Die Leihmutter ist und bleibt die Mutter

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 17.02.2012

Anknüpfend an diesen Beitrag zum Abstammungsrecht hier nun eine aktuelle Entscheidung des OLG Stuttgart.

Leider verweist der Senat hinsichtlich des Sachverhalts auf die nicht veröffentlichte Entscheidung des Amtsgerichts, so dass sich dieser nur in etwa zusammenreimen lässt.

Ein deutsches Ehepaar lässt in den USA ein vom Ehemann befruchtetes Ei der Ehefrau in den Körper einer verheirateten Frau einsetzen. Die Leihmutter bringt das Kind zur Welt. Die eingangs genannten Eheleute nehmen es mit nach Deutschland und beantragen hier die Nachbeurkundung der Geburt (§ 36 I PStG).  

Abgelehnt.

Das OLG Stuttgart stellt dazu fest:

 

1. Gemäß Art. 19 I EGBGB kommt deutsches Recht zur Anwendung.

2. Danach ist Mutter des Kindes die Frau, die es geboren hat (§ 1591 BGB), also die Leihmutter.

3. Vater des Kindes ist deren Ehemann (§ 1592 Nr. 1 BGB).

4. Die genetischen Eltern können die rechtliche Abstammung (Mutterschaft und Vaterschaft) nur durch eine Adoption herbeiführen.

 

OLG Stuttgart v. 07.02.2012 - 8 W 46/12

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18 Kommentare

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Vielleicht wäre es an der Zeit, auch im deutschen Familienrecht das 19. Jahrhundert so langsam zu verlassen. Dessen extrem unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau kann angesichts der heutigen Realitäten kaum fortbestehen. 

 

Die ultimative, feste Fixierung der Mutterschaft auf das Geburtsereignis kollidiert mit der tatsächlich angewandten Reproduktionsmedizin. Ebenso kollidiert die vergleichsweise sehr disponable Vaterschaftseigenschaft mit den höchst einfachen Möglichkeiten, Abstammungen festzustellen.

 

Die Repoduktionsmedizin selbst ist in Deutschland geschlechtsspezifisch ähnlich unterschiedlich reglementiert. Samenspenden sind erlaubt, es findet mancherorts sogar ein Handel mit männlichen Keimzellen statt. Eizellenspenden im Land führen dagegen bis zu drei Jahren ins Gefängnis. Die Folge: Befruchtungstourismus in beiden Richtungen und Urteile wie das oben.

 

Die Liste der extremen rechtlichen Geschlechts-Unterschiedlichkeiten geht noch lange weiter, durchläuft das Thema Abtreibungen, um schliesslich ins Sorge- und Unterhaltsrecht zu gelangen.

 

Beim obigen Fall steht zu hoffen, dass wenigstens die Adoption klappt. Ansonsten hätten wir eine Neuauflage des idiotischen Problems, das das deutsche Abstammungsrecht früher bereits einmal produziert hat: Väter nichtehelicher Kinder waren nicht einmal mit den eigenen Kindern verwandt. Um rechtlicher Vater des eigenen Kindes zu werden, mussten sie die Mutter heiraten und dann das eigene Kind adoptieren.

Guten Morgen Herr Burschel!

Es beruhigt mich nicht, das konsequent angewendete deutsche Recht, auch wenn es hier ein biologisches Elternpaar und keinen recht- und pflichtlos gestellten biologischen Vater trifft.

„Der Gesetzgeber hat zu Gunsten der Tragmutter auch die Erwägung berücksichtigt, während der Schwangerschaft werde das Kind körperlich von der austragenden Frau beeinflusst und es erwachse eine psychische Beziehung, die gewöhnlich die Bereitschaft zu nachgeburtlicher Betreuung und eine Haltung der Verantwortlichkeit gegenüber dem Kind zur Folge habe, was bei der Eispenderin nicht im gleichen Maße der Fall sei.“(Rn. 10)

Was gewöhnlich im Fall der Leihmutterschaft anders zu bewerten sein kann, sonst hätten einzelne „Bundesstaaten der USA die Leihmutterschaft im Gegensatz zur BRD“ wohl kaum „legalisiert“ (Rn. 16).

