Kammergericht (Pressemeldung): Zwangseinweisung eines 11jährigen Kindes zur Therapie seiner Geschlechtsorientierung? (Update 19.04.)

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 24.03.2012

Schenkt man dem Bericht der taz von heute Glauben (leider gibt es bislang kaum weitere Berichte dazu, der strafblog schöpft aus derselben Quelle, siehe jetzt mein Update unten), dann hat das Kammergericht Berlin eine Entscheidung des Jugendamtes bestätigt, mit der ein 11jähriges Kind in die kinder- und jugendpsychiatrische Abteilung der Charite eingewiesen werden soll. Es liege weder eine Suizidgefahr  noch eine Fremdgefährung durch dieses Kind vor. Es werde aber vermutet, die Mutter habe dem Kind seine von der Norm abweichende Geschlechtsorientierung (das Kind ist als Junge zur Welt gekommen, fühlt sich aber als Mädchen) "induziert" (zum Hintergrund: früherer Bericht der taz).

Unabhängig davon, ob dieser Vorwurf gegen die Mutter stimmt oder überhaupt stimmen kann (die Experten streiten über die Frage, ob eine solche Induktion möglich ist), erscheint mir eine zwangsweise Unterbringung des Kindes zur Diagnose und evtl. Therapie seiner Geschlechtsorientierung (ob diese überhaupt als eine "Erkrankung" angesehen werden kann, ist höchst fraglich)  wie eine Meldung aus grauer Vorzeit. Der Psychiater soll sich laut taz so geäußert haben:

In der Charité geht es darum, Alex sein „biologisches“ Geschlecht nahe zu bringen und „geschlechtsatypisches Verhalten“ zu „unterbinden“, erklärt Chefarzt Klaus Beier die Therapie.

Aber unabhängig von der Frage, ob hier eine schon im Kindesalter manifest werdende Transsexualität vorliegt oder nicht: Eine Freiheitsentziehung ist ein derart gravierender Eingriff für ein Kind, dass er nur als ultima ratio vorgesehen werden kann. Laut dem Bericht fehlt bislang ein unabhängiges psychiatrisches Gutachten. Zu einer ambulanten Untersuchung seien Mutter und Kind bereit.

Mutter und Tochter baten darum, psychiatrisch begutachtet zu werden. Doch diese Begutachtung lehnte das Kammergericht nun ab. Ein Gutachten sei nicht erforderlich, zitiert der Anwalt der Familie aus dem Beschluss. Die Ausführungen der Pflegerin seien nachvollziehbar, die angestrebte stationäre Diagnostik liege in deren Ermessen.

Kann das wirklich wahr sein?

Ausschnitt aus den Gründen der Leitentscheidung des BVerfG (Beschluss vom 14. 6. 2007 - 1 BvR 338/07).

Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtgut, dass sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden darf (vgl. BVerfGE 45, 187 [223]). Die Einschränkung dieser Freiheit ist daher stets der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen. Dies schließt allerdings nicht von vornherein einen staatlichen Eingriff aus, der ausschließlich den Zweck verfolgt, einen psychisch Kranken vor sich selbst in Schutz zu nehmen und ihn zu seinem eigenen Wohl in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen. Die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft schließt auch die Befugnis ein, den psychisch Kranken, der infolge seines Krankheitszustandes und der damit verbundenen fehlenden Einsichtsfähigkeit die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen nicht zu beurteilen vermag oder trotz einer solchen Erkenntnis sich infolge der Krankheit nicht zu einer Behandlung entschließen kann, zwangsweise in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen, wenn sich dies als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos, weil schon im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei weniger gewichtigen Fällen eine derart einschneidende Maßnahme unterbleiben muss (vgl. BVerfGE 58, 208 [224 ff.]).

Die deutlich als ultima ratio angeführten Legitimationen für eine zwangsweise Unterbringung liegen m.E. hier eindeutig nicht vor. Als milderes Mittel läge zumindest eine ambulante Diagnosestellung nahe.

Ich bin betont vorsichtig, da ich kaum glauben kann, dass diese Darstellung den Kern des Beschlusses vollständig wiedergibt (siehe jetzt unten mein update). Aber wenn aus dem Beschluss tatsächlich hervorgeht, dass das KG dem Jugendamt  in dieser Frage ein nicht überprüfbares Ermessen einräumt, dann käme dies einer folgenschweren  Rechtsverweigerung (Art. 104 Abs.2  GG: über die Zulässigkeit einer Freiheitsentziehung hat NUR der Richter zu entscheiden)  gleich: Jugendamt und  Gericht tun einem 11jährigen Kind Gewalt an, ohne die traumatischen und stigmatisierenden  Folgen zu berücksichtigen, die aus einer zwangsweisen Unterbringung resultieren können.

Update (27.03.): Die Darstellung der taz hat sich nicht bestätigt, was den rechtlichen Hintergrund der Entscheidung angeht. Es geht derzeit nicht um eine Zwangstherapie/Zwangseinweisung/Unterbringung: Der rechtliche Hintergrund des Beschlusses des KG ist eine Entscheidung über die Gesundheitsfürsorge, die dem Jugendamt übertragen war. Jugendamt und Mutter des Kindes streiten über das weitere Vorgehen. Das Jugendamt strebt eine stationäre Diagnosestellung an. Daraufhin hat die Mutter begehrt, die Gesundheitsfürsorge an sie zurück zu übertragen, was das AG ablehnte, wogegen sich die jetzt vom KG zurückgewiesene Beschwerde der Mutter richtete. Gegen den Willen der Mutter dürfte eine stationäre  Diagnose oder Therapie erst durchgeführt werden, wenn auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf das Jugendamt übertragen ist - was das Jugendamt auch schon beantragt hat. Auch hierzu ist, falls das AG dem Jugendamt Recht gibt, noch eine KG-Entscheidung zu erwarten.

Der inhaltliche Hintergrund des Berichts trifft hingegen zu: Es geht um die Diagnose bzw. "Therapie" einer möglichen Transsexualität, was im Kindheits- und Jugendalter äußerst schwierige Fragestellungen aufwirft, wie eine solche Entwicklung sinnvoll begeleitet werden kann. Gegen den Willen des Kindes eine stationäre Diagnose/Therapie durchzuführen, erscheint mir höchst problematisch, ebenso aber andere irreversible Entscheidungen. Darüber streiten auch die medizinischen Experten.

Der Beschluss des KG, der Anlass der Pressemeldung der taz war, verhält sich nicht ausdrücklich zu der richtigen Vorgehensweise, sondern nur zur Frage, wem die Gesundheitsfürsorge zustehen soll. Allerdings lässt sich im Beschluss eine Bestätigung der Richtungswahl  des Jugendamts herauslesen. Eine Zwangstherapie (wie sie im taz-bericht anklingt)  wird aber vom KG nicht bestätigt oder genehmigt. Der Beschluss enthält keine Festlegung dahingehend, ob die Transsexualität induziert sei oder nicht, meint aber aus dem Verhalten der Mutter eine das Kindeswohl gefährdende Festlegung erkennen zu können, die die Belassung der Gesundheitsfürsorge beim Jugendamt rechtfertigt.

 

Update 29.03.:

Der Beschluss KG 19 UF 186/11 im Volltext.

Update 30.03.: Zur Frage des § 158 FamFG

Im Beschluss des KG wird die Bestellung eines Verfahrensbeistandsgem. § 158 FamFG für das betr. Kind abgelehnt. Ich halte diese verfahrensrechtliche Entscheidung für rechtlich problematisch.

Die Begründung des KG überzeugt nicht. Zunächst wird zur Begründung angeführt, die Interessen des Kindes in diesem Rechtsstreit würden hinreichend von den Eltern wahrgenommen werden. Diese Begründung widerspricht aber eklatant den weiteren Ausführungen im Beschluss: Denn wenn das KG meint, die Gesundheitsfürsorge nicht den Eltern bzw. der Mutter zurückübertragen zu können, da dann eine Kindeswohlgefährdung drohe, dann können in dem Rechtsstreit um eben diese Frage die Eltern/die Mutter eben nicht auch die Interessen des Kindes vertreten.

Ebenso verfehlt ist die Annahme des KG, die vom Jugendamt eingesetzte Ergänzungspflegerin mache einen Verfahrensbeistand für das Kind "erst recht" obsolet, da sie die Interessen des Kindes praktisch mitvertrete: Dieser Erst-Recht-Schluss ist ein klassischer Fehlschluss. Denn in dem Rechtsstreit geht es ja gerade darum, ob die (umstrittene) Einschätzung der Ergänzungspflegerin zur richtigen Ausübung der Gesundheitsfürsorge eine Rückgabe der Gesundheitsfürsorge veranlasst. Nun kann  in einem Rechtsstreit nicht eine neutrale/unabhängige  Interessenvertretung des betr. Kindes von einem  oder von beiden Kontrahenten um die Gesundheitsfürsorge mit übernommen werden. Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand.

Im Ergebnis hat das Kind überhaupt keine unabhängige Interessenvertretung in dieser für sein Leben enorm wichtigen Frage. Der Senat hat hier  die Bedeutung des rechtlichen Gehörs des betr. Kindes (vgl. dazu BVerfG NJW 2003, 3544) offenkundig nicht ernst genommen und sich über die Interessen des Kindes, die ja die Legitimation des gerichtlichen Tätigwerdens darstellen, einfach hinweggesetzt.

Update 04.04. :

Die taz hat am 03.04. eine Berichtigung zum ursprünglichen Artikel veröffentlicht.

 

Update 19.04.:

Heute hat die taz eine weitere Berichtigung veröffentlicht, die die frühere Berichtigung (vom 04.04.) ergänzt. Ich zitiere sie im vollen Wortlaut:

   In der taz war am 6. 2. 2012 in einem Interview mit der Berliner Antidiskriminierungsbeauftragten Eren Ünsal unter der Überschrift "Kein Ergebnis vorgeben" sowie am 26. 3. 2012 unter der Überschrift "Gegen die Angst vor Abweichung" über den Fall eines transsexuellen Kindes zu lesen, ein Jugendamt wolle dieses "in der Charité mit umstrittenen Therapiemethoden quasi umerziehen lassen", dass hierbei "die Berliner Charité ein Therapieverfahren anwendet, das Fachleute als manipulative ,Umpolungstherapie' ablehnen", bzw. wird eine Aktivistin zum Behandlungsansatz der Charité mit den Worten zitiert: "Der Leiter der Sexualmedizin, Klaus Beier, ist ein orthodoxer Psychoanalytiker, der sich an Konversionstherapien orientiert, mit denen früher Homosexuelle ,geheilt' werden sollten."

