Zirkumzision - wie soll das Gesetz aussehen? (mit Update 20.07.)

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 15.07.2012

Im Verlaufe der intensiven Debatte um das Kölner Beschneidungs-Urteil (zB hier im Beck-Blog) haben sich nun die Bundesregierung und mehrere andere im Bundestag vertretene Parteien der Auffassung angeschlossen, man müsse den Konflikt durch ein Gesetz lösen. Aber wie kann dies geschehen?

Eine erste Frage ist, ob es sich dabei um ein Verbots- oder um ein Erlaubnisgesetz handeln wird.

Geht man von der hier vertretenen Meinung aus, dass die religiös motivierte Beschneidung immer schon (wie auch alle medizinisch indizierten Operationen) eine tatbestandsmäßige Körperverletzung darstellte, dann beruhte die bisherige Straffreiheit auf einem gewohnheitsrechtlichen Rechtfertigungsgrund - strukturell ähnlich dem früher angenommenen Züchtigungsrecht der Lehrer. Dieser Rechtfertigungsgrund ist nun durch die (weitgehend unbeachtet gebliebenen) Fachdiskussionen von Ärzten und Juristen und  durch das Aufsehen erregende Urteil des LG Köln in Frage gestellt worden. Eine gesetzliche Klärung erscheint also für den Rechtsfrieden notwendig, auch wenn man der Ansicht ist, dass Gewohnheitsrecht ebenso verschwinden kann wie es entstanden ist, eben durch entgegenstehende Gewohnheit.

Eine gesetzliche Regelung kann versuchen, die voherige Rechtfertigung durch (religiös motivierte) Einwilligung der Sorgeberechtigten wieder zu etablieren bzw. zu bestätigen. Insofern wäre die gesetzliche Regelung eine "Erlaubnis". Die meisten Politiker, die sich geäußert haben, tendieren genau dazu: Sie wollen den (bzw. bestimmten)  Religionsgemeinschaften zugestehen, dass sie dieses bisher weitgehend akzeptierte Ritual weiter strafrechtlich unbehelligt durchführen können.

Allerdings wird dies nicht geschehen können, ohne zugleich die Grenzen der Erlaubnis aufzuzeigen, d. h. in anderer Beziehung wird das Gesetz auch Verbote enthalten müssen. Und in diesen Details stecken erhebliche Probleme!

Denkbar (und teilweise notwendig) erscheinen:

- Altersbegrenzungen (Mindest- bzw. Höchstalter),

- die Beschränkung auf Ärzte mit chirurgischer Erfahrung

- Vorschrift einer (Voll-)Narkose

- Beschränkungen auf bestimmte Religionsgemeinschaften

- Beschränkung auf bestimmte anerkannte/etablierte/vergleichsweise risikoarme Rituale

- Beschränkung auf ein bestimmtes Geschlecht

- Verpflichtung von (Ärzten in) öffentlich-rechtlichen Einrichtungen zur Durchführung

- Haftungsregelungen für Fälle, in denen sich ein Schadensrisiko trotz lege artis durchgeführter Zirkumzision verwirklicht (Haftungsfonds der Religionsgesellschaften?)

Ein solches Gesetz wie auch eine Reihe der (denkbaren) Beschränkungen und  impliziten Verbote werfen ganz grundlegende Probleme auf, die die meisten Politiker noch nicht fokussiert haben:

Zwar wird bisher schon breit diskutiert, dass aus Gründen der Religionsfreiheit eine gewisse Beschränkung der körperlichen Unversehrtheit von Kindern hinzunehmen sei - jedoch wird man bei Komplikationsraten von immerhin im einstelligen Prozentbereich (also 1 bis 10 pro hundert!) sich durchaus fragen, ob und inwieweit der Staat seine Schutzpflicht gegenüber Kindern vernachlässigen darf (zur Diskussion vgl. etwa den Artikel in der FR). Jedenfalls kann nur derjenige, der die Augen vor der Realität verschließt, den Eingriff verharmlosen (ein Beispiel dafür sind die Stellungnahmen prominenter Grünen-Politiker).

Die anderen genannten Beschränkungen werfen z.T. gravierende Gleichheitsproblematiken auf, sobald etwa noch nicht am Konflikt beteiligte Religionsgemeinschaften ihre eigenen möglicherweise körperverletzenden Rituale gesetzlich erlaubt haben wollen.

Auch die systematischen Fragen sind bisher nicht beantwortet. Einige FDP-Politiker wollen die Beschneidung im neuen Patientenrechtegesetz verankern, m. E. keine besonders gute Idee: Denn das Recht, seine Kinder beschneiden zu lassen, ist bzw. wäre eben kein Patientenrecht.

Eher schon gehört die Beschneidung in das Familienrecht, also in das Umfeld des § 1631 BGB; bei der Beschneidung aufgrund religiöser Erzeihung handelt es sich um einen Teil der Personensorge. Außerdem kommt eine bereichsspezifische Regelung im RelKErzG (Gesetz über die religiöse Kindererziehung) in Betracht.

Ein anderer Vorschlag wäre es, die Beschneidung - wie die Abtreibung - als rechtswidrige Körperverletzung eingestuft zu belassen, aber unter bestimmten Voraussetzungen lediglich einen gesetzlichen Strafausschluss zu regeln. Ein solcher Strafausschluss müsste in das  StGB eingefügt werden.

Könnte die schwedische Regelung Vorbild sein (hier ein taz-Artikel dazu)?

Ganz gleich wie und was genau geregelt wird, am Ende wird wohl ohnehin das BVerfG zu entscheiden haben, ob der Gesetzgeber im neuen Gesetz die Abwägung der verschiedenen Interessen richtig vorgenommen hat.

Die nächsten Wochen und Monate dürften immerhin spannend sein: Selten kann man gesetzliche Regeln im Entstehungsprozess so intensiv verfolgen, selten gibt es  ist eine so große gesellschaftliche Debatte.

UPDATE 20.07.2012:

Wortlaut der Resolution des Bundestages vom 19.07.2012:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
im Herbst 2012 unter Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten
Rechtsgüter des Kindeswohls, der körperlichen Unversehrtheit, der
Religionsfreiheit und des Rechts der Eltern auf Erziehung einen Gesetzentwurf
vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung
von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist.

Auszug aus der Begründung:

"Die rechtliche Einordnung der Beschneidung muss so schnell und so gründlich
wie möglich geklärt werden. Der Deutsche Bundestag hält eine gesetzliche
Klarstellung für geboten, die insbesondere unseren jüdischen und muslimischen
Mitbürgerinnen und Mitbürgern ermöglicht, ihren Glauben frei auszuüben. Eine
Präjudizwirkung für andere körperliche Eingriffe aus religiösen Gründen darf
sich hieraus nicht ergeben.

Zudem hält der Deutsche Bundestag die Beschneidung männlicher Kinder, die
weltweit sozial akzeptiert wird, für nicht vergleichbar mit nachhaltig
schädlichen und sittenwidrigen Eingriffen in die körperliche Integrität von
Kindern und Jugendlichen wie etwa die weibliche Genitalverstümmlung, die
der Deutsche Bundestag verurteilt."

 

Wortlaut der Petition der Deutschen Kinderhilfe, des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, MOGIS e.V. (Verband Betroffener sexuellen Kindesmissbrauchs), des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, Prof. Dr. Matthias Franz und zahlreicher Einzelpersonen vom 20.07.2012:

"Der Deutsche Bundestag möge beschließen, zunächst für zwei Jahre keine gesetzlichen Schritte zur Legitimation der Beschneidung von Jungen in Deutschland zu ergreifen.

Weiterhin möge der Deutsche Bundestag die Einsetzung eines Runden Tisches von Religionsvertretern, muslimischen und jüdischen Befürwortern und Gegnern der Beschneidung, Psychologen, Psychoanalytiker, Kinderärzten, Kinderchirurgen, Kinderschützern und Vertretern der Jugendhilfe sowie weiterer Experten beschließen, um das Thema Beschneidung in Deutschland wissenschaftlich fundiert zu diskutieren und eine Strategie zu erarbeiten, welche alle Interessen, vor allem aber die Belange des Kindeswohls, berücksichtigt."

Auszug aus der Begründung:

(...)

Doch gelten beide Rechte trotz ihres Verfassungsranges nicht vorbehaltlos und müssen sich der Abwägung mit anderen Grundrechten stellen. Hier gilt es die bisher im Diskurs vollständig vernachlässigten Belange der Kinder, rechtlich normiert in Art. 2 GG, Art. 6 II 2 GG und Art. 19 I und Art. 24 III der UN- Kinderrechtskonvention, zu berücksichtigen.

(...)

Die Petenten sehen die Gefahr, dass sachfremde Erwägungen immer stärker in die Argumentation einfließen und es der Politik unmöglich machen, eine Güterabwägung im Interesse des Kindeswohls auch nur ansatzweise zuzulassen. Vorsicht geboten ist ebenso bei der Vereinheitlichung des muslimischen und jüdischen Glaubens, gibt doch auch hier ein breitgefächertes Meinungsbild zum Thema kindliche Beschneidung.

Als notwendig und lohnenswert für alle Interessengruppen empfinden die Petenten daher einen sachlichen, verantwortungsvollen und umfassenden Dialog aller Akteure als Alternative zu einem übereilten politischen Aktionismus. Eine breite Debatte ist in Anbetracht der Bedeutung der betroffenen fundamentalen Rechte und Güter unabdingbar und muss von der Politik zugelassen werden.

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525 Kommentare

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Offenbar gibt es auch in Norwegen eine seit Mai aktuelle Debatte um die rechtliche Regelung der Zirkumzision bei Neugeborenen. Artikel aus dem englisch-sprachigen norwegischen "The Foreigner", Auszug:

Norwegian Ministry officials sent a legal proposal to allow ritual neo-natal circumcisions at hospitals out for hearing in May 2011 aimed at preventing the practise going underground. The issue of permitting this is to be discussed in Parliament after the summer recess.

Child Ombudsman Reidar Hjermann has also argued for the imposing of a minimum age requirement of 15.
Whilst tri-partite coalition member the Centre Party (Sp) has officially vetoed the multi thousand-year tradition, the minister told VG, “We’d be the only country in the world to forbid ritual circumcision if we moved for this. I cannot, therefore, think that this will apply.”

Also auch in Norwegen gibt es das Argument, man könne/dürfe nicht als einziger Staat der Welt die Zirkumzision verbieten.

Auch die konkreten Vorschläge, eine Regelung der jüdischen Zeremonie betreffend , sind interessant und könnten womöglich Vorbild für ein deutsches Gesetz werden:

Meanwhile, Norwegian Health Ministry advisor Tord Dale explained that the government proposes that a Mohel performs the procedure in hospital supervised by medical staff, with strict hygiene, and pain relief requirements, before the child travels home following birth. 

Muslim male circumcisions have no fixed age and are carried out according to familial, regional, and national traditions. Jews circumcise male children on the eight day to recall their covenant with God.

“The most important is that it is carried out in a safe way. A Mohel performs far more of these than most Norwegian doctors do,” said Tord Dale.

 

Henning Ernst Müller schrieb:

 

Auch die konkreten Vorschläge, eine Regelung der jüdischen Zeremonie betreffend , sind interessant und könnten womöglich Vorbild für ein deutsches Gesetz werden [....]

 

 

 

 

wobei der postoperative Schmerz immer noch vorhanden ist....egal wie gut die Scherzbekämpfung funktioniert und ich glaube kaum, dass hier Opiate gegeben werden. Ich als jemand der beschnitten wurde (med. Grund) kann mich noch daran erinnern, dass mir meine Eltern einen Stuhl ins Bett gestellt hatten, weil ich es nicht ausgehalten habe, dass die Decke an meinem Teil reibt.....und sorry so wie es bei anderen Eingriffen ein Schmerzgedächtnis gibt http://www.medizinfo.de/schmerz/chgedaechtnis.htm dürfte das bei so einer Reizüberflutung auch der Fall sein.....und vorallem ist die Vorhaut in dem Alter auch mit der Eicheloberfläche verwachsen d.h. hier wir eine offene Wundfläche an einer Oberfläche erzeugt die sehr sehr sensibel ist.....

