Strafzumessung in Jugendstrafsachen: Schwierig, schwierig!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 03.09.2012
Rechtsgebiete: BGHStrafrechtVerkehrsrecht3|4915 Aufrufe

Strafzumessung ist ein gebiet, dass auf den ersten Blick für Laien einfach scheint - einfach alle "Pros und Contras" auflisten, abwägen, fertig! Weit gefehlt. Vor allem in Jugendstrafsachen kann man leicht fehler machen, wenn man so vorgeht und nicht dem Erziehungsgedanken erkennbar ausreichend Rechnung trägt. Ein schönes Beispiel hier aus der aktuellen BGH-Rechtsprechung:

 

1. Das Landgericht hat auf den zur Tatzeit 19 Jahre alten Angeklagten gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht angewendet und die Verhängung einer Jugendstrafe auf das Vorliegen schädlicher Neigungen sowie die Schwere der Schuld gestützt. Dies ist - für sich betrachtet - aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Höhe der Strafe be-gründet hat, begegnen jedoch durchgreifenden Bedenken.
Gemäß § 18 Abs. 2 JGG bemisst sich die Höhe der Jugendstrafe - auch wenn deren Verhängung vollständig oder teilweise auf die Schwere der Schuld gestützt wird - vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Ent-wicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 3 StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186, 187 mwN). Diesen Anforderungen genügen die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils nicht.
Das Landgericht hat zunächst zugunsten des Angeklagten seine Einlassung zum Tatvorwurf, die Verfahrensdauer, die erlittene Untersuchungshaft, die kurze Dauer der Bemächtigungslage und die Verwendung lediglich einer Gas-waffe berücksichtigt. Strafschärfend hat es die "jugendrechtlichen Vorbelastun-gen" des Angeklagten gewertet. Bei der "konkreten Strafzumessung" hat die Jugendkammer sodann "im Rahmen des absprachegemäß vereinbarten Strafrahmens einer Freiheitsstrafe zwischen einem Jahr und neun Monaten und zwei Jahren … die Verhängung einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten für ausreichend zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten" erachtet. Eine derartige lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens reicht grundsätzlich nicht aus (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 - 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281). Die insgesamt wenig sorgfältigen Ausführungen zur "konkreten Strafzumessung" enthalten ansonsten lediglich Erwägungen, die auch im Erwachsenenstrafrecht für die Bemessung der Rechtsfolgen maßgeblich sind; sie lassen deshalb auch in ihrem Zusammenhang ebenso wenig wie die sonstigen Urteilsgründe erkennen, dass die Jugendkammer den Erziehungsgedanken in der erforderlichen Weise beachtet hat.
3. Im Übrigen sind bei der Bildung einer Einheitsjugendstrafe dann, wenn in der einzubeziehenden Entscheidung bereits frühere Entscheidungen einbezogen waren, sämtliche Entscheidungen erneut einzubeziehen und im Urteilstenor entsprechend zu kennzeichnen. Im Rahmen der Strafzumessung sind alle einzubeziehenden Straftaten im Wege einer Gesamtwürdigung neu zu bewerten und zur Grundlage einer einheitlichen Sanktion zu machen. Erforderlich ist des-halb eine neue, selbstständige, von der früheren Beurteilung unabhängige einheitliche Rechtsfolgenbemessung für die früher und jetzt abgeurteilten Taten (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1992 - 1 StR 531/92, BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 7). Auch hieran fehlt es.

 

BGH, Beschluss vom 17.7.2012 - 3 StR 219/12

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3 Kommentare

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Diese Rechtsprechung des BGH ist sehr schön. Sie nützt nur den meisten Jugendlichen nichts. Denn die allermeisten Jugendstrafrechtsfälle beginnen beim AG und enden höchstens beim zuständigen OLG. Dort kannman  diese Rechtsprechung des BGH gerne herunterbeten, erhält aber oftmals nur eine unbegründete § 349 Abs. 2 StPO Entscheidung zurück. Frust!

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@RA Berthold:

Ich dachte immer,die OLGe seien als Revisionsgerichte bei den Untergerichten gefürchteter als der BGH bei den Landgerichten, ob ihrer Erbsenzählerei. So soll es Senate geben, die aufheben, weil der Richter bei einer kurzen Freiheitsstrafe nicht das Wort "unerlässlich", sondern "geboten"oder  "erforderlich" verwendet hat. Weil ja nicht auszuschließen ist, dass der gravierende Unterschied verkannt wurde.

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Na ja. Vielleicht sind OLGs auch einfach unberechenbarer. Mitunter wird überraschende Erbsenzählerei betrieben, dann wieder werden sicher geglaubte Revisionen, die auf die  Rechtsprechung des Senats gestützt werden, ohne Kommentar verworfen. Da wird die eigene ständige Rechtsprechung übergangen, ohne ein einziges Wort dazu zu verlieren. Daß man keine BGH-Vorlage macht, obgleich die Rechtsprechung von denen anderer OLGs abweicht, scheint sich von selbst zu verstehen.

 

Dann wieder erhebt man "ins Blaue hinein" nur die allgemeine Sachrüge, weil man keinen Schimmer hat, was das Instanzgericht falsch gemacht haben könnte und erhält zur "Belohnung" eine Zurückverweisung mit nachdrücklichen Belehrungen für das Tatgericht.

 

Manchmal habe ich den Eindruck, die Revisionsrichter mögen es nicht so gerne, wenn man ihnen durch eine begründete Sachrüge vorgibt, was man von der angefochtenen Entscheidung zu halten hat. Auf die merkwürdigsten Gedanken kommt man wohl lieber von alleine. Ebenfalls beliebt: die Ausführungen der Verteidigung für Schrott zu erklären und das Urteil mit einer eigenen tollen Idee aufheben.

 

 

 

 

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