In diesem Zusammenhang hieß es in der taz auch: "Nun ist das aber genau das Verfahren [Homosexuelle umzupolen; Anm. d. Red.], das Herr Beier vorschlägt." Die Berliner Charité und Klaus Beier als Leiter des dortigen Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin erklären hierzu übereinstimmend, dass sie keines dieser Verfahren bzw. keine dieser Therapien anwenden. In dem taz-Interview vom 6. 2. 2012 und in einem unter der Überschrift "Viele erleben die Pubertät als Qual" am 28. 1. 2012 veröffentlichten Interview mit der Sexualmedizinerin und Psychoanalytikerin Hertha Richter-Appelt sowie in einem Artikel der taz vom 24. 3. 2012 unter der Überschrift "Alex zieht vor Gericht" heißt es ferner, Beier schreibe in seinen Empfehlungen für eine Therapie bzw. in dem Buch "Sexualmedizin", geschlechtskonformes Verhalten würde gelobt, das "biologische" Geschlecht nahegebracht und nichtkonformes bzw. geschlechtsatypisches Verhalten nicht beachtet bzw. (beiläufig) unterbunden.

Sofern sich hierdurch der Eindruck ergibt, er habe sich zu dem konkreten Fall des transsexuellen Kindes und unmittelbar gegenüber der taz auf diese Weise geäußert, ist dieser Eindruck unzutreffend. Den von der taz beschriebenen Fall kenne er nicht, erklärt Beier.

Gleichwohl war er einer von drei Verfassern des Buchs "Sexualmedizin. Grundlagen und Praxis", das zuletzt im Jahre 2005 in 2. Auflage veröffentlicht wurde. In einem namentlich nicht gekennzeichneten Abschnitt zum therapeutischen Vorgehen bei Geschlechtsidentitätsstörung heißt es dort: "Folgende psychotherapeutische Settings haben sich als hilfreich erwiesen […]: […] geschlechtskonforme Verhaltensangebote […] und adäquate Verhaltensweisen belohnt […]. Geschlechtsatypische Verhaltensweisen werden nicht beachtet bzw. - beiläufig - unterbunden (nicht jedoch sanktioniert)." Chefarzt Klaus Beier lässt dazu mitteilen, dass er diese Passage nicht selbst verfasst habe, sondern hierdurch lediglich die Position einer kanadischen Arbeitsgruppe wiedergegeben werde.

Leitete er noch am 12. 1. 2012 per E-Mail "einige Originalarbeiten zum Thema" von anderen Verfassern an die Autorin der taz weiter, ohne mitzuteilen, dass diese Aufsätze anscheinend nicht ausnahmslos seine eigene wissenschaftliche Auffassung wiedergeben, bezieht er sich nunmehr ausdrücklich nur noch auf eine Publikation im Deutschen Ärzteblatt aus dem Jahre 2008, in der das Vorgehen der Charité adäquat beschrieben werde.

Dagegen heißt es in einem anderen dieser insgesamt drei übersandten Fachaufsätze zur Behandlung von "Geschlechtsidentitätsstörungen bei Jungen" in Übersetzung: "Die spezifischen Ziele, die wir für Jungen haben, sind die Entwicklung eines positiven Verhältnisses zum Vater (oder einer Vaterfigur), positiver Beziehungen zu anderen Jungen, geschlechtstypischer Fähigkeiten und Verhaltensweisen, um sich in die Gruppe Gleichaltriger oder zumindest einen Teil von ihnen einzufügen und sich als Junge wohlzufühlen. […] Die Behandlung ist abgeschlossen, wenn der Junge regelmäßig die Gegenwart gleichgeschlechtlicher Freunde sucht und sein geschlechtsübergreifendes Verhalten weitgehend normal erscheint."

In den Artikeln der taz vom 24. 3. 2012 und vom 26. 3. 2012 war außerdem zu lesen, das transsexuelle Kind dürfe nun nach einer Entscheidung des Kammergerichts in die Psychiatrie bzw. in die Berliner Charité (zwangs)eingewiesen werden. Zutreffend ist jedoch, dass das Kammergericht die Beschwerde der Kindesmutter gegen einen erstinstanzlichen Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg, mit dem sie erfolglos die Rückübertragung der Gesundheitssorge für das Kind begehrte, zurückgewiesen hatte.

Abgesehen davon, dass es für eine solche Maßnahme an einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung fehlt, erklärt die Berliner Charité hierzu ergänzend, weder dürfe noch werde sie das Kind gegen dessen erklärten Willen oder gegen den erklärten Willen seiner Mutter aufnehmen. DIE REDAKTION

 

20.04. Die KOMMENTARFUNKTION ZU DIESEM BEITRAG IST AUSGESCHALTET

 

28.05.: Andrea Beyerlein in der Berliner Zeitung berichtet über den Fall - Link.

26.06.: In der Spiegel-Printausgabe von dieser Woche (Heft Nr.26/2012, S. 134-137) schreibt Kerstin Kullmann über den Fall.

Dezember 2012: aus "gewöhnlich gut unterichteten Kreisen" erfährt man, dass der Streit beigelegt sei und im Sinne der Mutter des Kindes entschieden worden sei.

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

542 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Entschuldigung, ich hätte mich klarer ausdrücken sollen.

Wie Iolellie kritisiere ich scharf, dass sich die deutsche Schwulenbewegung von einer sozial, wirtschaftlich und politisch privilegierten Minderheit hat domestizieren lassen. Ich zähle siebzehn Jahre TSG-Regime seit (!) Fall des § 175 ohne nennenswerte Aktivitäten der Schwulenbewegung in Deutschland, daran etwas zu ändern. Einzelne und kleine Gruppen haben sich da durchaus engagiert und sind gegen den Strim geschwommen, das muss dazu gesagt werden.

Ich weiß, wofür LGTB steht, und habe, anscheinend in verwirrender Weise, mit dem Akronym herumgespielt. In den USA macht es Sinn - da gibt es, um nur einen zu nennen, den homosexuellen Kolumnisten Dan Savage, den man überall dort kennt und der sich für alle (!) einsetzt - Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transindente. Er hat zum Beispiel die Kampagne 'It gets Better' initiiiert, die besonders Kindern und Jugendlichen helfen soll - und das auch tut.

Man sieht das schon allein daran, dass die Petition für Alex bei change. org eine 'gay rights petition' ist - kein Problem für die US-Amerikaner, die unterschreiben, weil sie gegen Reparationstherapien sind und Alex davor schützen wollen.

Die Kampagne richtet sich an einen gewissen Herrn Wowereit. Der schweigt.

In Deutschland gibt es keinen Dan Savage. In Deutschland gibt es einen Jan Feddersen. In Deutschland gibt es CSD-Veranstalter, die einer Judith Butler quasi ins Gesicht sagen, dass sie lügt, wenn sie rassistische Vorfälle auf dem CSD kritisiert. Und als dann Protest aus dem Publikum kam, sagte einer der Veranstalter vor laufender Kamera: "Ihr könnt scxhreien, so laut ihr wollt, ihr seid nicht die Mehrheit."

Darum - pardon - schert es mich keinen Pfifferling, was mit dem CSD passiert. Der CSD ist - deren - Fest, nicht - unseres - , das haben die Gutsherren ja zweifelsfrei klar gemacht.

Und darum streite ich ab, dass es in Deutschland ein LGTB gibt. Das würde nämlich eine gemeinsame (!) Bewegung oder so etwas bedeuten, und die sehe ich nicht. Und gemeinsame Interessen - welche gemeinsamen Interessen denn, bitte, wenn die einen in Maßanzügen mit Champagner anstoßen und die anderen im TSG-Regime Spießruten laufen?

Ich ändere meine Auffasung sofort, wenn ich sehe, dass eine erkennbar größere Anzahl deutscher homosexueller Cis-Männer gegen Trans-Exklusion (das ist: Ausschluss von transidenten Menschen), Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Misogynie (das ist: Frauenverachtung) in diesen Kreisen aufsteht und stehen bleibt.

Wenn.

5

Sehen wir uns doch einmal an wie gut diese von Dr. Langlotz proklamierte These in das System der Caritee passt:

""MOGELPACKUNG?"

DIE UNSICHTBAREN FESSELN DER SYMBIOSE
DURCH ABGRENZUNG ZU IDENTITÄT UND SELBSTBESTIMMUNG

 

Anpassung und „falsches Selbst“

Mit Hilfe der Systemaufstellung zeigt sich, dass Kinder für ihre Eltern oft fremde Rollen übernehmen. Eltern, die selber früh wichtige Bezugspersonen verloren haben, erwarten unbewusst, dass ihnen jemand anderer, ein Partner oder ein Kind, „diese Lücke füllt“.

Kinder, angewiesen auf die Zuwendung der Eltern, spüren diese Bedürfnisse der Eltern. Da sie als „sie selbst“, mit ihren kindlichen Bedürfnissen von den Eltern nicht wahrgenommen – oder sogar als Belastung - erlebt werden, unterdrücken sie diese „unerwünschten Selbstanteile“, identifizieren sich mit den Erwartungen der Eltern. So schlüpfen sie für ihre Eltern in Rollen, vertreten einen früh gestorbenen Elternteil, ein Geschwister, einen früheren geliebten Partner – oder gar den emotional nicht anwesenden Ehepartner von Vater oder Mutter. Mit erstaunlicher Intuition und Flexibilität! - übernehmen sie die unterschiedlichsten Rollen – für Vater und Mutter. Dabei entfernen sie sich jedoch ihrer eigenen Identität, unterdrücken ihre Selbst-Wahrnehmung, entwickeln ein „falsches Selbst“ (Winnikott). Je mehr sie sich selbst, ihre eigenen Gefühlen und Bedürfnissen unterdrücken, bis zur Selbst-Entfremdung, um so mehr sind sie geradezu gezwungen, sich nach den Erwartungen der Eltern zu orientieren, und in die von ihnen erwartete Rolle zu schlüpfen.

Diese beiden Prozesse sind miteinander verschränkt, sie verstärken sich gegenseitig im Sinne eines Teufelskreises.

Die Betroffenen sind in ihrer Identität verwirrt."