 

bombjack

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Henning Ernst Müller schrieb:

Also auch in Norwegen gibt es das Argument, man könne/dürfe nicht als einziger Staat der Welt die Zirkumzision verbieten.

Seltsamerweise gab es bereits Staaten, die als erste und logischerweise damals einzige

- das Prügeln von Kindern

- die Beschneidung von Mädchen

- Prügel, Auspeitschen und das Abschneiden von Körperteilen als Bestrafung von Verurteilten

- Selbstjustiz und Faustrecht

- die Todesstrafe

- Folter

- Sklaverei

- Menschenopfer

- den ausnahmslosen Zwang zum Kriegsdienst

- *bitte beliebige weitere jahrtausendealte Tradition einsetzen*

verboten haben.

Dieses "Argument" ist antihumanistisch und eines Rechtstaats nicht würdig. Einfach mal die Begriffe aus der Liste in den oben zitierten Satz einfügen und wirken lassen ...

Wozu unterzeichnet und ratifiziert man überhaupt eine UN-Kinderrechtskonvention, wenn man deren Artikel 24 dann ins Gegenteil verkehrt?

 

Das Urteil eines Kölner Gerichts, das die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen grundsätzlich als strafbare Körperverletzung bezeichnet hat, wird inzwischen auch in den israelischen Medien verbreitet. „Das Urteil ist verfassungswidrig, weil es der Freiheit der Religionsausübung widerspricht“, wurde Rabbiner Arie Goldberg, Vizegeneraldirektor des „Rabbinical Centre of Europe“, im israelischen Rundfunk zitiert. Noch gibt es keine Reaktionen aus Israel auf diesen Gerichtsbeschluss.

 

Der Strafrechtler Holm Putzke von der Universität Passau sagte gegenüber der „Financial Times Deutschland“: „Das Gericht hat sich – anders als viele Politiker – nicht von der Sorge abschrecken lassen, als antisemitisch und religionsfeindlich kritisiert zu werden.“ Weiter erklärte Putzke: „Diese Entscheidung könnte ... im besten Fall auch bei den betroffenen Religionen zu einem Bewusstseinswandel führen, Grundrechte von Kindern zu respektieren.“

 

Wie die Schweizer jüdische Zeitschrift „Tachles“ am Freitag berichtete, wollen Abgeordnete der Zentrumspartei in Norwegen die Beschneidung aus religiösen Gründen als „kriminellen Akt“ brandmarken.

Letztes Jahr habe die Regierung der jüdischen Gemeinde in Oslo einen Kompromiss offeriert, wonach bei der Beschneidungszeremonie medizinisches Personal anwesend sein müsse. Laut Kohn sei das für die Gemeinde akzeptabel. Die Regierung in Oslo hatte begonnen, sich mit dem Thema der Beschneidung zu befassen, nachdem der norwegische Kinder-Ombudsmann vorgeschlagen hatte, das Mindestalter für die rituelle Beschneidung bei Buben auf 15 Jahre festzusetzen und nicht auf acht Tage, wie es die Bibel fordert. In Norwegen ist rituelles Schächten verboten. In dem skandinavischen Land leben rund 700 Juden.

 

http://www.israelnetz.com/nachrichten/detailansicht/aktuell/urteil-zur-beschneidung-verfassungswidrig/

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Keine Küchentisch-Chirurgie

In Schweden ist die Beschneidung von Jungen erlaubt – doch viele Ärzte verweigern sie. Die Dunkelziffer der illegalen Eingriffe ist hoch. Todesfälle hatten Diskussion ausgelöst.

Nach dem Gesetz dürfen Beschneidungen nur von Ärzten und unter Betäubung vorgenommen werden, bei Jungen unter zwei Monaten auch von dazu von der schwedischen Gesundheitsbehörde speziell legitimierten Personen. Eine Genehmigung kann bekommen, wer Kenntnisse und Erfahrungen hat, die mit denen des Personals innerhalb des Gesundheitswesens vergleichbar sind.

Gegen diese Beschränkungen protestierten bei Verabschiedung des Gesetzes sowohl jüdische wie muslimische Gemeinden. Der „Jüdische Weltkongress“ sprach von der ersten „Beschränkung jüdischer religiöser Praktiken in Europa seit der Nazi-Ära“. Die Proteste beruhigten sich, nachdem die meisten jüdischen Mohels entsprechende Legitimationen bekamen und den Eingriff von da an ausführen durften.

 

In einer ersten Bilanz des Beschneidungsgesetzes bezifferte die Gesundheitsbehörde 2007 die Zahl legaler Beschneidungen auf jährlich 3.000. Die Zahl illegaler Eingriffe wird auf 1.000 bis 2.000 geschätzt. Ein Hauptgrund für diesen hohen Anteil an illegalen Beschneidungen sei, dass etwa die Hälfte der öffentlichen Krankenhäuser den Eingriff entweder aus Kostengründen oder unter Hinweis auf angeblichen Mangel an Kinderchirurgen grundsätzlich verweigern oder ÄrztInnen ihn aus ethischen Gründen ablehnten.

 

http://www.taz.de/Beschneidungspraxis-in-Schweden/!97129/

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1999 sprach sich nach dem kanadischen auch der amerikanische Verband der Kinderärzte gegen die routinemäßige Beschneidung von Jungen aus.

Ende des gleichen Jahres hat das Parlament in Finnland eine Erklärung bezüglich ritueller Beschneidung abgegeben. Ombudsman Riitta-Leena Paunio bemerkte dass diese Operation ohne medizinische Begründung nicht zu empfehlen ist die betroffenen Kinder sollten vorher befragt werden und ihre Zustimmung dazu geben. Sie sagte das Finnische Parlament müsse die religiösen Rechte der Eltern abwägen gegen die Verpflichtung der Gesellschaft ihre Kinder vor rituellen Operationen ohne unmittelbaren Vorteil für sie zu schützen. Mit sofortiger Wirkung ist nun in solchen Fällen die schriftliche Zustimmung beider Elternteile erforderlich.

 

http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Beschneidung_von_Jungen_und_M%E4nnern.html

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Schon in der vergangenen Woche hatte die Bundesregierung eine rechtliche Klarstellung angekündigt. Auch die für Familie und Jugend zuständige Ministerin Schröder betonte jetzt, eine verantwortungsvoll durchgeführte Beschneidung von Jungen müsse weiter erlaubt sein. «Jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland darf nicht unmöglich gemacht werden», erklärte ein Ministeriumssprecher.

Eine entsprechende Resolution wird der Bundestag wohl schon bei seiner Sondersitzung am kommenden Donnerstag mit großer Mehrheit beschließen. Wie die in Bielefeld erscheinende «Neue Westfälische» (Dienstag) berichtet, wollen die Fraktionen von Union, SPD, FDP und Grünen einen gemeinsamen Antrag einbringen.

 

http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/brennpunkte_nt/article108306663/Wachsende-Unterstuetzung-fuer-Beschneidungsgesetz.html

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@ Enttäuscht:

eine Sammlung aller nur denkbaren Stellungnahmen und Äußerungen zu dem Thema mit ausführlichen Zitaten ist hier wenig hilfreich, insbesondere dann nicht, wenn sie bereits von anderen gepostet wurden (vgl. #27 und #15, auch #22 ist Stand von vor zwei Wochen)

Eine Frage :

Was ist aus juristischer Sicht von der Einlassung des SPD-Vorsitzenden Gabriel zu halten, welche in der ZEIT zu lesen war ?

 

"(Das Gericht )habe auch "nicht berücksichtigt, dass von den circa 30 Prozent weltweit beschnittenen Männern – soweit bekannt – noch nie jemand im Erwachsenenalter gegen die an ihm vorgenommene Beschneidung vorgegangen sei"."

 

Wenn man im Säuglingsalter Opfer einer Körperverletzung wird, was kann man dann als Erwachsener eigentlich noch ausrichten, oder wie sieht es hier mit der Verjährung aus ?

 

Heute Vormittag lief auf DLF

Journal am Vormittag

Kontrovers - politisches
Streitgespräch mit Hörern und
Studiogästen dlf

Der Streit um das Beschnei-
dungsritual - Wie weit darf
Religionsfreiheit in Deutsch-
land gehen?

Studiogäste:
- Prof. Micha Brumlik
- Dr. Nadeem Elyas
- Prof. Matthias Franz
- Dr. Jörg Scheinfeld

 

Habe leider nur die letze halbe Stunde mitbekommen und leider ist die Sendung online nicht verfügbar. Bemerkenswert erschien mir, daß Herr Prof. Brumlik fest davon überzeugt war, daß eine gesetzliche Regelung der Beschneidung in Karlsruhe auf jeden Fall Bestand haben werde - (sinngemäß) : "wer wird denn dagegen klagen können ?"

Als Arzt kann ich mir keine Formulierung eines "Beschneidungsgesetzes" vorstellen, welche die Zirkumzision von  Knaben voll legalisiert, ohne einerseits das Geschlecht zu diskriminieren und/oder  andere Religionen oder Weltanschauungen zu benachteiligen oder andererseits der Gewalt gegen Kinder beider Geschlechter durch die Hintertür wieder freie Bahn bereitet. Eine "Beratungsregelung" analog §218 StGB wäre eher denkbar, aber diese wird ja von der Religionsverbänden von vornherein verworfen.

5

Frank schrieb:

 leider ist die Sendung online nicht verfügbar.

mittlerweile doch:

http://www.dradio.de/aod/html/?year=2012&month=07&day=16&page=11&

bzw. http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2012/07/16/dlf_20120716_1010_b... (Datei zum direkten Download - 29,8 MB)

Streaming unter http://www.dradio.de/aodflash/player.php?station=&/ (oben Deutschlandfunk anklicken und blättern oder bei Sendungen "Kontrovers" auswählen)

EDIT: absoluter Höhepunkt ab 42:57 - ein im Alter von 35 Jahren zum Judentum übergetretener Mann aus Bonn erkärt mal kurz und knackig, dass die Brit Mila keineswegs so ein zentrales Gebot des Judentums ist wie dauernd behauptet, sondern dass die Gebote des Dekalog, angefangen mit der Beachtung des Sabbat, wichtigere Sakramente sind und in diesen die Brit Mila überhaupt nicht erwähnt ist - es sind also mindestens 10 andere Vorschriften wichtiger für das jüdische Leben als die Säuglingsbeschneidung. Außerdem seien zahlreiche einst zentrale Institutionen des Judentums mittlerweile "dysfunktional", so z.B. das Königtum, die Vielehe, der Tempeldienst mit allem Geboten dazu. Und dass das Kölner Gericht völlig korrekt geurteilt habe, weil ein weltliches Gericht sich keine religiöse Argumentation zu Eigen machen könne.

EDIT 2: Listen to a rabbi and a Jewish man who has chosen not to circumcise his son on BBCRadio 5Live's Men's Hour(5 days left)

Oben wird Herr Gabriel (SPD) zitiert:

"(Das Gericht )habe auch "nicht berücksichtigt, dass von den circa 30 Prozent weltweit beschnittenen Männern – soweit bekannt – noch nie jemand im Erwachsenenalter gegen die an ihm vorgenommene Beschneidung vorgegangen sei".

Ich frage mich, ob Herr Gabriel hier wirklich recherchiert hat, denn in den USA zumindest gibt es eine Reihe von Anwälten, die "circumcision litigation" betreiben (hier ein Dokument aus dem vergangenen Jahr), wie eine Suchmaschine nach kurzer Zeit zeigt. Ob man auch erfolgreich klagen kann (bei einer ohne Komplikationen verlaufenen Beschneidung), ist eine andere Frage. In den USA gilt (wie bisher auch hierzulande), dass eine "informierte" Einwilligung der Eltern die Beschneidung legalisiert, auch ohne medizinische Indikation.

