Fall Bettina Wulff: Google-Argumente fragwürdig (mit Update 6.11.)

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 08.09.2012

Bettina Wulff, Ehefrau des ehemaligen Bundespräsidenten, wehrt sich gegen die Google-Autovervollständigung bei der Suche nach Ihrem Namen. Google argumentiert: Das Autocomplete bei der Eingabe von Suchwörtern in die Google-Maske wird nicht von Google, sondern vom Algorithmus gesteuert. Aber kann sich Google mit dieser  Entschuldigung wirklich  von Haftung befreien? Thomas Stadler (internet-law) gibt der Klage gegen Google keine Chance. Das ist möglicherweise eine zutreffende Einschätzung. Aber ich halte zumindest die Google-Argumente für fragwürdig, weil sie auf falschen Tatsachenbehauptungen beruhen.

Google nehme keinen Einfluss auf die Suchbegriffe, sagte Google-Sprecher Kay Oberbeck der Deutschen Presse-Agentur (dpa). «Die bei der Google-Autovervollständigung sichtbaren Suchbegriffe spiegeln die tatsächlichen Suchbegriffe aller Nutzer wider.»(Zeit-Online)

Vor einiger Zeit hatte ich mich aus kriminologischer Sicht mit dem Thema Google-Autocomplete befasst, nämlich hier im Beck-Blog und im DRadio Wissen. Es ist keineswegs nur ein bloßer Algorhitmus, der das Suchverhalten der Internet-User wiedergibt: Die Musikindustrie hat erreicht, dass Google die Namen bestimmter Plattformen, auf denen Musikdateien heruntergeladen werden können, bei der Suche nicht mehr automatisch vervollständigt. Auch werden andere Suchanfragen von Google bewusst vom Autocomplete ausgesperrt, so etwa das Wort "Bombe".
Wenn sich also die Google-Anwälte darauf berufen, das Autocomplete gebe eben nur die häufige Suche nach bestimmten Wortkombinationen objektiv wieder, dann argumentieren sie glatt an der Wahrheit vorbei. Redaktionelle Eingriffe finden statt, Google nimmt Einfluss.

Ich bin der Ansicht, Google sollte sein Autocomplete entweder komplett abschalten, oder dafür auch die redaktionelle Verantwortung übernehmen. Was meinen Sie?

Ergänzung (09.09.):

Selbst wer google grundsätzlich Recht geben will, wird vielleicht in diesem speziellen Fall anderer Auffassung sein. Schon wer nur die Buchstaben "Be" eingibt (um etwa die Berliner Sparkasse zu suchen), erhält den von mir hier nicht wiederholten verleumderischen Ergänzungsvorschlag von google; nach meiner Einschätzung hat Frau Wulff deshalb auch vor Gericht keine schlechten Chancen.

Ergänzung (06.11.):

Mein hiesiger Beitrag und meine Kommentierungen beziehen sich auf die Autocomplete-Funktion von Google in diesem konkreten Fall, indem m. E. durchaus Persönlichkeitsrechte von Frau Wulff berührt sein könnten. Mein Beitrag bezieht sich dagegen nicht auf Versuche von Frau Wulff, Google hinsichtlich der Suchergebnisse gerichtlich zu belangen. Sofern die von Google verlinkten Ergebnisse nicht selbst rechtswidrige Inhalte haben, sehe auch ich hier kein berechtigtes Anliegen, vgl. dazu Thomas Stadler auf Internet-Law.

UPDATE 14.05.2013:

Spiegel Online berichtet heute von einer BGH-Entscheidung (BGH - VI ZR 269/12), nach der Google bei den automatischen Suchvorschlägen (auf entspr. Hinweis) Persönlichkeitsrechte beachten muss. Die Entscheidung bestätigt meine hier vertretene Auffassung.

Aus der Pressemitteilung

Nimmt ein Betroffener den Betreiber einer Internet-Suchmaschine mit Suchwortergänzungsfunktion auf Unterlassung der Ergänzung persönlichkeitsrechtsverletzender Begriffe bei Eingabe des Namens des Betroffenen in Anspruch, setzt die Haftung des Betreibers die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus. Der Betreiber einer Suchmaschine ist regelmäßig nicht verpflichtet, die durch eine Software generierten Suchergänzungsvorschläge generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Der Betreiber ist grundsätzlich erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt.

Weist ein Betroffener den Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.

