Zirkumzision - wie soll das Gesetz aussehen? (mit Update 20.07.)

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 15.07.2012

Im Verlaufe der intensiven Debatte um das Kölner Beschneidungs-Urteil (zB hier im Beck-Blog) haben sich nun die Bundesregierung und mehrere andere im Bundestag vertretene Parteien der Auffassung angeschlossen, man müsse den Konflikt durch ein Gesetz lösen. Aber wie kann dies geschehen?

Eine erste Frage ist, ob es sich dabei um ein Verbots- oder um ein Erlaubnisgesetz handeln wird.

Geht man von der hier vertretenen Meinung aus, dass die religiös motivierte Beschneidung immer schon (wie auch alle medizinisch indizierten Operationen) eine tatbestandsmäßige Körperverletzung darstellte, dann beruhte die bisherige Straffreiheit auf einem gewohnheitsrechtlichen Rechtfertigungsgrund - strukturell ähnlich dem früher angenommenen Züchtigungsrecht der Lehrer. Dieser Rechtfertigungsgrund ist nun durch die (weitgehend unbeachtet gebliebenen) Fachdiskussionen von Ärzten und Juristen und  durch das Aufsehen erregende Urteil des LG Köln in Frage gestellt worden. Eine gesetzliche Klärung erscheint also für den Rechtsfrieden notwendig, auch wenn man der Ansicht ist, dass Gewohnheitsrecht ebenso verschwinden kann wie es entstanden ist, eben durch entgegenstehende Gewohnheit.

Eine gesetzliche Regelung kann versuchen, die voherige Rechtfertigung durch (religiös motivierte) Einwilligung der Sorgeberechtigten wieder zu etablieren bzw. zu bestätigen. Insofern wäre die gesetzliche Regelung eine "Erlaubnis". Die meisten Politiker, die sich geäußert haben, tendieren genau dazu: Sie wollen den (bzw. bestimmten)  Religionsgemeinschaften zugestehen, dass sie dieses bisher weitgehend akzeptierte Ritual weiter strafrechtlich unbehelligt durchführen können.

Allerdings wird dies nicht geschehen können, ohne zugleich die Grenzen der Erlaubnis aufzuzeigen, d. h. in anderer Beziehung wird das Gesetz auch Verbote enthalten müssen. Und in diesen Details stecken erhebliche Probleme!

Denkbar (und teilweise notwendig) erscheinen:

- Altersbegrenzungen (Mindest- bzw. Höchstalter),

- die Beschränkung auf Ärzte mit chirurgischer Erfahrung

- Vorschrift einer (Voll-)Narkose

- Beschränkungen auf bestimmte Religionsgemeinschaften

- Beschränkung auf bestimmte anerkannte/etablierte/vergleichsweise risikoarme Rituale

- Beschränkung auf ein bestimmtes Geschlecht

- Verpflichtung von (Ärzten in) öffentlich-rechtlichen Einrichtungen zur Durchführung

- Haftungsregelungen für Fälle, in denen sich ein Schadensrisiko trotz lege artis durchgeführter Zirkumzision verwirklicht (Haftungsfonds der Religionsgesellschaften?)

Ein solches Gesetz wie auch eine Reihe der (denkbaren) Beschränkungen und  impliziten Verbote werfen ganz grundlegende Probleme auf, die die meisten Politiker noch nicht fokussiert haben:

Zwar wird bisher schon breit diskutiert, dass aus Gründen der Religionsfreiheit eine gewisse Beschränkung der körperlichen Unversehrtheit von Kindern hinzunehmen sei - jedoch wird man bei Komplikationsraten von immerhin im einstelligen Prozentbereich (also 1 bis 10 pro hundert!) sich durchaus fragen, ob und inwieweit der Staat seine Schutzpflicht gegenüber Kindern vernachlässigen darf (zur Diskussion vgl. etwa den Artikel in der FR). Jedenfalls kann nur derjenige, der die Augen vor der Realität verschließt, den Eingriff verharmlosen (ein Beispiel dafür sind die Stellungnahmen prominenter Grünen-Politiker).

Die anderen genannten Beschränkungen werfen z.T. gravierende Gleichheitsproblematiken auf, sobald etwa noch nicht am Konflikt beteiligte Religionsgemeinschaften ihre eigenen möglicherweise körperverletzenden Rituale gesetzlich erlaubt haben wollen.

Auch die systematischen Fragen sind bisher nicht beantwortet. Einige FDP-Politiker wollen die Beschneidung im neuen Patientenrechtegesetz verankern, m. E. keine besonders gute Idee: Denn das Recht, seine Kinder beschneiden zu lassen, ist bzw. wäre eben kein Patientenrecht.

Eher schon gehört die Beschneidung in das Familienrecht, also in das Umfeld des § 1631 BGB; bei der Beschneidung aufgrund religiöser Erzeihung handelt es sich um einen Teil der Personensorge. Außerdem kommt eine bereichsspezifische Regelung im RelKErzG (Gesetz über die religiöse Kindererziehung) in Betracht.

Ein anderer Vorschlag wäre es, die Beschneidung - wie die Abtreibung - als rechtswidrige Körperverletzung eingestuft zu belassen, aber unter bestimmten Voraussetzungen lediglich einen gesetzlichen Strafausschluss zu regeln. Ein solcher Strafausschluss müsste in das  StGB eingefügt werden.

Könnte die schwedische Regelung Vorbild sein (hier ein taz-Artikel dazu)?

Ganz gleich wie und was genau geregelt wird, am Ende wird wohl ohnehin das BVerfG zu entscheiden haben, ob der Gesetzgeber im neuen Gesetz die Abwägung der verschiedenen Interessen richtig vorgenommen hat.

Die nächsten Wochen und Monate dürften immerhin spannend sein: Selten kann man gesetzliche Regeln im Entstehungsprozess so intensiv verfolgen, selten gibt es  ist eine so große gesellschaftliche Debatte.

UPDATE 20.07.2012:

Wortlaut der Resolution des Bundestages vom 19.07.2012:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
im Herbst 2012 unter Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten
Rechtsgüter des Kindeswohls, der körperlichen Unversehrtheit, der
Religionsfreiheit und des Rechts der Eltern auf Erziehung einen Gesetzentwurf
vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung
von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist.

Auszug aus der Begründung:

"Die rechtliche Einordnung der Beschneidung muss so schnell und so gründlich
wie möglich geklärt werden. Der Deutsche Bundestag hält eine gesetzliche
Klarstellung für geboten, die insbesondere unseren jüdischen und muslimischen
Mitbürgerinnen und Mitbürgern ermöglicht, ihren Glauben frei auszuüben. Eine
Präjudizwirkung für andere körperliche Eingriffe aus religiösen Gründen darf
sich hieraus nicht ergeben.

Zudem hält der Deutsche Bundestag die Beschneidung männlicher Kinder, die
weltweit sozial akzeptiert wird, für nicht vergleichbar mit nachhaltig
schädlichen und sittenwidrigen Eingriffen in die körperliche Integrität von
Kindern und Jugendlichen wie etwa die weibliche Genitalverstümmlung, die
der Deutsche Bundestag verurteilt."

 

Wortlaut der Petition der Deutschen Kinderhilfe, des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, MOGIS e.V. (Verband Betroffener sexuellen Kindesmissbrauchs), des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, Prof. Dr. Matthias Franz und zahlreicher Einzelpersonen vom 20.07.2012:

"Der Deutsche Bundestag möge beschließen, zunächst für zwei Jahre keine gesetzlichen Schritte zur Legitimation der Beschneidung von Jungen in Deutschland zu ergreifen.

Weiterhin möge der Deutsche Bundestag die Einsetzung eines Runden Tisches von Religionsvertretern, muslimischen und jüdischen Befürwortern und Gegnern der Beschneidung, Psychologen, Psychoanalytiker, Kinderärzten, Kinderchirurgen, Kinderschützern und Vertretern der Jugendhilfe sowie weiterer Experten beschließen, um das Thema Beschneidung in Deutschland wissenschaftlich fundiert zu diskutieren und eine Strategie zu erarbeiten, welche alle Interessen, vor allem aber die Belange des Kindeswohls, berücksichtigt."

Auszug aus der Begründung:

(...)

Doch gelten beide Rechte trotz ihres Verfassungsranges nicht vorbehaltlos und müssen sich der Abwägung mit anderen Grundrechten stellen. Hier gilt es die bisher im Diskurs vollständig vernachlässigten Belange der Kinder, rechtlich normiert in Art. 2 GG, Art. 6 II 2 GG und Art. 19 I und Art. 24 III der UN- Kinderrechtskonvention, zu berücksichtigen.

(...)

Die Petenten sehen die Gefahr, dass sachfremde Erwägungen immer stärker in die Argumentation einfließen und es der Politik unmöglich machen, eine Güterabwägung im Interesse des Kindeswohls auch nur ansatzweise zuzulassen. Vorsicht geboten ist ebenso bei der Vereinheitlichung des muslimischen und jüdischen Glaubens, gibt doch auch hier ein breitgefächertes Meinungsbild zum Thema kindliche Beschneidung.

Als notwendig und lohnenswert für alle Interessengruppen empfinden die Petenten daher einen sachlichen, verantwortungsvollen und umfassenden Dialog aller Akteure als Alternative zu einem übereilten politischen Aktionismus. Eine breite Debatte ist in Anbetracht der Bedeutung der betroffenen fundamentalen Rechte und Güter unabdingbar und muss von der Politik zugelassen werden.

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525 Kommentare

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In der Schweiz existiert nahezu keine Fachliteratur zu den rechtlichen Aspekten bei der männlichen Beschneidung. Eine Ausnahme ist die Masterarbeit der Uzner Staatsanwältin Beatrice Giger. Die Juristin wertet die Beschneidung von Knaben im Kindesalter als eine einfache Körperverletzung, falls es keine medizinischen Gründe für den Eingriff gibt.

Bei der rechtlichen Einschätzung der Beschneidung stützt sich das Kinderspital auf einen Fachartikel, den Giger im Februar veröffentlicht hat. Die Juristin glaubt, dass die Beschneidung von Knaben im Kindesalter bald verboten sein wird. 

....

http://www.suedostschweiz.ch/politik/beim-thema-beschneidung-gibt-eine-uzner-juristin-den-ton

.............

siehe besser oben # 18

3

http://forum.jurawelt.com/viewtopic.php?f=44&t=45871

Hier gibt es eine ganz interessante juristische Diskussion zu dem Thema, in der offenbar dazu tendiert wird, dass die Beschneidung tatsächlich vom Grundgesetz gedeckt wäre. Ich persönlich kann die Argumentation nicht so recht nachvollziehen, die darauf hinausläuft, dass der Gesetzgeber nur dann in das Erziehungsrecht eingreifen dürfe, wenn bestimmte Grenzen überschritten wären, das Beschneiden also vom Erziehungsrecht gedeckt wäre. Dass ich als juristischer Laie unter Erziehung zwar eher etwas nicht körperliches verstehe, das sich um Werte und Verhalten dreht und nicht um das Abschneiden von Körperteilen, muss ja allerdings nichts heißen. Mich würde einmal interessieren, wie das Leute mit einem größerem juristischen Sachverstand als dem meinen beurteilen.