Aber Herr Gabriel will ja etwas anders sagen, nämlich, dass die 30 % beschnittenen Männer alle zufrieden sind damit und sich gar nicht beschweren (wollen). Das trifft sicherlich ziemlich weitgehend zu. Aber die Behauptung "noch nie jemand" trifft eben nicht zu.

Henning Ernst Müller schrieb:
Ich frage mich, ob Herr Gabriel hier wirklich recherchiert hat
offensichtlich nicht (und die Frage ist, ob er es überhaupt vorhatte), diese Behauptung ist von ähnlicher "Qualität" wie die von Volker Beck über den "geringfügigen Eingriff" oder Heribert Prantl über die "objektiv falsche Nähe zur weiblichen Genitalverstümmelung".

Dr. Shelbi schrieb:

Wie auch immer das Gesetz ausehen wird. Man sollte es auf jeden Fall "Lex Putzke" nennen. Immerhin hat er den Kulturkampf angezettelt


Sachlich richtig wäre "Lex Anti-Putzke" - man merkt, dass nicht jeder akademische Grad zum gelungenen Diffamieren befähigt. Noch korrekter wäre angesichts der Entstehungsgeschichte "Lex Anti-Dirie-anti-Kelek" (http://m.faz.net/aktuell/politik/inland/beschneidungen-das-urteil-118204...).
Und Sie haben Recht: es ist ein Kulturkampf. Es kämpfen Eltern, die aus Verstandes- und Gewissensgründen ihren Sohn nicht verstümmeln wollen gegen die unreflektiert übernommene Tradition, und das schon seit Jahren: Aufklärung gegen selbst verschuldete Unmündigkeit. Das Rechtssystem einer Demokratie muss sich aber des Verstandes bedienen und die individuellen Menschenrechte schützen.

Dass seine Ansichten in Sachen Beschneidung richtig sind, davon ist Holm Putzke auch nach mehreren Diskussionsrunden und vor seiner Teilnahme bei „Anne Will“ heute Abend überzeugt. Obwohl – das ist die Ironie am Rande – seine Ansicht inzwischen zur herrschenden Lehre geworden ist. Das sieht nicht nur der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten so. Zahlreiche Juristenkollegen folgen inzwischen in ebenso zahlreichen Kommentierungen den Argumenten des Passauer Strafrechtsprofessors. Ob irgendwann auch einmal der Bundesgerichtshof oder gar das Verfassungsgericht diese Ansicht vertreten werden, kann heute niemand sagen. Der Ruf, man wolle einen Präzedenzfall schaffen, ist bei den Religionsgemeinschaften zwar schon zu vernehmen, ganz so einfach wie gesagt ist das aber nicht getan. 

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.umstrittenes-urteil-nicht-alles-in-der-bibel-woertlich-nehmen-page1.4d88e01b-44f6-4a58-abd8-a5fe1b7c2d6c.html 

 

Wer kennt das Gutachten ?

 

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Zypries schlug stattdessen einen von allen Fraktionen mitgetragenen Entschließungsantrag des Bundestags vor. Darin solle festgestellt werden, dass religiös begründete Beschneidungen bei Jungen auch weiterhin erlaubt seien.  

http://www.fr-online.de/politik/beschneidung-beschneidungs-neuregelung-wird-schwierig,1472596,16636852.html 

 

In Entschließungen bringt der Bundestag seine Auffassung zu politischen Fragen zum Ausdruck und/oder fordert die Bundesregierung zu einem bestimmten Verhalten auf. Rechtsverbindlich sind sie nicht . Dazu wird es sicherlich kommen, da nur 5% Unterschriften der Abgeordneten benötigt werden.

 

 

5

Auch wenn ich ein Verbot begrüßen würde, bin ich realistisch genug, um zu wissen:

Es wird eine Regelung kommen, die die Beschneidung erlaubt. Dafür ist Angst der Politiker zu stark andernfalls als judenfeindlich zu gelten. (Zumindest solange das BVerfG ihnen nicht einen anderen Weg erlaubt - und ich glaub der Lobbydruck ist so stark, dass das BVerfG vorher nicht gefragt werden wird/kann.)

 

Spannend wird meiner Meinung nach aber noch etwas anderes: Man wird nicht abstreiten können, dass eine Körperverletzung vorliegt (wie bei jedem ärztlichen Eingriff), will aber die Strafbarkeit aus der Welt schaffen.

Das kann einerseits dadurch geschehen, dass man die Einwilligung der Eltern als wirksam ansieht und das Erziehungsrecht über die körperliche Unversehrtheit stellt. Da sehe ich aber die größte Chance, eine solche Regelung über BVErfG oder EuGH zu kippen (sofern jemand die Klagebefugnis hinbekommt).

Man kann aber auch den religiösen Hintergrund erst als Schuldausschließungsgrund sehen, was bedeuten würde, dass jede Beschneidung rechtlich eine rechtswidrige Tat bleibt, die nur nicht bestraft wird. Das wäre sicherlich nicht das, was sich die jüdischen (und muslimischen) Lobbyvertreter als Ergebnis wünschen würden.

Dazwischen gibt es noch ein paar weitere Lösungen, wir werden sehen, wie weit der Bundestag mit seinem Entwurf hier gehen wird. Das gilt auch für die Fragen, ob jeder da rumschnippeln darf, oder nur ausgebildete Ärzte.

 

@ Prof. Dr. Müller

Den Vorschlag, dass ein Haftungsfond eingerichtet werden könnte, finde ich zwar schön, aber kaum durchsetzbar. Zum einen wird insbesondere die katholische Kirche dann nervös werden, weil die Forderungen nach einem entsprechenden Fond zum Ausgleich von durch Kirchenpersonal verursachten Schäden ziemlich schnell auftauchen wird.

Zum anderen wird es auch den Beschneidungsbefürwortern nicht passen, würde ein solcher Fond doch das Risiko dieser Operation sehr deutlich vor Augen führen.

 

Auch an eine Behandlungspflicht für Ärzte (bei rein religiöser Indikation) glaube ich nicht. Denn diese Pflicht wird die Diskussion weiter am Kochen halten, weil es nur eine Frage der Zeit ist, bis Ärzte dagegen klagen. Wobei ja das Interesse der jüdischen Vertreter ohnehin dahin gehen wird, eine Regelung ähnlich wie in Schweden zu erhalten, um aufgrund einer Sondergenehmigung und ohne Medizinstudium einen entsprechenden Eingriff durchführen zu dürfen.

 

@ Enttäuscht

Dass auf von Seiten der Politik "unerwünschte" Rechtsprechung durch eine klarstellende Gesetzesänderung reagiert wird, halte ich nicht für problematisch. Wenn eine Regelungslücke in den bestehenden Gesetzen entdeckt wird, gehört die im parlamentarischen Verfahren geschlossen und nicht durch Richterrecht.

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I.S. schrieb:
Man kann aber auch den religiösen Hintergrund erst als Schuldausschließungsgrund sehen, was bedeuten würde, dass jede Beschneidung rechtlich eine rechtswidrige Tat bleibt, die nur nicht bestraft wird. Das wäre sicherlich nicht das, was sich die jüdischen (und muslimischen) Lobbyvertreter als Ergebnis wünschen würden.
Das würde sich auch jeder, der auch nur entfernt an Rechtsfrieden und Sicherheit interessiert ist, nicht wünschen: wenn eine Form der Körperverletzung "aus religiösen Gründen" straffrei bleiben soll, warum dann nicht eine andere auch? "Ich hab ihm die Fresse poliert, weil er meine Religion beleidigt hat, Herr Richter" - Freispruch???

I.S. schrieb:
Auch an eine Behandlungspflicht für Ärzte (bei rein religiöser Indikation) glaube ich nicht.
Ich auch nicht - es kann auch kein Arzt gezwungen werden, Abtreibungen vorzunehmen. Eine solche Anordnung könnte kein Arbeitgeber durchsetzen - nicht bei der herrschenden Medizinethik.

Auf einige Schwierigkeiten bei gesetzlicher Regelung weist dieser Artikel in der FR hin (Auszüge):

Doch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war vorsichtiger: „Man kann nicht einfach pauschal sagen: Jeder religiös motivierte Eingriff ist immer erlaubt“, sagte die FDP-Ministerin am Montag. Denn das könne Folgen haben, die bestimmt von niemandem gewollt seien. „Niemand möchte die Genitalverstümmelung von Mädchen in unser Gesetz aufnehmen.“

Das Ansinnen, "alles Religiöse wird erlaubt" hat ohnehin niemand geäußert. Aber wohl alle Politiker, die  bisher Stellung genommen haben, wollen eine Erlaubnis der Beschneidung auf männliche Kinder beschränkt sehen, wobei ausdrücklich auch solche Formen der weiblichen Beschneidung verboten bleiben sollen, die von der Eingriffsschwere her der männlichen Beschneidung gleichkommen.

Auch Familienministerin Kristina Schröder (CDU) forderte, die Verstümmlung von Frauen müsse rechtssicher ausgeschlossen werden. „Verantwortungsvoll durchgeführte Beschneidungen“ bei Jungen müssten hingegen möglich sein. Allerdings stelle die körperliche Unversehrtheit von Kindern ein sehr hohes Gut dar. Deshalb müsse man sich bei einer Gesetzesänderung zum Beispiel intensiv etwa mit der Frage der Betäubung beschäftigen, verlangte die CDU-Politikerin.

Die Narkose-Frage ist insofern heikel, weil das Narkose-Risiko insbesondere bei Neugeborenen als zu hoch eingeschätzt wird. Bislang jedenfalls werden die acht Tage alten Säuglinge nicht betäubt. Auch die älteren Kinder erhalten häufig keine Vollnarkose, wenn man den Berichten von beschnittenen Muslimen glauben darf, die sich teilweise noch sehr gut an die Operation erinnern.

Ähnlich zurückhaltend wie die Justizministerin äußerte sich auch ihre Vorgängerin Brigitte Zypries (SPD). „Ich warne vor einem gesetzlichen Schnellschuss“, sagte sie der Berliner Zeitung. Auch sie betonte, dass es sich bei dem Urteil um eine Einzelfallentscheidung ohne allgemeine rechtliche Wirkung handele. Die geltenden Regelungen erlaubten eine Beschneidung bei Jungen aus religösen Gründen. Werde dieser Einzelfall extra geregelt, könnte es mit Blick auf andere medizinische Eingriffe bei Kindern zu erheblichen rechtlichen Unwägbarkeiten kommen. Zypries schlug stattdessen einen von allen Fraktionen mitgetragenen Entschließungsantrag des Bundestags vor. Darin solle festgestellt werden, dass religiös begründete Beschneidungen bei Jungen auch weiterhin erlaubt seien.

In zwei Punkten bin ich skeptisch:.

1. Es ist ja gerade Gegenstand der Debatte, ob die Beschneidung aus religiösen nach geltendem Recht (welche "Regelungen" meint Zypries eigentlich?)  erlaubt oder verboten ist. Die Meinung der Ex-Justizministerin ist in dieser Debatte nur EINE Meinung.

2. Ob eine Resolution ein Gesetz ersetzen kann ("stattdessen"), wage ich ebenfalls zu bezweifeln. Möglicherweise kann die Bewertung der Beschneidung (bei Einwilligung der Sorgeberechtigten) als "gewohnheitsrechtlich gerechtfertigt" durch eien solche Resolution beeinflusst werden. Aber wenn die (knappe) Mehrheit der Bevölkerung anderer Auffassung ist, bleibt diese Bewertung mit Unsicherheit behaftet.

Henning Ernst Müller schrieb:

Auf einige Schwierigkeiten bei gesetzlicher Regelung weist dieser Artikel in der FR hin (Auszüge):

Doch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war vorsichtiger: „Man kann nicht einfach pauschal sagen: Jeder religiös motivierte Eingriff ist immer erlaubt“, sagte die FDP-Ministerin am Montag. Denn das könne Folgen haben, die bestimmt von niemandem gewollt seien. „Niemand möchte die Genitalverstümmelung von Mädchen in unser Gesetz aufnehmen.“

Das Ansinnen, "alles Religiöse wird erlaubt" hat ohnehin niemand geäußert. Aber wohl alle Politiker, die  bisher Stellung genommen haben, wollen eine Erlaubnis der Beschneidung auf männliche Kinder beschränkt sehen, wobei ausdrücklich auch solche Formen der weiblichen Beschneidung verboten bleiben sollen, die von der Eingriffsschwere her der männlichen Beschneidung gleichkommen.