Und das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung wurde wieder einmal nicht ausreichend gewürdigt, sondern es war ihm ein ‚leicht feststellbarer und dauerhafter Status zu geben‘ (Rn. 10).

MfG

Ich denke nicht, dass die Politik von dem Grundsatz, dass die Mutter diejenige sei, die das Kind geboren hat ablassen wird. Zumindest nicht, solange sie es verhindern kann.

 

Schließlich ist die Austragung und die Geburt das Einzige, was die "Mutter" noch vom Vater unterscheidbar macht und womit sich die Ungleichbehandlung von Müttern und Vätern in Gesetz und Rechtsprechung, zumindest scheinbar, begründen lässt.

Schließlich hat sie das Kind ja unter ihrem Herzen getragen und sie ist diejenige, die auf jeden Fall bei der Geburt anwesend ist.

 

Sollte die Mutterschaft genetisch begründet werden, fände wohl auch das BVerfG keinen Grund mehr nicht auch den Vater genetisch zu bestimmen und nicht mehr durch Ehe mit der Austrägerin dazu zu ernennen.

 

Und wenn beide ihre Elternschaft durch die Gene gewinnen, mit welchem Argument sollte man dann noch die Väter vom Sorgerecht ausschließen?

 

Alle Argumente die die Diskriminierung von Vätern so hartnäckig verteidigen wären hinfällig und wenn man sich ansieht, wie verbissen Politik und Justiz diesen diskrimierenden Zustand zu erhalten versuchen, kann ich mir nicht vorstellen, dass auf dieses Bollwerk verzichtet wird.

 

Allen Menschenrechten zum Trotz.

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Eine Leihmutterschaft ist moralisch gesehen besser für ein Kind als eine Samenspende. Denn bei einer Leihmutterschaft wächst das Kind bei seinen leiblichen Eltern auf  während bei einer Samenspende mindestens ein leiblicher Elternteil fehlt.  Der Bezug zu den genetischen Eltern ist für ein Kind sehr wichtig, es ist zwar nicht der einzige wichtige  Punkt für eine gute Entwicklung aber es ist einer von mehreren. Das hat auch die Forschung der Adoptivkinder ergeben und auch viele Samenspender Kinder  können das bestätigen. Wie sagte Wulff noch " es ist rechtlich rechtens" das sagt aber nichts darüber aus ob es richtig ist.

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Das Problem dieses Falles hätte doch durch die Wahl einer unverheirateten Leihmutter vermieden werden können, oder nicht? Durch die Anerkennung der Vaterschaft hätte sich dann die deutsche Staatsangehörigkeit und die Beurkundung der Geburt herbeiführen lassen.

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Die Staatsangehörigkeit schon, aber die genetische Mutter (die Frau des Vater, von ihr stammte die Eizelle) hätte trotzdem das Kind adoptieren müssen (Stiefkindadoption), das von ihr abstammt. Der Weg über die Nachbeurkundung wäre elegant, schnell und einfach gewesen. Deswegen haben ihn die Beiden wohl auch probiert. Er dürfte auch dem Rechtsempfinden der grossen Mehrheit entsprechen, schliesslich stammt das Kind von der Frau und dem Mann ab, die als Eltern eingetragen werden wollten.

 

Ein reformiertes Recht müsste die Abstammung der Kinder  generell als Grundlage festhalten und akzeptieren. Auf dieser Grundlage kann soziale Elternschaft durchaus leichter als bisher ermächtigt und ermöglicht werden. Das betrifft keinesfalls solche Einzelfälle wie Leihmutterschaft, sondern bereits eine ganze Generation Samenspenderkinder. Vor deren Stimme und Forschung über ihre Bedürfnisse hält sich das Rechtswesen seit vielen Jahren die Ohren zu, es ist wohl zu unbequem, das 19. Jahrhundert zu verlassen.

Eric Untermann schrieb:

 Er dürfte auch dem Rechtsempfinden der grossen Mehrheit entsprechen, schliesslich stammt das Kind von der Frau und dem Mann ab, die als Eltern eingetragen werden wollten.

 

Das glaube ich nicht.

Die Zulassung der Leihmutterschaft dürfte nach wie vor - und nicht nur bei mir - auf erhebliche Vorbehalte stossen.