 

 

http://www.e-r-langlotz.de/systemische_familientherapie/dok.php?id=590&t...

5

@Frau S., Waltraut, Dea, Ioellie, Kira-Bianca:

Beeindruckend. Ach was ... einfach großartig!

Auch so etwas habe ich zu Diskussionen zu diesem Thema noch nie gesehen - nämlich dass derartig viel von den Teilnehmer_innen ermittelt, zusammen getragen und erarbeitet wird.

Ich finde, das mußte zwischendurch mal gesagt werden.

5

Ich bin völlig entsetzt!

 

Ich denke die ganze Zeit, dass der ums "beste Stück" seines Stammhalters besorgte religiöse Vater Hilfe in seiner Gemeinde suchte, und es denen dann gelungen ist, dem überforderten JA eine Christin als "neutrale" Betreuerin zu verkaufen. Oder was in der Art.

 

Dabei kann es genausogut gewesen sein, dass der, warum auch immer, besorgte Vater unbedarft beim JA in die Sprechstunde geht, die Mutter vorgeladen wird, bei den Kraftausdrücken aus den oben verlinkten Publikationen berechtigterweise die Fassung verliert ... und das Drama nimmt seinen Lauf.

Womit ich jetzt keine Partei für den Vater ergreifen wollte, aber, was ist denn dann mit wohlmeinenden Eltern, die sich, konfrontiert mit einem Transidentischen oder Homosexuellen Kind, beim JA vertrauensvoll Unterstützung von kompetenter Seite erhoffen?

 

Und das schlimme ist, weil Heidrun es weiter oben schon angesprochen hatte, was wäre wenn, das ich mir fast nicht vorstellen kann, dass da irgendwelche Konsequenzen folgen. Systemisch sozusagen. Ein christliches glaubensbekenntnis ist als solches ja nicht verwerflich, schon garnicht in einem Land, dass von einer Pastorentochter und einem Pastor regiert wird.

 

Im Falle Alex wäre es allerdings schön, wenn ihre Mutter und Anwalt hier mitlesen würden, was ich hoffe, denn vielleicht hilft das hier zusammengetragene Material ja.

 

Und wenn ich schon lese, wie mühelos sich Jugendhilfe und Managementcoaching überschneiden, ist dieser TP-Artikel vllt ganz aufschlussreich, auch wenn, wie üblich, zu ergänzen wäre, dass ein erheblicher Anteil der Unternehmen die in diesen Markt drängen, "christlich" orientiert ist.

http://www.heise.de/tp/artikel/36/36736/1.html

5

@Heidrun:

 

Ach, was den Zustand der Schwulenbewegung angeht, gehen wir so daccord, dass ich jetzt garnicht weiss, was ich dazu noch schreiben sollte. Das gilt auch für ihren Kommentar No24 oben auf dieser Seite.

Ich sorge mich allerdings, trotz des aktuellen Falls, weniger um eine Repathologisierung, die deutsche Clique agiert ja international und wissenschaftlich isoliert und weitestgehend geächtet. Mich treibt da eher die im globalen Massstab zunehmende Kriminalisierung, auch und vor allem zB HIV-Positiver bei uns. Jemand hat das gerade an anderer Stelle polemisch so zusammengefasst: "Prima, wir sitzen dann glücklich verpartnert und steuerlich gleichgestellt hinter Gittern, weil wir händchenhaltend durch den Park spaziert sind".

Und wer Kopftücher und Minarette verbietet, der verbietet Tunten auch Perücken und hohe Hacken. Obwohl ich mich Koranwerfern genauso wenig solidarisch verbunden fühle wie deren "christlichen" Widersachern.

Der Shitstorm gegen Judith Butler ist glücklicherweise auch recht schnell wieder abgeklungen, dennoch haben Queertheory und Genderstudies mMn das Potential als terrorismusfördernd, oder was in der Art, eingestuft zu werden. "Als nächstes erklären sie uns zu Terroristen" schrub ich einem Freund kurz nach der geplatzten Preisverleihung, und kaum zwei Wochen später hatte man uns an verschiedenen Stellen alles von der RAF über die ETA bis zur IRA an den Kopf geworfen. Und das auch ohne Franz Fanon zitiert zu haben.

Und das, weil wir der Meinung waren, übertragen auf das Thema hier, dass Transidentische Menschen auf die Podien und an die Mikrofone gehören, anstatt minarettverbietender Lesben, die das Schweinessytem bejammern und vom Kap'talismus faseln.

"Ihr seid nicht die Mehrheit" hat der ja wirklich gesagt ...

 

"Ich ändere meine Auffasung sofort, wenn ich sehe, dass eine erkennbar größere Anzahl deutscher homosexueller Cis-Männer gegen Trans-Exklusion (das ist: Ausschluss von transidenten Menschen), Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Misogynie (das ist: Frauenverachtung) in diesen Kreisen aufsteht und stehen bleibt.

Wenn."

JA!!!!!

 

Loellie

5

@Ioellie:

Inzwischen ist mein Eindruck, dass wir das Ganze (ich meine den großen Kontext des anscheinend jetzt gar nicht mehr so kleinen Fall Alex) zwar aus etwas ähnlichen Blickwinkeln, aber ziemlich ähnlich sehen.

Schon wesentlich weiter oben war ich mit der 'Rückständigkeit' der deutschen Fachwissenschaftler und besonders der Berliner Schule (Charité) nicht einverstanden. Ich glaube, dass alles, was wir in der Hinsicht beobachten, ein backlash ist, eine aggressive Vorwärtsverteidigung. Wenn die klassichen Elemente Pathologisierung und Schaffung von Delinquenz (das wären die Kriminalisierungstendenzen) vermehrt Hand in Hand auftauchen, dann sind das Indikatoren dafür. Ich habe auch weiter oben schon hervorgehoben, dass 'Induktion von Transidentität' die alten Ansteckungs- Phantasmen bezüglich der Honosexualität wiederspiegeln und beide dem klassischen Muster des Rassismus des 19. Jh.s folgen: Ansteckung/Infektion - Krankheit - biologische Gefahr für die Bevölkerung (20. Jh: den 'Volkskörper'. Immerhin ist an der 'Induktion' ja jemand 'schuld', und dass ist aggressiver, als 'nur' Transmädchen und Transfrauen als geisteskrank zu stigmatisieren.

Herrn Professor Müller habe ich mal gesagt, dass das Biologische und mithin das Medizinische politisch sind.

Backlash wogegen? Gegen die Aufweichung von bipolarer Geschlechterordnung und Heteronormativität, die in Wirklichkeit in dieser Form nicht alt sind, aber angeblich 'natürlich' sein sollen. An diesen hängt eine Vielzahl von Verhaltensregimes, auch und gerade für die 'Normalen'. Im Übrigen - ganz klar, dass dies mit dem Grassieren alter und neuer Rassismen korreliert.

Aber kommen wir mal auf Grundlage der herausragenden Ermittlungsergebnisse von heute auf Berlin zu sprechen. Mir ist danach.

Was haben wir da? Wir haben den charmanten Oberbürgermeister dieser schönen Stadt, der schnell und deutlich gezeigt hat, dass sexuelle Orientierung nichts mit der Fähigkeit zu privatisieren und gentrifizieren zu lassen zu tun hat. Er ist der Oberbürgermeister der Suppenküchen und der Gewinngarantien. Er ist auch der Oberbürgermeister des telegenen CSD und des telegenen Karneval der Kulturen, die bringen zwar nicht in dem Sinne Geld in die Stadt, aber in die Taschen der hippen Geschäftemacher, denen hetero oder schwul ganz egal sind, schick hingegen sehr wichtig ist.

Der CSD und der Karneval der Kulturen sollen etwas zeigen - fröhlich Feiernde in einer weltoffenen Stadt, in der sich alle lieb haben.

Unter dieser Oberfläche hingegen ...

Unter dieser Oberfläche hat zum Beispiel hinsichtlich Transidentität die Charité die Deutungshoheit, wie der Berliner Senat ja auf Anfrage des Abgeordneten Dr. Lederer gewissermaßen klar gemacht hat. Wir haben hier vorgeführt, wie einfach es ist, diesen ganzen Hokuspokus mit 'induzierter Transsexualität' und reparativen Therapien dort nachzuweisen (Ärzteblatt-Artikel 2008) und außerdem diese in den Kontext internationaler Wissenschaft zu stellen. Wodurch dann ganz schnell klar wird, warum 30.000 Leute, zum Großteil in den USA, eine bestimmte Petition unterzeichnen, weil nämlich dort die Spatzen von den Dächern pfeifen, was es damit auf sich hat. Der Berliner Senat sowie zwei große und renommierte Universitäten in Berlin, zufällig die Träger der Charité, wissen von nichts ...

Aber damit nicht genug. Öffentliche Institutionen von Land und Stadt Berlin lassen anscheinend mit Amtsgewalt ausgestattete Leute in offiziellem Auftrag herumlaufen, die ihre Kompetenz bei Hokuspokus-Doktoren, Schamanen und Astrologen erlangen, was anscheinend vollkommen in Ordnung ist, sofern die Auffassungen besagter Hokuspokus-Doktoren, Schamanen und Astrologen hinsichtlich Transidentität kompatibel sind mit der Sexualwissenschaft à la Charité. Es scheint numehr sogar allmählich immer schwieriger zu werden, herauszufinden, wer da eigentlich wen - unterwandert? einwickelt? fortbildet? informiert? Die Sexologen, Hokuspokus-Doktoren, Schamanen und Astrologen die Behörden - oder umgekehrt? Letzten Endes ist das aber ganz gleichgültig, denn alle sind sich ja einig und singen im Chor.

Einen Nachteil hat das Ganze aber für die schöne Stadt Berlin. Es ist eine Blamage erheblichen Ausmaßes, wenn Wissenschaft und behördliche Maßnahmen anfangen, wie ein Mummenschanz auszusehen, der in eine Komödie von Moliére zu gehören scheint, aber für die Betroffenen in jeder Hinsicht bitterer Ernst ist. Zumal ja der Verdacht aufkommen könnte, dass dieser Mummenschanz samt blasiert schweigenden Zuschauern, die eigentlich in der Verantwortung stünden, vielleicht gar keine Ausnahmesituation ist, sondern ...