5

Gast schrieb:
juristische Diskussion zu dem Thema, in der offenbar dazu tendiert wird, dass die Beschneidung tatsächlich vom Grundgesetz gedeckt wäre. Ich persönlich kann die Argumentation nicht so recht nachvollziehen, die darauf hinausläuft, dass der Gesetzgeber nur dann in das Erziehungsrecht eingreifen dürfe, wenn bestimmte Grenzen überschritten wären, das Beschneiden also vom Erziehungsrecht gedeckt wäre.
Die Grenzen, die der Gesetzgeber dem Erziehungsrecht setzt, heißt Kindeswohl, als Ausprägung der Verpflichtung des Staates, über die Betätigung der Eltern zu wachen (Art. 6 (2), 2 GG). Das LG Köln hat lediglich die Wertung vorgenommen hat, ob die Grenze des Kindeswohls überschritten ist. Es hat dies bejaht, da es das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit höher gewertet hat als das Recht der Eltern, im Rahmen ihrer (auch religiösen) Erziehung die Beschneidung zu diesem Zeitpunkt durchführen zu lassen.

Interessanter ist die Frage, wie weit das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit durch ein Gesetz eingeschränkt werden darf, bis sein Wesensgehalt nach Art. 19 (2) angetastet ist. Das OLG Frankfurt hat immerhin festgestellt: "Die Entscheidung darüber [über eine Beschneidung] fällt deshalb [weil sie nicht rückgängig gemacht werden kann] in den Kernbereich des Rechtes einer Person, über sich und ihr Leben zu bestimmen". Über Kernbereiche des Persönlichkeitsrechtes kann aber von Dritten (z.B. Eltern) nur dann verfügt werden, wenn die Eingriffe reversibel sind oder einen unmittelbaren Nutzen haben (wie Impfungen oder medizinisch notwendige OPs), und dieser Nutzen muss sich noch während der Verfügungegewalt (also vor Erreichen der Volljährigkeit bzw. Einsichts- und Urteilsfähigkeit) zeigen - d.h. über Zirkumzision als HIV-, HPV- oder sonstige Prophylaxe kann nur der Heranwachsende selbst entscheiden.

Mehr dazu in diesem Posting: http://blog.beck.de/2012/07/15/zirkumzision-wie-soll-das-gesetz-aussehen... -> #3

Quote:
Auch in den 63 Jahren seit der Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 wurde die Beschneidung nie strafverfolgt
Wo kein Kläger, da kein Richter - und außerdem ist diese Behauptung falsch: 2006 wurde ein 73-jähriger Sünnetci wegen Beschneidungen verurteilt (Ausgang des Verfahrens: http://www.antenneduesseldorf.de/web/nachrichten/lokalnachrichten/index...., Vorgeschichte: http://www.phimose-info.de/meldungen-aus-deutschland/landgericht-dusseld..., dpa-Meldung (englisch): http://rawstory.com/news/2006/Germany_fines_circumciser_for_initi_101720...)
Quote:
Sie wurde auch von Gerichten für zulässig gehalten, so etwa vom Landgericht Frankenthal, Urteil vom 14.09.2004 – 4 O 11/02
Das war ein reiner Zivilprozess, in dem die Zulässigkeit der Beschneidung nicht zur Debatte stand. Es ist nicht einmal klar, ob der Kläger volljährig war oder nicht.
Quote:
OVG Lüneburg, Beschluss vom 23.07.2002 – 4 ME 336/02
Da ging es nur um die Kostenübernahme, ebenfalls nicht um die Zulässigkeit an sich. Außerdem gab es 2002 von keine juristische Fachliteratur zu dem Thema. Nun gibt es sie, und es gibt einen rechtskräftig abgeschlossenen Strafprozess.

Gast schrieb:
http://forum.jurawelt.com/viewtopic.php?f=44&t=45871 Hier gibt es eine ganz interessante juristische Diskussion zu dem Thema, in der offenbar dazu tendiert wird, dass die Beschneidung tatsächlich vom Grundgesetz gedeckt wäre.

In der Tat eine über weite Strecken sehr interessante Diskussion, juristisch durchaus etwas anspruchsvoller als die Linksammlung hier. (Was jetzt nicht bedeuten soll, dass ich die Links uninteressant finde.)

 

Quote:
Ich persönlich kann die Argumentation nicht so recht nachvollziehen, die darauf hinausläuft, dass der Gesetzgeber nur dann in das Erziehungsrecht eingreifen dürfe, wenn bestimmte Grenzen überschritten wären, das Beschneiden also vom Erziehungsrecht gedeckt wäre. Dass ich als juristischer Laie unter Erziehung zwar eher etwas nicht körperliches verstehe, das sich um Werte und Verhalten dreht und nicht um das Abschneiden von Körperteilen, muss ja allerdings nichts heißen. Mich würde einmal interessieren, wie das Leute mit einem größerem juristischen Sachverstand als dem meinen beurteilen.

Das Erziehungsrecht ist ein Recht der Eltern, nicht des Staates (Art 6 II GG). Der Staat wacht zwar darüber, aber dennoch kann er nur grobe Regeln setzen, da andernfalls das Erziehungsrecht ausgehöhlt würde. Zu den Regeln, die der Staat aufgestellt hat, gehört beispielsweise die Schulpflicht oder das Verbot von Gewalt in der Erziehung (1631 II BGB).

 

Erziehung beinhaltet (bis zur Religionsmündigkeit des Kindes) auch die religiöse Erziehung, d.h. die Entscheidung, in welchem Glauben das Kind aufgezogen wird, an welchen Ritualen es teilnimmt (Taufe, Erstkommunion) und die Teilnahme am Religionsunterricht in der Schule. Es wird von diversen Diskussionsteilnehmern in dem anderen Forum deshalb davon ausgegangen, dass die Teilnahme an der Beschneidung ebenfalls im Rahmen der religiösen Erziehung beschlossen werden kann.

Daher erfolgt dann auch die Einwilligung der Eltern zur Körperverletzung im Rahmen ihres Erziehungsrechts.

 

Wenn man über die Grenzen den Erziehungsrechts durch das Kindeswohl denkt, sollte man nicht vergessen: Eltern sind bei weitem nicht alle Erziehungsmethoden verboten, die negative Folgen für die Gesundheit des Kindes haben. Sie dürfen das Kind den ganzen Tag vor der Spielkonsole sitzen lassen, es vorrangig mit fettigem Essen, Cola und Bubble Tea ernähren und ähnliche Dinge. Sie dürfen auch in der Wohnung (oder während der Schwangerschaft) rauchen - all das ohne dass der Staat eingreift. Und manche aus solchem Fehlverhalten resultierenden Gesundheitsschäden sind ebensowenig reversibel wie eine Beschneidung.

 

Eine negative Religionsfreiheit, die teilweise vorgebracht wird als Argument gegen eine Beschneidung, gibt es zu Gunsten des Kindes nicht. Bzw. es gibt sie schon, aber gegenüber dem Staat und nicht gegenüber den Eltern, weil die Eltern als Vertreter des Kindes eben das Entscheidungsrecht darüber haben, ob das Kind einer religiösen Gruppe angehören und an ihren Ritualen teilnehmen soll.

Nicht zuletzt weil es schon zwei Weltreligionen gibt, welche dies Ritual einsetzen, kann man auch in der Beschneidung keine "Markierung" sehen, die einen als Zugehörigen einer bestimmten Religion kennzeichnet.

 

Auf dieser Argumentationsbasis davon auszugehen, dass ein Beschneidungsverbot nach aktueller Rechtslage nicht gegeben ist, kann man sicherlich vertreten.

 

Das wäre natürlich kein Freibrief für die Zukunft. Es spricht nichts dagegen, wenn der Gesetzgeber eine bisher im Rahmen des Erziehungsrechts erlaubte Handlung später verbietet oder einschränkt. Auch die körperliche Züchtigung war im Rahmen des Erziehungsrechts lange gedeckt, bis sie gesetzlich abgeschafft wurde.

 

Daher hat sich die Diskussion bei Jurawelt auch damit beschäftigt, unter welchen Bedingungen eine verfassungsrechtliche Überprüfung der gegenwärtigen oder durch das angekündigte Erlaubnisgesetz veränderten Rechtslage möglich ist - das möchte ich aber nicht weiter ausführen.

3

I.S. schrieb:
Nicht zuletzt weil es schon zwei Weltreligionen gibt, welche dies Ritual einsetzen, kann man auch in der Beschneidung keine "Markierung" sehen, die einen als Zugehörigen einer bestimmten Religion kennzeichnet.
Genau deswegen verfängt ja das Argument, die Beschneidung sei essentiell für Judentum oder Islam, nicht. Das Ritual als kultische Handlung ist von der Religionsfreiheit geschützt, es ist aber die Frage was es straffrei alles enthalten darf- und dann kommt man nicht um die Grundrechtsabwägung Religionsfreiheit vs. körperliche Unversehrtheit herum. Und es muss - wenn das Grundrecht nicht in seinem Wesensgehalt angetastet werden soll - einen geschützten Bereich geben, in den weder vom Staat noch von den Sorgeberechtigten eingegriffen werden darf. Es spricht m.E. alles dafür, dass eine irreversible Verletzung der Geschlechtsorgane mit Amputation der sensibelsten Teile  diesen geschützten Bereich verletzt, so wie es auch das OLG Frankfurt 2007 gesehen hat.

Mein Name schrieb:

I.S. schrieb:
Nicht zuletzt weil es schon zwei Weltreligionen gibt, welche dies Ritual einsetzen, kann man auch in der Beschneidung keine "Markierung" sehen, die einen als Zugehörigen einer bestimmten Religion kennzeichnet.
Genau deswegen verfängt ja das Argument, die Beschneidung sei essentiell für Judentum oder Islam, nicht.

Das halte ich für einen nicht zulässigen Umkehrschluß.

 

Nur weil der Islam dies Ritual übernommen hat, bleibt es dennoch der Initiationsritus des Judentums, der (trotz der unterschiedlichen körperlichen Auswirkungen) in der religiösen Bedeutung mit der Taufe vergleichbar ist.

Zum Vergleich: Nur weil vielleicht auch eine andere Religion eine rituelle Waschung vornimmt, schmälert das nicht die Bedeutung der Taufe für Christen.

 

Enttäuscht von den Behörden schrieb:

Was passiert wenn der Religionsfreiheit  eine höhere Wertung gegeben wird vom Gesetzgeber als der körperlichen Unversehrtheit, weil die Regierung Angst hat, dass  es eventuell im Volk  Unruhen geben könnte oder andere Länder uns "verurteilen" würden ?

