Abgelehnt wegen Tätowierung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 04.08.2012

 

Ein interessanter Fall aus einer Nachbardisziplin, dem Beamtenrecht. Ein Bewerber für den Polizeidienst war von Einstellungstests ausgeschlossen worden, weil er großflächige Tattoos von den Schultern bis zu den Unterarmen hat. Das Verwaltungsgericht Aachen (Beschluss vom 31.7.2012 - 1 L 277/12) gab dem abgelehnten Bewerber jetzt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes recht. Das zuständige Landesamt für die Polizeiausbildung hatte den Einstellungsbewerber unter Hinweis auf dessen mangelnde Eignung abgewiesen und sich u. a. darauf berufen, dass deutlich sichtbare Tätowierungen mit der Neutralität eines Polizeibeamten nicht in Einklang zu bringen seien. Nach einem Erlass des Innenministeriums aus dem Jahre 1995 stellten Tätowierungen, die beim Tragen der Sommeruniform zu sehen seien, einen Eignungsmangel dar. Das VG betont hingegen, dem Antragsteller dürfe nicht bereits die Gelegenheit genommen werden, dass Testverfahren für die Polizeiausbildung zu durchlaufen. Die ablehnende Entscheidung des Landesamtes mache nicht deutlich, welche konkreten Eignungsmängel dem Antragsteller vorgehalten würden. Die Vorgaben eines 17 Jahre alten Erlasses dürften angesichts des gesellschaftlichen Wandels nicht ohne nähere Prüfung eine mangelnde Eignung begründen können. Ob in großflächigen Tätowierungen im sichtbaren Hautbereich tatsächlich eine "überzogene Individualität" zum Ausdruck komme, wie das Landesamt angenommen habe, müsse in einem Hauptsacheverfahren näher untersucht werden. Ob der Antragsteller tatsächlich die Voraussetzungen für die spätere Übernahme in den Polizeidienst erfülle, könne nun in dem anstehenden Testverfahren festgestellt werden. Anders wäre der Fall wohl zu beurteilen gewesen, wenn er sich in der Privatwirtschaft ereignet hätte. Einem privaten Arbeitgeber steht es frei einen Bewerber unter Hinweis auf sichtbare Tätowierungen oder Piercings abzulehnen, etwa weil er Bedenken hat, wie seine Kunden darauf reagieren würden. Diskriminierungsschutz nach dem AGG könnte der abgelehnte Bewerber in einem solchen Fall nicht beanspruchen.

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