BAG: Einschränkung der Mitbestimmungsrechte des Betrriebsrats im Arbeitskampf

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 14.12.2011

Das BetrVG enthält keine ausdrückliche Bestimmung darüber, ob die in ihm normierten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auch im Arbeitskampf uneingeschränkt bestehen. Das BAG vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass eine verfassungskonforme Interpretation des BetrVG zu einer Beschränkung der Mitbestimmungsrechte führen kann, wenn anderenfalls eine Verletzung der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Arbeitskampffreiheit zu besorgen wäre. Das betrifft z.B. die Anordnung von Kurzarbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, dazu BAG vom 24.09.1979, NJW 1980, 140), die Einstellung von Aushilfskräften (§ 99 BetrVG, dazu BAG vom 26.10.1971, NJW 1972, 599) und kampfbedingte Kündigungen (BAG vom 14.02.1978, NJW 1979, 236).

In Fortentwicklung dieser Rechtsprechung hat der Erste Senat des BAG mit Beschluss vom 13.12.2011 (1 ABR 2/10) entschieden, dass die Versetzung arbeitswilliger Arbeitnehmer aus einem nicht bestreikten Betrieb in einen von einem Arbeitskampf betroffenen Betrieb desselben Arbeitgebers, die der Begrenzung von Streikfolgen dient, nicht der Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebs nach § 99 Abs. 1 BetrVG bedarf. Dessen Mitbestimmungsrecht entfällt bei einem solchen Einsatz von Streikbrechern, weil ansonsten die Arbeitskampffreiheit des Arbeitgebers ernsthaft beeinträchtigt würde.

Im Streitfall betreibt die Arbeitgeberin einen Lebensmittelgroßhandel. Am Standort Frechen bei Köln unterhält sie zwei Betriebe, ihre Zentrale und ein Logistikzentrum. Während eines zunächst auf den Abschluss eines Verbandstarifvertrags und später nur noch auf den Abschluss eines betriebsbezogenen Haustarifvertrags gerichteten Arbeitskampfs im Logistikzentrum versetzte sie dorthin arbeitswillige Arbeitnehmer der Zentrale vorübergehend zur Streikabwehr. Den Betriebsrat der Zentrale beteiligte sie hieran nicht.

Ihrem Antrag auf Feststellung, dass eine derartige personelle Maßnahme nicht der Zustimmung des Betriebsrats der Zentrale bedürfe, hat der Erste Senat des BAG entsprochen. Eine Versetzung arbeitswilliger Arbeitnehmer von einem Betrieb des Arbeitgebers in einen ihm gehörenden bestreikten Betrieb zur Verrichtung von Streikbrucharbeit unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebs. Die mit dem gesetzlichen Zustimmungserfordernis und dem darauf bezogenen Anhörungsverfahren verbundenen Erschwernisse sind geeignet, die Kampfparität zu Lasten des Arbeitgebers ernsthaft zu beeinträchtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Streik auf den Abschluss eines Verbands- oder eines betriebsbezogenen Haustarifvertrags gerichtet ist. Der Arbeitgeber ist jedoch nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verpflichtet, dem Betriebsrat rechtzeitig vor Durchführung der personellen Maßnahme mitzuteilen, welche Arbeitnehmer er vorübergehend zur Streikabwehr einsetzen will.

(mit Material der Pressemitteilung Nr. 93/11 des BAG)

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