Dann kann das BVerfG überprüfen, ob die getroffene Regelung mit dem Grundgesetz übereinstimmt. Einschränkungen von Grundrechten sind in Grenzen möglich, insbesondere auch, wenn es zu Kollisionen zwischen mehreren Grundrechten kommt. Betroffen sind neben Religionsfreiheit und körperlicher Unversehrtheit auch das Erziehungsrecht und ggf. die Geschlechtergleichheit.

Die Frage ist nur, wer den Fall zum BVErfG bringt.

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I.S. schrieb:

Mein Name schrieb:
deswegen verfängt ja das Argument, die Beschneidung sei essentiell für Judentum oder Islam, nicht.

Das halte ich für einen nicht zulässigen Umkehrschluß.

Nur weil der Islam dies Ritual übernommen hat, bleibt es dennoch der Initiationsritus des Judentums, der (trotz der unterschiedlichen körperlichen Auswirkungen) in der religiösen Bedeutung mit der Taufe vergleichbar ist.

Zum Vergleich: Nur weil vielleicht auch eine andere Religion eine rituelle Waschung vornimmt, schmälert das nicht die Bedeutung der Taufe für Christen.

Das war auch weniger als juristisches Argument gedacht, sondern als logisches.

Wie wichtig oder essentiell ein religiöses Ritual für den Einzelnen ist, kann angesichts der bisherigen BVerfG-Entscheidungen zur Freiheit der Religionsausübung sowieso nicht zum Maßstab für die Abwägung gemacht werden. Der Inhalt des Glaubens ist völlig frei und wie sehr man sich davon in seiner persönlichen Lebensgestaltung leiten lässt, auch - das ist alles durch den (in dieser Hinsicht uneingeschränkten) Art. 4 (1) und (2) GG garantiert.

Der Glaube und die Religionsausübung sind aber nicht nur abstrakt, sondern manifestierten sich in Handlungen sich selbst und anderen gegenüber. Inwieweit persönliche Handlungen, die in Grundrechte anderer eingreifen, religiös motiviert sind oder nicht, ist schlichtweg unerheblich. Jemand anderen umzubringen ist und bleibt strafbar, egal ob aus religiöser Überzeugung oder nicht, sein Kind grün und blau zu prügeln ist strafbar, egal ob man sich dabei auf die Bibel beruft oder nicht, seine Ehefrau zu vergewaltigen ist strafbar, egal ob man sich dabei auf den Koran beruft oder nicht. Wer andere schlägt, foltert oder in seiner Obhut verhungern lässt, wird bestraft, egal ob man sich dabei auf islamischen oder katholischen Exorzismus beruft. Das mag bei der Strafzumessung eine Rolle spielen, aber nicht bei der Strafbarkeit selbst. (Ein Verweis auf das "Gesundbeter"-Urteil ist nicht angebracht: dabei ging es nicht um einen Grundrechtseingriff, sondern um eine von der voll entscheidungsfähigen Patientin abgelehnte, möglicherweise lebensrettende Krankenhausbehandlung. Es wurde also nicht einmal eine Hilfeleistung erwünscht, die unterlassen hätte werden können.)

Der durch das elterliche Erziehungsrecht gedeckte Eingriff in Grundrechte der Kinder wiegt nicht schwerer oder weniger schwer, nur weil die Eingriffe religiös motiviert ist. Dann müsste ja z.B. eine religiös motivierte Prügelstrafe nicht oder milder strafbar sein als eine konfessionslose, agnostische oder atheistische. Diesen Unterschied macht der Gesetzgeber aber (bisher) nicht - denn dann verstieße er gegen das Gleichheitsgebot bzw. Benachteiligungverbot aus Art. 3 GG. das gilt auch für religiöse Erziehungsmaßnahmen - die Besonderheit des RelKErzG ist doch nicht, dass es den Eltern mehr Rechte gegenüber den Kindern verschafft, sondern weniger: ihr Erziehungsrecht in diesem Bereich endet bereits mit dem 14. Lebensjahr des Kindes, nicht erst mit dem 18.!

I.S. schrieb:
Die Frage ist nur, wer den Fall zum BVErfG bringt.
Ich tippe auf einen Antrag aus dem Bundestag: 76 Mitglieder der Linksfraktion plus 80 aus anderen Fraktionen reichen für eine abstrakte Normenkontrolle (das wäre konsquent, wenn schon laut bisher veröffentlichten Aussagen der Fraktionszwang für die Abstimmung über ein "Beschneidungsgesetz" aufgehoben wird).

Für weniger wahrscheinlich, aber nicht unmöglich halte ich, dass sich der Bundespräsident weigert, das Gesetz zu unterzeichnen und es im Wege des Organstreits nach Karlsruhe kommt.

Am kompliziertesten dürfte eine Verfassungsbeschwerde sein - dazu das BVerfG (1 BvR 357/05, Luftsicherheitsgesetz):

Die Beschwerdebefugnis setzt, wenn sich eine Verfassungsbeschwerde - wie hier - unmittelbar gegen ein Gesetz richtet, voraus, dass der Beschwerdeführer durch die angegriffenen Normen selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen ist. Die Voraussetzung der eigenen und gegenwärtigen Betroffenheit ist grundsätzlich erfüllt, wenn der Beschwerdeführer darlegt, dass er mit einiger Wahrscheinlichkeit durch die auf den angegriffenen Vorschriften beruhenden Maßnahmen in seinen Grundrechten berührt wird. Unmittelbare Betroffenheit ist schließlich gegeben, wenn die angegriffenen Bestimmungen, ohne eines weiteren Vollzugsakts zu bedürfen, die Rechtsstellung des Beschwerdeführers verändern . Das ist auch dann anzunehmen, wenn dieser gegen einen denkbaren Vollzugsakt nicht oder nicht in zumutbarer Weise vorgehen kann.
...
Auch die unmittelbare Betroffenheit der Beschwerdeführer ist unter diesen Umständen gegeben. Es kann ihnen nicht zugemutet werden abzuwarten, bis sie selbst Opfer einer Maßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG werden.

Da die Rechtsstellung von Eltern, die ihre Tochter beschneiden lassen wollen, durch das neue Gesetz voraussichtlich nicht verändert wird, haben sie ebenso wenig wie die Tochter (die ihr Recht auf Beschneidung wahrnehmen will, stellvertreten durch die Eltern) eine Chance, dass eine eventuelle Verfassungsbeschwerde angenommen wird.

Eltern könnten aber stellvertretend für ihren (noch) intakten Sohn klagen, denn dessen Rechtsstellung wird verändert und er ist mit einiger Wahrscheinlichkeit betroffen - wegen der Religionsfreiheit ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Eltern zu einem Glauben übertreten, der eine Beschneidung verlangt. Es wäre de facto eine Klage der gegenwärtigen Eltern (oder eines außerfamiliären Beschwerdevertreters des Sohnes) gegen die gleichen zukünftigen Eltern ... das ist aber so lange Spekulation, wie noch offen ist, in welchem Gesetz und wie die Änderung erfolgen soll.

CDU-Forum: In Gesetz zu Beschneidung Medizinstandards festschreiben

Im geplanten Gesetz zur Beschneidung von Jungen sollte nach Vorstellung des Deutsch-Türkischen Forums der CDU in Nordrhein-Westfalen medizinische Standards festgeschrieben werden. Das sei sinnvoll, "um einen möglichst schmerzfreien Eingriff zu gewährleisten", erklärte die stellvertretende Forumsvorsitzende Cemile Giousouf am Montagabend in Düsseldorf. 

.......

http://www.domradio.de/news/83422/cdu-forum-in-gesetz-zu-beschneidung-medizinstandards-festschreiben.html 

 

0

Die Verurteilung 2006 eines Beschneiders in #4 zeigt , dass es immer auf den Einzelfall ankommt.

......

Deshalb könnte ich mir vorstellen, dass selbst bei einem Erlaubnisgesetz in bestimmten Fällen trotzdem Verurteilungen möglich sind.

...

Also eine 100% ige Sicherheit einer Nichtanklage in allen Fällen ist mit einem Gesetz ist auch nicht gewährleistet.

.......

Das Betäubungsmittel von Beschneidern ist so ein Beispiel.

.....

Falls Beschneider beschneiden dürfen nach einer gesetzlichen Regelung müßten die also auch "Anästhesiten" sein und Zugriff zu Betäubungsmittel haben. Keine einfache Sache ohne ärztliche Ausbildung. Ich glaube viele Altenpfleger und Krankenschwestern dürfen keine Betäubungsmittel allein einfach geben.

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Nicht juristisch, aber interessante Einschätzungen:

Evelyn Hecht-Galinksi ist gegen Beschneidung: "Die Kinder sind in einer Notsituation" (Leserbrief in der Badischen Zeitung) "Jüdisches Leben hängt nicht von der Beschneidung ab. Religiöse Toleranz hat Grenzen, wenn sie in die Unversehrtheit eingreift. Dies ist ein wichtiges Urteil das vom Kölner Landgericht gefällt wurde und zum anerkannten Grundsatzurteil in der heutigen Gesellschaft werden sollte."

Ein Mohel aus Basel bezeichnet die Brit Mila immerhin als "nicht ganz unkomplizierten Eingriff", der bei Erwachsenen "viel einfacher als bei einem Neugeborenen" sei.

Wie denken Sie über den Artikel der Frankfurter Rundschau ?

  • Ich denke da werden wieder Äpfel mit Birnen verglichen.
  • "Beschneidung und Holocaust"

http://www.fr-online.de/meinung/leitartikel-beschneidung-beschneidung-und-holocaust,1472602,16884664.html

  • Ist eigenlich bekannt , dass bestimmte messianische Juden, die auch beschnitten wurden, orthodoxe Juden als Parasiten bezeichen dürfen in einer Parteizeitung einer christlichen Partei, wie Hitler das in "Mein Kampf" getan hat. 

http://www.nicht-mit-uns.com/Puelz.htm

 

 

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Gast schrieb:

Wie denken Sie über den Artikel der Frankfurter Rundschau ?

das Gleiche wie auf dieser Seite unter #28

Quote:
... Juden, die auch beschnitten wurden, orthodoxe Juden als Parasiten bezeichen dürfen
was hat das mit der Beschneidungsdebatte zu tun? Nichts!

0

Human rights activists in South Africa have demanded an end to the silence over dangerous cultural traditions after 42 boys died from botched circumcisions in a three-week period.

..

http://www.guardian.co.uk/world/2012/jul/27/south-africa-circumscision-danger

 

Und dann reden manche davon wie harmlos es sein soll, weil es ja angeblich gegen Aids hilft.

....

Eine Auflistung von Todesfällen nach Beschneidung.

Am 8. Mai 2012 ist in Norwegen ein Junge gestorben.