Neuer Beitrag mit Diskussion zu diesem Thema.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

65 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Ich bin der Ansicht, Google hätte nie damit anfangen sollen, Autocomplete zu zensieren. Was die Downloadplatformen betrifft, so war das soweit ich weiß eine freiwillige Maßnahme von Google, mutmaßlicherweise um die entsprechenden Firmen nicht weiter zu ärgern. Falls es dazu ein Gerichtsurteil gab, lasse ich mich gerne korrigieren.

Dann noch: Selbst wenn Google es zensiert oder abschaltet, was wäre gewonnen? Bei bing z.B. wäre der 1. Eintrag genau sozu beanstanden, bei anderen Suchmaschinen mit Autocomplete-ähnlicher Funktion womöglich eben so.

5

Wenn Frau W. damit durchkommt, öffnet dies eine gefährliche Tür. Jede Person oder Organisation würde danach versuchen, Wörter zu verhindern die sie in ein schlechtes Licht rückt, z.B. "Betrug", "Abzocke", "Sekte". Zwei Beispiele fallen mir ein, wobei ich sehe, dass die beiden angedachten Organisationen die naheliegenden Wörter vermutlich durch geschicktes SEO bereits verhindert haben.

5

Mir ist irgendwann einmal durch Zufall aufgefallen, dass Martin Mosebach auch ab “Martin M” nicht vervollständigt wird. Weiß jemand, ob man sich dort ganz herausnehmen lassen kann?

0

Die gleiche Argumentation findet sich bei der letztlich erfolgreichen Klage in Italien:

 

"Google argued that it could not be held liable because it is a hosting provider, but we showed that this is content produced by them (and by the way, they do filter out certain content, including terms that are know to be used to distribute copyright infringing material), although through automated means."

http://www.piana.eu/suggestions

5

Wenn von einer Suchmaschine die redaktionelle Verantwortung übernommen werden soll, dann können Sie autocomplete und letzlich jede Suchmaschine vergessen.

Sicherlich wird es immer wieder unglückliche Kombinationen geben, nur wenn es um irgendwelche Bewertungportale geht wird immer argumentiert, dass man die zulassen muss obwohl der durchaus nicht zu Recht kritisierte nicht einmal die Chance kriegt sich dagegen zu wehren! Aus diesem Grund finden Sie z.B. auf Schulseiten praktisch keine Informationen mehr über die Lehrer.

Die Suchmaschine bewertet aber nicht.

4

Ich meine:

 

1. Ja, müsste Google. Abschalten oder Verantwortung übernehmen.

2. Es heißt "Algorithmus".

3

Ich stimme einer grundlegenden Praemisse in Ihrer Deutschlandradio-Argumentation nicht zu: naemlich der, dass es bei Google ueberhaupt eine Suchmaschinenneutraliitaet gibt. Schon der algorithmus selbst ist zu einem bestimmten Zweck programmiert worden, naemlich Werbung zu verkaufen. Die Maxime "Popularitaet =Relevanz" ist eine ausserordentlich subjektive Wahl, die bei vielen Sucheingaben zu nicht optimalen Ergebnissen fuehrt, teilweise sogar zum Gegenteil, naemlich bei populaeren Irrtuemern, Geruechten, oder auch besonders kuriosen Ergebnissen.

Eine Suchmaschine koennte theoretisch auch nach ganz anderen Faktoren gewichten, wie Aktualitaet von Information, Relevanz bzw.  Renomee einer Quelle, etc.

 

Man muss sich also von dem Gedanken einer Suchmaschinenneutralitaet generell verabschieden, es sei denn, eine Suchmaschine boete mehrere Algorithmen parallel zueinander an. Das will aber keine kommerziell operierende Suchmaschine den das waere Seo und stringenter Werbung abtraeglich.

 

Ob das reicht, Google eine staerkere Haftung fuer Inhalte aufzubuerden kann ich nicht sagen, aber das Konzept einer angeblichen Neutralitaet von Suchmaschinen fuehrt m.E. hier prinzipiell prinzipiell in die Irre. Der Suchalgorithmus ist aus kommerziellen Gruenden bewusst gewaehlt. Daher sollte m.E. Eine Haftbarkeit fuer durch den Algorithmus spezifisch erzeugte Problemdtellungen durcjsus erwogen werden. 

 

Sh

4

Sehr geehrte Kommentatoren,

vielen Dank für Ihre Stellungnahmen. Auf einige möchte ich antworten.

@Flo: Ich stimme weitgehend zu: Die Einflussnahme auf Autocomplete ist Redaktion. Wer redigiert, ist inhaltlich verantwortlich. Das gilt auch für Bing u.a.