Wollen Sie wirklich das Top-Model, das sich durch eine Schwangerschaft die Figur nicht versauen will und deshalb eine menschliche Gebärmaschine bezahlt?

Hopper schrieb:

Wollen Sie wirklich das Top-Model, das sich durch eine Schwangerschaft die Figur nicht versauen will und deshalb eine menschliche Gebärmaschine bezahlt?

 

Ihre pointierte Formulierung gefällt mir. Ich drehe das mal um: Wieso bezahlt man eigentlich Männer dafür, Kinder per Samenspende zu zeugen weil sie sich ihre Finanzen nicht mit einer rechtlichen Vaterschaft versauen wollen und deshalb fremde Frauen Nachwuchs gebären lassen?

 

Die Mehrheit der Leihmutter-Fälle in den USA haben tatsächliche medizinische Probleme ungewollt kinderloser Paare als Begründung und eben homosexuelle Partnerschaften. Schon allein aufgrund der hohen Kosten ist sie immer eine Randerscheinung geblieben.

Viele Amtshandlungen in solchen Fällen sind absurd. Eine kompetente Agentur hätte sicher niemals eine verheiratete Leihmutter vermittelt. Viele Details in diesem Fall sind leider unbekant. Und natürlich kommt hier nicht nur deutsches Recht zur Geltung. Das Kind ist wohl durch Geburt Amerikaner. Wenn auf US Seite alles "richtig" gemacht wurde, dann sind wohl auch nach kalifornischem Recht die Deutschen die rechtlichen Eltern. Die deutschen Behörden streben in solchen Fällen stets eine internationale Selbstadoption an. Abgebende Eltern sind demnach nach US-Recht die deutschen Eltern und die annehmenden Eltern sind nach deutschem Recht auch die deutschen Eltern. Es versteht sich von selber, dass eine internationale Selbstadoption Unfug ist. Wenn abgebende und annehmende Eltern identisch sind, handelt es sich nicht um eine Adoption.

Denkbar wäre es natürlich auch das die deutschen Beamten konstruieren, dass die Leihmutter des Kindes es quasi verstoßen oder ausgesetzt hätte und man ihr so quasi eine Sorgeverpflichtung aufdiktiert, nur um sie ihr sofort wieder zu entziehen. Egal wie man es dreht, das ist alles absurd.

 

Der ganze "ordre public" vorbehalt ist absurd. Ausländischem Recht aufgrund von Sittenwidrigkeit seine Geltung zu versagen ist sicher in vielen Fällen notwendig und geboten. Dazu ist es aber zwingend notwendig, ein mit Abstand "sittlicheres" Gegenangebot zu machen. Das ganze Behördenhandeln orientiert sich aber anscheinen nie an der Würde der beteiligten konkrten Menschen, sondern dient der Vorsorge, durch abschreckende Beispiele zukünftige Leihmutterschaften möglichst zu verhindern.

 

Die Versäumnisse des Gesetzgebers in diesen Fällen sind eine Schande und eigentlich ist es ja nicht Aufgabe der Gerichte solche zu korrigieren. Aber so funktioniert eine Ordnung nuneinmal. Irgendwelche Politiker denken sich in ihren Kammern unausgegorene Regelungen aus und früher oder später müssen sich diese an der ealität messen lassen. Es liegt in der Natur der Dinge, dass sich die Menschen an die Gericht wenden um himmelschreiendes Unrecht zu korrigieren. Die Zeiten von „Mater semper certa est“ sind endgültig vorbei und kommen auch nicht mehr wieder. Sich auf §1591 BGB zu berufen, ist zu billig und der Sache völlig unangemessen. Eine Behauptung wie diese ist töricht. Dort wo sie stimmt ist, ist sie überflüssig, dort wo sie nicht stimmt, stiftet sie mehr Unheil als das sie hilft.

 

Es kann nicht richtig sein, eine genetische Mutter im Rechtssinne einfach zu tilgen. Mittel- und langfristig ist der Gesetzgeber gefordert. Kurzfristig und konret haben sich die Enttscheidungen der Gerichte am Wohl der real existierenden Kinder zu orientieren. Mögliche und erst in Zukunft zu zeugende Kinder stehen den leben nach.