..

http://www.cirp.org/library/death/

 

 

 

 

 

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ORD behauptet:

 

Heute ist die religiöse Beschneidung in den meisten Ländern der Welt zugelassen. 2008 urteilte der finnische Obergerichtshof, dass die rituelle Beschneidung erlaubt ist. 2011 versuchte eine Bürgerinitiative in San Francisco ein Referendum zum Verbot der Beschneidung zu organisieren. Die Volksbefragung wurde aber noch vor dem Urnengang von einem Gericht für verfassungswidrig erklärt. Kurz danach erließ der Staat Kalifornien ein Gesetz, das regionale Verbote von Beschneidung untersagt. 

 

http://www.ordonline.de/index.php?option=com_content&view=article&id=309&Itemid=7 

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Wenn es tatsächlich ein höchstrichterliches Urteil in Finnland und das Kaliforniengesetzt gibt, wäre das interessannt für Deutschland ?

 

 

 

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Enttäuscht von den Behörden schrieb:
Wenn es tatsächlich ein höchstrichterliches Urteil in Finnland und das Kaliforniengesetz gibt, wäre das interessannt für Deutschland ?
Nein. Deutsche Grundrechte, Gesetze und Auslegungen sind entscheidend, nicht finnische oder US-amerikanische.

Enttäuscht von den Behörden schrieb:
Hier wird das aber anders dargestellt.
Steht doch auch dabei, warum: Das Gericht stützte seine Entscheidung auf das Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin des Europäischen Rates, das von Finnland erst nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts ratifiziert wurde.

Obwohl es hier nur um Junge geht, hier ein Problem für Mädchen.

----- Deutschen Mädchen droht Beschneidung

Das Statistische Bundesamt und die Nichtregierungsorganisation "Terre des Femmes" schätzen, dass in Deutschland mehr als 4000 Mädchen die Beschneidung ihrer Genitalien droht – oft auch auf Reisen ins Heimatland. Trotzdem erlaubt ein Gericht einer Familie, ihre Tochter nach Äthiopien zu schicken.

 

 

 

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Was passiert wenn der Religionsfreiheit  eine höhere Wertung gegeben wird vom Gesetzgeber als der körperlichen Unversehrtheit, weil die Regierung Angst hat, dass  es eventuell im Volk  Unruhen geben könnte oder andere Länder uns "verurteilen" würden ?

Die Abhängigkeit von der arabischen Welt und der Einfuß reicher Juden in der Welt oder der Einfluß der großen Kirchen sind nicht zu vernachlässigen.

Man hat gesehen wie hektisch von Berlin versprochen wurde im Herbst eine gesetzliche Regelung vorliegen zu haben.

Es gab kaum Stimmen aus Berlin, die Beschneidung zu verbieten.

  

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Es kam - u.a. von Prof. Müller - die Frage auf, wie groß der "Schaden" durch eine Zirkumzision sei bzw. ob er nicht so gering sei, dass das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (und sexuelle Selbstbestimmung) nicht wesentlich beeinträchtigt sei, jedenfalls nicht so sehr wie bei einer Beschneidung weiblicher Genitalien. Dazu folgender Lesetipp:

Sexuelle Auswirkungen der Zirkumzision (mit wissenschaftlichen Studien)

Zitate:

Letztlich werden durch die Zirkumzision nicht [nur] ein Großteil der Nervenendigungen des Penis insgesamt entfernt, sondern darüber hinaus fast alle der besonders empfindlichen niedrigschwelligen spezialisierten Nervenendigungen irreversibel entfernt.

...dass nicht-beschnittene Männer im Vergleich zu beschnittenen Männern eine bis zu viermal höhere Sensitivität für Berührungsreize am Penis aufweisen.

... dass während hinsichtlich gelegentlich auftretender Orgasmusschwierigkeiten kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen intakten und beschnittenen Männern besteht, hinsichtlich häufiger Orgusmusschwierigkeiten ein beträchtlicher statistischer Unterschied zwischen beiden Gruppen vorliegt. Beschnittene Männer berichteten 3 mal häufiger über häufig auftrendete Orgasmusschwierigkeiten als beschnittene Männer.

... berichteten Frauen mit beschnittenen Partnern 2 bis 3 mal häufiger unter allgemeiner Sexzeller Dysfunktion (OR 3.26) und häufigen Oragsmusschwierigkeiten (OR 2.66), und sogar 8 mal häufiger an Dyspareunie (schmerzhaftem Geschlechtsverkehr) als Frauen mit unbeschnittenen Partnern.

Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse ist es mMn nicht einmal übertrieben, die Zirkumzision mit nicht nur leichten Formen der Mädchenbeschneidung zu vergleichen, sondern auch mit der Entfernung der Klitorisspitze (wenn auch nicht mit der schwersten Form, die aber in "nur" 15% der Fälle stattfindet - nach dem was ich bisher gelesen habe).

Wer weiterhin von einem "minimalen" Eingriff oder "kleinen Schnitt" redet, der verharmlost Genitalverstümmelung, denn angesichts dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse sind mildere Begriffe nichts anderes als Euphemismen wie die "Endlösung".

Dazu passend noch folgende Ansicht des Bundesverfassungsgerichts:

Das Grundgesetz hat den Intim- und Sexualbereich des Menschen als Teil seiner Privatsphäre unter den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gestellt. Diese Vorschriften des Grundgesetzes sichern dem Menschen das Recht zu, seine Einstellung zum Geschlechtlichen selbst zu bestimmen. Er kann sein Verhältnis zur Sexualität einrichten und grundsätzlich selbst darüber befinden, ob, in welchen Grenzen und mit welchen Zielen er Einwirkungen Dritter auf diese Einstellung hinnehmen will. Wenn aber das Verhältnis des Menschen zum Geschlechtlichen unter verfassungsrechtlichem Schutz steht, dann muß dieses aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete Recht auch dem einzelnen Jugendlichen zustehen.

(BVerfGE 47, 46)

Könnten Gerichte Eltern das Sorgerecht aberkennen für eine Zeit, wenn die Eltern auf der Körperverletzung durch Beschneidung ihrer Jungen bestehen ?

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Bei einer anderen Religion wurde Eltern schon das Sorgerecht entzogen, weil sie Fremdblut für ihre Kinder verboten haben, aber das Kind dringend aus ärztlicher Sucht Blut benötigte und keine Eigenblutkonserven vorhanden waren.

 

 

 

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Enttäuscht von den Behörden schrieb:

Könnten Gerichte Eltern das Sorgerecht aberkennen für eine Zeit, wenn die Eltern auf der Körperverletzung durch Beschneidung ihrer Jungen bestehen ?

Wie lange ist denn "für eine Zeit"? Vom 7. Tag nach der Geburt bis zur Religionsmündigkeit des Kindes?

 

"Allen Juden wird das Sorgerecht für männlichen Nachwuchs (teilweise) entzogen" dürfte politisch noch schlechter ankommen als ein Beschneidungsverbot.

 

Die Entscheidungen der Gesundheitsfürsorge auf jemand anders zu übertragen ist auch deshalb nicht unproblematisch, weil Kinder dazu tendieren, solche Entscheidungen auch mal sehr kurzfristig (und ausserhalb der Behördenöffnungszeiten) herbeizuführen. Sonntags vom Baum oder Fahrrad fallen, wird dem Kind schwerlich zu verbieten sein. ;) Mal von den Kosten für das Behördenpersonal abgesehen, die diese Entscheidungen dann treffen müssen. (Welche Kosten? Es wird doch niemand neu eingestellt, die jetzt schon überlasteten Jugendamtsmitarbeiter kriegen das schon hin ...)

5

Einen recht kritischen Blick auf die Debatte und insbesondere auf die Rolle von Prof. Holm Putzke darin, wirft heute im Berliner Tagesspiegel Jost Müller-Neuhof:

Chronik einer beispiellosen Debatte

Auszug:

Rechtssicherheit kann es durch Urteile von Untergerichten nicht geben. Verschwiegen wird, dass es um eine Berufung ging, bei der die Kammer mit nur einem einzigen juristisch gebildeten Richter besetzt ist. Kein Wort, dass der Richterspruch schon sechs Wochen alt ist, dass ein Amtsgericht zuvor das Gegenteil entschieden hatte. Nichts davon, dass weder andere Gerichte noch Staatsanwälte an das Urteil gebunden sind. Nichts, was auf die persönliche Nähe zwischen Putzke und dem Verfasser des Artikels hindeutet. Der FTD-Journalist sagt, er habe sich für die Anfrage bei Putzke aus fachlichen Gründen entschieden. Putzke gibt mittlerweile zu, von sich aus an die Presse herangetreten zu sein.

(...)

Der Zentralrat der Juden wies den Richterspruch schon als „beispiellosen und dramatischen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften“ zurück. Der internationale Eindruck, dass Deutschland die Beschneidung verbiete, war nicht mehr zu zerstreuen. Zu Unrecht war geworden, was eben noch als Recht galt.

Dabei war es nur eine Meinung. Aber die herrschte jetzt.

Allerdings enthält der Artikel keine neuen inhaltlichen Argumente, sondern scheint die These zu unterstützen, es sei allein dem Ehrgeiz des Professors Putzke zuzuschreiben, dass das Thema "Beschneidung" überhaupt als diskussionswürdig empfunden wird, und er habe quasi im Alleingang "Recht zu Unrecht" gemacht. Eine verengte Sichtweise.

Im Übrigen werden der strafrechtlichen Problematik der Beschneidung in der zweiten Auflage des Münchener Kommentars zum StGB (2011) schon mehrere Randnummern gewidmet, Schlehofer MüKo StGb vor §§ 32 StGB, Rn. 143 - 145; das Thema lag also durchaus "in der Luft".

Henning Ernst Müller schrieb:

Ein recht kritischer Blick auf die Debatte und insbesondere auf die Rolle von Prof. Holm Putzke darin, findet sich heute im Berliner Tagesspiegel:

Ob ausgerechnet Jost Müller-Neuhof allerdings der Richtige ist, um das Weitergeben von Informationen an Redaktionen und das Steuern oder gar Erzeugen von Medienmeldungen zu kritisieren, kann man doch stark bezweifeln:

Der "Tagesspiegel" berichtete exklusiv über die Nominierung der ehemaligen Irak-Geisel Susanne Osthoff für den Grimme-Preis, verschwieg jedoch, dass der Vorschlag an die Juroren aus den eigenen Reihen gekommen war.
Der Politik-Redakteur Jost Müller-Neuhof hatte seine damaligen Kollegen aus dem Medien-Ressort über Osthoffs Nominierung informiert. "Als Privatmann", wie er in der Verhandlung betonte. Dass er selbst es war, der die Archäologin bei dem Preis-Komitee ins Gespräch gebracht hatte, verschwieg er jedoch zunächst. Dass der Vorschlag von einem Mitglied der eigenen Redaktion gekommen war, erfuhr Ressortleiter Joachim Huber erst von den Juroren.

