OLG Karlsruhe: Keine Anklageerhebung gegen rechtsextremen Sprengstoffbastler

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 27.12.2011

Bundesregierung und Polizei dachten wohl, mit § 89a StGB die schlimmste Terrorgefahr im Keim ersticken zu können, zumindest, wenn man jemanden erwischt hätte, der sich gerade in ein Terror-Trainingslager auf den Weg macht. Noch viel mehr wohl, wenn bei jemandem mit einschlägigem Gedankenhintergrund Sprengstoff und Zünder gefunden werden. Freiheitlich orientierte Kritiker meinten, mit dieser Norm sei das Gesinnungs- und Verdachtsstrafrecht installiert und man könne den Rechtsstaat verabschieden.
Doch beide Seiten haben ihre Rechnung ohne den Wirt – die Gerichte - gemacht:

Da wurden in der Wohnung eines bekannten Rechtsextremisten Sprengstoff und andere Utensilien nebst Anleitungen gefunden (Badische Zeitung, Artikel und Video), der Mann hat bei seinen Kameraden sogar schon angefragt, wo er denn zum „Kampf“ übergehen solle, aber das LG Freiburg lehnte die Eröffnung ab und wird nun vom OLG Karlsruhe bestätigt.

„Aus den Chemikalien, die er zwischen Februar 2008 und Ende Januar 2009 über das Internet bezogen und die man größtenteils bei der Wohnungsdurchsuchung im August 2009 sichergestellt hatte, sei die Herstellung von etwa zwei Kilogramm eines explosionsgefährlichen Gemischs und die Synthese von etwa 100 Gramm Initialsprengstoff möglich gewesen. Weiter fand man einen Stahlrohrkörper nebst Schlusskappen auf, der eine Sprengstoffmasse von maximal 100 Gramm fassen und im Explosionsfalle etwa die Sprengwirkung einer Handgranate entfalten könne. Zudem wurden bei der Durchsuchung drei Handbücher zum Thema Sprengstoff, ein aus Wäscheklammern und Kupferdraht selbstgefertigter Zünder sowie eine funktechnische Vorrichtung zur Zündauslösung von Pyrotechnik sichergestellt.“

Jedoch weder gebe es Anhaltpunkte für eine schon geplante konkrete Tat nach § 310 Abs.1 Nr.1 StGB noch für eine „staatsgefährdende“ Bedeutung eines solchen eventuell geplanten Anschlags:

„Nach dem Ermittlungsergebnis sei jedoch nicht ersichtlich, dass und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Angeklagte einen gegen Personen gerichteten todbringenden Einsatz des noch herzustellenden Sprengstoffs überhaupt in Erwägung gezogen hätte oder ob aus seiner Sicht einer solchen Tat auch eine staatsgefährdende Bedeutung hätte zukommen sollen. Allein durch seine Befassung mit Sprengstoff und seine rechtsextreme Haltung könne dies nicht hinreichend belegt werden.“ (Pressemitteilung des OLG Karlsruhe )

Im Sinne eines Strafrechts, das sich dem rechtsstaatlichen Tatgrundsatz verpflichtet fühlt und dem Gesinnungsstrafrecht entgegenstellt, kann dem grundsätzlich wohl zugestimmt werden.

Aber warum bloß habe ich das Gefühl, dass bei einem entsprechenden Sprengstofffund bei extremen Islamisten ein strengerer Maßstab angelegt worden wäre?

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Der grösste Ärger hätte sicherlich einem legalen Verwender der Chemikalien mit völlig legitimen Absichten gedroht, wie es etlichen Käufern von Chemikalien bereits passiert ist. So wurden Naturwissenschaftler schon reihenweise durchsucht (bis hin zum SEK-Einsatz nachts in der Wohnung), vereinzelt in U-Haft gesperrt, in Einzelfällen sogar bei Fund legal erworbener Stoffe mit Kennzeichnung E mit höchst zweifelhafter Begründung verurteilt.

Angesichts des Generalverdachts, dem Gründer im Chemie- und Hochtechnologiebereich inzwischen dank des extrem verschärften Monitoring im Chemikalienhandel nebst der neuen Pflicht des Handels zur Stellung von Strafanzeigen -auf abwegigste Verdachtskriterien hin- im Rahmen der neuen EU-Verordnung 98/2013 verpflichtet sind, wird sich dieser Trend noch massiv verschärfen.

Nach den aktuellen Verdachtskriterien ist praktisch jeder Kunde zu verdächtig und anzuzeigen.

So sollen beispielsweise Bestellungen von zwei überwachten Stoffen, also z.B. Schwefelsäure und Salzsäure, in getrennten Bestellungen selbst innerhalb von Monaten angezeigt werden, obwohl diese Stoffe in jedem Chemiepraktikum im ersten Semester an jedem Arbeitsplatz stehen und in fast jedem chemischen Laboratorium oder Chemieunternehmen zeitweilig benötigt werden. Es wird jedoch weder vom BMI noch den mitwirkenden Verbänden FECC usw. an keiner Stelle darauf hingewiesen, dass solche Unternehmen sehr viele bis fast alle derartigen Stoffe benötigen. Das mag zwar den meisten Anbietern klar sein, sollte jedoch in den Kriterienkatalog aufgenommen werden.

Andere Kriterien wiederum diskriminieren Gründer, da sie eine Art Catch 22-Situation schaffen, wonach nur noch etablierte grössere Konzerne als unverdächtig anzusehen wären. Auch das ist ein Unding und ein extrem bedenklicher tiefer Eingriff in Grundrechte, der manchen hochbegabten Hochschulabsolventen als Gründer noch ruinieren wird, wenn es so weitergeht.

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