Sondern das TSG-Regime in voller Fahrt in einer seiner Hochburgen, in der Hauptstadt eines Landes, an dessen Grenzen die internationale Wissenschaft aus dem Wagen steigen und die Papiere vorzeigen muss. In dem transidente Menschen seit dreißig Jahren das Stanford Prison Experiment als 'Gefangene' erleben, während das Original nach wenigen Tagen abgebrochen wurde. Aber abgebrochen wurde es in einem Land, in dem mittlerweile der Präsident im Rahmen der Kampagne 'It gets better' Heranwachsenden in einer Videobotschaft sagt, sie sollen sich nicht einreden lassen, dass mit ihnen etwas nicht in Ordnung ist, wenn sie lesbisch, schwul oder transident sind. Mit denen, die ihnen das einreden wollen, ist etwas nicht in Ordnung, so der Präsident dieses Landes.

Und in Berlin? In Berlin wird fröhlich gefeiert ...

5

Sehr geehrte Kommentator-inn-en,

so sehr ich weiterhin Ihre Diskussionsbeiträge schätze, möchte ich Sie bitten, persönliche An- und Vorwürfe unter Namensnennung zu unterlassen. Dies ist ein Forum, in dem es um die Diskussion rechtlicher Entscheidungen einschließlich der Hintergründe dieser Entscheidungen geht; eine Namensnennung von irgendwelchen Beteiligten ist für diese Diskussion nicht erforderlich und hat auch rechtliche Beschränkungen. Kommentare mit persönlichen Angriffen auf andere Kommentatoren oder Außenstehende werden ggf. gelöscht, unabhängig davon, ob der jew. Kommentar auch sachliche Inhalte hat.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Eine Frage an die Rechtsexperten:

Wer kommt eigendlich für die Schäden auf wenn in diesem Fall "verantwortungsvoll" abgewartet werden soll bis Alex ihre Pubertät durchllaufen hat und sich dann an ihrem SO-Sein nichts ändert?

Bezahlt das Ja oder diese Therapeuten dann eine umfangreiche Gesichtsfeminisierung  oder ähnliches?

Das heutige System funktioniert nach der Brust oder Schwanz-ab Methode und Hormone. Selbst einen Brustaufbau bei ungenügender, weil zu spät einsetzender Behandlung, ist von den Kassen extrem schwer zu bekommen. Weil es ja Frauen gibt die wenig Brust haben... (ganz plötzlich ist man dann eine)

Ich selbst habe da sehr viel Glück gehabt und enspreche auch phänotypisch dem üblichen Geschlechterbild. (kommt nicht sooft vor)  Nach einem Outing hat mir mal jemand vorgeworfen das ich gefährlich sei,sowas sollte man "Kennzeichenen"

Machmal werde ich den Eindruck nicht los das solche Überlegungen auch in solchen Fällen eine Rolle spielen....

 
5

Hallo Dea,

 

schon wieder beantworte ich eine Frage, die nicht an mich gerichtet ist. Aber ich dürfte mit meiner Vermutung absolut richtig liegen, dass die Rechtsexperten (Anwälte und RichterInnen) Deine Fragen sowieso etwas anders beantworten werden, als ich es nun hier im Anschluss tue. ;)

 

"Wer kommt eigendlich für die Schäden auf wenn in diesem Fall "verantwortungsvoll" abgewartet werden soll bis Alex ihre Pubertät durchllaufen hat und sich dann an ihrem SO-Sein nichts ändert?"

 

Keiner, denn den rechtlich nicht entstandenen bzw. nicht vermeidbaren Schaden darf Alex alleine ausbaden. Bei der Erklärung, warum es rechtlich keinen Schaden gibt bzw. dieser später dann als unvermeidbar angesehen werden wird (meine Annahme als Laiin), will ich einen Vergleich mit einer Erkrankung an Krebs bilden. Da kannst Du auch niemanden für vielleicht schon sehr fortgeschrittenen Krebs verantworlich machen, wenn Du vorher nicht diesbezüglich untersuchst wurdest. Und nach Ansicht des Jugendamtes liegt bei Alex ja keine Transidentität vor, sondern es wurde dem Kind von der Mutter einsuggestiert, dass es seit nunmehr etwa 7 Jahren glücklich als Mädchen lebt. Und wenn dann mit Volljährigkeit Alex' durch ein von ihr selbst dann veranlasstes Gutachten herauskommt, dass sie doch transidentisch ist, wird es nur heißen: "Tja, Pech! Aber woher sollten wir das damals wissen?" Eine zwar nicht gerade fundierte Argumentation, aber rechtlich kann da wohl nichts gegen gesagt werden.

 

Recht entsprechend den Gesetzestexten und moralisches Recht sind leider häufig zwei grundverschiedene Paar Schuhe.

 

Gruß

Kira-Bianca

Kira-Bianca Hinz schrieb:

Da kannst Du auch niemanden für vielleicht schon sehr fortgeschrittenen Krebs verantworlich machen, wenn Du vorher nicht diesbezüglich untersuchst wurdest.

Wenn eine Frau mit verdächtigen Symptomen, wie etwa fühlbare Knoten in der Brust, zum Arzt geht und dieser sie nicht entsprechend der Regeln der Kunst untersucht und die Frau dann dadurch Nachteile erleidet, dass sie zu spät behandelt wird, dürfte sich schon eine Schadenersatz durch Unterlassung eingefordert werden können. In einem Fall wurden den Hinterbliebenen knapp 100.000 Euro zugesprochen, weil eine histologische Abklärung unterblieb, die die Bösartigkeit des Tumors hätte feststellen können.

Nur fehlt es wohl im Falle jugendlicher Transsexualität wohl noch an genügend anerkannten Behandlungsrichtlinien, an deren man sich verbindlich orientieren und ein Versagen der Behandlung messen kann, um durch verspätete Behandlung entstandene Mehrkosten später einklagen zu können (sofern sich der entstandene Schaden überhaupt durch Geld wieder gut machen ließe).

 

Sabine

 

0

Sehr geehrte Kommentator-inn-en,

technisch/organisatorisch: Dies ist ein Forum, in dem mit (festes Pseudonym) und auch ohne Registrierung (mit Pseudo) und sogar ganz anonym (als "Gast") gepostet werden kann. Diese Freiheit ist ja inzwischen schon ungewöhnlich (etwa im Vergleich zu FB und G+). Allerdings macht dies von vornherein etwas verschärfte Moderation erforderlich, um Spam, Trolle und Rechtsverletzungen zu verhindern. Eingriffe von mir (aber auch von der Verlagsmoderation) dienen aber auch der Sachlichkeit der Debatte und damit allen Diskussionsteilnehmern, ich bitte um Verständnis. Wer unregistriert postet, kann allerdings keine persönlichen Nachrichten schreiben und seine posts auch nicht editieren etc. Wenn jemand erst mit Pseudo postet, dann aber vergisst, dieses Pseudo zu benutzen, der postet automatisch als "Gast"; das unregistrierte Pseudo ist auch nicht geschützt, kann also von jedem verwendet werden. Daran kann ich nichts ändern, auch nicht nachträglich. Wer Wert auf ein bestimmtes Pseudo legt, der sollte sich registrieren.

Rechtlich (zur Frage von Alexandra Galle):

Mich hindert kein Mensch der Welt daran, zu einem Arzt/Psychotherapeuten MEINER WAHL zu gehen.

Warum kann die Mutter von "Alex" nicht mit "Alex" einfach zu dem Arzt/Psychiater/Enokrinologen ihres Vertrauens gehen.

Im übrigen über die Indikitation und die behandelbarkeit eines "Patienten" entscheidet meines wissens nur der Arzt mit dem Patienten im konsens ganz allein, nie eine Staatsmacht.

Jeder erwachsene Mensch geht zum Arzt seiner Wahl (es sei denn es gibt Gründe dafür, einen erwachsenen Menschen unterzubringen, weil er eine Gefahr für sich oder andere darstellt). Kinder gehen zu dem Arzt, zu dem sie von ihren Eltern gebracht oder geschickt werden, ältere Kinder können sich jedenfalls auch gegen eine Behandlung wehren. Der Staat mischt sich hier nicht ein (Art. 6 GG).

Ich abe auch Kinder, und da ist auch schon Operiert worden(Mandeln, Polypen und Schulter, also nichts unmittelbar lebensbetrohliches ... dann sonnst hätte der Arzt womöglich nichteinmal fragen brauchen) , was somit eine schriftlliche Zustimmung bedurfte, ABER ich habe nie erlebt, dass ein Arzt nach BEIDEN Unterschriften von UNS Erziehungsberechtigten gefragt hätte, sondern war immer mit einer allein zufrieden.

Regelmäßig darf der Arzt davon ausgehen, dass das von einem Erziehungsberechtigten gegebene Einverständnis/Einwilligung von beiden zusammen getragen wird, also den Konsens der Eltern wiedergibt. Hat er Anhaltspunkte dafür, dass es nicht so ist, müsste er beide Einwilligungen einholen. Für einen Arzt, insb. einen Chirurgen besteht immerhin das Risiko, sich wegen Körperverletzung strafbar zu machen (selbst wenn die OP gelingt).

Wenn die Eltern sich nicht einigen, von welchem Arzt ein Kind mit welcher Methode behandelt werden soll, dann treffen ggf. gesellschaftliche Institutionen (zB Jugendamt/Gericht) diese Entscheidung bzw. suchen jemanden aus, der diese Entscheidung ersatzweise trifft (Ergänzungspfleger); natürlich bleibt es auch hier bei älteren, verständigen Kindern bei dem oben gesagten: Sie haben auch mitzuentscheiden, was mit ihnen / mit ihrem Körper passiert. Ganz grundsätzlich fällt mir nicht ein, wie man das ganz anders lösen sollte. Natürlich können sich (wie hier) Probleme dann ergeben, wenn die ausgewählten Institutionen oder Personen etwa Entscheidungen treffen, die aus medizinischen/sozialen/pädagogischen Gründen nicht dem Kindeswohl entsprechen. Wenn dies der Fall sein kann, werden regelmäßig juristische Entscheidungen getroffen, für die es ein Verfahren gibt (wie das jetzt vom KG entschiedene). Es ist regelmäßig nicht so, dass sich Juristen von sich aus einmischen wollen oder, weil sie eine bestimmte "Agenda" haben, Entscheidungen an sich reißen.