Was das Steuern der Debatte angeht, wirft auch der "Tagesspiegel" mit Steinen im Glashaus: in nahezu jedem Beitrag zur Beschneidung, auch in diesem, ist das Video-Interview mit einem islamischen Arzt verlinkt, das dessen folgende Falschaussagen unwidersprochen lässt:

"absolut ohne Narkose gibt es nicht mehr" - die Brit Mila findet auch in Deutschland ohne Narkose statt (wenn jemand einen deutschen Mohel kennt, der auch Arzt ist: bitte Namen nennen), auch 2006 fanden in Düsseldorf Beschneidungen ohne Narkose durch einen türkischen Sünnetci statt: http://www.antenneduesseldorf.de/web/nachrichten/lokalnachrichten/index....

"Vollnarkose ist nicht zu befürworten" - in krassem Gegensatz zu den Behandlungsleitlinien, die festlegen was die medizinischen Standards sind

die Komplikationen werden mit 1% Nachblutung behauptet (statt 6% wie in der wissenschaftlichen Literatur), Infektionen mit 2%, "sonst läuft alles komplikationslos" (!!!)

Der Tagesspiegel entpuppt sich somit als Propagandablatt für Körperverletzung an Kleinkindern.

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Allerdings enthält der Artikel keine neuen inhaltlichen Argumente, sondern scheint die These zu unterstützen, es sei allein dem Ehrgeiz des Professors Putzke zuzuschreiben, dass das Thema "Beschneidung" überhaupt als diskussionswürdig empfunden wird, und er habe quasi im Alleingang "Recht zu Unrecht" gemacht. Eine verengte Sichtweise.

Lieber Herr Professor Müller,

 

Ihre Darstellung ist nicht ganz richtig, denn wie der Journalist schreibt, "Und es ist kein Zufall, dass es so gekommen ist. Einige wollten es so. Einer von denen ist Holm Putzke." Es war also nicht allein Prof. Putzke. Aber er ist mit Sicherheit der exponierteste Rechtswissenschaftler, der ein Beschneidungsverbot fordert.

Ich fand den Artikel sehr lesenswert, denn darin werden einige der Fragen beantwortet, die in dem FAZ-Artikel Das Urteil vom 15.07.2012 nur gestreift oder ganz ausgespart wurden. Jetzt wird auch klarer, wieso mehrere FAZ-Redakteure "wie aus der Pistole geschossen" in der Lage waren, das Urteil rechtfertigende, ausführlich begründete Kommentare sofort nach seinem Bekanntwerden zu verfassen, während der Rest der Republik noch den Schock zu verdauen hatte. (Insbesondere Jürgen Kaube und Georg Paul Hefty, später auch Volker Zastrow.) Allein für diese Aufklärung ist dem Tagesspiegel-Redakteur Jost Müller-Neuhof zu danken.

Andere Fragen harren dagegen noch der Klärung. Zum Beispiel: Was für eine Operation wurde an dem kleinen Jungen nach seiner Einlieferung in die Klinik durchgeführt? Trifft es zu (wie im Internet zu lesen ist), dass ein Arzt, der noch nie zuvor eine Beschneidung durchgeführt hatte, die vermeintlich nicht fachgerecht ("in einer Wohnung mit Schere ohne Anästhesie") durchgeführte Beschneidung noch einmal komplett "nachgeschnitten" hat? Dann wäre es nicht verwunderlich, wenn anschließend in den Arztbrief geschrieben wurde: "Die Penishaut ist zu kurz abgeschnitten" und die freiliegende Penisoberfläche und die Eichel seien „uneben, zerfressen und fibrinös belegt“.

 

Quote:
Im Übrigen werden der strafrechtlichen Problematik der Beschneidung in der zweiten Auflage des Münchener Kommentars zum StGB (2011) schon mehrere Randnummern gewidmet, Schlehofer MüKo StGb vor §§ 32 StGB, Rn. 143 - 145; das Thema lag also durchaus "in der Luft".

Es ist richtig, dass es in Fachkreisen (lies: wenige Juristen und Mediziner) eine Diskussion gegeben hat. Allerdings ist fraglich, ob ein evtl. geringfügiges zahlenmäßiges Übergewicht, das erst kurze Zeit besteht, schon die Nobilitierung "herrschende Meinung" verdient. Der beste Fachaufsatz zur Thematik, den ich bisher gelesen haben, stammt von Bijan Fateh-Moghadam und wurde 2010 veröffentlicht. (PDF-Datei hier: http://www.rechtswissenschaft.nomos.de/fileadmin/rechtswissenschaft/doc/..., außerdem Zusammenfassung für Nichtjuristen, ebenfalls PDF-Datei hier: http://www.jura.uni-muenster.de/download.cfm?DownloadFile=E458D4A2-FC83-...). Dr. Fateh-Moghadam hält nicht nur die religiös motivierte Beschneidung für durch das elterliche Sorgerecht gedeckt, sondern auch eine hygienisch-prophylaktische sowie auch ästhetisch-kulturelle.

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Eugene Seidel schrieb:
während der Rest der Republik noch den Schock zu verdauen hatte.
Wenn es für Sie ein Schock war, können Sie gleichwohl nicht von sich auf den Rest der Republik schließen. Kritische bzw. ausgewogene Kommentare kamen bereits am 28. Juni z.B. in der Süddeutschen Zeitung oder am 27. Juni verharmlosend in FR/Tagesspiegel - auch im Medienkonsum lohnt sich ein Blick über die eigenen Scheuklappen hinaus.

Eugene Seidel schrieb:
Was für eine Operation wurde an dem kleinen Jungen nach seiner Einlieferung in die Klinik durchgeführt?
eine „urologisch-chirurgische Revision“ der Beschneidung in Vollnarkose, siehe Handelsblatt bzw.  FAS

Eugene Seidel schrieb:
Trifft es zu (wie im Internet zu lesen ist)
Quelle? Das Internet ist groß und jeder darf unbewiesenen Müll reinschreiben.

Eugene Seidel schrieb:
in den Arztbrief geschrieben wurde: "Die Penishaut ist zu kurz abgeschnitten"
Das bezeichnete den Zustand vor der Behandlung in der Klinik.

Eugene Seidel schrieb:
Der beste Fachaufsatz zur Thematik, den ich bisher gelesen haben, stammt von Bijan Fateh-Moghadam und wurde 2010 veröffentlicht.
Damit man mich nicht missversteht: es ist zulässig (da durch die Meinungsfreiheit gedeckt), diesen die maßgeblichen Quellen extrem selektiv wahrnehmenden, lückenhaften Aufsatz für "gut" zu halten, obwohl er sich aus den zahlreichen Forschungen über die Spätfolgen der Zirkumzision nur die eine Arbeit gerauspickt, die zu seinem Wunschergebnis passt und auch bei den Komplikationen nicht die deutschen Behandlungsleitlinien als Maßstab hernimmt, sondern auch nur eine einzige Wertung einer die Beschneidung propagierenden Organisation (nicht einmal eine medizinische Originalarbeit!). Weder spricht er die sexuelle Selbstbestimmung des Kindes an, die auch die Unversehrtheit der Genitalien einschließt (aus gutem Grund meidet er Vergleiche mit der weiblichen Genitalverstümmelung, denn das würde sein Kartenhaus zusammenbrechen lassen) noch hält er es für nötig, dies als speziell geschützen Kernbereich der Persönlichkeit zu erörtern (wie dies vor ihm bereits richtigerweise das OLG Frankfurt und da BVerfG getan haben).

Es ist auch durch de Meinungsfreiheit gedeckt, Interviewäußerungen eines Juraprofessors und Mitglieds des Ethikrates als Nonsens zu bezeichnen - Sie disqualifizieren sich damit aber vollständig als ernstzunehmender Debattenteilnehmer. Trotzdem noch eine sachliche Antwort:

Eugene Seidel schrieb:
Die behauptete Traumatisierung halte ich ebenfalls für unbewiesen
Lesen bildet:

Unterschätztes Trauma-Risiko (FR, 18.7.2012)

Beschneidung „traumatisch und der Horror“, wie eine Vergewaltigung - "in der Vorhaut sind sehr viele Nerven, und wenn die abgeschnitten werden, wird einem auch eine Menge Lust genommen. Viele Beschnittene sagen mir, dass sie mit Kondom einfach nicht kommen können ... Erst wird dir etwas genommen, ohne dass man dich gefragt hat, und jetzt wirst du dafür auch noch ausgelacht."

Das wunde Geschlecht - "Die jungen muslimischen Männer, die im Film Hitan von ihrer Beschneidung berichten, erzählen alle von einem traumatischen Ereignis, an das sie sich nicht gerne erinnern. ... Babys erhalten vor dem Eingriff jedoch ein Schmerzmittel. Dennoch hat man bei beschnittenen Jungen ein posttraumatisches Stresssymptom festgestellt, wie das Journal of Health Psychology berichtet. Untersuchungen an der Universität Rochester, New York, berichten über eine stark erhöhte Herzfrequenz, Atemrate und Schreien. Zudem stellte man ein «schadhaftes» Essverhalten fest.
«Eine Beschneidung verursacht einen derart traumatischen Schmerz, dass es zu einer Schädigung der Hirnentwicklung kommen kann», glaubt der kalifornische Psychologe James Prescott. Für den Psychotherapeuten Klaus Käppeli ist die Beschneidung von Knaben ein «unglaublicher Eingriff, wenn man sieht, wie Babys darauf reagieren». Für [ihn] ist klar, dass die Beschneidung von Knaben eine genitale Verstümmelung ist: «Man nimmt dem Körper etwas weg, was ihm von Natur aus gegeben ist. Dies geschieht oft in einer so frühen Lebensphase, dass das Kind diesen Eingriff gar nicht nachvollziehen kann. Es ist undenkbar, dass ein Kind dies am achten Tag – wie bei der jüdischen Beschneidung – verstehen kann. Es ist ein Ritual, das von der Religion aufgezwungen wird, ohne medizinische Begründung. Zudem trifft es einen Jungen an einem Ort, der sehr stark mit Empfindsamkeit und Wohlgefühl zu tun hat."

Beschneidung und psychologischer Schaden

 

 

Liebe(r) Mein Name,

Mein Name schrieb:

Eugene Seidel schrieb:
in den Arztbrief geschrieben wurde: "Die Penishaut ist zu kurz abgeschnitten"
Das bezeichnete den Zustand vor der Behandlung in der Klinik.

Quelle? Das Internet ist groß und... na sie wissen schon.

Immerhin danke für die Bestätigung, die Beschneidung wurde also komplett nachgeschnitten. Dass das nicht ohne Risiko für den Jungen sein konnte (sowohl der gravierende Eingriff an derselben Stelle innerhalb kürzester Zeit als auch die Vollnarkose), liegt wohl auf der Hand. War es eine Panikreaktion der Klinikärzte aufgrund der Missverständnisse in der Notaufnahme?

Quote:
Damit man mich nicht missversteht: es ist zulässig (da durch die Meinungsfreiheit gedeckt), diesen die maßgeblichen Quellen extrem selektiv wahrnehmenden, lückenhaften Aufsatz für "gut" zu halten, obwohl er sich aus den zahlreichen Forschungen über die Spätfolgen der Zirkumzision nur die eine Arbeit gerauspickt, die zu seinem Wunschergebnis passt und auch bei den Komplikationen nicht die deutschen Behandlungsleitlinien als Maßstab hernimmt, sondern auch nur eine einzige Wertung einer die Beschneidung propagierenden Organisation (nicht einmal eine medizinische Originalarbeit!).
Sie müssen schon etwas konkreter werden. Wenn Sie damit etwa kritisieren, Fateh-Moghadam habe eine "Review" zitiert, also eine Gesamtschau vieler medizinischer Aufsätze, so wäre das zwar insofern keine "medizinische Originalarbeit", aber eine Review bietet doch eben gerade die Quintessenz vieler medizinischer "Originalarbeiten" und ist somit besonders aufschlussreich. Also was genau meinen Sie?

Quote:
Es ist auch durch de Meinungsfreiheit gedeckt, Interviewäußerungen eines Juraprofessors und Mitglieds des Ethikrates als Nonsens zu bezeichnen - Sie disqualifizieren sich damit aber vollständig als ernstzunehmender Debattenteilnehmer.
Ich hoffe, Sie verabschieden sich nun nicht wegen meiner Wenigkeit aus der Diskussion, das wäre schade. Im übrigen fällt mir auf, dass einige der von Ihnen verlinkten Seiten

 

-- Telepolis

-- Artikel auf einer Schweizer Buchmarkt-Webseite, die ersten drei Quellenangaben allesamt Weblinks zu Aktivistenorganisationen gegen Beschneidung

-- www.beschneidung-von-jungen.de: Aktivisten- manche würden sagen, Extremisten-Website

 

nicht gerade angetan sind, Vertrauen in Ihre Behauptungen zu wecken.

2

aus http://www.zis-online.com/dat/artikel/2012_7_685.pdf:

Was als im religiösen Sinne „anstehend“ anzusehen ist, ist der jeweiligen Religion vorbehalten. Würde der Gesetzgeber insoweit Vorschriften erlassen, würde er das Gebot religiöser Neutralität verlassen und sich zum Religionsgelehrten aufschwingen.
...
Erklären nun die Eltern anstelle ihres Knaben die Zustimmung zur religiös motivierten Zirkumzision, dann realisieren sie dessen Recht auf Religionsausübung und verzichten
in diesem Punkt wirksam für das Kind auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Die Situation ist damit der einer Patientenverfügung vergleichbar. Dort ist derjenige, der von dem Patienten eingesetzt worden ist, berechtigt, im Falle der Entscheidungsunfähigkeit des Patienten für diesen zu entscheiden, wobei er seine Entscheidung an dem mutmaßlichen Willen des Patienten auszurichten hat. Allein: Hier haben die Eltern keine Möglichkeit, vorab den Willen des Kindes zu erkunden.
Die von Putzke, Herzberg, Schlehofer, Sternberg-Lieben und Jerouschek behauptete Pflicht der Eltern, von unumkehrbaren, mit körperlichen Auswirkungen behafteten Bekenntnissen bis zum Eintritt der Einwilligungsfähigkeit des Knaben Abstand zu nehmen, lässt sich aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht begründen und auch dem einfachen Recht nicht entnehmen. Im Übrigen würde eine solche Verpflichtung in das durch die Eltern bis zum Erreichen der Religionsmündigkeit fiduziarisch ausgeübte Recht des Kindes auf ungestörte Religionsausübung eingreifen, also – aus grundrechtsdogmatischer Sicht – nicht weniger eingriffsintensiv sein.

Diese Argumentation zeigt mMn einige heftige Unstimmigkeiten:

1. jeder Eingriff in die körperliche Unversehrtheit wird hier als gleich gravierend betrachtet, egal ob Ohrlochstechen oder Beschneidung. Man stelle sich vor, die Eltern würden aus religiösen Gründen Arme und Beine ihres Neugeborenen amputieren lassen wollen. Nach Beulke/Dießner, die hier - anders als Putzke et al. - nicht differenzieren, wäre das zulässig, da das stellvertretend durch die Eltern wahrgenommene Recht des Kindes auf Freiheit der Religionsausübung jeden körperlichen Eingriff rechtfertigt, wenn er denn von der Religion "vorgeschrieben" oder empfohlen ist oder von den Eltern als solcher ausgegeben wird. Gleiches gilt für die Mädchenbeschneidung. Das Beispiel der Amputation und Mädchenbeschneidung zeigt doch, dass es - wie es das OLG Frankfurt formulierte - einen durch die Menschenwürde und das Persönlichkeitsrecht geschützten Kernbereich der körperlichen Unversehrtheit gibt, über den ausschließlich ein einwilligungsfähiger Mensch (bzw. Patient) verfügen kann, wenn es um medizinisch nicht indizierte Eingriffe geht. Ansonsten wäre das Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet - dies ist die angeblich fehlende verfassungsrechtliche Begründung für das Warten bis zur Einwilligungsfähigkeit.

2. der Trick, das Recht des Kindes auf Freiheit der Religionsausübung auf die Eltern als Stellvertreter auch so weit zu übertragen, dass massive und irreversible Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit gerechtfertigt sein sollen, kann nicht überzeugen. Hier wird das Recht des Kindes auch auf negative Religionsfreiheit - das die Eltern genauso fiduziarisch, also treuhänderisch auszuüben haben wie das Recht, in der gleichen Weltanschauung wie die Eltern aufzuwachsen - völlig ignoriert. Treuhänderisch heißt aber, nicht zum Nachteil des Kindes zu handeln, also keine Eingriffe in grundgesetzlich geschützte Bereiche vorzunehmen. Gerade weil das Kind hier ein Grundrecht durch die Eltern wahrnehmen lässt/lassen muss, hat der Staat seine Wächterpflicht nach Art. 6 (2) GG auszuüben - genauso wie in anderen Bereichen, wo er in das Erziehungs- und Glaubensrecht der Eltern (und Kinder) eingreifen darf: bei der Schulpflicht und im Sexualkundeunterricht.

3. der Vergleich mit der Patientenverfügung läuft alleine schon deshalb ins Leere, weil eine solche nur ein volljähriger Einwilligungsfähiger treffen kann. Der "mutmaßliche Willen des Patienten" ist nach § 1901a (2) BGB auch nur bei Fehlen einer Patientenverfügung relevant. Gleichzeitig wird zugegeben, dass der mutmaßliche Wille des Kindes gar nicht erforscht werden kann! Hier werden wild Formulierungen gemixt und "passend gemacht", um Rechtfertigungen für medizinisch indizierte (!!!) Behandlungen auf solche zu übertragen, die nicht medizinisch angezeigt sind. Gerade weil "die Eltern keine Möglichkeit haben, vorab den Willen des Kindes zu erkunden", können sie auch nicht wirksam in eine derart gravierende und irreversible Verletzung der körperlichen Unversehrtheit einwilligen.

Zum Vergleich noch einmal Aussagen über die Genitalverstümmelung von Mädchen, die laut den o.g. Strafrechtsdogmatikern dann wieder im rahmen der Religionsfreiheit (des Kindes, stellvertretend bestimmt durch die Eltern) erlaubt sein müsste:

Aus der Bundestagsdrucksache 13/10682 vom 08.05.1998:

Die Verstümmelung der weiblichen Genitalien, wie sie in einer Reihe von afrikanischen und einigen asiatischen Ländern sowie in Migrantengruppen in verschiedenen Industrienationen praktiziert wird, stellt eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung dar. Diese irreversible Schädigung der körperlichen Unversehrtheit von Frauen und Mädchen ist nicht mit kulturellen oder religiösen Traditionen zu rechtfertigen. Keine Religion schreibt Genitalverstümmelung ausdrücklich vor. ... Signalwirkung kann dabei von den strikten Verboten und der Strafandrohung ausgehen, mit denen die genitale Verstümmelung in einigen europäischen und außereuropäischen Ländern belegt ist. ... Der Deutsche Bundestag bewertet genitale Verstümmelung an Mädchen und Frauen als einen Verstoß gegen Artikel 2 GG und als Straftat gegen die körperliche Unversehrtheit. Der Deutsche Bundestag stellt fest, daß es sich bei der Genitalverstümmelung um eine gefährliche bzw. schwere Körperverletzung gemäß §§ 224, 226 StGB (i. d. F. des 6. Gesetzes zur Reform des Strafrechts) handelt. Die Bundesregierung wird aufgefordert, in ihrer Öffentlichkeitsarbeit darauf hinzuweisen. Der Deutsche Bundestag bewertet genitale Verstümmelung an Mädchen und Frauen als Menschenrechtsverletzung ...

Aus dem Urteil des OLG Dresden vom 15.07.2003, Az. 20 UF 0401/03:

Die Beschneidung stellt sich als Eingriff dar, der in seiner Intensität den gravierendsten Erscheinungsformen asylerheblicher Verfolgungsmaßnahmen wie etwa der Folter nicht nachsteht (VG Frankfurt NVwZ-RR 2002, 460). Es ist unzweifelhaft, dass eine gegen den Willen des Betroffenen durchgeführte Beschneidung ihrer Intensität nach einen asylrechtlich erheblichen Eingriff in seine physische und psychische Integrität darstellt. Der von der Zwangsbeschneidung Betroffene wird unter Missachtung seines religiösen und personalen Selbstbestimmungsrechts zum bloßen Objekt erniedrigt (VG Magdeburg NVwZ 1998, Beilage Nr. 2, 18).

Aus dem Beschluss des BGH vom 15.12.2004 - XII ZB 166/03:

Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei der Genitalverstümmelung um einen schweren Eingriff, der bleibende physische und psychische Schäden zur Folge hat. Dies gilt auch dann, wenn der Eingriff nicht - wie zumeist - unter unhaltbaren hygienischen Bedingungen, ohne Betäubung und mit grausamen Hilfsmitteln, wie Glasscherben oder Rasierklingen als Schneidewerkzeug, durchgeführt wird, sondern selbst wenn er nach allen Regeln ärztlichen Könnens erfolgt. Es bleibt ein radikaler Eingriff in die körperliche Integrität und psychische Befindlichkeit der Frau. Dabei verbietet sich eine Unterscheidung nach der Art der Verstümmelung (Klitorisbeschneidung, Excision oder Infibulation), denn in allen Fällen liegt eine grausame, folgenschwere und durch nichts zu rechtfertigende Mißhandlung vor

 

Mein Name schrieb:

Gleiches gilt für die Mädchenbeschneidung. Das Beispiel der Amputation und Mädchenbeschneidung zeigt doch

Das Beispiel der Amputation von Armen oder Beinen zeigt zunächst mal gar nichts, weil es völlig abwegig ist.