@Tilman: Ja, aber die "gefährliche Tür" hat doch google selbst geöffnet. Wenn Ihr Name (dauerhaft) mit falschen Tasachen "kombiniert" wird und allen Suchern als erstes Ergebnis angeboten wird, würden Sie genau das für gefährlich halten. Ich jedenfalls würde dies. Und ich würde mich dagegen wehren wollen, Sie nicht? Wer nach einer Firma sucht, kann immer noch schlechte Bewertungen finden, auch ohne Autocomplete.

@focion: Danke für den Hinweis.

@Susi, Sie schreiben:

Wenn von einer Suchmaschine die redaktionelle Verantwortung übernommen werden soll, dann können Sie autocomplete und letzlich jede Suchmaschine vergessen.

Nein. Autocomplete ist nicht die Suchmaschine, sondern eine Sucherleichterung. Suchmaschinen funktionieren auch ohne Autocomplete. Es würde schon genügen, wenn Autocomplete nur einzelne Suchwörter ergänzt, also keine Wortkombinationen anbietet. Ich bin nicht der Auffassung, dass Suchmaschinen grundsätzlich  für ihre Ergebnisse redaktionelle Verantwortung übernehmen sollten.

@kalla: Der "-rhythmus" war ein Autocomplete meiner Textverarbeitung ;-)

@Stefan Herwig: Weitgehende Zustimmung! Das autocomplete ist nur die Spitze des Problems...auch die Rangfolge der Suchergebnisse kann problematisch sein.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

Schon die Festlegung der Parameter, nach denen aus den tatsächlichen Suchbegriffen die der automatischen Vervollständigung zu Grunde liegende Ontologie gebildet wird (z.B. Anfragen/Zeit-Skalierung), und wiederum der Parameter, nach denen diese bei Eingabe von Begriffen abgefragt wird (Sprungweite, Gewichtung), sind Eigenleistungen von Google, die natürlich die Rechercherichtung und damit das Meinungsbild des Nutzers je nach Gestaltung verschieden beeinflussen können. In der Tat ist daher selbst ohne spezielle Eingriffe im Sinne der Unternehmenspolitik die Rede von der "Objektivität" eines Algorithmus nicht überzeugend.

Gleichwohl können meines Erachtens die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen die Klage von Frau Wulff nicht stützen. Diese zielt in ihrer bekannt gewordenen Form darauf ab, in den Google-Vorschlägen die Abbildung eines subjektiven Wahrheitsgehaltes bezüglich einer Biografie, also eines realen Lebenssachverhaltes, durchzusetzen. Bei Suchmaschinen-Ergebnissen handelt es sich jedoch nicht um die redaktionelle Aufbereitung von Medieninhalten im Sinne vom Gegenstand online wiedergegebener Sachverhalte, sondern um die technische Analyse tatsächlicher - auch unwahrer - Kommunikation. Konkret die mit der automatischen Vervollständigung angebotene Leistung erhebt nicht den Anspruch, Zusammenhänge anhand einer inhaltlichen Tatsachenbasis aufzudecken, sondern eben nur anhand einer Vielzahl eingegebener Suchbergriffe. Dies kann man auch als allgemein bekannt voraussetzen.
Eine nicht von der Hand zu weisende Einflussnahme von Google auf dieses Verfahren kann deshalb nur dann eine Haftung begründen, wenn durch die Eingriffe von einer als technisch sachgerecht oder "zutreffend" zu bezeichnenden bzw. im Rahmen der Meinungsäußerungsfreiheit gerade noch zulässigerweise beeinflussten Abbildung der tatsächlich eingegebenen Wortkombinationen zu Lasten des Betroffenen abgewichen wird. Auf die Wahrheit der durch die Vervollständigung gebildeten Aussage kommt es dabei nicht an.

5

Danke für die Antwort Herr Prof. Müller.

Trotzdem bleibe ich dabei, dass das Anzeigen von Vervollständigungen eben keine Wertung ist.

(Wobei gerade in Deutschland Prostitution ein Beruf wie jeder andere ist!)

Außerdem erscheint mir die Betroffeheit von Frau Wulff sehr fragwürdig. Als diese Vervollständigungen das erste Mal auftauchten hat sie sich an google und Co. nicht gestört, jetzt wo sie in ihrem Buch die "Wahrheit" publizieren will, muss also erst einmal auf die "Lüge" aufmerksam gemacht werden. Dies läßt sich durch Anlyse der Suchanfragen auch belegen. Aus meiner Sicht ist sind es mutwillige Klagen zur Verkaufssteigerung ihres Buches.