Jedoch: Natürlich gibt es Fehlentschediungen, Verfahrensfehler, Systemschwächen und letztlich hängt natürlich auch Vieles von der Weltanschauung der entscheidenden Personen ab, auch wenn das Verfahrensrecht so ausgestaltet ist, dass die Entscheidungen möglichst objektiv ausfallen sollen. Letztlich kann auch in einer solchen Entscheidung "Politik" stecken, die hier wie anderswo auch diskutiert werden sollte - dafür ist dieses Forum auch ein geeigneter Ort.

Ich bin mir aber sicher, dass es dem konkreten Kind nichts nützt, wenn es von einer der beiden oder gar von beiden Seiten als Argument ge- bzw. missbraucht wird.

Zu Kira-Bianca Hinz, Sie schreiben:

Was Hellinger selbst betrifft, frage ich mich, warum dieser Mensch noch auf freiem Fuß ist? Antisemitismus und Verherrlichung natinalsozialistischer "Ideale" sind doch strafrechtlich zu verfolgen?????

Auch für "rechte Ansichten" besteht grundsätzlich Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Das muss man in einer Demokratie aushalten, selbst wenn es einem "hochkommt". Nur ganz bestimmte Äußerungen (Volksverhetzung, Leugnung des Holocaust nach § 130 StGB) sind strafbar.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Henning Ernst Müller schrieb:

technisch/organisatorisch: Dies ist ein Forum, in dem mit (festes Pseudonym) und auch ohne Registrierung (mit Pseudo) und sogar ganz anonym (als "Gast") gepostet werden kann. Diese Freiheit ist ja inzwischen schon ungewöhnlich (etwa im Vergleich zu FB und G+). Allerdings macht dies von vornherein etwas verschärfte Moderation erforderlich, um Spam, Trolle und Rechtsverletzungen zu verhindern. Eingriffe von mir (aber auch von der Verlagsmoderation) dienen aber auch der Sachlichkeit der Debatte und damit allen Diskussionsteilnehmern, ich bitte um Verständnis. Wer unregistriert postet, kann allerdings keine persönlichen Nachrichten schreiben und seine posts auch nicht editieren etc. Wenn jemand erst mit Pseudo postet, dann aber vergisst, dieses Pseudo zu benutzen, der postet automatisch als "Gast"; das unregistrierte Pseudo ist auch nicht geschützt, kann also von jedem verwendet werden. Daran kann ich nichts ändern, auch nicht nachträglich. Wer Wert auf ein bestimmtes Pseudo legt, der sollte sich registrieren.

 

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

selbstverständlich muss das so geregelt sein.

Im Kontext dieser Diskussion entsteht dadurch allerdings ein kleines Problem. Dieses Problem ist durchaus ein Aspekt des TSG-Dispositivs.

'Peter' beispielsweise kann sich über Transfrauen, wie gehabt, folgendermaßen äußern: "Das sind keine Frauen, das sind Eunuchen." Ich weiß nicht, ob das posting noch existiert, aber er hat es definitiv getan. In Deutschland kann er das durchaus unter seinem Klarnamen schreiben. In so ziemlich jeder öffentlichen Diskussion in Deutschland - außer dieser hier -  wird er dafür sowohl stummen als auch lauthals-johlenden Beifall ernten - die jeweiligen Anteile hängen allein vom 'bon ton' dieser Diskussion ab und haben mit dem Inhalt nichts zu tun. Schließlich sagt die deutsche Fachwissenschaft (und zwar nicht nur die Berliner Schule) im Wissenschafts-Jargon genau das, mit dem Zusatz 'geisteskranke Eunuchen' ('psychische Störung').

Das Anmeldeformular verlangt den Klarnamen, und auch das muss natürlich so sein. Aber schauen Sie sich bitte einmal den Menschrechtsbericht 2010 von ATME e.V. an

http://atme-ev.de/index.php?option=com_content&view=article&id=92:b-atme...

und Sie werden bestimmt Konstellationen entdecken, in denen die Angabe des Klarnamens eine Transfrau in eine Situation versetzt, die sehr viel mit dem mittelalterlichen Pranger gemein hat. Man kann getrost davon ausgehen, dass dies der Absicht der Architekten des TSG entspricht.

Ich zum Beispiel stehe vor der Wahl, dieses Geschehen auszulösen, mich unter einem falschen Klarnamen zu registrieren (was ich gegenüber einem so ehrenwerten Gastgeber nicht tun will) oder zu riskieren, dass ein 'Troll' unter meinem 'Pseudo' Schaden anrichtet. Da diese Diskussion ja offensichtlich Fakten und Zusammenhänge aufdeckt, die anderswo Datenlöschung und derlei auslösen, ist mit solchen Vorfällen natürlich zu rechnen.

Den anderen Teilnehmer_innen hier würde ich dringend empfehlen, diese Möglichkeit im Auge zu behalten. Ich jedenfalls muss mich in dieser Situation verabschieden, um sicher zu gehen, dass diejenigen meiner Beiträge, die anscheinend wohlwollend aufgenommen wurden, nicht auf die beschriebene Weise zunichte gemacht werden.

Wie man in den USA sagt: user Heidrun signing out.

Ich wünsche den Teilnehmer_innen dieser Diskussion von ganzem Herzen weiterhin viel Erfolg.

Beste Grüße

Heidrun

0

Hingewiesen sei auf eine Stellungnahme des Ethikrates zur Intersexualität (nicht: Transsexualität), die im Auftrag der Bundesministerien für Gesundheit sowie Bildung und Forschung erstellt und im Februar als Bundestagsdrucksache (pdf) veröffentlicht wurde. Nach dem Auftragsziel ging es darum, Intersexualität von Transsexualität abgegrenzt zu behandeln:

den Dialog mit den von Intersexualität betroffenen Menschen und ihren Selbsthilfeorganisationen fortzuführen und ihre Situation und die damit verbundenen Herausforderungen umfassend und unter Einbeziehung der ärztlichen, therapeutischen, sozialwissenschaftlichen und juristischen Sichtweisen aufzuarbeiten und dabei klar von Fragen der Transsexualität abzugrenzen.(Zitat, S.4)

Einige der in der Stellunganhme enthaltenen rechtlichen Erwägungen sind aber auch für die hiesige Debatte interessant, etwa ab S. 48, wo es um die medizinische Behandlung von Minderjährigen und Einwilligungsfragen  geht:

Ist die minderjährige Person selbst entscheidungsfähig, kollidiert ihr Selbstbestimmungsrecht mit dem Elternrecht, zumal wenn es wie hier um die höchstpersönlichen Rechtsgüter der minderjährigen Person geht. Rechtslehre und Rechtsprechung gehen, wenn die minderjährige Person entscheidungsfähig ist, in dem Kompetenzkonflikt zwischen dem Willen der Eltern und denen des Vertretenen von einem Vorrang des entscheidungsfähigen Minderjährigen aus (Zitat S. 51)

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

P.S.: Ich danke Herrn Burschel für den Hinweis.

Jeder "Verdacht" auf Transsexualität sollte auch als "Verdacht" auf Intersexualität betrachtet werden, ich habe schon sehr früh (und anderswo) gesagt , dass das Kind mal ganz schnell auf Auffälligkeiten in der Biosynthese, Chromosomen usw... getestet werden sollte.

Dieser Zusammenhang wird aber durch die rein psychologische Herangehensweise an das Thema von vornherein sabotiert.

Wird eine intersexuelle Kondition nachgewiesen, stellt sich die diagnostische Frage nach Transsexualität nicht mehr, da es nach ICD Schlüssel sogar ein Ausschlusskriterium wäre. Das kann zu ganz eigenen Problemen in Bezug auf die Behandlung führen, aber die Charité wäre erstmal aussen vor.

 

5

BadHairDays schrieb:

Jeder "Verdacht" auf Transsexualität sollte auch als "Verdacht" auf Intersexualität betrachtet werden, ich habe schon sehr früh (und anderswo) gesagt , dass das Kind mal ganz schnell auf Auffälligkeiten in der Biosynthese, Chromosomen usw... getestet werden sollte.

Dieser Zusammenhang wird aber durch die rein psychologische Herangehensweise an das Thema von vornherein sabotiert.

Wird eine intersexuelle Kondition nachgewiesen, stellt sich die diagnostische Frage nach Transsexualität nicht mehr, da es nach ICD Schlüssel sogar ein Ausschlusskriterium wäre. Das kann zu ganz eigenen Problemen in Bezug auf die Behandlung führen, aber die Charité wäre erstmal aussen vor.

 

 

Die Charite behandelt auch Intersexualität Bad Hair....

0

Psychoanalytisch reperativ?

0

 

Ist die minderjährige Person selbst entscheidungsfähig, kollidiert ihr Selbstbestimmungsrecht mit dem Elternrecht, zumal wenn es wie hier um die höchstpersönlichen Rechtsgüter der minderjährigen Person geht. Rechtslehre und Rechtsprechung gehen, wenn die minderjährige Person entscheidungsfähig ist, in dem Kompetenzkonflikt zwischen dem Willen der Eltern und denen des Vertretenen von einem Vorrang des entscheidungsfähigen Minderjährigen aus (Zitat S. 51)

Könnte eine jugendliche Person also selbst dann wenn beide Eltern sich dagegen stellen in Sachen Transsexualität sich begutachten und behandeln lassen, notfalls auch mit einem Verfahrensbeistand gegen ihre Eltern klagen?

 

Sabine

 

5

Liebe BadHairDays,

der folgende Artikel dürfte sie vielleicht interessieren:

http://www.uni-kiel.de/sexmed/Mitarbeiter/Prof._Dr._med._Hartmut_A.G._Bo...

Beachten Sie vor allem den Abschnitt "Aus sexualmedizinischer Sicht wäre für den adäquaten Umgang mit Patienten mit Intersex-Syndromen und ihren Familien zu fordern:" am Ende des Textes, insbesondere Punkt 9:

Quote:

9. Rollenunsicherheiten oder Anzeichen einer Geschlechtsdysphorie sollen rechtzeitig erkannt werden und dann Gegenstand sexualmedizinisch-kinderpsychologischer Diagnostik und Therapie sein, die sich bezüglich ihrer Ziele jeweils am Einzelfall orientieren muss. Wenn der Patient (z.B. in der Pubertät) den Wunsch nach einem Geschlechtswechsel äußert, sollte in jedem Fall ein psychotherapeutisch begleiteter Alltagstest durchgeführt werden (vgl. Bosinski 2003), damit der Betreffende sicher ist, die richtige Entscheidung zu treffen.

