Händchen halten wird vom Anwalt nicht geschuldet

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 16.08.2012

Das LAG Hessen hatte im Beschluss vom 28.06.2012 – 16 Ta 206/12  - die Frage zu entscheiden, ob noch ein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe besteht, obwohl Rechtsschutz durch eine Gewerkschaft besteht. In diesem Rahmen hatte das Gericht auch der Frage nachzugehen, ob eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Antragsteller und sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten des Verbandes gegeben ist. Das LAG Hessen hat diese Frage im konkreten Fall verneint, und zwar mit der durchaus lesenswerten Begründung: „Andererseits muss jeder Prozessbevollmächtigte die ihm übertragenen Verfahren ökonomisch führen. Dies bedeutet, dass Mandantengespräche und Schriftsätze in der gebotenen Kürze geführt bzw. abgefasst werden. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass für den Mandanten ein Prozess häufig ein einmaliges, meist unangenehmes und als bedrohlich empfundenes Ereignis ist, kann es nicht Aufgabe eines Prozessbevollmächtigten sein, im Stile einer allgemeinen Lebensberatung Beistand zu leisten. Wenn die Klägerin das Vertrauensverhältnis zu den Rechtssekretären der ..... als beeinträchtigt ansieht, beruht dies darauf, dass sie im Hinblick auf Zeitaufwand der Mandatsbearbeitung, Erreichbarkeit und persönliche Betreuung Anforderungen stellt, die realistischerweise von einer Prozessvertretung nicht geleistet werden können.“Es bleibt zu hoffen, dass man solche Sätze nicht nur im Rahmen von Entscheidungen liest, mit denen ein zusätzlicher Anspruch auf Prozesskostenhilfe verneint wird, sondern auch, wenn es um die Durchsetzung anwaltlicher Honoraransprüche gegen den Mandanten geht.

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4 Kommentare

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Wie viel Verrohung der Gesellschaft will man mit solchen Urteilen und nicht nur diesen in unsere Gesellschaft denn noch bringen?!

Für mich unverständlich, meine Mandanten werden selbstverständlich mit Empathie und Verständnis beraten! Auch dann, wenn es länger dauert! Gerade das macht zB einen guten Familienanwalt aus! Der Mandant will sich gut aufgehoben fühlen. Nicht nur weil er sich fachlich gut beraten fühlt!

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Eine gute Entscheidung, jedenfalls im Prinzip, da ich den Einzelfall nicht kenne.

Wenn bestimmte Mandanten mehrfach täglich anrufen, bin ich zwar gerne bereit, auch umfangreich zu helfen. Wenn man jedoch nicht innerhalb kürzester Zeit (ein bis zwei Stunden) umfangreiche Angelegenheit geprüft und schriftlich dargelegt hat und deswegen massive Vorwürfe bekommt, ist doch die Erwartungshaltung Einzelner fragwürdig.

 

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Typisch lebensfremde Beurteilung eines Richters, der nicht am Mandanten arbeitet.

Ich frage mich, wieviele Mandanten ich noch hätte, wenn ich wie oben verfahren würde und ich mache kein seelisch strapazierendes Familienrecht, sondern habe es idR mit Unternehmern zu tun. Die wollen auch nicht wie ein Räderwerk, das gewartet werden muss, kurz und schmerzlos, effizient und neutral, behandelt werden.

Eine gesunde Mischung zwischen Empathie zum Menschen und Distanz zum Fall ist erforderlich, um dem Mandanten das Gefühl zu geben, dass er bei mir gut aufgehoben ist und dass ich mich um seine Belange kümmere. Mag aber sein, dass das eine eher anwältinnenspezifische Sicht ist (Ironiemodus).

 

Das ist aus anwaltlicher Perspektive natürlich richtig, der Rechtssekretär hat aber eine Mandantenakquise nicht nötig, jedenfalls nicht, soweit ihm der Mitgliederstand seines Arbeitgebers egal ist... Kein vernünftiger Anwalt würde so mit Mandanten umgehen, aber die Entscheidung betraf ja auch nur die Frage, ob ein von seinem Rechtssekretär menschlich (!) enttäuschtes Gewerkschaftsmitglied trotz der Möglichkeit des Rechtsbeistands durch die Gewerkschaft auch noch Prozesskostenhilfe bekommen soll.

"Lebensfremd" ist also allenfalls die Auslegung der Entscheidung als Verhaltensempfehlung für Rechtsanwälte.

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