3

Auch Autocomplete ist Suchmaschine, es ist nämlich das Vorsortieren von Treffen. Genauso wie Ergebnisse auch in einer (automatisch generieten) Reihenfolge aufscheinen, das ist auch keine Redaktion.  Es kann ja nicht sein, dass hilfreiche Funktionen augrund persönlicher Empfindlichkeiten eingeschränkt werden. Für sowas gibt es Diktaturen und Anbieter wie Apple.

 

pi

3

Wer hier Google etwas auferlegt, füttert nur das Abmahnunwesen. Ein deutscher Hochadeliger möchte nicht mehr, dass seine rechtskräftige Verurteilung wegen Kokainmissbrauchs, die es auch in die Weltpresse geschafft haben, thematisiert werden. Zugleich tritt er aber bei lokalen Events als "Fürst" auf, lebt also nicht zurückgezogen als Privatperson, dessen Rehabilitationsinteresse man respektieren müsste:

http://archiv.twoday.net/stories/142782537/

 

"Trending topics" sind immer missbrauchanfällig. Wenn es nicht um Tatsachenbehauptungen geht, sondern um Zusammenhänge, die durch bestimmte Suchanfragen suggeriert werden, sehe ich keinen Bedarf, dies als Persönlichkeitsrechtsverletzung zu ahnden.

2

Kurzer Einwurf:

Vom (Beeinflussen des Algorithmus) Können auf das Müssen zu schließen, ist gewiss kein zwingendes Argument.

Wenn man auf "Philipp Nationalspieler" den Suchvorschlag "schwul" erhält, wird der geneigte Google-User nicht auf den Gedanken kommen, dass Google eine Aussage zur sexuellen Orientierung des Fußballers macht. Wo soll da - bitte sehr - eine Tatsachenbehauptung/Meinungsäußerung sein, über deren Erlaubtheit man streiten kann?

4

@Herr Härting, Sie schreiben:

Kurzer Einwurf:

Vom (Beeinflussen des Algorithmus) Können auf das Müssen zu schließen, ist gewiss kein zwingendes Argument.

Ich habe diesen Schluss nicht gezogen, schon gar keinen "zwingenden" Schluss behauptet. Ich möchte hier aber behaupten, dass Herr Overbeck, wenn er richtig zitiert wird (Google nehme keinen Einfluss auf Autocomplete), die Unwahrheit sagt, und dass, wenn die Google-Anwälte entsprechendes im Prozess äußern, gegen § 138 ZPO verstoßen und wenn Google-IT-Leute dies vor Gericht zeugenschaftlich bestätigen, sich ggf.  strafbar machen gem. § 153 StGB.

 

@Susi, Sie schreiben:

Trotzdem bleibe ich dabei, dass das Anzeigen von Vervollständigungen eben keine Wertung ist.

(Wobei gerade in Deutschland Prostitution ein Beruf wie jeder andere ist!)

1. Sie können gern dabei bleiben, aber wenn bei Eingabe des Buchstabden "B" jedem Google Nutzer (Millionen von Menschen, die nach irgendeinem Begriff mit "B" suchen) ein konkreter Prominentenname mit einer Berufsbezeichnung angezeigt wird und so diese Assoziation hergestellt wird, dann ist dies sogar mehr als eine Wertung. Es ist m. E. eine perfide Persönlichkeitsverletzung.

2. Es ehrt Sie, das Sie diesen Beruf als einen "Beruf wie jeden anderen" ansehen. Dies entspricht aber nicht der weltweiten Mehrheitsmeinung. Und gerade das ist auch der Grund dafür, dass dieses Gerücht in die Welt gesetzt wurde.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

Gab es eigentlich ein Ermittlungsverfahren gegen den oder die ersten, die wahrheitswidrige Äußerungen über die ehemalige First Lady gemacht haben ? 

