder hat, beantragte das gemeinsame Sorgerecht, die Mutter war dagegen.

 

Im Hinblick auf die noch immer fehlende Regelung durch den Gesetzgeber fragt das AG Karlsruhe wie spiegelbildlich zu entscheiden wäre, wenn es sich um eheliche Kinder handeln würde und ein Elternteil die Alleinsorge beantragt hätte. 

Es vertritt hierzu die Auffassung, dass die gemeinsame elterliche Sorge sowohl für eheliche als auch für nichteheliche Kinder grundsätzlich dem Kindeswohl entspreche und bei nichtehelichen Kindern nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 6 V GG) daher eine entsprechende Prüfung gem. §§ 1671 Abs. 1 und Abs. 2 BGB vorzunehmen sei. Danach kommt das Gericht zu dem Ergebnis das die alleinige Sorge in Teilbereichen aufzuheben und auf beide Elternteile zu übertragen ist.

 

AG Karlsruhe v. 01.07.2011 - 4 F 415/10

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8 Kommentare

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Sehr geerter Hans-Otto Burschel,

das Gericht hat doch in diesem Fall nur genau das Umgesetzt was das Bundesverfassungsgericht als Übergangslösung angeordent hat. Mir ist es unbegreiflich das sie das nicht erkennen. Daher ist es kein neuer oder guter Ansatz des Amtsgericht aus Karlsruhe sondern eine vorbildiliche Anwendung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.

 

Das die gemeinsame elterliche Sorge sowohl für eheliche als auch für nichteheliche Kinder grundsätzlich dem Kindeswohl entspreche ist auch nichts neues sondern uralt und auch durch das Bundesverfassungsgericht abgesegnet und es war der Grund warum bei einer scheidung von ehelichen Eltern die grundsätzliche gemeinsame Sorge eingefürt wurde.

 

Interresant wird demnächst eine Entscheidung des OLG Karlsruhe vom Senat in Freiburg. Hier wird schon seit 4 Jahren einem erziehungsfähigen Vater die elterlicher Sorge vorenthalten obwohl die Mutter schwerstes Borderliner hat und das Kind nicht versorgen kann und es auf Druck des Jugendamtes "freiwillig" zu Pflegeeltern gegeben hat. Damit wird auch dem Kind sein Grundrecht vorenthalten bei seinen leiblichen Eltern zu leben obwohl einer dazu in der Lage wäre dieses zu ermöglichen. Der Richter des Amtsgericht hat ihm die gemeinsame bzw alleinige Sorge verweigert mit der Begründung  das man dann eine Hinführung zu ihm  nicht verhindern könne und dass das für das Kind nicht gut währe, da wenn es bei ihm lebenwürde die Mutter gedroht habe dann kein Umgang mehr wahr zu nehmen.  Wenn man solche Begründungen von Richtern kennt, freut einem es um so mehr wenn ein Amtsgericht, wie das in Karlsruhe, durchaus erkannt hat was das Bundesverfassungsgericht wollte.

 

 

 

 

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Hard schrieb:

das Gericht hat doch in diesem Fall nur genau das Umgesetzt was das Bundesverfassungsgericht als Übergangslösung angeordent hat. Mir ist es unbegreiflich das sie das nicht erkennen.

Richtig.

Interessant ist daran nur, dass Sie es interessant finden und nicht selbstverständlich.

Die Haltung folgt aber ganz konsequent den politischen Vorgaben aus dem BMJ zum BVerfG-Urteil aus dem Jahr 2003, welche Dank der erfolgreichen Klage von Herrn RA.  Schulte-Frohlinde vor dem BVerwG nun endlich auch öffentlich einsehbar sind.

Z.B. das hier:

"Hat die Mutter ihre Zustimmung zur gemeinsamen Sorge versagt, ist in der Regel von einem gestörten Elternverhältnis auszugehen. Die gemeinsame
Sorge Kraft Gesetz ist hier nicht adäquat (Spannungen der Eltern, Belastungen
für das Kind)."

(Quelle:http://www.schulte-frohlinde.de/sites/default/files/AnlageXXXXP.pdf)

Genau so wird es heute von den Gerichten praktiziert.

Wie immer: Wenn die Mutter nicht will, bekommt der Vater kein Sorgerecht.

 

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Das Urteil erscheint in der Familienrechtszeitung am 15.12. S. 1962.

Auf der gleichen Seite übrigens das Urteil des OLG Hamm, Volltext auch online: http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2011/II_8_WF_110_11beschluss201... - das klingt ganz anders wie das Urteil aus Karlsruhe, dort wird von einem Kindeswohl"interesse" ohne Verweis auf §1671 BGB geredet und Verweigerung von Kooperation durch den Alleinsorgeberechtigten wie üblich mit fortbestehender Alleinsorge geurteilt (man könnte auch "belohnt" sagen). Dieses Kindeswohlinteresse ist demzufolge ein Symptom und nicht ein Ziel. Darin liegt auch eine der grundlegenden Fehlkonstruktionen des juristischen Kindeswohlbegriffs.

 

Aber was solls. Der zweite Jahrestag des offenbar so höchst unbequemen  EGMR-Urteils ist völlig spurlos und leise vorübergegangen, es werden noch viele Jahrestage folgen. Da haben wir mit 25% Juristen im Bundestag einen hochbezahlten Haufer voller "Experten" und es passiert - nichts. §1626a steht immer noch unverändert im BGB und die Gerichte tanzen ihren Interpretationstwist.

Hopper schrieb:

Wie immer: Wenn die Mutter nicht will, bekommt der Vater kein Sorgerecht.

 

oder die Mutter

Wie darf ich das verstehen?

Wenn die Mutter nicht will, bekommt die Mutter die Mutter kein Sorgerecht?

Zum Einen, bekommt eine Mutter, anders als der Vater, das Sorgerecht automatisch, zum Anderen finde ich es nun nicht so dramatisch, wenn jemand etwas nicht bekommt, was er gar nicht haben will!

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@ Hard

Das BVerfG hat – unter dem Druck des EuGMR - nur verlangt, daß nichtehelichen Vätern auch gegen den erklärten Willen der Mütter der Weg zur elterlichen Sorge offenstehen müsse. Es hat die gemeinsame elterliche Sorge nicht eingeführt.

Und genau das von Eric Untermann erwähnte Urteil des – bekanntermaßen mütterfreundlichen und rückwärtsgewandten – OLG Hamm zeigt doch, daß fortschrittliche Gerichte immer noch gute Argumente finden müssen, warum sie sich FÜR eine gemeinsame elterliche Sorge aussprechen.

Die Sache mag an sich eine Selbstverständlichkeit sein (was sie eben nicht ist), will aber dann doch immer noch gut begründet werden.

Und die Begründung des AG Karlsruhe ist insofern wirklich interessant und gut.

In ein paar Jahren werden wir uns ob solcher Gedankengänge bei der Begründung für die elterliche Sorge verwundert die Augen reiben, heute stellen sie einen Fortschritt dar.

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Solange das gemeinsame Sorgerecht bei unverheirateten Eltern nicht vom Gesetz bestimmt oder von den Gerichten angeordnet wird, kann man nur von "Mutterrecht" und nicht von "Familienrecht" sprechen. Schade, dass das Amtsgericht Karlsruhe noch immer ein Einzelfall ist.

RA + sorgerechtsloser Vater einer kleinen Tochter

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