 

 

Da würde mich aber interessieren wie das in Gesetzesform gegossen werden soll ohne mit dem Art 3 GG Abs. 1 zu kollidieren.

 

Ferner wie schon mal angemerkt ob so ein Gesetz nicht auch die Schleuse für andere Handlungen der Eltern im Rahmen der Religionsfreiheit öffnet vgl. 

Denn wie sieht es dann mit diversen anderen Dingen im Namen der
Religionsfreiheit aus, die weitaus weniger in die Rechte von Kindern
eingreifen?

Ich denke da z.B. an die Weigerung von muslimischen Eltern ihre
Tochter zum schulischen Schwimmunterricht zu schicken oder auch an
die Weigerung christlicher Eltern ihren Kindern die Teilnahme am
Biologieunterricht und der darin enhaltenen sexuellen Aufklärung zu
gestatten?

Hier gibt es zwar Urteile die diese Eltern zwingen dies zuzulassen,
nur stelle ich dann die Frage, wenn es den wegen der
Religionsfreiheit erlaubt sein soll in das Recht der körperlichen
Unversehrtheit eines Kindes einzugreifen, warum soll es bei
obengenannten Beispielen dann nicht erlaubt sein, in das Recht auf
Bildung oder die Schulpflicht des Kindes einzugreifen? Schließlich
dürfte von der Eingriffstiefe her die Beschneidung ein größerer
Eingriff sein, als das Nichtbesuchen des Biologieunterrichts oder die
Nichtteilnahme am schulischen Schwimmunterricht.

http://www.heise.de/tp/foren/S-Nicht-nur-das/forum-233294/msg-22127543/r...

 

Dürfte daher noch recht interessant werden....

 

bombjack

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Erlaubt es denn die Freiheit der Religionsausübung, auf die zur Zeit so laut gepocht wird, denn auch, nach Übertritt zum Zoroastrismus einen Turm des Schweigens zu errichten und seine Glaubensgenossen dort rituell zu bestatten? Da müssen solch profane Verwaltungsvorschriften wie die Bestattungsgesetze doch hinter den Grundrechten zurücktreten.

Nur zur Verdeutlichung, was dabei herauskommt, wenn man die "Religionsfreiheit" zu Ende denkt ...

Schweden hatte mit seinem Beschneidungsgesetz vor, die Sicherheit für die Kinder zu erhöhen und nur fachgerechte Beschneidungen ausführen zu lassen. Dieses Vorhaben ist trotz weitgehender Liberalisierung gescheitert:

http://en.wikipedia.org/wiki/Circumcision_and_law#Sweden

Zwei Drittel aller Beschneidungen fanden demnach in Schweden auch fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes weiterhin illegal statt.

Ein durchaus bedenkenswerter Aspekt, wenn es darum geht, die (angeblichen) Vorteile einer gesetzlichen Erlaubnis zu rechtfertigen.

Dieser Bericht von 2006 im Tagesspiegel suggeriert, es gäbe eine "behördliche Erlaubnis" zum Beschneiden - ist damit die ärztliche Approbation gemeint oder gab/gibt es daneben noch andere Genehmigungen zum Beschneiden? Gibt es Veröffentlichungen dieses/r Urteils/e?

Ausgang des Verfahrens: http://www.antenneduesseldorf.de/web/nachrichten/lokalnachrichten/index....

Vorgeschichte: http://www.phimose-info.de/meldungen-aus-deutschland/landgericht-dusseld...

dpa-Meldung (englisch): http://rawstory.com/news/2006/Germany_fines_circumciser_for_initi_101720...

 

Könnte bei Kindern , die eine eigene Meinung haben, und deshalb beschnitten wurden  auch § 228 StGB greifen ?

 

 

 

 

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Noch eine Meldung von Medizinern, die leider nicht mit Fakten untermauert wurde, um Juristen und Politiker Futter zugeben. 

 

Kinderärzte – "Körperverletzung wird bagatellisiert" 

 

Bei der anhaltenden Diskussion um Beschneidungen wird nach Ansicht der deutschen Kinderärzte die körperliche Unversehrtheit von Minderjährigen infrage gestellt. Die Debatte nehme fundamentalistische Züge an, und die Befürworter ritueller Beschneidungen "bagatellisieren diese Form der Körperverletzung". Das betonte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Köln.

Zugleich verwies Verbandspräsident Wolfram Hartmann auf "lebenslange körperliche und vor allem seelische Verletzungen". Für die Politik scheine der Rechtsfrieden "mehr zu zählen als das persönliche Trauma". 

 

http://www.welt.de/politik/deutschland/article108314004/Kinderaerzte-Koerperverletzung-wird-bagatellisiert.html 

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Schon am Donnerstag soll im Bundestag eine Resolution verabschiedet werden, heißt es in einer Pressemitteilung der "Neue Westfälische":

Alle Fraktionen im Bundestag mit Ausnahme der Linken wollen am Donnerstag im Bundestag eine Resolution zur Beschneidung einbringen, die den politischen Willen zum Ausdruck bringt, die religiös motivierte Beschneidung von Jungen straffrei zu halten. Wie die in Bielefeld erscheinende Neue Westfälische in ihrer Dienstagsausgabe berichtet, hätten sich laut Parlamentskreisen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Unions-Fraktionschef Volker Kauder bereits am Montagvormittag auf ein entsprechendes Vorgehen geeinigt. Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast soll ebenfalls Gespräche mit Kauder aufgenommen haben. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle appellierte an seine Fraktion, der Resolution am Donnerstag zuzustimmen. In dem Text soll die Bundesregierung aufgefordert werden schnellstmöglich ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das für Rechtssicherheit sorgt und Straffreiheit für Ärzte garantiert, die an jüdischen oder muslimischen Jungen die Beschneidung vornehmen.

Entgegen dem Ratschlag von Frau Zypries wird also diese Resolution nicht "statt" eines Gesetzes verabschiedet, sondern soll ein solches Gesetz offenbar beschleunigen.

Ein weiterer Grund, warum der Gesetzgeber vermutlich die Religionsausübung aus einem Gesetz / einer Gesetzesänderung heraushalten sollte, ist die Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Teil der Eltern eben nicht aus religiösen Gründen handelt, sondern dem Druck des sozialen Umfelds nachgibt.

Dies war bereits in den 1960er-Jahren so: "sie seien doch beschnitten? Nein? Dann müssten wir das sofort nach unserer Ankunft in Israel erledigen, denn sonst würden es die Kinder auf der Schule – unter der Dusche zum Beispiel – schwer haben." (Zitat des Angestellten im Zionistischen [!!!] Büro London, aus: Danke Vater, dass ich nicht beschnitten wurde! von Alan Posener) - und weiter: "Viel zu selten wird aber die psychologische Frage gestellt, ob denn Eltern, die unter dem Druck des Imams oder Rabbiners stehen, der Familie, der Nachbarn, der Jahrhunderte der Tradition – oder der Drohung mit "Schwierigkeiten", die ihre unbeschnittenen Söhne später in der Gemeinschaft der Beschnittenen bekommen könnten, wirklich von ihrer Religionsfreiheit Gebrauch machen, wenn sie ihr Kind genital verstümmeln lassen. Würden sie das auch ohne diesen Druck tun? Also wenn sie wirklich frei entscheiden könnten? Mein Vater jedenfalls entschied sich anders, und dafür bin ich ihm dankbar."

Eine 2006 durchgeführte Umfrage in Israel (Haaretz, englisch) ergab

that of 1,418 parents of boys, 4.8 percent did not have them circumcised. The reasons given: 1.6 percent were not Jews; 2 percent objected to disfiguring the body; and 1.2 percent refrained because the act is painful.

The survey also found that nearly a third of the parents would prefer to forgo circumcision but nevertheless have it done for social reasons ‏(16.6 percent‏), health reasons ‏(10.4 percent‏) and because it is important for the grandparents ‏(2.1 percent‏).

Wenn sogar in Israel ein Drittel der Beschneidungen nur wegen des sozialen Drucks auf die Eltern stattfindet, ist eine simple Berufung der Eltern auf Religionsfreiheit keinesfalls ausreichend, um das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit angemessen zu schützen.

Ich hoffe, ich gehe nicht zu weit wenn ich dass alles hier hineinkopiere.

In wíeweit das alles stimmt, könnte die Ärztekammer wohl sagen.

http://www.pflegewiki.de/wiki/Komplikationen_der_Beschneidung#Psychologische_Komplikationen_und_Folgen

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Psychologische Komplikationen und Folgen

Allgemein

Die Beschneidung birgt ein Risiko für bewusste oder unbewusste Operationstraumata und damit verbundende dauerhafte psychische Belastungen und Schäden.[72][73]
Chirurgische Eingriffe haben eine traumatische Wirkung auf Kinder. Dies gilt besonders für Eingriffe an psychisch hoch besetzten Körperteilen wie dem Penis, wenn diese mit dem Verlust eines Teils dieses Körperteils einhergehen.
Seitens Psychiater und Psychologen bestehen zunehmende Bedenken hinsichtlich der Beschneidung von Kindern und deren psychischen Negativfolgen.[74][75][76]
Die wenigen vorliegenden Untersuchungen über die psychischen Folgen der Zirkumzision, zeigen alle, dass die psychischen Folgen von Beschneidungen von Kindern, die zu jung sind die Auswirkungen dieses Eingriffes zu verstehen, signifikant sind.[76][74][75][77][78][79]

Alter des Kindes und Trauma der Zirkumzision

Die Zirkumzision wird vom Kind generell umso traumatischer aufgefasst, desto jünger es zum Zeitpunkt der Zirkumzision ist.

