Zickzackkurs des BGH bei der Schwellengebühr

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 16.08.2012

Nachdem der IX. Zivilsenat des BGH – quasi nebenbei – im Urteil vom 13.11.2011 – IX ZR 110/10 – zur Verwunderung der Fachwelt die These aufgestellt hatte, dass die Erhöhung der 1,3-fachen Regelgebühr bei Nr. 2300 VV RVG auf eine 1,5-fache Gebühr einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen sei, da sie sich innerhalb des Toleranzspielraums von 20 % bewegt und hieran im Anschluss der VI. Zivilsenat des BGH im Urteil vom 08.05.2012 –  VI ZR 273/11  – diese Auffassung noch bekräftigt hat, hat nunmehr der VIII. Zivilsenat des BGH im Urteil vom 11.07.2012 –  VIII ZR 323/11  – eine radikale Kehrtwendung vollzogen und festgestellt, dass eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr über 1,3 hinaus nur gefordert werden könne, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war, und deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung von 20 % der gerichtlichen Prüfung entzogen sei. Nach den Ausführungen in den Urteilsgründen soll der IX. Zivilsenat auf Anfrage mitgeteilt haben, dass er ebenfalls dieser Auffassung sei, und sich bei seinem Urteil vom 13.01.2011 nichts anderes ergebe (??), und der VI. Zivilsenat, dass er keine Bedenken gegen diese Entscheidung des VIII. Zivilsenats habe.....- wie dies zusammenpassen soll, bleibt mir auf jeden Fall bislang unklar. 

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6 Kommentare

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Die Antwort findet sich in § 132 Abs. 3 S. 1 GVG. Letztlich halten die angesprochenen Senate wohl etwas verschwurbelt formuliert an ihrer abweichenden Auffassung nicht fest.

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Das ist ja richtig, nur ist die Mitteilung des IX. Senats, aus seinem Urteil vom 13.01.2011 "ergäbe sich nichts anderes", schlicht falsch. Dort (Rn. 18) steht das genaue Gegenteil.

Insofern schon sehr unverständlich.

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Das passt wirklich alles hinten und vorne nicht zusammen. Ich habe mich dazu ja schon unter: "BGH: Es bleibt dabei - Toleranzspielraum auch bei der Schwellengebühr"  sehr kritisch geäußert. Es ist kaum zu glauben, dass der VIII.Senat seine rechtlich korrekte Entscheidung im Leitsatz als Fortführung der Entscheidungen des IX. und des VI.Senats verkaufen will und dass der IX.Senat auf Anfrage mitgeteilt hat, dass sich aus seinem Urteil vom 13.1.2011 nichts anderes ergebe, obwohl dort das genaue Gegenteil steht.

RA Dr.Thomas Wedel,Oberasbach.

Man wird von den kritisierten Senaten nicht das Eingeständnis erwarten können in der konkret entschiedenen Sache contra legem entschieden zu haben. Dafür gibt es wohl auch keinen Anhalt.

Die in der Rechtsprechung und Literatur kritisierten allgemein gehaltene Aussagen zur Schwellengebühr reduzieren sich indes auf die so entschiedenen Einzelfälle und dürften für deren Beurteilung nicht entscheidend gewesen sein. Sie können nunmehr als missverständlich formuliert verstanden werden.

In seinem Vorgehen in einer Kostenrechtsfrage selbst unterscheidet sich der VIII. Zivilsenat wohltuend von dem II. Zivilsenat - insoweit sei an das Verfahren und die Verfahrensweise in II ZB 35/07 erinnert.

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Laut Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/171,S.207), auf die sich jetzt auch der VIII.Senat stützt, wird, wenn Umfang oder Schwierigkeit der Tätigkeit nicht über dem Durchschnitt liegen, "die Schwellengebühr von 1,3 zur Regelgebühr", bei der es dann auch "verbleibt". 

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