Die Zirkumzision ist unter bestimmten (hygienischen) Bedingungen sinnvoll. Und dabei geht es nicht um irgendwelche HIV-Ansteckungsquoten, sondern schlicht um die Keimentwicklung mit und ohne Vorhaut, wenn nicht regelmäßig mit frischem Wasser gewaschen werden kann. Unter solchen Bedingungen ist das mal im Alten Testament gelandet.

 

Quote:
Die Verstümmelung der weiblichen Genitalien, wie sie in einer Reihe von afrikanischen und einigen asiatischen Ländern sowie in Migrantengruppen in verschiedenen Industrienationen praktiziert wird, stellt eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung dar. Diese irreversible Schädigung der körperlichen Unversehrtheit von Frauen und Mädchen ist nicht mit kulturellen oder religiösen Traditionen zu rechtfertigen. Keine Religion schreibt Genitalverstümmelung ausdrücklich vor.

Der letzte Satz zeigt den Unterschied: Wenn die Religion es nicht ausdrücklich vorschreibt, hat es auch deutlich weniger Bedeutung in der Abwägung zwischen Religionsfreiheit und anderen Grundrechten.

5

Bei den hessischen Piraten sieht man dagegen bei der Vorhautentfernung die körperliche Unversehrtheit von Kindern in einem Ausmaß verletzt, das sich weder mit der Religionsfreiheit noch mit der Erziehungsfreiheit der Eltern rechtfertigen lässt.

Erlaubt werden sollen solche Eingriffe laut Schejbal erst ab dem Erreichen des 14. Lebensjahres - wenn Kinder "in der Lage sind, eine selbstbestimmte, informierte Entscheidung zu treffen". Dies gilt auch für schönheitschirurgische Maßnahmen.  

http://www.heise.de/tp/blogs/8/152613 

 

 

5

Essay auf www.ftd.de vom 18.08.: Gläubige, passt euch an! von Martin Benninghoff

Das Beschneidungsurteil ist ein wichtiger Denkanstoß: Jede Religionsgemeinschaft muss in der Lage sein, ihre Theologie und Riten zu verändern. Wenn sie es selbst nicht schafft, dann eben durch äußeren Druck.

Damit die Ärzte, die Kinder beschneiden, nun nicht dauerhaft in Rechtsunsicherheit praktizieren, ist es gut, dass die Bundesregierung im Herbst dazu einen Gesetzentwurf vorlegen will. Doch die Diskussion sollte mit diesem schnellen Reagieren der Politik nicht abgewürgt werden: Viele Juristen und Kinderärzte - und auch ein großer Teil der Bevölkerung - sind zu Recht gegen Operationen ohne medizinische Notwendigkeit bei unmündigen Patienten.
Die Beschneidung ist ein schmerzhaftes, archaisches Ritual, das der Staat über eine ausgeprägte gesellschaftliche Debatte mittelfristig abschaffen helfen kann: Ihm kann es zwar nicht gelingen, die religiösen Bräuche seiner Bürger im Alleingang zu ändern. Aber er kann sie infrage stellen und mit den Religionsgemeinschaften in Dialog, wenn nötig auch in Streit treten.
...
Unbestritten archaische Traditionen wie arrangierte Ehen (so klingt's nett) und Zwangsheiraten (so weniger) stehen in Deutschland zu Recht unter Strafe, und der Staat setzt alles daran, durch interkulturelle Sozialpädagogik eine Verhaltensänderung bei ländlich geprägten Einwanderern aus muslimischen und hinduistischen Ländern herbeizuführen. Bei dieser, böse gesagt, Domestizierung von Religionen mischt der Staat mit seiner Weltanschauung von Freiheit, Individualität und Toleranz kräftig mit - mit Gesetzen und viel Geld.

 

Religionsfreiheit oder Kindeswohl: Darf man kleine Jungs beschneiden?

Debatte u.a. mit Michael Schmidt-Salomon bei "log in"

Die Diskussion um die Rechtmäßigkeit der Beschneidung kleiner Jungen reißt nicht ab. Wer verteidigt die Religion? Wer verteidigt die Kinder? Wie weit geht das Elternrecht? Wieviel Religion darf der moderne Staat erlauben? Müssen die Kinder vor ihren Eltern geschützt werden? Ist jede religiöse Tradition automatisch schützenswert? Steht die Religion über dem Gesetz?

Die Politik hat sich entschieden und will Beschneidungen per Gesetz erlauben. Sind Beschneidungen Körperverletzung und gehören verboten oder steht die Religionsfreiheit über dem Kindeswohl?

Über das Thema diskutieren:

  • Ali Utlu, Mitglied der Piratenpartei und Ex-Muslim
  • Serkan Tören, Bundestagsmitglied und integrationspolitischer Sprecher der FDP
  • Julien-Chaim Soussan, Rabbiner von Düsseldorf
  •  Michael Schmidt-Salomon, Philosoph und Mitbegründer der Giordano-Bruno-Stiftung

http://blog.zdf.de/zdflogin/2012/08/17/religionsfreiheit-oder-kindeswohl-darf-man-kleine-jungs-beschneiden/#comments 

 

Mi 22. Aug 2012, 22:30
 ZDFinfo
 

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Der israelische Oberrabbiner Metzger stellt Lösung in der Beschneidungsdebatte vor

Förderer des interreligiösen Dialogs  

 

Jüdische Beschneider in Deutschland sollten künftig eine medizinische Grundausbildung erhalten, erklärte Metzger am Montagabend bei einer Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Metzger hatte zuvor politische Gespräche aus Anlass des Kölner Beschneidungsurteils geführt. In Israel müssen die auch als Mohel bezeichneten Beschneider schon heute einen medizinischen Grundkurs absolvieren. "Ich hoffe, dass wir in Berlin eine Schule errichten können, bei der Beschneider von einem Mediziner der Berliner Universität entsprechend ausgebildet werden", betonte er.

Forderungen, wonach Beschneidungen nur noch von Ärzten oder unter Einfluss von Schmerzmitteln durchgeführt werden sollten, wies er zurück. Vor rund 100 anwesenden Mitgliedern der jüdischen Gemeinde äußerte Metzger zudem Befürchtungen einer möglichen Vorbildwirkung des Kölner Beschneidungsurteils für Europa. "Es könnte sich nach Dänemark, Österreich oder in die Schweiz ausbreiten", so Metzger.
 

...
 http://www.domradio.de/aktuell/83542/foerderer-des-interreligioesen-dialogs.html 

 

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Die Pro-Beschneidungs-Kampagne ist in vollem Gang - der erste "Experte" ist in Berlin:

Der Oberrabbiner der Juden in Israel will die Beschneidung retten

(Süddeutsche Zeitung)

Metzger referiert: Ein Junge muss acht Tage nach der Geburt von einem ausgewiesenen Beschneider auf natürliche Weise beschnitten werden. Das umfasst auch das Verbot einer lokalen oder totalen Betäubung des Neugeborenen. Lediglich "ein Tropfen süßer Wein" sei erlaubt, um das Kind zu beruhigen. Manche Beschneider nutzen auch Puder oder Spray um den Schmerz zu lindern. Mehr aber sei eben nicht zulässig. Der Beschneider dürfe dabei zwar Arzt sein, aber ein Arzt, der kein Beschneider sei, sei für die Prozedur nicht zugelassen.
...
Rabbi Metzger lächelt milde, als er berichtet, das auch er von der Trauma-Theorie gelesen habe. "Bis jetzt habe ich das Wort Trauma noch nie im Zusammenhang mit Beschneidungen gehört."
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Viele Russlandjuden haben sich erst nach ihrer Übersiedlung nach Israel beschneiden lassen - von Ärzten, im Krankenhaus, unter Narkose. Und das war dann auch wohl in Ordnung. 
Rabbi Metzger kann das freilich als Argument nicht gelten lassen. "Wir leben in einem demokratischen Staat", gibt er zurück. "Ich glaube nicht, dass Sie möchten, dass es hier eine kommunistische Herrschaft gibt, die dazu führt, dass ein Jude ein Gebot nicht einhalten kann."

Wahrscheinlich würde auch der Papst milde lächeln wenn er behauptete, er hätte bis jetzt das Wort Trauma noch nie im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch durch Priester gehört. Diese Aussage ist genauso glaubwürdig wie eine Behauptung Ahmadineschads, er habe noch nie das Wort Holocaust im Zusammenhang mit Juden gehört.

Des Weiteren gibt es zahlreiche jüdische Gebote, die im heutigen demokratischen Rechtsstaat nicht eingehalten werden (können): Steinigung, Kinder prügeln, Töten der Feinde usw.

Der Ramadan ist gerade zu Ende gegangen - eine der heiligsten Pflichten eines Moslems. Aber auch das ist kein ehernes Gesetz: Profi-Fußballer müssen nicht fasten

Alles eine Frage der Fatwa - so wie damals bei der Mädchenbeschneidung. Wenn aber im Koran vorgeschriebene heilige Pflichten wie das Fasten auf nach dem Ramadan verschoben werden können, dann kann erst recht ein nicht im Koran vorgeschriebener Brauch verschoben werden, bis der Mann tatsächlich ein Mann ist. Es wäre ein Zeichen der Integrationsbereitschaft von Muslimen, wenn sich der Zentralrat um eine solche Fatwa bemühen würde.

Mein Name schrieb:
Wenn aber im Koran vorgeschriebene heilige Pflichten wie das Fasten auf nach dem Ramadan verschoben werden können, dann kann erst recht ein nicht im Koran vorgeschriebener Brauch verschoben werden, bis der Mann tatsächlich ein Mann ist. Es wäre ein Zeichen der Integrationsbereitschaft von Muslimen, wenn sich der Zentralrat um eine solche Fatwa bemühen würde.

Vermutlich wird man die religiösen Riten nicht ohne Not einschränken wollen. Für religiöse Minderheiten kann es immer politisch opportun sein, wenn man sich als "verfolgt" und "in der Religionsausübung bedroht" darstellen kann. Die absurden Holocaust-Vergleiche von manchen Beschneidungsbefürwortern zeigen das ganz deutlich.

Und man kann auch so eine Fatwa nicht nutzen, um die Juden wirksam auszugrenzen. Denn grade in Deutschland wird es den Antisemiten unter den Christen und Moslems nicht helfen, wenn man die Diskussion auf "jetzt sind nur noch die Juden über, die immer noch ihre Kinder misshandeln" reduziert bekommt. Sonderrechte für Juden sind trotzdem wahrscheinlich und ich vermute deshalb, dass die Muslime sich diese zumindest auch erstmal zugestehen lassen - egal ob und in welchem Umfang sie hinterher genutzt werden.

