Justizministerin bleibt hart gegen Vorratsdatenspeicherung (NJW-Interview)

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 14.06.2012

Das Thema Vorratsdatenspeicherung ist weiterhin auf der Tagesordnung, jüngst mit der Ankündigung, Deutschland werde, wenn es die EU-Richtlinie nicht zügig umsetzt und die VDS innerstaatlich im Umfang der Richtlinie gesetzlich einführt, zu einem Zwangsgeld herangezogen (siehe hier - Dr. Spies)

Auf der Bremse steht das Bundesministerium für Justiz, also die Ministerin  Leutheusser-Schnarrenberger. Sie bekommt wegen der Ankündigung europäischer Sanktionen und auch, weil ihr insbesondere Bundesinnenminister Friedrich, Innenpolitiker der Union und Polizeipraktiker vorwerfen, ohne Vorratsdatenspeicherung leide die Effizienz der Strafverfolgung, derzeit einigen Gegenwind.

In der heute erschienenen NJW (NJW-Aktuell Heft 25/2012) findet sich  nun ein Interview von RÄin Monika Spiekermann mit der Bundesministerin, in der diese ihre Position verteidigt.

Im Wesentlichen beruft sie sich auf folgende Punkte:

1. Da die VDS-RiLi explizit keine Regelung zur Kriminalitätsbekämpfung, sondern zur Beseitigung von Binnenmarktsstörungen sei, dürfe Kriminalitätsbekämpfung bei der Abwägung gegen die Grundrechte der Betroffenen nicht herangezogen werden. Gegenüber der weitgehenden Überwachung mit ihrem „Potential, das Kommunikationsverhaltend er Bürger zu ändern“, sei aber eine bloße Binnenmarktstörung nachrangig.

2. Zudem beruft sie sich auf die Studie des MPI Freiburg (Gesamtstudie/BMJ-Link - Schlussfolgerungen hier), die im vergangenen Jahr zum Ergebnis gekommen ist, dass die VDS in der Straftatenaufklärung statistisch nur kaum messbare Beiträge bringe (kritisch zur Aussagekraft der Aufklärungsquote in diesem Zusammenhang allerdings mein Beitrag hier)

3. Die "Grenzen des verfassungsrechtlich gerade noch Zulässigen" auszuloten sei nicht ihr Ziel, sagt die Ministerin, sondern „Grundrechte wieder zum Maßstab des rechtspolitischen Handelns zu machen“.

4. Alternativ setzt die Ministerin weiterhin auf das Verfahren des Quick-Freeze (anlassbezogene kurzfristige Speicherung), dieses Verfahren reiche den Strafverfolgungsbehörden.

Auch angesichts des Aufstiegs der „Piraten“ und weil diese RiLi auch in anderen Staaten der EU umstritten ist, erscheint der Widerstand der Ministerin keine bloße rechtsstaatliche Duftmarke der FDP oder politische Trotzreaktion innerhalb der Koalition zu sein. Sie meint es wohl ernst und ihre Argumente dürften auch in Europa nicht ignoriert werden.

 

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2 Kommentare

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Fakt hierbei ist doch, dass jede staatliche Eingriffsbefugnis früher oder später missbraucht werden wird!
Im Falle der Vorratsdatenspeicherung, des Bundestrojaners und der online-Durchsuchung werden uns in ein paar Jahren Filme wie "1984" und "Staatsfeind Nr. 1" wie prophetische Vorhersagen vorkommen.

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Man kann Frau Leutheusser-Schnarrenberger zu ihrer Standhaftigkeit nur beglückwünschen und muss wirklich dankbar dafür sein, dass es wenigstens noch ein Regierungsmitglied gibt, das Politik mit Rückgrat macht.

Davon kann sich der Rest der Teppichimporteure und sonstigen Laiendarsteller eine sehr dicke Scheibe abschneiden ...

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