ArbG Bonn zum Verfall von Urlaubsansprüchen

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 12.04.2012

Seit dem Urteil des EuGH in Sachen KHS/Schulte (vom 22.11.2011, C-214/10, NZA 2011, 1333) ist u.a. umstritten, ob Urlaubsansprüche langfristig erkrankter Arbeitnehmer "automatisch" nach 15 Monaten verfallen oder ob es hierzu einer ausdrücklichen (tarif-)vertraglichen Regelung bedarf.

Der Arbeitnehmer war seit 2006 arbeitsunfähig erkrankt und von der Arbeitgeberin wegen des Bezugs von Krankengeld ausgesteuert worden. Anschließend bezog er Arbeitslosengeld, 2007 wurde er rückwirkend als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Erst 2010 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis.

Der Kläger verlangt die Abgeltung von insgesamt 172 Urlaubstagen, nämlich

  • je 31 Tage für die Jahre 2006 bis 2010
  • je 5 Tage Zusatzurlaub für Schwerbehinderte für die Jahre 2008 bis 2010
  • anteilig 2 Tage Zusatzurlaub für Schwerbehinderte für das Jahr 2007 (Anerkennung als schwerbehinderter Mensch mit Wirkung ab 26.07.2007)

Das entspricht einem Betrag von 18.713,33 Euro.

Das ArbG Bonn hat der Klage in Höhe von 3.889,85 Euro stattgegeben und sie im Übrigen mit folgenden Leitsätzen abgewiesen:

  1. Außerhalb des Awendungsbereichs entsprechender Tarifverträge verfallen Urlaubsansprüche im Fall langfristiger Erkrankung nicht automatisch mit Ablauf von 15 Monaten nach Beendigung des Urlaubsjahres (entgegen LAG Baden-Württemberg v. 21.12.2011 - 10 Sa 19/11).
  2. Urlaubsansprüche unterliegen jedenfalls solange sie nicht erfüllbar sind nicht der Verjährung (Anschluss an LAG Niedersachsen v. 16.09.2011 - 6 Sa 348/11).
  3. Bezieht ein Arbeitnehmer bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit auf seinen Antrag hin nach Ablauf der Krankengeldzahlungen Arbeitslosengeld nach § 125 Abs. 1 SGB III (seit 01.04.2012: § 145 Abs. 1 SGB III - Verf.), so ist zu vermuten, dass die Parteien zumindest stillschweigend das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart haben (Anschluss an BAG v. 14.03.2006 - 9 AZR 312/05).
  4. Ruht ein Arbeitsverhältnis während des gesamten Urlaubsjahres so entstehen für dieses Urlaubsjahr keine Urlaubsansprüche (Anschluss an LAG Köln v. 29.04.2010 - 6 Sa 103/10).
  5. Im Falle rückwirkender Anerkennung als schwerbehinderter Mensch besteht im Fall langfristiger Erkrankung des Arbeitnehmers jedenfalls dann kein rückwirkender Anspruch auf Zusatzurlaub, wenn auch ein nicht erkrankter Arbeitnehmer die Gewährung dieses Urlaubs nicht mehr verlangen könnte.

(ArbG Bonn, Urt. vom 18.01.2012 - 5 Ca 2499/11, BeckRS 2012, 66864)

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2 Kommentare

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Der erste Leitsatz widerspricht dem Urteil des LAG Hamm vom 12.01.2012 (16 Sa 1352/11). Da das ArbG Bonn nicht auf dieses Urteil eingeht, sondern sich nur auf das Urteil des LAG BaWü bezieht, gehe ich davon aus, dass das Urteil aus Hamm noch nicht vorgelegen hatte.

 

Die LAG-Richter hatten entschieden, dass ein automatischer Verfall nach 18 Monaten eintritt.

 

Wissen Sie, ob das Urteil aus Bonn rechtskräftig ist, oder ob demnächst auch das LAG Köln zu der Problematik Stellung nehmen darf?

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Dass das ArbG Bonn das Urteil des LAG Hamm nicht kannte, ist kaum verwunderlich: Zwischen beiden Entscheidungen lagen nur wenige Tage und das Urteil des LAG Hamm war ziemlich sicher noch nicht abgesetzt und den Parteien zugestellt. Erst danach erfolgt die Veröffentlichung.

Ob das Urteil des ArbG Bonn rechtskräftig ist, lässt sich leider weder Beck-Online noch Juris noch der Entscheidungsdatenbank nrwe.de entnehmen.

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