(Anm.: Die Verbindungen zwischen Kiel und Berlin dürften inzwischen hinreichend dargestellt worden sein...)

5

Sehr geehrte Frau S.,

ich habe den Eindruck, dass Sie Bosinski aus dem Zusammenhang gerissen und mit böswilliger Tendenz zitieren.

Liest man nicht nur den Punkt 9. (mit gefilterter Brille), sondern den ganzen Artikel und auch die anderen Punkte des Fazits  vorurteilsfrei, wird man möglicherweise zu einem ganz anderen Ergebnis kommen.Zunächst: Es geht in dem Artikel um Intersexualität, zwischen dieser und der Transsexualität gibt es wohl Zusammenhänge, aber es ist - soweit ich weiß - kein identisches Phänomen.

Ich zitiere einmal nur folgendes aus Bosinskis Fazit:

Punkt 4 beginnt so:

Eine Fülle von Problemen sowohl der Kinder
als auch ihrer Eltern resultiert aus der nach wie vor
vorherrschenden Tabuierung des Themas Geschlechtlichkeit
und ihrer Probleme: Die in den letzten
20 Jahren erreichten Erfolge bei der weitestgehenden
Integration von Kindern mit anderen angeborenen
Fehlbildungen (z.B. Vitium cordis oder Trisomie 21)
in normale, kindgemäße Entwicklungsverläufe (Kindergärten,
Schulen etc.) waren nur möglich durch eine
„Entmystifizierung“ dieser Fehlbildungen sowie
durch das Engagement von Betroffenen und Wissenschaftlern
in Selbsthilfegruppen und Aufklärungskampagnen.

Ausschnitt aus Punkt 6:

Dass eine einmal getroffene Entscheidung in der
Erziehung konsistent durchgehalten werden sollte,
dass man allerdings bei unsicheren Entscheidungen
(z.B. bei mGD) möglichst geschlechtsneutrale
Namen (Michell/e; Réne/e; Kersten o.ä.)
wählen sollte, dass sie auf Verhaltensäußerungen
des Kindes achten sollten, die von der gewählten
Zuschreibung abweichen, und dass diese
eines flexiblen Umgangs und professioneller Hilfe,
nicht aber unkritischer Unterdrückung bedürfen!

Ausschnitt aus Punkt 8:

Die strikte Beachtung der Individualität und Integrität
des Kindes/Jugendlichen ist oberstes Gebot:

Punkt 10:

Es geht immer um den je konkreten Menschen
in seiner individuellen Einmaligkeit, nicht um die
dogmatische Befolgung von starren Richtlinien.
Grundsätzlich, zumal bei der Frage etwaiger genitalkorrigierender
Operationen, gilt: Nihil nocere!

Man muss ja Bosinski nicht in allem folgen, aber ich finde, eine gewisse Aufrichtigkeit in der Diskussion und der Verzicht auf Zuschreibung qua "Verbindung" würde einer sachlichen Debatte nicht schaden.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

nun habe aber auch ich den Eindruck, daß sie meinen Beitrag (der als Reaktion auf die Beiträge #246 und #249 von BadHairDays gedacht war - deshalb in diesem Zusammenhang "Intersexualität") mit einer gefilterten Brille gelesen haben. Den Artikel von Herrn Bosinski habe ich schließlich extra verlinkt, damit man ihn in Gänze lesen kann. Ich wüsste jetzt auch nicht, wo eine böswillige Absicht liegen könnte, habe ich doch weder das Zitat noch den Artikel in irgendeiner Weise bewertet, sondern lediglich herausstellen wollen, daß die Behandlung intersexueller Kinder/Jugendlicher im Falles eines "Wunsches nach Geschlechtswechsel" laut Bosinski ähnlich gestaltet werden sollte wie die Behandlung transsexueller Kinder/Jugendlicher.

Den Hinweis auf die Verbindung zwischen Berlin und Kiel sehe ich auch nicht wirklich als problematisch, diese Institute arbeiten nunmal eng zusammen und machen da auch in der Regel kein Geheimnis draus. Zusätzlich handelt es sich bei dem Artikel - wie im Artikel selbst vermerkt - um die überarbeitete Fassung eines Kapitels aus einem Buch, das von Herrn Bosinski und Herrn Beier gemeinsam herausgegeben wurde... Inwiefern ist es böswillig, das sowieso Offensichtliche nochmal hervorzuheben?

Mit besten Grüßen

Frau S.

5

Sehr geehrter Prof. Dr. Hennig Ernst Müller,

 

erneut herzlichen Dank für die Offenheit in Ihrem blog und die kompetente juristische Beratung.

 

Als Betroffene und Naturwissenschaftlerin erscheint mir ein Aspekt wichtig, der hier wirklich nicht unwesentlich ist:

(Nach dem Outing habe ich vieles erlebt, was ich zuvor in unserem Land niemals für möglich gehalten hätte. Der sehr erfahrene Anwalt, der mich unterstützte, war meist sogar noch mehr überrascht. Häufig war ich es, die nach jahrzehntelanger Vorbereitung, (was juristische und medizinische Aspekte einschloß) besser mit allem umgehen konnte. )

Ähnlich wie bei Intersexuellen sind es die Betroffenen, die nach lebenslanger Erfahrung meist besser als viele Experten informiert sind. Zum Glück gibt es auch bei Betroffenen genügend Personen, die über genügend Fachwissen (Studium etc.) verfügen. Dazu kommt, dass die Betroffenen aus ureigenstem Interesse handeln und oft Empathie für andere im Laufe ihres Leidensweges entwickelt haben. Mir tut es weh, wenn ich erleben muss, dass jüngere, mit recht wenig Kenntnissen, nur aufgrund ihrer Amtsautorität, Dinge behaupten, von denen ich weiß, dass sie falsch sind. Als Naturwissenschaftlerin bin ich gewohnt, saubere Messungen und klare Beweisführungen zu akzeptieren. Auf dem Gebiet, das mich selbst betrifft, kommt leider auch Scharlatanerie vor und die Enttarnung ist oft kaum möglich.

 

Daher bin ich Ihnen wirklich sehr dankbar, dass Sie Licht in das jahrzehntelange Dunkel bringen wollen.

 

Bitte haben Sie trotzdem Verständnis dafür, wenn die eine oder andere von uns, nach langem Kampf mit dem Unverständnis und den Windmühlen der Gesellschaft, ein wenig über die Stränge schlägt.

 

Übrigens, obwohl bei mir nur das Gehirn von weiblicher Struktur ist, halte ich mich, trotz der Aussagen mancher Experten, für intersexuell. Nach eingehender Prüfung und Begegnungen mit anderen Intersexuellen komme ich zu diesem abweichenden Urteil. Ich halte die Unterscheidung intersexuell-transident wissenschaftlich für falsch! Man wird sehen, wer am Ende Recht hat.  Auch in der Physik mußten Lehrmeinungen des öfteren korrigiert werden....

 

P.S. Aus beruflichen Gründen muss ich Zurückhaltung üben und kann daher nur unter obigem Kürzel schreiben

5

Sehr geehrte Frau S.,

sorry, wenn ich einen falschen Eindruck gewonnen habe und Sie zu Unrecht beschuldigt habe. Ich kann nur jedem empfehlen, sich selbst ein Bild zu machen. Ich kann jedenfalls in diesem Artikel von Bosinski nicht entdecken, dass er sich für eine Therapie ausspricht, die gegen den Willen des betr. Kindes druchgeführt wird.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Zusatzinfo: Borsinski/ Beier

Nach ihren Biografien arbeitet beide Ärzte 1992-1994 an der Uni Kiel Sexualmedizinischen Forschungs- und Beratungsstelle als wissenschaftlicher Assistent für Sexualwissenschaft/Sexualmedizin/

0

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

ich wollte auch gar nicht behaupten, daß Herr Bosinski in seinem Artikel eine Behandlung gegen den Willen des Kindes empfiehlt, sondern lediglich BadHairDays (mit Beleg) erklären, daß das sexualmedizinische Institut der Charité keineswegs "aus dem Spiel" wäre, wenn bei Alexandra eine Intersexualität diagnostiziert werden würde, und daß die (psychotherapeutische) Behandlung intersexueller Kinder/Jugendlicher der von transsexuellen Kindern durchaus ähnelt.

Aber wo wir nun gerade bei dem Thema Behandlung gegen den Willen des Kindes (bzw. Patienten allgemein) sind, möchte ich auf diesen Punkt doch noch etwas näher eingehen und kurz erklären, wo in dem Artikel von Herrn Bosinski dennoch u. U. eine solche Behandlung zu finden sein könnte - gerade auch deshalb, weil von dieser Art Behandlung gegen den eigenen Willen auch transsexuelle Menschen betroffen sind. Zunächst aber ein Punkt, den Bosinski speziell für intersexuelle Menschen vorsieht:

Quote:

10. Es sollte eine Verpflichtung zur Nachuntersuchung von Patienten mit Intersex-Syndrom bis ins Erwachsenenalter bestehen. Dabei sollte auch auf sexualmedizinische Fragen der Geschlechtsidentität, der sexuellen Orientierung und der psychosexuellen Erlebnisfähigkeit methodisch qualifiziert eingegangen werden. [Hervorhebung wie im Original]

Auch eine Untersuchung, besonders in der geschilderten psychisch invasiven Art (nicht jeder Mensch redet gerne mit einem Psychiater/Psychotherapeuten über Sex) kann, wenn sie - wie von Bosinski gefordert - zur Pflicht gemacht wird, eine Behandlung gegen den Willen des Patienten darstellen.

Gleiches gilt - und an dieser Stelle kommen nun transsexuelle Menschen wieder mit ins Boot - für:

Quote:

9. (...) Wenn der Patient (z.B. in der Pubertät) den Wunsch nach einem Geschlechtswechsel äußert, sollte in jedem Fall ein psychotherapeutisch begleiteter Alltagstest durchgeführt werden (vgl. Bosinski 2003), damit der Betreffende sicher ist, die richtige Entscheidung zu treffen. [Hervorhebung wie im Original]

Wenn - wie bei transsexuellen Menschen längst geschehen - dieser "psychotherapeutisch begleitete Alltagstest" zur zwingenden Voraussetzung für die Erlaubnis eines "Geschlechtswechsels" gemacht wird, dann kann es auch hier zu einer Behandlung gegen den Willen des Patienten kommen - genau dann, wenn der Patient Psychotherapie und "Alltagstest" eigentlich ablehnt, diese aber unbedingt machen muss, weil ihm sonst die Erlaubnis für somatische Behandlungen nicht erteilt wird.