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Leihvater schrieb:

Der ganze "ordre public" vorbehalt ist absurd.

 

Jedenfalls ist es irreal, wie zäh in diesem Fällen daran festgehalten wird. Noch irrealer wird es, wenn extreme Ungleichbehandlung der Geschlechter damit begründet wird. Es gab da z.B. das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf, November 2010 Az. 96 XVI 21/09 und 96 XVI 23/09. Homosexuelle Lebenspartner zeugen jeweils mit Leihmutter ein Kind, Stiefkindadoption wird beantragt. Ergebnis: Abgelehnt. Weil der Leihmuttervertrag nach Auffassung des Gerichts gesetz- und sittenwidrig sei:

  "Gemäß den Art. 22, 23 EBGB sind den vorliegenden Annahmeanträgen die Deutschen Sachvorschriften zugrunde zu legen und demnach die Wertbegriffe des deutschen Rechts."

 

Für weibliche homosexuelle Lebenspartner jedoch null Problem: Eine Frau lässt sich in einer Samenbank im Ausland befruchten. Andere Frau adoptiert das Kind. Beide Frauen sind dann Eltern.

 

Vor diesem Hintergrund bin ich gar nicht so sicher, ob das Paar in obengenannter Entscheidung das gemeinsame Kind nach Ablehnung der Nachbeurkundung stattdessen das Kind adoptieren kann. Auch da wurde zweifellos ein Leihmuttervertrag abgeschlossen, den das deutsche Gericht je nach Laune für sittenwidrig erklären kann und damit die Adoption. Zum Wohle des Kindes, Herr Richter....

Die Frage drehte sich um die Abstammung. Wer soll die Mutter sein?

a) Eine Frau, die so wie in dem Fall oben einen Vertrag abschliesst und deshalb eine befruchtete Eizelle bis zur Geburt beherbergt und das Kind nicht will

b) oder die Frau, von der die Eizelle stammt (befruchtet von ihrem Mann) und das Kind aufziehen will?

 

Ob a) erlaubt sein soll oder nicht ist eine andere Frage. Wenn es denn stattgefunden hat so wie in dem Fall oben, was würde wohl die Mehrheit befürworten, wer die Mutter ist?

Naja es kommt ja nicht nur darauf an, ob und unter welchen Umständen man die Leihmutterschaft zulassen will, sondern auch darauf, wie man damit umgeht, wenn es trotzdem geschieht.

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A.Wieser schrieb:

Naja es kommt ja nicht nur darauf an, ob und unter welchen Umständen man die Leihmutterschaft zulassen will, sondern auch darauf, wie man damit umgeht, wenn es trotzdem geschieht.

 

Wenn man Trotz des Verbots der Leihmutterschaft die genetische Mutter als rechtliche Mutter ansieht, kann man das Verbot auch gleich aufheben.

Das Verbot der Leihmutterschaft bedingt, dass die gewünschte rechtliche Stellung eben nicht eintreten darf.

 

PS: @ Untermann

Ich glaube, Sie haben oben a) und b) verwechselt. b) ist verboten.

 

Hopper schrieb:

Wenn man Trotz des Verbots der Leihmutterschaft dem Vater das Kind durch Wegzug zu entziehen die genetische Mutter als rechtliche Mutter ansieht, den Wegzug dann aber als gegeben hinnimmt kann man das Verbot auch gleich aufheben.

Das Verbot des Kindesentzugs bedingt, dass die gewünschte rechtliche Stellung eben nicht eintreten darf.

Trotzdem wird aber regelmäßig so entschieden.

Das scheint also keine Rolle zu spielen.

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Vielleicht, weil Ihnen der Widerspruch auch schon aufgefallen ist?

Es drängt sich einfach auf, wenn so auffällig mit zweierlei Maß gemessen wird.

 

In diesem Fall spielt das Kindeswohl, die "richtigen" Eltern zu haben, plötzlich keine Rolle mehr.

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Update: Das BVerfG hat die Verfassunsgbeschwerde gegen die Entscheidundes OLG Stuttgart nicht zur Entscheidung angenommen.

BVerfG v. 22.08.2012 - 1 BvR 573/12

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