 

Ich gehe davon aus, dass es für den Islam aus zwei Gründen kein tatsächliches Problem wäre, wenn es zu einem Verbot der Beschneidung an religionsunmündigen Jungen kommt.

Zum einen ist es nicht vorgeschrieben, dass (und wann) die Beschneidung erfolgen soll. Zum anderen haben viele Moslems ohnehin die Möglichkeit, das Ritual straffrei beispielsweise in der Türkei durchzuführen. (§ 7 StGB sorgt dafür, dass diese Beschneidungen auch in Deutschland dann nicht strafrechtlich verfolgt werden können.)

4

Der muslimische Münsteraner Religionspädagoge Prof. Mouhanad Khorchide hat andere Vorstellungen als andere Muslime.

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KNA: In der Türkei finden Beschneidungen erst viel später statt, etwa im Alter von sechs Jahren...
Khorchide:  Und das passiert sogar im Rahmen eines Beschneidungsfestes. Das ist aber eine archaische Tradition, die mit dem Islam nichts zu tun hat. Eine Beschneidung mit sechs oder sieben Jahren belastet ein Kind, sie sollte deshalb bald nach der Geburt erfolgen. Überhaupt ist im Islam die Beschneidung kein Muss - im Gegensatz zum Judentum, wo sie konstitutiv dazu gehört.

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http://www.domradio.de/aktuell/83544/nicht-nur-ueber-gebote-und-verbote-sprechen.html

 

2

Eine neue Anzeige wegen Beschneidung.

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Wie am Dienstag bekannt wurde, ist im bayerischen Hof jetzt der Rabbiner der jüdischen Gemeinde wegen der Beschneidung von Kindern angezeigt worden. Der Leitende Staatsanwalt von Hof, Oberstaatsanwalt Gerhard Schmitt, bestätigte den Eingang einer entsprechenden Strafanzeige. Nach seinen Worten handelt es sich dabei vermutlich um die erste derartige Strafanzeige, mit der sich eine bayerische Justizbehörde befassen muss. Laut Schmitt wird derzeit noch geprüft, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.

Die Anzeige sei von einem Arzt aus Hessen gestellt worden, der sich auf eine Entscheidung des Landgerichts Köln berufe.

Der betroffene 64-jährige orthodoxe Rabbiner arbeitet seit 1997 in der Hofer Gemeinde. Als „diplomierter und qualifizierter Mohel“ hat der auf Beschneidungen spezialisierte Fachmann nach eigenen Angaben bereits weit mehr als 3.000 solcher Eingriffe vorgenommen.

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http://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article2376747/Oberrabbiner-Metzger-haelt-Kompromiss-fuer-moeglich.html

 

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Enttäuscht von den Behörden schrieb:
Die Anzeige sei von einem Arzt aus Hessen gestellt worden, der sich auf eine Entscheidung des Landgerichts Köln berufe.

Der betroffene 64-jährige orthodoxe Rabbiner arbeitet seit 1997 in der Hofer Gemeinde. Als „diplomierter und qualifizierter Mohel“ hat der auf Beschneidungen spezialisierte Fachmann nach eigenen Angaben bereits weit mehr als 3.000 solcher Eingriffe vorgenommen.

Er kann sich sogar auf das Urteil des LG Düsseldorf von 2006 berufen, das die Beschneidung durch einen Nicht-Arzt, vorgenommen ohne Betäubung, trotz Einwilligung durch die Eltern für strafwürdig erachtet hat und einen 77-jährigen deswegen verurteilt hat:

http://www.antenneduesseldorf.de/web/nachrichten/lokalnachrichten/index.php?nachricht=9225

http://www.openpr.de/news/104407/Rituelle-Beschneidungen-durch-Beschneider-in-Deutschland-verboten.html

http://www.antenneduesseldorf.de/web/nachrichten/lokalnachrichten/index.php?nachricht=9225

 

Ist die Dokumentation von Gerichtsurteilen so gut, dass jeder Jurist jedes relevante Urteil zu bestimmten Straftaten einfach findet ?

 

Das Thema Beschneidung ist anscheinend nur in 2 Strafgerichtsurteilen behandet worden und wohl nicht wichtig für Strafprozesse  wenigen Zivilprozessen behandelt worden.

 

Oder ist  es so, ähnlich wie Patenten, dass unterschiedliche Patentanwälte unterschiedliche relevante Patente bei Patentrecherschen in Patentdatenbänken finden ?

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Enttäuscht von den Behörden schrieb:

Ist die Dokumentation von Gerichtsurteilen so gut, dass jeder Jurist jedes relevante Urteil zu bestimmten Straftaten einfach findet ?

Nein. Das liegt zum Beispiel daran, dass die Relevanz für einen Fall sich nicht Zwangsläufig daraus ergibt, dass ein bestimmtes Stichwort (z.B. "Beschneidung") im Urteilstext oder in den Tags auftaucht und dadurch gefunden wird.

Wenn ein Urteil nicht von anderen Quellen (weitere Urteile, Kommentare etc.) zitiert wird, kann es durchaus übersehen werden. Das gilt vor allem für Urteile aus dem letzten Jahrtausend, weil damals auch die Verbreitung des Urteils z.B. über das Netz nicht in gleichem Umfang stattgefunden hat und weil die damals an der Urteilsfindung beteiligten möglicherweise auch nicht mehr an den aktuellen Diskussionen teilnehmen.

Und schliesslich: Ein System wie nrwe.de besteht längst nicht überall. Das bedeutet, dass die Zugriffsmöglichkeiten auf unterinstanzliche Urteile sehr unterschiedlich sind und einschlägige Urteile auch deshalb nicht unbedingt gefunden werden.

 

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Der Hamburger Strafrechtler und Angehörige des Deutschen Ethikrats, Reinhard Merkel, fordert strenge Auflagen für religiöse Beschneidungen jüdischer und muslimischer Jungen. Der Bundestag habe in seinem Bemühen, Beschneidungen straflos zu ermöglichen, "unüberlegt und übereilt" gehandelt, kritisierte Merkel in der "Stuttgarter Zeitung" vom Mittwoch. An der Stelle ein "Sonderrecht" zu schaffen, wäre "ein Sündenfall des Rechtsstaats" und bringe diesen in eine "Art rechtspolitischen Notstands". 

 

http://www.welt.de/newsticker/news2/article108733007/Ethikratsmitglied-Merkel-fordert-strikte-Auflagen-fuer-Beschneidungen.html 

 

 

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Enttäuscht von den Behörden schrieb:

Hier der interessante Artikel der Stuttgarter Zeitung.

 

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.interview-zur-beschneidung-sonderrechte-sind-ein-suendenfall.7032de01-dd71-4d4e-a9f0-965aab2f9b49.html 

 

Erstaunlich, wer sich alles berufen fühlt, Nonsens abzusondern.

 

Quote:
Der Schmerz muss, darin sind sich alle Experten einig, furchtbar sein.

 

Wenn "alle Experten" = Prof. Maximilian Stehr, dann stimmt die Aussage wohl. Ansonsten aber nicht. Die behauptete Traumatisierung halte ich ebenfalls für unbewiesen (und darüber hinaus auch für sehr unwahrscheinlich, oder sind beschnittene Männer etwa verhaltensauffällig?).

 

Grotesk -- aber das gilt nicht nur für Prof. Merkel -- sind die aufgeregten Warnungen der Kriminalisierungsbefürworter vor einem "Sondergesetz", entweder weil es bestimmte Gruppen privilegiere oder der Genitalverstümmelung von Mädchen Tür und Tor öffne oder beides.

 

Nachdem nun einmal das Urteil (Fehlurteil nach meiner Ansicht) in der Welt ist, muss ja irgendwie die Rechtsunsicherheit beseitigt werden. Der normale Rechtsweg war abgeschnitten, deswegen der Ruf nach einer gesetzlichen Regelung. Beschwerden sind daher bitte an diejenigen zu richten, die uns in diese fatale Situation manövriert haben.

 

Damit man mich nicht missversteht: es ist zulässig (da durch die Meinungsfreiheit gedeckt) zu fordern, dass Beschneidungen kriminalisiert werden sollen. Wenn man aber, wie die Mehrzahl der Bundestagsabgeordneten (evtl. auch die Mehrzahl der Verfassungsrechtler?), der Ansicht ist, dies sei mit dem Grundgesetz, so wie es ist, unvereinbar, dann bleibt eben nur der lange Weg über eine Verfassungsänderung, was eher Jahrzehnte als Jahre dauern wird.

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Eugene Seidel schrieb:
Beschwerden sind daher bitte an diejenigen zu richten, die uns in diese fatale Situation manövriert haben.

Würd ich ja, aber die Autoren der entsprechenden Bibelpassagen sind schon länger verstorben. ;)

 

Quote:
Damit man mich nicht missversteht: es ist zulässig (da durch die Meinungsfreiheit gedeckt) zu fordern, dass Beschneidungen kriminalisiert werden sollen. Wenn man aber, wie die Mehrzahl der Bundestagsabgeordneten (evtl. auch die Mehrzahl der Verfassungsrechtler?), der Ansicht ist, dies sei mit dem Grundgesetz, so wie es ist, unvereinbar, dann bleibt eben nur der lange Weg über eine Verfassungsänderung, was eher Jahrzehnte als Jahre dauern wird.

Die Mehrheit der Abgeordneten ist doch eher der Meinung, dass ein Handeln erforderlich ist, um die Kriminalisierung auszuschliessen.

 

Aber: Selbst wenn eine Beschneidung aktuell durch die geltenden Gesetze nicht verboten ist, wäre es dennoch möglich, entsprechende Verbote auch ausserhalb des GG zu formulieren. Die (religiöse) Erziehung der Eltern darf beschränkt werden, das wird auch in Hinblick auf Teilnahme an religiösen Ritualen gelten. Ich gehe davon aus, dass zumindest bis zur Religionsmündigkeit der Kinder eine Beschneidung rechtswirksam verboten werden kann. (Im Gegensatz zu einer Erlaubnis könnte ein Verbot sogar wesentlich leichter zu fassen sein, weil weniger Ausnahmen notwendig sind.)

 

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Unglaublich !

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Für den Leiter des Koebner-Institutes für Deutsche Geschichte an der Hebräischen Universität in Jerusalem, Moshe Zimmermann, sind die Beschneidungsgegner in Israel Exoten. „Hier ist niemand säkular. Wir sind über das Gesetz ans Judentum gebunden.“ Beschneidung abschaffen zu wollen, wäre so absurd wie ein Aufstand gegen den Personalausweis. Der Experte für die Geschichte von Juden in Deutschland ärgert sich über das Kölner Urteil: Es zeuge von Ignoranz. „Niemand kann diese Entscheidung treffen, ohne den Talmud gelesen zu haben.“

 

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http://www.nordbayern.de/ressorts/schlagzeilenseite/minderheit-in-israel-lehnt-beschneidung-ab-1.2297849 

 

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