Mich persönlich wundert bei Fachveröffentlichungen über die Behandlung von Transsexualität (und neuerdings eben auch Intersexualität) immer wieder, wie wenig Beachtung dem Thema Psychotherapie in Bezug auf Risiken, Nebenwirkungen und mögliche Schäden von den Autoren geschenkt wird. Auch Psychotherapien haben - wie jede andere medizinische Behandlung - Risiken und Nebenwirkungen und können lange anhaltende und auch irreversible Schäden bewirken, das hat die Psychotherapieforschung sehr deutlich nachgewiesen. Insofern kann zumindest ich einfach nicht verstehen, warum von Seiten sexualmedizinischer Fachwissenschaftler so unkritisch mit "Pflicht"-Psychotherapien und psychologischen "Pflicht"-Untersuchungen umgegangen wird, während man auf der anderen Seite die von Patienten gewünschte somatische Behandlung oft überkritisch betrachtet.

Mich erinnert das alles sehr an eine Form von medizinischem Paternalismus, die in Zeiten von evidenzbasierter Medizin und Patientenautonomie meiner Meinung nach durchaus sehr kritisch hinterfragt werden sollte.

Mit besten Grüßen

Frau S.

5

Frau S. schrieb:

Quote:

10. Es sollte eine Verpflichtung zur Nachuntersuchung von Patienten mit Intersex-Syndrom bis ins Erwachsenenalter bestehen. Dabei sollte auch auf sexualmedizinische Fragen der Geschlechtsidentität, der sexuellen Orientierung und der psychosexuellen Erlebnisfähigkeit methodisch qualifiziert eingegangen werden. [Hervorhebung wie im Original]

...

Mich erinnert das alles sehr an eine Form von medizinischem Paternalismus, die in Zeiten von evidenzbasierter Medizin und Patientenautonomie meiner Meinung nach durchaus sehr kritisch hinterfragt werden sollte.

Für Evidenz müssen aber auch erstmal genügend Fälle untersucht worden sein.

So gesehen wäre eine Pflicht-Nachuntersuchung dieser Evidenz doch förderlich.

 

Sabine

2

Wow, hier ist ja einiges passiert als ich im Urlaub war.

 

Sabine schrieb:

Für Evidenz müssen aber auch erstmal genügend Fälle untersucht worden sein.

So gesehen wäre eine Pflicht-Nachuntersuchung dieser Evidenz doch förderlich.

 

Sabine

Sind Sie auch dafür, dass Sie nach jeder Behandlung beim Gyn dort wieder zur Nachuntersuchung auftauchen müssen?

Wenn Sie sich dazu nicht verpflichten bekommen Sie die Behandlung nicht.

Das klingt nicht wirklich gut, oder? Klingt nicht nach Wahrung der eigenen Grundrechte. Das verlangen wir nämlich bei sonst niemandem. Im restlichen Bereich der Medizin setzt man auf freiwillige Teilnahme an Studien, scheint dort auch gut zu klappen.

 

Darf ich erneut erklären, dass alle "Leitlinien" die von "Rollenunsicherheiten" reden für zutiefst suspekt halte? Menschen die im 21. Jahrhundert noch davon ausgehen, dass es, abgesehen von den biologischen Basics tatsächlich männliche und weibliche Rollenbilder gibt haben den Zug schon im vorletzten Jahrhundert verpasst.

0

"Verpflichtung zur Nachuntersuchung"

 

So etwas kann auch nur einem Strafrechtler einfallen..

Transsexualität /Intersexualität  ist weder eine Seuche die kontroliert werden muss noch ein Sexualdelikt.

Wird endlich Zeit das man das diesen Ärzten aus den Händen nimmt!

 

3

Dea schrieb:

"Verpflichtung zur Nachuntersuchung"

So etwas kann auch nur einem Strafrechtler einfallen..

Das könnte aber auch eine Hilfe für die betroffene Person sein.

Wenn ein intersexuelles Kind mit dem ihm zugewiesenen Geschlecht unzufrieden ist, wird dieses möglicherweise von den Eltern ignoriert, eine verpflichtende Begutachtung könnte helfen, dem Kind zu ermöglichen, in dem Geschlecht zu leben, in dem es glücklicher ist, notfalls auch gegen den Willen der Eltern.

 

Sabine

 

3

Sabine schrieb:

Das könnte aber auch eine Hilfe für die betroffene Person sein.

Wenn ein intersexuelles Kind mit dem ihm zugewiesenen Geschlecht unzufrieden ist, wird dieses möglicherweise von den Eltern ignoriert, eine verpflichtende Begutachtung könnte helfen, dem Kind zu ermöglichen, in dem Geschlecht zu leben, in dem es glücklicher ist, notfalls auch gegen den Willen der Eltern.

Und diese Hilfe lässt sich auf einem weniger pathologisierenden und weniger medikalisierten Weg nicht erreichen?

5

[/quote]

Und diese Hilfe lässt sich auf einem weniger pathologisierenden und weniger medikalisierten Weg nicht erreichen?

[/quote]

Lieber auf die Eltern vertrauen, dass sie sich schon selber melden, falls mit ihrem Kind etwas nicht stimmt?

So gross scheint das Vertrauen in die Eltern, was die gesundheitliche Entwicklung ihrer Kinder angeht nicht zu sein, hier in Berlin wurden etwa die U-Untersuchungen kürzlich verpflichtend gemacht, wer sich denen auch nach einer Einladung verweigert, bekommt Besuch vom Jugendamt.

Und ein intersexuelles Kind, dessen Zuweisung zu einem Geschlecht bei der Geburt ja mitunter recht willkürlich passierte, dürfte einem hohen Risiko unterliegen, dass diese Zuweisung fehlerhaft war, wäre natürlich abzuwägen, ob der Nutzen, solche Kinder auch bei ignoranten Eltern erreichen zu können, den Schaden aufwiegt, der dadurch entstünde, alle intersexuellen Kinder zwangsweise untersuchen zu müssen.

Eine andere Möglichkeit wäre natürlich noch, mit dem Thema abweichende Geschlechtsidentitäten offen in der Schule umzugehen, das nützte auch den transidentischen Kindern, im Prinzip unterscheiden sich intersexuelle Kinder mit einer GIS, die sich ihrer Intersexualität nicht bewusst sind und transidentische Kinder in ihrem Selbsterleben ja auch kaum. Aber wer versucht, LGBTI-Themen etwa durch geeignete Bücher den Kindern näherzubringen, erntet leicht Proteste der Eltern und anderer Institutionen

 

Sabine

0

Sabine schrieb:

Lieber auf die Eltern vertrauen, dass sie sich schon selber melden, falls mit ihrem Kind etwas nicht stimmt?

 

So gross scheint das Vertrauen in die Eltern, was die gesundheitliche Entwicklung ihrer Kinder angeht nicht zu sein, hier in Berlin wurden etwa die U-Untersuchungen kürzlich verpflichtend gemacht, wer sich denen auch nach einer Einladung verweigert, bekommt Besuch vom Jugendamt.

Wissen sie, ich bin der grundsätzlichen Meinung, dass das ganze Konzept "Elternrecht" falsch ist. Kinder sind Menschen an denen niemand ein Recht hat. Da sie ihre eigenen Rechte aber noch nicht wahrnehmen können haben Eltern das Privileg dies als Statthalter zu tun.

Und trotzdem hab ich ganz gehörige Probleme mit dieser Dämonisierung von Eltern.

Berlin ist nicht das einzige Bundesland das die U-Untersuchungen verpflichtet hat. Und ich bin nicht die einzige Mutter, die noch innerhalb der Frist einen höchst unfreundlichen Brief bekommen hat mit einem hübschen Drohszenario. Die verpflichtenden U-Untersuchungen sind nichts weiter als ein billiges Mittel um davon abzulenken, dass Kinder- und Jugendarbeit chronisch unterfinanziert und unterqualifiziert ist.

Die verpflichtenden U-Untersuchungen werden als Prävention gegen Misshandlung und Vernachlässigung verkauft und das ist eine Mogelpackung, denn Kinderärzte selbst sagen, dass sie das mit der U-Untersuchung gar nicht leisten können.

Aber: sie kosten die Länder kaum einen Pfennig Geld.

Quote:

Und ein intersexuelles Kind, dessen Zuweisung zu einem Geschlecht bei der Geburt ja mitunter recht willkürlich passierte, dürfte einem hohen Risiko unterliegen, dass diese Zuweisung fehlerhaft war, wäre natürlich abzuwägen, ob der Nutzen, solche Kinder auch bei ignoranten Eltern erreichen zu können, den Schaden aufwiegt, der dadurch entstünde, alle intersexuellen Kinder zwangsweise untersuchen zu müssen.

Wie genau stellen Sie sich denn den "Nutzen" vor? Das Kind wird einmal im Jahr zum Psychiater gezerrt der dann nach einer Stunde sein Urteil fällt, was keiner halbwegs sauberen Diagnosearbeit entspricht? Und das sollen alle intersexuellen Kinder über sich ergehen lassen für genau wie lange?

Quote:

Eine andere Möglichkeit wäre natürlich noch, mit dem Thema abweichende Geschlechtsidentitäten offen in der Schule umzugehen, das nützte auch den transidentischen Kindern, im Prinzip unterscheiden sich intersexuelle Kinder mit einer GIS, die sich ihrer Intersexualität nicht bewusst sind und transidentische Kinder in ihrem Selbsterleben ja auch kaum. Aber wer versucht, LGBTI-Themen etwa durch geeignete Bücher den Kindern näherzubringen, erntet leicht Proteste der Eltern und anderer Institutionen

DAS wäre doch mal eine Alternative. Erst mal schulen wir das Lehrpersonal sorgfältig und dann bringen wir die Sache offen auf den Tisch. Davon würden nämlich nicht nur trans- und intersexuelle Kinder profitieren, sondern auch alle anderen und letztendlich die ganze Gesellschaft.

Was hab ich eben über Elternrecht gesagt? Genau da endet es für mich: Kinder haben das Recht Dinge zu Wissen, sie haben das Recht auf eine adäquate Sexualerziehung und auf Respekt für ihre Identität.

 

0

Sehr geehrte Dea,

Sie schreiben:

"Verpflichtung zur Nachuntersuchung"

 

So etwas kann auch nur einem Strafrechtler einfallen..

