BAG zu tarifvertraglichen Regelungen über befristete Arbeitsverhältnisse

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 16.08.2012

Das BAG hat am 15.08.2012 über die Reichweite des Rechts der Tarifvertragspartner entschieden, sachgrundlose Befristungen abweichend vom Gesetz zuzulassen.

§ 14 TzBfG gestattet den Tarifvertragsparteien, Regelungen über befristete Arbeitsverträge auch zum Nachteil der Arbeitnehmer abweichend vom Gesetz zu treffen

Nach der gesetzlichen Regelung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 TzBfG) ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer darf nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 TzBfG ein befristeter Vertrag höchstens dreimal verlängert werden. Satz 3 dieser Bestimmung ermöglicht den Tarifvertragsparteien, auch großzügigere Regelungen zu treffen: „Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden.“

Tarifvertrag gestattet Befristung bis zu 42 Monaten und bis zu viermalige Verlängerung

Der Kläger war bei der Beklagten - einem Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes – aufgrund eines befristeten, mehrfach verlängerten Arbeitsvertrags vom 3. April 2006 bis zum 2. Oktober 2009 als Transportfahrer beschäftigt. Im ersten Vertrag und in den Verlängerungsverträgen war die Anwendung des Manteltarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland (MRTV) vereinbart. Nach § 2 Nr. 6 Sätze 1 und 2 MRTV sind ohne sachlichen Grund sowohl die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags bis zur Dauer von 42 Monaten als auch bis zu dieser Gesamtdauer die höchstens viermalige Verlängerung zulässig. Der Kläger hält die tarifliche Bestimmung für unwirksam. Er ist der Auffassung, der Tarifvertrag dürfe - dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG entsprechend - nur entweder Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung gegenüber der gesetzlichen Regelung verändern, nicht aber beides. Die Beklagte steht demgegenüber auf dem Standpunkt, dass "oder" sei als "und/oder" zu lesen.

"Oder" heißt nicht nur "oder", sondern auch "und"

Die Klage hatte - wie schon in den Vorinstanzen - auch beim Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Regelung des MRTV ist wirksam. Sie ist durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG gedeckt. Die Auslegung dieser Bestimmung ergebe, dass es den Tarifvertragsparteien nicht nur erlaubt ist, entweder die Gesamtdauer oder die Anzahl der Verlängerungen abweichend vom Gesetz zu regeln, sondern beides zugleich. Zwar sei diese Befugnis insbesondere aus verfassungs- und unionsrechtlichen Gründen nicht völlig schrankenlos. Der Fall verlange aber keine Entscheidung, wo die möglichen Grenzen der gesetzlich eröffneten Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien liegen. (BAG, Urt. vom 15.08.2012 - 7 AZR 184/11)

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen