Auch schwarze Schafe unter den Ärzten: Zur Strafbarkeit eines Substitutionsarztes beim Verschreiben von Betäubungsmitteln (hier: L-Polamidon)

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 31.03.2012

Es gibt viele Betäubungsmittel, die von Ärzten verschrieben werden dürfen, nämlich alle in Anl. III zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführten Stoffe (z.B. Amphetamin, Opium, Kokain, Methylphenidat). Voraussetzung ist, dass die Anwendung am oder im menschlichen Körper begründet ist (§ 13 Abs. 1 S. 1 BtMG). In diesem Fall dürfen auch Betäubungsmittel im Rahmen einer ambulanten Substitutionsbehandlung verschrieben werden. Diese Verschreibungen unterliegen aber bei der Auswahl der Betäubungsmittelzubereitung, der Menge und der Gestaltung der Verschreibung strengen Beschränkungen, die im Einzelnen in der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) geregelt sind. So sind nach § 5 Abs. 4 BtMVV als Substitutionsmittel nur Levmethadon („L-Polamidon“), Methadon, Buprenorphin, Diamorphin und in Ausnahmefällen Codein und Dihydrocodein zugelassen.

Und mit einer solchen Verschreibung von Levmethadon durch einen Substitutionsarzt für seinen Patienten war jüngst der BGH befasst (Urt. v. 2.2.2012, 3 StR 321/11 = BeckRS 2012, 05084).

Dem Substitutionsarzt war in der Anklageschrift von der Staatsanwaltschaft u.a. vorgeworfen worden, Betäubungsmittel unerlaubt verschrieben zu haben, da er die vorgeschriebenen regelmäßigen Kontrolluntersuchungen nicht vorgenommen habe. Nach § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 BtMVV muss der Patient den behandelnden Arzt im erforderlichen Umfang, in der Regel wöchentlich, konsultieren. Weil aber ein direkter Arzt-Patienten-Kontakt bei konkreten Anliegen des Patienten stattgefunden hätte, sprach das Landgericht den angeklagten Arzt von diesem Vorwurf frei. Zu Unrecht, wie der BGH meint: Erforderlich seien regelmäßige, vom Arzt initiierte Konsultationen. Die im vorliegenden Fall außerhalb einer förmlichen Untersuchungssituation „am Tresen“, „im Vorbeigehen“ oder per Handy geführten Gespräche seien nicht ausreichend.

Auch vermochte der BGH dem Landgericht nicht zu folgen, soweit es nur ein fahrlässiges Handeln des Arztes angenommen hatte. Ein fahrlässiges Verschreiben von Betäubungsmitteln wäre nach dem BtMG nicht strafbar (§ 29 Abs. 4 BtMG). Ein bedingter Vorsatz des Arztes könne aber – so der BGH - angenommen werden, wenn der Arzt im Rahmen eines im Jahr 2000 absolvierten Lehrgangs über die gesetzlichen Voraussetzungen einer Substitutionsbehandlung unterrichtet worden wäre. Auch um dies zu klären, hob der BGH das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache an eine andere Strafkammer zurück. Zur ambulanten Substitutionsbehandlung im Einzelnen s. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Auflage, 2012, § 13 Rn. 34 ff.).

 

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4 Kommentare

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Der behandelnde Arzt, kennt seine Patienten wohl am besten. Seine Entscheidung, wann und wie oft er einen direkten Arzt - Patientenkontakt er für nötig hält, sollte man seiner fachlichen Kompetenz überlassen.

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Genau diese Umstände sind schuld daran, warum zu wenige Ärzte substituieren. Die wöchentliche Konsultation wird nämlich von der GKV nicht finanziert. Abrechenbar sind nur ca. 1500 € pro Jahr und Patient. Wie soll da bitte die Ausgabe des Medikaments an 365 Tagen, die wöchentliche Konsultation in einem Untersuchungssetting und alle weiteren Verpflichtungen finanziert werden? Zudem stelle man sich vor, wie ein Arzt seine gewöhnlich langjährig substituierten 50 Patienten nach 10 Jahren wöchentlich untersucht. Die substituierenden Ärzte müssen sich zwischen Pest und Cholera entscheiden: Ehrenamtlich arbeiten oder die Strafbarkeit riskieren.

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Und erst Recht schwarze Schafe unter den Richtern: nicht nur die Freisprüche, auch die Verurteilungen wurden wegen Rechtmängeln aufgehoben (Volltext: http://lexetius.com/2012,343)

Und im Justizapparat auch nicht nur weiße Schafe: "Weiter hat es [das Landgericht] das Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung festgestellt ..."

Die Rechtssicherheit für Ärzte sowie die ausreichende Honorierung für die Leistungen der Opiat-Substitutionstherapie sind wirklich mangelhaft.

Hier muss endlich Sicherheit geschaffen werden und zwar für alle Beteiligten. Es kann nicht sein, dass Einrichtungen für die psychosoziale Betreuung einen Haufen Geld bekommen und Ärzte nicht!

Nicht selten sind es ja caritative/diakonische Einrichtungen welche davon profitieren. Ob die Leistungen diesen Preis rechtfertigen, ist zu bezweifeln.

Die Opiat-Substitutionstherapie ist für viele Mediziner unattraktiv geworden, weil es rechtlich gesehen keine klar definierten Linien gibt. Viele Verbände und angebliche Gutachter -die selber keine praktische Erfahrung haben- mischen fleißig mit und verschlimmern die Gesamtsituation.

 

 

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