Posttraumatische Belastungsstörung und Zirkumzision von Kindern

Bereits 1945 stellte der Psychiater Daniel Levy in seiner Studie über die psychische Auswirkungen von Operation bei Kindern fest, dass viele Kinder infolge operativen Eingriffen einschließlich Beschneidungen an Kampfeurose –heute als Posttraumatische Belastungsstörung bezeichnet– nach operativen Eingriffen einschließlich Beschneidungen litten, und dass gerade Operationen am Penis ein besonders hohes Risiko für psychische Traumata bargen.[72]
Das Trauma der Genitaloperation kann langanhaltende psychologische Auswirkungen haben.[72][80]
So erklärt Menage, dass Behandlungen im Genitalbereich bei Kindern beiderlei Geschlechts zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (kurz: PTBS bzw. PTSD, im ICD-10 als F43.1 codiert) führen können. Entscheidende Faktoren für die Ausprägung einer PTBS sind nach Menage: (i) Gefühle der Machtlosigkeit und des Kontrollverlusts, (ii) fehlende Zustimmung, (iii) fehlende Information darüber, was während der Untersuchung geschehen soll, (iv) fehlendes Einfühlungsvermögen des untersuchenden Arztes und (v) die Erfahrung von physischem Schmerz. [81] Die Vermutung, dass ein Zusammenhang zwischen Beschneidung und dem Auftreten einer PTBS besteht, wird von Boyle et al. (2002) in ihrer Studie bestätigt.[82][75] In der besagten Studie wurden 1577 philippinische Jungen im Alter von 11 bis 16 Jahren vor und nach einer Beschneidung (die entweder mit oder ohne Lokalanästhetikum durchgeführt wurde) beobachtet. Vor dem Eingriff wurde sichergestellt, dass nur Jungen in die Studie aufgenommen wurden, die keine PTBS (nach DSM-IV) aufwiesen. Nach dem Eingriff wurde bei 50 %, der medizinisch (mit Betäubung) und 69 % der rituell (ohne Betäubung) beschnittenen Jungen eine PTBS nach DSM-IV Kriterien festgestellt.[82]
Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) stellt eine der schwersten psychischen Störungen überhaupt dar und kennzeichnet sich vor allem durch ein wiederkehrendes Durchleben des Traumas, die Abkapselung und den Verlust des Bezugs zur Umwelt sowie möglicherweise starke Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen, Gedächtnisverlust oder Symptome, die das Erlebte symbolisieren oder die traumatische Handlung ähneln.
In einer Studie von Gemmell and Boyle's (2001), stellten fest, dass sich die Zirkumzision auf vielfältige Weise negativ auf die Psyche auswirkt. Sie fanden heraus, dass im Vergleich mit genital intakten Männern, zirkumzidierte Männer häufiger unglücklich mit ihrer Zustand waren, und starke der Wut, Traurigkeit, empfanden und sich "unvollständig", "betrogen", "frustriert", "abnorm", und "missbraucht" fühlten. Sie stellten ebenfalls fest, dass beschnittene Männer ein geringeres Selbstwertgefühl hatten, als intakte Studienteilnehmer.[83]
Rhinehart (1999) erklärte, dass fast alle seiner beschnittenen Studienteilnehmer angaben, an psychologischen Problemen zu leiden. Diese Probleme beinhalteten "ein Gefühl der persönlichen Machtlosigkeit", "Angst überwältigt und viktimisiert zu werden", "fehlendes Vertrauen", "ein Gefühl der Verwundbarkeit gegenüber gewaltsamen Übergriffen", "Widerwille Beziehungen mit Frauen einzugehen", "geringes Selbstwertgefühl", "das Gefühl geschädigt worden zu sein", "das Gefühl verringerter Penisgröße", "Scham darüber nicht "Mithalten zu können"", "Wut und Gewalt gegenüber Frauen", "irrationale Wutreaktionen", "Suchtveralten und Abhängigkeiten", "Schwierigkeiten intime Beziehungen aufzubauen", "emotionale Abstumpfung", "das Bedürfnis nach intensivieren sexuellen Erfahrungen", "sexuelle Gefühllosigkeit", "verringerte Zärtlichkeit in der Intimität", "das Gefühl nicht verstanden zu werden".[76]
Selbst Beschneidungen, die an Jungen im Säuglingsalter-vor Beginn der verbalen Erinnerung- vorgenommen wurden, können Ursache psychischer Schäden einschließlich posttraumatische Belastungsstörungen sein.[76]

Ähnlichkeiten zu anderen Traumata

Die Zirkumzision kann vom Betroffenen als Missbrauch erlebt werden, und das Trauma der Beschneidung kann psychische Langzeitschäden verursachen wie sie gewöhnlich in Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch auftreten.[76]
Wie die beim sexuellen Missbrauch beobachtete Weitergabe von Missbrauchs-, Gewalt- und Krankheitsmustern an die nachfolgende Generation, lässt sich an der Zirkumzision, besonders aus ritueller Motivation beobachten.
Die unmittelbaren Auswirkungen der Zirkumzision auf ein Kind sind sehr unterschiedlich. Als erschwerende Umstände, welche die Folgen des Beschneidungstraumas erschweren können, zählen unter anderem geringes Alter zum Zeitpunkt des Eingriffs und die mangelnde Fähigkeit, zu verstehen, was mit einem geschieht, fehlende Aufklärung des Kindes vor der Zirkumzision, mangelnde Unterstützung im familiären Umfeld des Kindes nach der Zirkumzision, als auch geringes Alter zum Zeitpunkt des Eingriffs und die mangelnde Fähigkeit, zu verstehen, was mit dem eigenen Körper gemacht wird,[84]
Ähnlich wie Kinder, die Opfer sexuellen Missbrauchs wurden, können beschnittene Kinder Angststörungen, Depressionen, Störungen der allgemeinen Entwicklung, ein geringes Selbstwertgefühl sowie Verhaltensstörungen entwickeln.
Untersuchungen haben gezeigt, dass schwere Traumata in der Kindheit wie etwa die Beschneidung psychische Störungen wie unter anderem dissoziativen Identitätsstörungen, Essstörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörungen und insbesondere Posttraumatische Belastungsstörungen verursachen können. Dies bedeutet nicht, dass jeder, der in der Kindheit beschnitten wurde, eine dieser Störungen entwickeln muss. Es liegt lediglich ein statistischer Zusammenhang vor, der besagt, dass schwere Traumata in der Kindheit, wie etwa Genitaloperationen einschließlich der Zirkumzision, eine dieser Störungen verursachen können.[85][86]

Andere Folgen

Nicht zu vernachlässigen sind auch die möglichen Auswirkungen des Beschneidungstraumas auf das soziale Umfeld des Betroffenen. So können insbesondere, aber nicht ausschließlich, Liebesbeziehungen (nicht zuletzt wegen möglicher sexueller Störungen) stark beeinträchtigt werden.[87] Auch Probleme im Arbeitsleben als Folge von Konzentrationsstörungen im Kontext eines posttraumatischen Belastungssyndroms sind häufig anzutreffen.
Als mögliche Folgen des Genitaltraumatas gelten außerdem:

 

  • Integrationsstörung: Jeder Mensch ist darauf angewiesen das, was ihm widerfährt, irgendwie gedanklich einzuordnen und zu verarbeiten. Einem sexuell unreifen Kind sind die Handlungen der Erwachsenen und des Arztes bei der Zirkumzision unverständlich: Es versteht die Welt nicht mehr und kann das Geschehen in seine Welt und seine Geschichte nicht integrieren. Verstärkend kommt hinzu, dass immer noch häufig vollkommen gesunde Kinder beschnitten werden, weil sie eine physiologische Phimose, d. h. eine entwicklungsbedingt nichtzurückziehbare Vorhaut haben, die vom Arzt fälschlich als Krankheit und Indikation zur Zirkumzision erachtet wird. In diesen Fällen Kind ist beim aufgrund nicht vorhandener Krankheit auch kein Leidensdruck vorhanden, sodass es nicht versteht, warum es an seinem Genital operiert werden muss. Es versteht die Welt nicht mehr und kann das Geschehen in seine Welt und seine Geschichte nicht integrieren.
  • Vertrauensbruch: Ein Kind lebt gewissermaßen davon, dass es seinen Eltern Vertrauen entgegenbringt. Dieses Vertrauen ist für das Kind die einzige Quelle von Sicherheit in einer ansonsten durchaus unsicheren und gefährlichen Welt. Wird dieses Vertrauen von den Eltern durch die für das Kind schwer nachvollziehbare Operation an seinem Penis verraten, so kann für das Kind die Basis jeglicher Sicherheit zerbrechen.
  • Unausweichbarkeit: Ein Erwachsener kann sich, auch wenn die Situation noch unangenehm ist, zumindest psychisch distanzieren („das bin nicht ich“, „das ist nicht meine Welt“). Das Kind ist dazu jedoch nicht in der Lage. Es kennt nur die eine Welt, die seiner Familie. In dieser Welt wurde es aus Perspektive "verraten" und missbraucht und hat keine Ausweichmöglichkeit.

 

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http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/beschneidung-gesetzentwurf-bis-zum-herbst-11823355.html

 

Voraussichtlich bis zum Herbst soll die Bundesregierung den Entwurf für ein Gesetz vorlegen, das die Zulässigkeit von Beschneidungen sicherstellt. Welcher Weg dabei eingeschlagen werden soll, wird bereits diskutiert. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), deren Haus derzeit verschiedene Möglichkeiten prüft, mahnte jedoch zur Geduld – mit einem „Schnellschuss“ sei niemandem gedient, ein Gesetz bedürfe „intensiver Vorbereitung“.

Das Justizministerium kündigte an, in seine Überlegungen einen Vorschlag von Serkan Tören einzubeziehen. Der FDP-Abgeordnete schlägt vor, die Zirkumzision im neuen Patientenrechtegesetz zu regeln, und stützt sich dabei auf das Argument, dass der Bundestag im Herbst ohnehin mit dem vom Kabinett beschlossenen Patientenrechtegesetz befasst sein wird. In einem Brief an die Ministerin wandte sich Tören dagegen, Beschneidungen im Strafgesetzbuch oder nach schwedischen Vorbild durch ein Spezialgesetz zu regeln. Im einen Fall würde die Beschneidung in die Nähe von Straftaten gerückt, im anderen Fall über das notwendige Maß hinaus reglementiert.

Ein weiterer Vorschlag stammt vom Göttinger Staatskirchenrechtler Hans Michael Heinig, der die Sache im Unterschied zur Justizministerin für eine „vergleichbar einfache Frage“ hält, bei der auch „Schnellschüsse“ durchaus zum Ziel führen könnten. Es genüge die Einfügung eines Paragraphen 3a in das Gesetz über die religiöse Kindererziehung, das aus zwei Sätzen besteht: „Die elterliche Sorgeberechtigung in religiösen Angelegenheiten umfasst auch die Einwilligung in eine von medizinisch qualifiziertem Personal de lege artis durchgeführte Zirkumzision, wenn eine solche nach dem religiösen Selbstverständnis der Sorgeberechtigten zwingend geboten ist. Im Falle einer Vormundschaft oder Pflegschaft findet § 3 Abs. 2 Anwendung.“

Damit, so Heinig, wäre gewährleistet, dass nicht nur, wie im Islam üblich, Ärzte den Eingriff ausführen dürfen, sondern auch ein jüdischer Beschneider. Denkbar sei, dass sich dieser sogenannte Mohel von einer Ärztekammer zertifizieren ließe. Heinig rät davon ab, sich im Gesetzestext mit der Frage der Betäubung zu beschäftigen, wie Familienministerin Kristina Schröder (CDU) gefordert hat. Man solle vielmehr darauf setzen, dass sich eine Lehrmeinung in der Medizin ausbilde, was „de lege artis“ bei einer Beschneidung meine. Über Gutachten könnte diese dann in die Rechtssprechung einfließen.

Den Vorteil gegenüber der von Tören vorgeschlagenen Regelung im Patientenrechtegesetz erkennt Heinig darin, dass es bei der Beschneidung weniger um die Regelung des Verhältnisses zwischen Arzt und Patienten gehe, sondern vor allem um die Reichweite des elterlichen Sorgerechts.

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Ein weiterer Vorschlag stammt vom Göttinger Staatskirchenrechtler Hans Michael Heinig, der die Sache im Unterschied zur Justizministerin für eine „vergleichbar einfache Frage“ hält, bei der auch „Schnellschüsse“ durchaus zum Ziel führen könnten. Es genüge die Einfügung eines Paragraphen 3a in das Gesetz über die religiöse Kindererziehung, das aus zwei Sätzen besteht: „Die elterliche Sorgeberechtigung in religiösen Angelegenheiten umfasst auch die Einwilligung in eine von medizinisch qualifiziertem Personal de lege artis durchgeführte Zirkumzision, wenn eine solche nach dem religiösen Selbstverständnis der Sorgeberechtigten zwingend geboten ist. Im Falle einer Vormundschaft oder Pflegschaft findet § 3 Abs. 2 Anwendung.“

Man merkt, dass Staatskirchenrecht wenig mit Verfassungsrecht zu tun hat: wenn das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in seinem Wesensgehalt erhalten werden soll, dann müssen die Eltern bei solch einer Formulierung nachweisen, dass ihr religiöses Selbstverständnis so weit geht, dass die Beschneidung zwingend (!!!) geboten ist - Vorhang auf für die Gewissensprüfung! Will Heinig wirklich solch eine "hochnotpeinliche Befragung" (wieder) einführen?

Damit, so Heinig, wäre gewährleistet, dass nicht nur, wie im Islam üblich, Ärzte den Eingriff ausführen dürfen, sondern auch ein jüdischer Beschneider. Denkbar sei, dass sich dieser sogenannte Mohel von einer Ärztekammer zertifizieren ließe. Heinig rät davon ab, sich im Gesetzestext mit der Frage der Betäubung zu beschäftigen, wie Familienministerin Kristina Schröder (CDU) gefordert hat. Man solle vielmehr darauf setzen, dass sich eine Lehrmeinung in der Medizin ausbilde, was „de lege artis“ bei einer Beschneidung meine. Über Gutachten könnte diese dann in die Rechtssprechung einfließen.