Transsexualität /Intersexualität  ist weder eine Seuche die kontroliert werden muss noch ein Sexualdelikt.

Wird endlich Zeit das man das diesen Ärzten aus den Händen nimmt!

Was soll man auf so einen offenkundig vorurteilsverzerrten Kommentar antworten?

1. Der Autor des Satzes ist ja schon einmal kein Strafrechtler, sondern der Arzt Bosinski.

2. Es gibt keineswegs nur strafrechtliche Pflichten, im Gegenteil: Die meisten "Pflichten" sind in anderen Rechtsformen normiert und viele Pflichten sind beruflicher/standesrechtlicher/moralischer Natur .

3. Ich halte es für ganz ausgeschlossen, dass Herr Bosinski mit einer Nachuntersuchungspflicht irgendeine strafrechtliche Bedeutung verknüpft oder verknüpfen will. Von Seuche oder Delikt ist dort nicht die Rede - nur in Ihrem Kommentar!

4. Inhaltlich: Eine solche Nachuntersuchungspflicht, wenn sie für Patienten eingeführt werden sollte, hielte ich auch für kontraproduktiv und verfassungsrechtlich auch gar nicht haltbar. Ich vermute auch (nach den anderen Äußerungen im selben Artikel), dass Herr Bosinski mit der Nachuntersuchung gar nicht die Patienten verpflichten will, sondern v.a. die Ärzte/Therapeuten. Sie sollen nicht rumdoktern und therapieren, ohne später den Erfolg oder Misserfolg zu kontrollieren, Denn nur so lassen sich Fehler vermeiden, nur so können auch Fortschritte erzielt werden. Das ist zunächst einmal sinnvoll. Woher stammen denn bitte Ihre Kenntnisse über die hier besprochenen Phänomene, die doch hoffentlich wissenschaftlich begründet sind und nicht religiös? Wissenschaftlicher Fortschritt braucht "Untersuchungen". Dass dazu niemand gewungen werden darf, ist selbstverständliches Menschenrecht. Aber dass es eine ärztliche Pflicht gibt, das eigene Handeln zu kontrollieren, kann grds. nicht in Frage gestellt werden. Das werden auch die Ärzte und Wissenschaftler so sehen, die von Ihnen anerkannt werden.

5. Man kann aber nicht einerseits religiösen Fundamentalismus (zu Recht!) kritisieren, andererseits aber auch wissenschaftliche Methodik, die eben auf Beobachtung beruht. Woher stammt denn die Kenntnis über die Wirkung von Pubertätsblockern? Woher die Kenntnis darüber, dass diese (angeblich) nebenwirkungsfrei sind? Sollen also die Ärzte auf Nachuntersuchungen verzichten? Woher stammt denn die Kenntnis darüber, wie Hormone wirken? Ob sie helfen, eine Geschlechtsidentitätsproblematik zu lindern oder nicht?

6. Gerade hier in dieser Debatte habe ich (und viele andere) doch gelernt, dass eine Umerziehungs-"Therapie" von Transidentität nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht. Woher wissen wir denn das? Doch nur, weil untersucht wurde, dass diese Methoden eben nicht helfen, sondern  schaden. Nur wer (religiös oder anders ) fundamentalistisch denkt, der muss die Evaluation seiner Therapie oder Auffassung fürchten. 

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

ich gehe mal davon aus, daß Dea eigentlich nicht Strafrechtler sondern forensische Psychiater, also solche Psychiater, die sich explizit mit strafrechtlich relevanten Themen beschäftigen, meinte, denn ein solcher ist Herr Bosinski ja. Insofern dürfte es sich eher um ein sprachliches Missgeschick handeln.

Ob Herr Bosinski nun nur Patienten oder nur Ärzte/Therapeuten zur Nachuntersuchung verpflichten will, bleibt anhand seiner Formulierung unklar. Ich würde vermuten, daß er eine beidseitige Verpflichtung meint, da er sonst ja sicher den Adressaten explizit benannt hätte. Das schließt ein Missverständnis durch eine sprachlich ungeschickte - weil zweideutige - Formulierung aber natürlich keineswegs aus.

Zu den Nachuntersuchungen: Solange solche Nachuntersuchungen - wie sonst allgemein üblich - auf freiwilliger Basis stattfinden, ist es doch völlig unproblematisch. Zum Problem wird es nur, wenn tatsächlich Pflichten für Patienten konstruiert werden, was hier nun aber aufgrund der sprachlichen Uneindeutigkeit des Bosinski-Artikels nicht abschließend geklärt werden kann. Andererseits erschließt sich mir allerdings auch nicht, warum "sexualmedizinische Fragen der Geschlechtsidentität, der sexuellen Orientierung und der psychosexuellen Erlebnisfähigkeit" - also primär (sexual-)psychiatrische Fragen - als so wichtig betrachtet werden: Intersexualität ist keine psychiatrische Erkrankung. Meines Wissens nach belasten diese Fragen intersexuelle Menschen auch eher nicht. Diese leiden - soweit ich weiß - eher unter Traumatisierungen durch die im frühesten Kindesalter durchgeführten Operationen. Entsprechend wären da dann wohl eher psychotraumatologische und nicht sexualpsychologische Untersuchungen relevant. Aber das ist nur meine private Meinung, die durchaus öfter mal mit der der Fachwissenschaftler kollidiert.

Mit besten Grüßen

Frau S.

5

Frau S. schrieb:

Intersexualität ist keine psychiatrische Erkrankung.

Das ist Transsexualität isoliert betrachtet auch nicht...

Frau S. schrieb:
Meines Wissens nach belasten diese Fragen intersexuelle Menschen auch eher nicht. Diese leiden - soweit ich weiß - eher unter Traumatisierungen durch die im frühesten Kindesalter durchgeführten Operationen.

... nur kann man Transsexualität nicht isoliert betrachten, weil sie ebenso eine Folge von uneindeutiger sexualler Differenzierung ist, wie offensichtlichere intersexuelle Formen. Übrigens sind sehr viele nicht offensichtlich und tatsächlich ist die "Zwangsverstümmelung", also die chirurgische Zuweisung eines Geschlechts zwar das schlimmste Problem, aber bei weitem nicht eines das alle betrifft und bei weitem nicht das einzige.

In dem Bemühen sowohl intersexueller Aktivisten als auch diverser Sexologen, Transsexualität und Intersexualität strickt zu trennen (was für eine geniale Verschleierungstaktik!) wird allerdings bei festgestellter Intersexualität ein fehlerhaft zugewiesenes Geschlecht angenommen. (Theoretisch, praktisch kenne ich genug (diagnostiziert) Intersexuelle, die den "Transsexuellen Weg" gehen mussten oder einfach gegangen sind, um die Sache nicht noch komplizierter zu machen.

Das Bemühen der Intersex-Aktivisten, sich stark von Transsexualität abzugrenzen konnte man bei der Anhörung des Ethikrates gut beobachten. Meiner Ansicht nach beist sich die Katze hier in den Schwanz (aber erkläre das mal besagten Aktivisten), denn die schaffung der psychischologischen Diagnose TS diente der Rechtfertigung für das Behandlungsprotokoll an intersexuellen Kindern. (Die Zuweisung konnte ja unter dieser Behauptung nie falsch sein).

5

Sorry natürlich meinte ich Forensiker.

Das Wort Strafrechler haben sie zurecht Kritisiert.

0

Sehr geehrte Kommentator-inn-en,

gut, dass Sie das Missverständnis (Arzt, nicht Strafrechtler) aufgeklärt haben. Es ist aber wohl (zu Lasten des Strafrechts) offenbar nicht gänzlich ausgeräumt, wenn Frau S. schreibt:

ich gehe mal davon aus, daß Dea eigentlich nicht Strafrechtler sondern forensische Psychiater, also solche Psychiater, die sich explizit mit strafrechtlich relevanten Themen beschäftigen, meinte, denn ein solcher ist Herr Bosinski ja

Die forensische Psychiatrie befasst sich (wegen "in foro" = gerichtlich) mit gerichtlichen Fragen, oftmals, aber keineswegs nur mit dem Strafrecht. In den Fällen, um die es hier geht, geht es aber überhaupt nicht ums Strafrecht (allenfalls wegen einer Freiheitsberaubung, die vorläge, wenn man das Kind gegen seinen Willen einsperren würde, so wie es nach dem  ersten taz-Artikel fälschlich den Anschein hatte). Es werden allerdings manchmal  auch z.B. bei familienrechtlichen Gerichtsverfahren psychiatrische oder andere ärztliche Gutachter benötigt, auch die sind dann "Forensiker", aber eben nicht im Strafrecht.

Ergänzend zur Nachuntersuchungspflicht: Da Erwachsene grds. nicht zu irgendeiner Behandlung gezwungen werden können, können sie auch nicht zu Nachuntersuchungen gezwungen werden. Um die freiwillige Mitwirkung des Patienten zu erreichen, ist der Arzt auf ein gutes Vertrauensverhältnis mit dem Patienten angewiesen. Da ich davon ausgehe, dass das auch Herr Bosinski weiß, ist es eher fernliegend, dass er eine Verpflichtung der Patienten (außer einer moralischen) meint.

Bei Kindern (insb. kleinen Kindern), die von ihren Eltern vorgestellt werden, ist dies faktisch anders - Kinder könnten praktisch mittelbar über ihre Eltern zur Mitwirkung "verpflichtet" sein. Aber darüber haben wir ja schon lange diskutiert.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

Sehr geehrte Kommentator-inn-en,

 

vielen Dank für Ihre Beteiligung an der Diskussion, in der auch viele An- und Einsichten zu einer kontroversen gesellschaftlichen Debatte beigetragen wurden. Das durch den taz-Artikel ausgelöste Missverständnis zur Entscheidung des Kammergerichts wurde hier ausgeräumt, aber auch viele Aspekte der rechtlichen Hintergründe wurden angesprochen. Für eine Debatte über das konkrete weitere Verfahren ist aber hier nicht der richtige Ort.

Ich habe mich daher entschlossen, die Kommentarfunktion nach vier Wochen abzuschalten und bitte um Ihr Verständnis.

 

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

In der Spiegel-Printausgabe von dieser Woche (Heft Nr.26/2012, S. 134-137) schreibt Kerstin Kullmann über den Fall.

Seiten

Die Kommentare sind für diesen Beitrag geschlossen.