Es wäre wirklich hilfreich, wenn sich vermeintliche "Experten" zuerst über die tatsächliche Situation erkundigen würden und sich dann erst öffentlich äußern. Hätte Heinig das getan, dann wüsste er, dass es bereits Behandlungsleitlinien (PDF) gibt, die festlegen, was lege artis ist. Zitat:

Die Operation erfolgt in Allgemeinanästhesie, ergänzt durch eine Leitungsanästhesie ...

Eine Anästhesie, insbesondere eine Allgemeinanästhesie (= Narkose!) darf jedoch in Deutschland ausschließlich durch einen approbierten Arzt verabreicht werden! (Es spritzt immer der Zahnarzt, nie die Assistentin - auch wenn sie es könnte! Auch ein Rettungssanitäter macht sich strafbar, wenn er ohne ärztliche Anordnung Schmerzmittel gibt, egal wie sehr der Notfallpatient schreit)

Das Gesetzgebungsverfahren kann ja heiter werden, wenn es schon so losgeht ...

"Ich hab’ allein dreyhundert Jahre

Tagtäglich drüber nachgedacht,
Wie man am besten Doctores Juris
Und gar die kleinen Flöhe macht."

(Heinrich Heine - Schöpfungslieder)

 

 

Vielleicht hilft es, dem Zentralvorstand Europäischer Rabbiner die Frage zu stellen, welchen Zeitraum G'tt unter einem Tag versteht ? Ja - ich weiß, klingt blasphemisch, aber ich habe mal von einem Kreationisten gelesen, der auf den Einwand, daß der HErr unmöglich innerhalb einer Woche die ganze Schöpfung fix und fertig geschöpft haben kann, entgegnete, daß ja in der Genesis vom  "Gottestag" die Rede sei, und ob der mit dem menschlichen 24-Stundentag unter Berücksichtigung der ver.di-Vorgaben übereinstimme, wisse allein Gott. Es könnten auch Lichtjahre im heutigen Sprachgebrauch gewesen sein.

 

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eine Frage an die Profis hier:

Ich habe mir das Urteil des OLG Frankfurt AZ 4W/12/07 angesehen. Im Zivilverfahren wurde einem Beschneidungsopfer da wohl ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR anerkannt. Hätte das Opfer auch "Spätschäden" vorgetragen und glaubhaft machen können, wären wohl noch weit höhere Ansprüche denkbar.

Folgender fiktiver Sachverhalt:

Ein z.B. heute 16-jähriger türkischer Junge wurde mit zwölf Jahren gegen seinen Willen, auf Drängen und mit Einwilligung seiner Eltern von einem hier ansässigen Arzt oder Krankenhaus aus religiösen Motiven ohne medizinisch e Indikation beschnitten.

Heute leidet er sehr darunter, er hat schmerzhafte Verwachsungen, große Angst vor sexuellem Verkehr, und eine festgestellte und diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung durch den damaligen Eingriff.

Erst durch das Urteil und die riesige Medienresonanz ist ihm bewusst geworden dass ihm damals Unrecht angetan wurde.

Kann er einen Anspruch auf Entschädigung stellen? Wenn ja, gegen wen, woraus, weshalb?

 

Wie verhält sich der Fall wenn der Junge nach öffentlichem Bekanntwerden des Urteils beschnitten wurde.

Könnte jeder, der nun in der Zeit zwischen Bekanntwerden des Urteils und einer eventuellen gesetzlichen Regelung beschnitten wurde, zivilrechtliche Ansprüche geltend machen?

Könnte eventuell auch gegen die Bundesrepublik Deutschland geklagt werden, weil sie ihrer Schutzpflicht nicht nachgekommen ist?

Kann es sein dass darin die signifikante Eile der Bundesregierung liegt, möglichst bald "Rechtssicherheit" zu erlangen?

(in meinem zweiten Leben studier ich Jura, Elektrotechnik ist nicht so spannend ;) )

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich glaube nicht, dass der Junge über das Opferentschädigungsgesetz Zahlungen bekommen kann, da  wohl keine extreme Gewalt vorhanden war und die Folgen wohl nicht schlimm genug sind. ( Grad
der Schädigungsfolgen   ? )

Es ist ohnehin ein langer Weg nach OEG beim Versorgungsamt , der häufig bis zu 10 Jahre dauert, um Entschädigungszahlungen oder Renten zu erhalten.

Posttraumatische Belastungsstörungen oder andere psychische  Folgen anerkannt zu bekommen, ist extrem schwierig.

Aber die Fachleute hier wissen es bestimmt besser.

 

http://www.gesetze-im-internet.de/oeg/BJNR011810976.html 

 

 

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Sehr geehrter Herr Wein 

 

Interessant ist das folgende Urteil.

 

Eine ungenügende ärztliche Aufklärung besonders bei Schönheitsoperationen kann einen Anspruch auf staatliche Opferentschädigung nach sich ziehen. Das entschied am  das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Es erkannte damit erstmals einen ärztlichen Kunstfehler als Fall für das Opferentschädigungsgesetz an. (Az: B 9 VG 1/09 R)

 

http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/41019/ 

 

Somit könnte meiner Meinung nach auch eine ungenügende Aufklärung für eine Beschneidung mit deren möglichen Folgen, doch nach OEG anerkannt werden.

Das wäre wohl ein Präsidenzfall, der durchgekämpft werden müßte.

 

 

 

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Einige Erwägungen zur Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, das die Beschneidung von männlichen Kindern erlaubt.

Es ist strikt zu differenzieren zwischen der Frage, ob das Urteil des LG Köln (auf Grundlage des geltenden Rechts) richtig ist - das ist m. E. so, und der Frage, ob die derzeit diskutierte gesetzliche Regelung einer ausdrücklichen Erluabnis der Beschneidung verfassungsgemäß sein kann bzw. sein wird.

Die Schutzpflicht des Staates (hinsichtlich der Unversehrtheit der betr. Kinder) gebietet nicht notwendig eine strafrechtliche Reaktion. Der Gesetzgeber ist relativ frei darin, Strafrechtsnormen aufzustellen oder von strafrechtlichen Reaktionen - auch bereichsweise - abzusehen. So gibt es eine Reihe von Beispielen dafür, dass enorm gefährliche und schädliche Verhaltensweisen erlaubt sind (zB der Umgang mit der Droge Alkohol), andere, weniger oder gleich gefährliche dagegen mit harter Konsequenz strafrechtlich verfolgt werden (zB. Umgang mit der Droge Cannabis). Insofern gilt ein Gleichheitsgebot in der strafrechtlichen Reaktion nur ganz eingeschränkt.

Übertragen auf die hier diskutierte Frage bedeutet das: Auch wenn man de lege lata eine Strafbarkeit annimmt, heißt dies nicht, dass die Strafbarkeit der Zirkumzision bei nicht einwilligungsfähigen Kindern verfassungsrechtlich geboten ist. Der Gesetzgeber kann  bestimmte Praktiken auch ausdrücklich vom Strafrecht frei stellen. Natürlich kann und muss darüber diskutiert werden, in welcher Weise genau das geschieht und sinnvoll ist - aber dies sind meist keine verfassungsrechtlichen Fragen mehr.

Bei der Frage: Ist ein strafrechtliches Verbot sinnvoll? - dürfen (und sollten) auch Überlegungen einbezogen werden wie etwa die, dass ein Verbot möglicherweise nicht zu einem Schutz der Säuglinge und Kleinkinder führt, sondern dazu, dass diese in großer Zahl medizinisch unkontrolliert beschnitten werden könnten. Insofern sind nicht allein rechtsdogmatische, sondern auch kriminologisch-empirische/praktische Erwägungen angezeigt.
So würde ja auch ein Verbot der enorm schädlichen Droge Alkohol wahrscheinlich eher schaden als nützen. Das Vorbild ist hier die Abtreibungsdebatte. Und insofern kann durchaus auch differenziert werden zwischen weiblicher und männlicher Beschneidung, wenn man nämlich annimmt, dass das strikte Verbot der weiblichen Beschneidung geeignet ist, einen relativen Schutz (in Deutschland) durchzusetzen, dies aber nicht gleichermaßen für ein Verbot der männlichen Beschneidung gelten würde.

Bei der Abwägung schließlich, ob die Schutzpflicht eine Eindämmung der Beschneidungs-Praxis auf anderen rechtlichen oder tatsächlichen Wegen (Zivilrecht, Aufklärungskampagnen) gebietet, muss dann einbezogen werden, welchen tatsächlichen  "Schaden" sie verursacht. Und hierzu besteht - objektiv gesehen - offenbar innerhalb der medizinischen Welt keine Einigkeit: Die einen meinen, die Beschneidung sei eher vorteilhaft und könne/solle daher (wie etwa in den USA lange praktiziert) als "Routinemaßnahme"  bei allen männlichen Neugeborenen durchgeführt werden. Die anderen weisen auf die (relativ hohe) Komplikationsrate hin und auf sonstige Beeinträchtigungen. In diesem (vorläufigen?) "Unentschieden" ist der Gesetzgeber nicht zu einem gesetzlichen Schutz gezwungen. Eine Schutzpflicht (aber nicht notwendig strafrechtlich auszufüllende) wird insofern erst dann stärker zu berücksichtigen sein, wenn medizinisch relative Einigkeit über den Schaden der Zirkumzision erzielt würde.

Im Ergebnis hätte eine bereichsspezifische Erlaubnis  der Beschneidung (bzw. Ausnahme vom Strafrecht) m. E. derzeit wohl gute Chancen auf verfassungsrechtliche Anerkennung.

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Im Ergebnis hätte eine bereichsspezifische Erlaubnis  der Beschneidung (bzw. Ausnahme vom Strafrecht) m. E. derzeit gute Chancen auf verfassungsrechtliche Anerkennung.

Ergo: die auch von Deutschland ratifizierte UN-Kinderrechtskonvention ist das Papier nicht wert, auf der sie steht?

Art. 19 (1): Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung oder Misshandlung, vor Verwahrlosung Oder Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschließlich des sexuellen Mißbrauchs zu schützen, solange es sich in der Obhut der Eltern oder eines Elternteils, eines Vormunds oder anderen gesetzlichen Vertreters oder einer anderen Person befindet, die das Kind betreut.

Henning Ernst Müller schrieb:
Bei der Abwägung schließlich, ob die Schutzpflicht eine Eindämmung der Beschneidungs-Praxis auf anderen rechtlichen oder tatsächlichen Wegen (Zivilrecht, Aufklärungskampagnen) gebietet, muss dann einbezogen werden, welchen tatsächlichen  "Schaden" sie verursacht. Und hierzu besteht - objektiv gesehen - offenbar innerhalb der medizinischen Welt keine Einigkeit
Das ist objektiv völlig falsch: keine Ärzteorganisation der Welt empfiehlt die Beschneidung von nicht einwilligungsfähigen Minderjährigen, außer zur Therapie akuter, nach medizinischen Leitlinien diagnostizierten und eingegrenzten Krankheiten bzw, krankhaften Veränderungen. Keine Fachgesellschaft der Welt empfiehlt eine nichttherapeutische Zirkumzision bei Minderjährigen! Vor allem deswegen, weil die möglichen Vorteile durch die Komplikationen mehr als ausgeglichen, also ins Negative gezogen werden.

In Deutschland besteht Einigkeit:

- Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie: "Nur die elterliche Einwilligung zu einer Operation, die dem Kind nach Abschätzen des Nutzen und des Risikos medizinisch zum Wohle gereicht, ist rechtswirksam ... Dabei geht es in keinem Falle um die Diskriminierung von Religionsgemeinschaften, die die Zirkumzision bei nicht einwilligungsfähigen Knaben regelhaft praktizieren, sondern vielmehr um ärztliche Ethik."

- Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte: "Bei der aktuellen Diskussion ... müssen das Kindeswohl und das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit an erster Stelle stehen ... die Befürworter der Beschneidung bagatellisieren diese Form der Körperverletzung, bei der es auch zu lebenslangen körperlichen und vor allem seelischen Verletzungen kommen kann."

Der Schaden besteht in der irreversiblen Körperverletzung - Verletzung eines Grundrechts. (Daneben erhöht die Beschneidung im Alter bis zu 3 Jahren das Risiko für eine Entzündung um das achtfache: http://cpj.sagepub.com/content/46/4/329.abstract).

Henning Ernst Müller schrieb:
insofern kann durchaus auch differenziert werden zwischen weiblicher und männlicher Beschneidung, wenn man nämlich annimmt, dass das strikte Verbot der weiblichen Beschneidung geeignet ist, einen relativen Schutz (in Deutschland) durchzusetzen, dies aber nicht gleichermaßen für ein Verbot der männlichen Beschneidung gelten würde
und das ist die eigentliche Bankrotterklärung des Rechtsstaates:

Wenn eine krass menschenrechtswidrige Praxis nur mit genügend Nachdruck und Sturheit unter dem Mantel der Tradition und Religion auch trotz Strafbarkeit weiterverfolgt wird nach dem Motto "beschließt was ihr wollt, wir verstümmeln weiterhin kleine Kinder", dann knickt der Staat ein und gibt ein Grundrecht preis.

Es ist in Zukunft wohl besser, als Pferd wiedergeboren zu werden - dann bleibt einem die Brandmarkung wenigstens demnächst erspart.

Henning Ernst Müller schrieb:
So gibt es eine Reihe von Beispielen dafür, dass enorm gefährliche und schädliche Verhaltensweisen erlaubt sind (zB der Umgang mit der Droge Alkohol), andere, weniger oder gleich gefährliche dagegen mit harter Konsequenz strafrechtlich verfolgt werden (zB. Umgang mit der Droge Cannabis). Insofern gilt ein Gleichheitsgebot in der strafrechtlichen Reaktion nur ganz eingeschränkt.
Hier gibt es m.E. gravierende Unterschiede:

- beim (nicht zugelassenen) Handel mit unter das BtmG fallenden Drogen wird kein Grundrecht eines anderen direkt verletzt, auch schädigt der Handel niemanden direkt an Leib und Leben (der einzige direkte Schaden sind entgangene Einnahmen, die der Staat aus einer Cannabissteuer erhalten könnte)

- eine Selbstschädigung lässt der Staat sowohl bei Alkohol wie auch bei Cannabis straffrei zu

Henning Ernst Müller schrieb:
Der Gesetzgeber kann  bestimmte Praktiken auch ausdrücklich vom Strafrecht frei stellen.

Welche Fremdschädigung an Leben oder Leib lässt denn der Gesetzgeber ausdrücklich straffrei zu? Die einzige, die mir einfällt, ist der Schwangerschaftsabbruch, und da hat das BVerfG (BVerfGE 39, 1) dem Gesetzgeber deutliche Schutzpflichten aufgetragen - wenn man das auf Körperverletzung überträgt, liest sich das so:

"Der Gesetzgeber kann die grundgesetzlich gebotene rechtliche Missbilligung der Körperverletzung auch auf andere Weise zum Ausdruck bringen als mit dem Mittel der Strafdrohung. Entscheidend ist, ob die Gesamtheit der dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit dienenden Maßnahmen einen der Bedeutung des zu sichernden Rechtsgutes entsprechenden tatsächlichen Schutz gewährleistet. Im äußersten Falle, wenn der von der Verfassung gebotene Schutz auf keine andere Weise erreicht werden kann, ist der Gesetzgeber verpflichtet, zur Sicherung des unversehrten Körpers das Mittel des Strafrechts einzusetzen. [...]

Wenn der Staat durch eine wertentscheidende Grundsatznorm verpflichtet ist, ein besonders wichtiges Rechtsgut auch gegen Angriffe Dritter wirksam zu schützen, so werden oft Maßnahmen unvermeidlich sein, durch welche die Freiheitsbereiche anderer Grundrechtsträger tangiert werden. Insofern ist die Rechtslage beim Einsatz sozialrechtlicher oder zivilrechtlicher Mittel grundsätzlich nicht anders als bei dem Erlaß einer Strafnorm. Unterschiede bestehen allenfalls hinsichtlich der Stärke des erforderlichen Eingriffes. Allerdings muß der Gesetzgeber den hierbei entstehenden Konflikt durch eine Abwägung der beiden einander gegenüberstehenden Grundwerte oder Freiheitsbereiche nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Beachtung des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lösen. Würde man die Pflicht generell verneinen, auch das Mittel des Strafrechts einzusetzen, so würde der zu gewährende Schutz (Original: Lebensschutz) wesentlich eingeschränkt.

Zum Thema rechtswidriges Handeln trotz Strafandrohung hat das BVerfG dem Gesetzgeber anlässlich des Schwangerschaftsabbruchs ins Stammbuch geschrieben:

"Hiergegen wird eingewandt, unbeeinflußbare Frauen verständen es erfahrungsgemäß zumeist, sich der Strafe zu entziehen, so daß die Strafandrohung ohnehin weitgehend leerlaufe. Außerdem stehe der Gesetzgeber vor dem Dilemma, daß sich präventive Beratung und repressive Strafdrohung in ihrer lebensschützenden Wirkung notwendig teilweise ausschlössen: Die Strafandrohung der Indikationenlösung vermöge zwar durch ihre Abschreckungswirkung in einem nicht genau feststellbaren Umfang unmotivierte Schwangerschaftsabbrüche zu verhindern. Zugleich verhindere aber die Strafandrohung, daß durch Beratung beeinflußbarer Frauen in anderen Fällen Leben gerettet würde; denn gerade Frauen, bei denen die Voraussetzungen einer Indikation fehlten, und darüber hinaus auch solche, die dem Ausgang eines Indikationsfeststellungsverfahrens nicht trauten, würden ihre Schwangerschaft angesichts der Strafandrohung vorsorglich geheimhalten und sich daher weithin einer helfenden Beeinflussung durch Umgebung und Beratungsstellen entziehen. Von dieser Einsicht her könne es einen lückenlosen Schutz ungeborenen Lebens nicht geben. Der Gesetzgeber habe keine andere Wahl als Leben gegen Leben abzuwägen, nämlich das Leben, das durch eine bestimmte Regelung der Abtreibungsfrage voraussichtlich gerettet werden könne, gegen das Leben, das durch ebendieselbe Regelung voraussichtlich geopfert werde; denn auch die Strafdrohung schütze nicht nur, sondern vernichte zugleich ungeborenes Leben. Da keine Lösung dem Schutz individuellen Lebens eindeutig besser diene, habe der Gesetzgeber mit der Fristenregelung die ihm verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen nicht überschritten.

Diese Auffassung wird zunächst dem Wesen und der Funktion des Strafrechts nicht gerecht. Die Strafnorm richtet sich grundsätzlich an alle Rechtsunterworfenen und verpflichtet sie in gleicher Weise. Zwar gelingt es den Strafverfolgungsbehörden praktisch nie, alle Täter, die gegen das Strafgesetz verstoßen, einer Bestrafung zuzuführen. Die Dunkelziffern sind bei den verschiedenen Strafdelikten verschieden hoch. Unbestritten sind sie bei Abtreibungstaten besonders erheblich. Indessen darf darüber die generalpräventive Funktion des Strafrechts nicht vergessen werden. Sieht man die Aufgabe des Strafrechts in dem Schutz besonders wichtiger Rechtsgüter und elementarer Werte der Gemeinschaft, so kommt gerade dieser Funktion eine hohe Bedeutung zu. Ebenso wichtig wie die sichtbare Reaktion im Einzelfall ist die Fernwirkung einer Strafnorm, die in ihrem prinzipiellen normativen Inhalt ("die Abtreibung ist strafbar") nunmehr seit sehr langer Zeit besteht. Schon die bloße Existenz einer solchen Strafandrohung hat Einfluß auf die Wertvorstellungen und die Verhaltensweisen der Bevölkerung. Das Wissen um die Rechtsfolgen im Falle ihrer Übertretung bildet eine Schwelle, vor deren Überschreitung viele zurückschrecken. Diese Wirkung wird ins Gegenteil verkehrt, wenn durch eine generelle Aufhebung der Strafbarkeit auch zweifellos strafwürdiges Verhalten für rechtlich einwandfrei erklärt wird. Dies muß die in der Bevölkerung herrschenden Auffassungen von "Recht" und "Unrecht" verwirren. Die rein theoretische Verlautbarung, der Schwangerschaftsabbruch werde "toleriert", aber nicht "gebilligt", muß wirkungslos bleiben, solange keine rechtliche Sanktion erkennbar ist, die die gerechtfertigten Fälle des Schwangerschaftsabbruchs von den verwerflichen klar scheidet. Entfällt die Drohung mit Strafe ganz allgemein, so wird notwendig im Bewußtsein der Staatsbürger der Eindruck entstehen, in allen Fällen sei der Schwangerschaftsabbruch rechtlich erlaubt und darum auch sozialethisch nicht mehr zu mißbilligen. Der "gefährliche Schluß von der rechtlichen Sanktionslosigkeit auf das moralische Erlaubtsein" (Engisch, Auf der Suche nach der Gerechtigkeit, 1971, S. 104) liegt zu nahe, als daß er nicht von einer großen Anzahl Rechtsunterworfener gezogen würde.

...

Die leidenschaftliche Diskussion der Abtreibungsproblematik mag Anlaß zu der Befürchtung geben, daß in einem Teil der Bevölkerung der Wert des ungeborenen Lebens nicht mehr voll erkannt wird. Das gibt jedoch dem Gesetzgeber nicht das Recht zur Resignation. Er muß vielmehr den ernsthaften Versuch unternehmen, durch eine Differenzierung der Strafandrohung einen wirksameren Lebensschutz und eine Regelung zu erreichen, die auch vom allgemeinen Rechtsbewußtsein getragen wird. "

Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Maßstäbe angesichts der de facto nicht vorhandenen Beeinträchtigungen bezüglich der religiösen Erziehung der Kinder (siehe den Artikel in Haaretz) nicht verschoben haben.

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

mit diesem Abschnitt aus Ihrem Posting vom 18.07. habe ich immer noch große Probleme:

Henning Ernst Müller schrieb:
Bei der Abwägung schließlich, ob die Schutzpflicht eine Eindämmung der Beschneidungs-Praxis auf anderen rechtlichen oder tatsächlichen Wegen (Zivilrecht, Aufklärungskampagnen) gebietet, muss dann einbezogen werden, welchen tatsächlichen  "Schaden" sie verursacht. Und hierzu besteht - objektiv gesehen - offenbar innerhalb der medizinischen Welt keine Einigkeit: Die einen meinen, die Beschneidung sei eher vorteilhaft und könne/solle daher (wie etwa in den USA lange praktiziert) als "Routinemaßnahme"  bei allen männlichen Neugeborenen durchgeführt werden. Die anderen weisen auf die (relativ hohe) Komplikationsrate hin und auf sonstige Beeinträchtigungen. In diesem (vorläufigen?) "Unentschieden" ist der Gesetzgeber nicht zu einem gesetzlichen Schutz gezwungen. Eine Schutzpflicht (aber nicht notwendig strafrechtlich auszufüllende) wird insofern erst dann stärker zu berücksichtigen sein, wenn medizinisch relative Einigkeit über den Schaden der Zirkumzision erzielt würde.

Abgesehen davon, dass in der medizinischen Welt mittlerweile Einigkeit darüber herrscht, dass es keine die immensen Nachteile und Gefahren überwiegenden Vorteile einer routinemäßigen Beschneidung im Kindesalter gibt und folgereichtig auch keine Ärzteorganisation der Welt diese empfiehlt, ...

... stellen sich mir bei der Vorstellung bzw. Behauptung, bei der Amputation eines gesunden Körperteils, der sowohl eine physiologische Funktion hat als auch für das sexuelle Erleben wichtig ist, werde kein oder nur ein geringer "tatsächlicher Schaden verursacht", alle Nackenhaare auf.

Es ist ja im Rahmen der Körperverletzung selbst das gewaltsame Abschneiden der Haare gegen den Willen des Betroffenen strafbewehrt, obwohl diese nachwachsen! Auch durch Prügel zugefügte Prellungen oder Blutergüsse, die ohne körperliche Folgeschäden ausheilen, werden als Verletzung der körperlichen Unversehrtheit gewertet und sind strafbar.

Wenn schon solche reversiblen Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens und der Unversehrtheit als Körperverletzung strafbewehrt sind (und aus gutem Grund bleiben sollen und müssen, wenn man nicht das Faustrecht wieder einführen will), dann kann eine irreversible Amputation eines gesunden Körperteils keinesfalls straffrei gestellt werden. Denn das Recht auf körperliche Unversehrtheit schließt den gesamten Körper ein und umfasst sogar anatomisch-funktionell mittlerweile überflüssige Teile wie Ohrläppchen oder den kleinen Zeh (man stelle sich eine routinemäßige Amputation der kleinen Zehen bei Säuglingen oder Kleinkindern vor mit dem Argument, das sei gut zur Fußpilzprophylaxe und erleichtere das Sauberhalten der Füße, außerdem würde man damit im Erwachsenenalter sowieso dauernd schmerzhaft irgendwo anstoßen bis hin zum Zehenbruch und schließlich komme man bequemer in schmale Schuhe).

Lässt man den ganzen kulturell-religiösen Ballast nämlich einmal beiseite und betrachtet die Zirkumzision rein von den medzinisch-physiologischen Folgen für den Körper, dann können sogar die Kriterien für schwere Körperverletzung nach § 226 StGB erfüllt sein (dauerhafte Entstellung mit starker psychischer Belastung für das Opfer).

Es kann schlechterdings nicht sein, dass zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit das Zufügen von folgenlos ausheilenden Blutergüssen oder Prellungen unter Strafe steht, man das irreversible, keinen medizinischen Nutzen stiftende Amputieren gesunder Körperteile aber für keinen so großen Schaden ansieht, dass es zwingend bestraft werden müsse (und nein, Mandeln sind etwas völlig anderes: sie werden herausoperiert, wenn sie chronisch entzündet sind und einen dauerhaften Krankheitsherd darstellen und die Gesundheit des Kindes so unmittelbar beeinträchtigen oder sogar gefährden).

Hier noch einmal das Bundesverfassungsgericht zu diesem Themenkreis (BVerfGE 39, 1), ich habe im folgenden Zitat (Rdnr. 178) lediglich "Abtreibung" durch "Körperverletzung" ersetzt:

Die Strafnorm richtet sich grundsätzlich an alle Rechtsunterworfenen und verpflichtet sie in gleicher Weise. Zwar gelingt es den Strafverfolgungsbehörden praktisch nie, alle Täter, die gegen das Strafgesetz verstoßen, einer Bestrafung zuzuführen. Die Dunkelziffern sind bei den verschiedenen Strafdelikten verschieden hoch. Unbestritten sind sie bei Körperverletzungstaten besonders erheblich. Indessen darf darüber die generalpräventive Funktion des Strafrechts nicht vergessen werden. Sieht man die Aufgabe des Strafrechts in dem Schutz besonders wichtiger Rechtsgüter und elementarer Werte der Gemeinschaft, so kommt gerade dieser Funktion eine hohe Bedeutung zu. Ebenso wichtig wie die sichtbare Reaktion im Einzelfall ist die Fernwirkung einer Strafnorm, die in ihrem prinzipiellen normativen Inhalt ("die Körperverletzung ist strafbar") nunmehr seit sehr langer Zeit besteht. Schon die bloße Existenz einer solchen Strafandrohung hat Einfluß auf die Wertvorstellungen und die Verhaltensweisen der Bevölkerung (vgl. Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BTDrucks. 7/1981 (neu) S. 10). Das Wissen um die Rechtsfolgen im Falle ihrer Übertretung bildet eine Schwelle, vor deren Überschreitung viele zurückschrecken. Diese Wirkung wird ins Gegenteil verkehrt, wenn durch eine generelle Aufhebung der Strafbarkeit auch zweifellos strafwürdiges Verhalten für rechtlich einwandfrei erklärt wird.

 

Sehr geehrter Mein Name,

zu Ihrem Einwand der UN-Kinderrechtskonvention. Ich persönlich würde dies ja ähnlich interpretieren wie Sie, aber es ist doch offenkundig (bei der derzeitigen weltweiten Praxis), dass die Zirkumzision von den meisten Vertragsstaaten eben nicht unter "Misshandlung oder Schadenszufügung" subsumiert wird.

Ich habe ja nicht behauptet, dass eine medizinische Fachgesellschaft die Zirkumzision empfiehlt, sondern lediglich, dass über den Schaden der Zirkumzision keine Einigkeit besteht. Und das ist in der Tat mein Eindruck. Dass es zu Schäden kommen kann, wird nicht bezweifelt, aber welches Ergebnis in der Gesamtabwägung zwischen möglichen Vorteilen und möglichen Nachteilen herauskommt, darüber besteht eben keine Einigkeit.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Interessant sind auch die Maßstäbe, die das BVerfG anlegt, wenn es um medizinische Maßnahmen bei Betreuten geht (und dabei geht es um therapeutisch sinnvolle Maßnahmen!):

Besonders gravierende Eingriffe in die Rechte des Betroffenen bedürfen aber schon aus verfassungsrechtlichen Gründen einer ausdrücklichen gerichtlichen Genehmigung [...] die gebotene staatliche Kontrolle des Betreuerhandelns ...

Auch das elterliche Erziehungsrecht steht unter staatlicher Kontrolle: "... Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft." Art. 6 (2), 2 GG.

Und die Amputation einer erogenen Zone kann man durchaus als "besonders gravierenden Eingriff" in das Recht auf körperliche Unversehrtheit nennen.

Sehr geehrter "Mein Name",

ich sehe die gewisse Parallele durchaus, wobei man nicht vergessen darf, dass Art. 6 GG den Eltern das Erziehungsrecht gibt/belässt (Staat "wacht" nur), anders als bei den Betreuten, die in staatlicher Obhut sind.

Ein gewisser Unterschied besteht aber zudem dann, wenn für den konkreten Eingriff selbst eine unmittelbare gesetzliche Grundlage gegeben ist (wie es ja geplant ist). Denn worüber sollte das Gericht noch entscheiden, wenn die Eltern (einem potentiellen Gesetz gemäß) ihre Einwilligung zu eben dem Eingriff geben, den das Gesetz konkret unter den tatsächlich gegebenen gesetzlichen Voraussetzungen erlaubt?

Im Übrigen bedürfen ja auch sonstige gravierende Eingriffe, die die Einwilligung der Eltern voraussetzen (etwa medizinisch indizierte Operationen), keiner gerichtlichen Bestätigung.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Nochmals zurück auf das geplante Gesetzesvorhaben. Werden die religiösen Vorschriften aus 1. Mose 17 ff auch bei Frühchen angewandt und wenn ja, wie kann das - bei einer stringenten Auslegung - in Gesetzesform gegossen werden? 

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Ergänzung: Wird das Gesetzesvorhaben auch auf verschiedene Stammesgemeinschaften erweitert ? Die Aborigines beschneiden seit Jahrhunderten. (Gollaher, S.13)

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Sehr geehrte/r Herr/Frau egal welcher Name,

soweit ich weiß, sieht die jüdische Lehre durchaus vor, dass im Falle besonderer (medizinischer o.a.) Umstände eine Verschiebung der Beschneidung erfolgen kann.

Wie das Gesetzesvorhaben im Wortlaut gefasst wird, kann derzeit nicht gesagt werden.  Sofern der Gesetzeswortlaut die Erlaubnis nicht auf die jüdische und muslimische Religion beschränkt, würden natürlich alle Religionen / möglicherweise auch nichtreligiöse Gründe für die Beschneidung einbezogen sein. Wieso sollte sich der Gesetzgeber andernfalls ausdrücklich mit Aborigines oder anderen Religionsgemeinschaften befassen, solange dafür faktisch gar kein Anlass besteht?

Mit freundlichen Grüßen

Henning Ernst Müller

 

Angenommen, der Bundestag beschließt, das Thema ausschließlich auf der familienrechtlichen "Schiene" zu regeln, um eine weltanschaulich neutrale Formulierung zu erreichen. Gleichzeitig stellt er aber in den BT-Drucksachen klar, dass nur die jüdische und muslimische Beschneidungspraxis gemeint ist (sonst wäre der anerkanntermaßen nicht vom Kindeswohl gedeckten ästhetisch-willkürlichen Beschneidung à la "weil's Mama in ihren Ab-18-Videos so besser gefallen hat" Tür und Tor geöffnet).

Wäre dann nur der reine Gesetzestext durch das BVerfG überprüfbar? Oder geht die Intention des Gesetzgebers mit in die Prüfung ein und wenn ja, wie weit? Und wie wird verhindert, dass religiöse Motive nur vorgeschoben werden, um ein traditionelles Familienfest zu feiern (und die Geldgeschenke der Verwandtschaft einzustecken)? (siehe das Interview mit der Islamwissenschaftlerin Paula Schrode: "... sehr viele führen solche Rituale ja wirklich in erster Linie als Fortführung auch der Familientradition und so weiter fort. Also da muss jetzt nicht unbedingt immer dieser Umma-Gedanke [Gemeinschaft der Muslime] im Zentrum stehen.... es ist auch das, was man aus der Heimat mitgebracht hat, was man eben so macht.")

Ich kann das Gesetz, welches evtl. Möglichkeiten zur Legalisierung nicht begrüßen - und niemand in meinen Bekannten oder Kollegenkreis tut das.

Im Mittelalter und früher ist die Beschneidung wohl vor allem aus hygienischen Gründen entstanden. Wie man in alten Aufzeichnungen lesen kann waren auch Gründe zur Verhinderung der Selbstbefriedigung bei Jungen entscheidend, teilweise wurde empfohlen, zur Abschreckung ohne Betäubung ab zu schneiden. Diese Gründe gibt es heute nicht mehr. In Deutschland sind die Leute über Selbstbefriedigung aufgeklärt und auch hygienische Gründe gibt es nicht - allen steht sauberes Wasser zur Verfügung und jeder kann sich waschen ... Wenn eine Vorhaut so ungünstig für den Körper wärte, hätte Mutter Natur über die Evolution das schon längs geregelt. Meiner Meinung ist die Vorhaut eher ein Schutz der empfindlichen Schleimhaut der Eichel - wenn man ein Mindestmaß am Hygiene einhält gibt es auch keine Probleme.

 

Über den Schaden/Nutzen gehen die medizinischen Meinungen und auch die Meinungen der Betroffenen auseinander. Manche empfinden das als Verbesserung, wieder andere sprechen von einer Gefühlsverarmung und Einschränkung beim Sex.

Also kann man hier keine eindeutige Abwägung treffen.

 

Die Vorhaut ist ein Organ mit dem Augenlied vergleichbar und nicht einfach ein Stückchen Hornhaut. Die Entfernung ist ein dauerhafter Eingriff, der nicht rückgängig zu machen ist.

 

Denzufolge obliegt die Entscheidung bei jedem Einzelnen selbst, ob das nun besser oder schlechter für ihn ist.

Weil ein Kind, insbesondere im Alter von Monaten noch keine Entscheidung darüber treffen kann, muss man logischerweise warten, bis es entscheidungsfähig ist. Man kann sich nur darüber streiten, ob das nun mit 12, 16 oder 18 Jahren eintritt.

Ein religiöser Grund ändert auch nichts am oben genannten Sachverhalt. Deshalb ist es unverantwortlich, diese Änderung in einen Gesetz zu beschließen. Damit gegen die Persönlichkeitsrechte des Kindes verstoßen. Alles andere ist Schönrederei. Es ist dabei völlig uninteresant für welche Interessen nun an dem Kind manupuliert werden soll, wenn es nicht um eine krankhafte Veränderung geht.

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