 

 

3

 

Für mich ist es allerdings schon fraglich, ob ein unbestritten unangenehmer Suchvorschlag eine das Persönlichkeitsrecht betreffende Verletzungshandlung darstellt. Die Suchvorschläge sind weder gedankliche Äußerungen von Google selbst noch sind sie Wiedergabe von Äußerungen Dritter (Was ich bei Google als Suche eingebe ist keine Äußerung). Auch auf dem Empfängerhorizont werden die Suchvorschläge nicht als Tatsachenbehauptung rezipiert, sondern als Aussage darüber welche Suchverknüpfung andere Benutzer verwendet haben. Wenn ich bei Google "Guttenberg ist ein" eingebe, erhalte ich ebenfalls nicht unbedingt schmeichelhafte Ergänzungsvorschläge. Diese Vorschläge bedeuten aber lediglich, dass andere Nutzer bei der Suche nach dieser Person diese Begriffe zur Eingrenzung der Suche verwendet haben und es wohl auch Suchergebnisse gibt in denen jene eine Rolle spielen.
2

Ich hab direkt noch ein Beispiel für eine Seite unter dem Begriff "animemanga". Schon ab "animem" wird ein Fehler angezeigt. Es wird seit Jahren gefiltert; bis heute ist unklar warum. Es handelt sich um eine Agof notierte Seite um Jugendbereich. Es liegt nichts gegen die Seite vor. Also, uns wäre es ganz lieb wenn es nicht gefiltert werden würde. MSN/Yahoo listet diese in Suggestions. Die Vermutung besteht, dass der Begriff in einer Blacklist aus irgendwelchen Gründen (Tendenz durch Konkurrenz) vermerkt ist... Also, Google Suggestions ist zensiert. Wenn man behauptet, "keinen Einfluss auf die Suchbegriffe", dann dies gelogen. Man mag es vergleichen :)

3

@MB

Ob Google Einfluss auf die Ergebnisse hat bzw. ob es dem Unternehmen zuzumuten ist, die Ergebnisse zu filtern, ist nur relevant für die Frage der Passivlegitimation als Störer. Wie ich aber über Ihnen bereits schrieb, stellt sich diese Frage erst gar nicht, wenn - wofür mEn einiges spricht - keine Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt. 

Die Suchvorschläge sind eben nicht geeignet einen tatsachenwidrigen Eindruck über eine Person zu erwecken:

Wenn Google mir den Suchvorschlag "Guttenberg Doktor jur." macht, wird dadurch nicht der Eindruck erweckt Guttenberg sei ein Doktor. Ein Suchvorschlag ist eine Frage an den Nutzer: Wollen Sie nach "Guttenberg Doktor" suchen, so wie es viele Nutzer vor Ihnen gemacht haben. Eine solche Frage kann keine persönlichkeitsverletzende Handlung darstellen. 

4

Ich gehe, genauso wie ein anderer Kommentator vor mir, davon aus, dass diese Aktionen von Frau W. dazu dienen, wieder in der Öffentlichkeit ins Gespräch zu kommen, um uns was zu verkaufen.

 

An Stelle von Google würde ich bei Klagen von Prominenten oder solchen die sich dafür halten, JEGLICHE Autocomplete-Vorschläge abschalten, die den Namen der entsprechenden Person enthalten. Egal ob es um negative Berichterstattung wie "Sektenführer" geht oder um positive wie "Ehrenamt" "Auftritt" oder "Biografie".

4

Sehr geehrte Kommentatoren,

wer meint, die Suchvorschläge könnten keinen wertenden Charakter haben oder seien "lediglich Fragen an den Nutzer", ignoriert m. E. einige psychologische Tatsachen insbesondere der Funktionsweise des menschlichen Denkens: Wenn jemandem z. B. bei der Suche nach "Henning Müller" jedes mal das Wort "Mörder" angeboten wird, für den ergibt sich automatisch die entsprechende  Assoziation, selbst wenn er die Suchergebnisse bewusst ignoriert oder weiß, dass sie nicht zutrifft. Es ist naiv zu glauben, man könne sich bewusst einem solchen Zusammenhang entziehen. Gerüchte und Verleumdungen verbreiten sich auch nicht primär in der sprachlichen Form von Tatsachenbehauptungen: Auch wenn Jauch natürich nie irgendwelche Gerüchte über Frau Wulff bestätigt oder deren Wahrheit behauptet hat, sondern nur "danach gefragt" hat, hat er faktisch zu deren Verbreitung beigetragen. Das hat er (als kluger Mensch) jetzt begriffen und deshalb dem Unterlassungsgesuch nachgegeben. Dass Google-Autocomplete ähnliche Funktionen auslöst, ist m. E. offensichtlich. Man braucht ja nicht einmal nach Bettina Wulff zu suchen, sondern nur ein "B" oder "Be" einzugeben. Es besteht  keinerlei nachvollziehbarer Nutzen (für Google oder Google-User) darin, bereits bei Eingabe eines Buchstabens die Assoziation eines kompletten Namens mit einer offensichtlich unzutreffenden Berufsbezeichnung angeboten zu bekommen. Hier wird der enorme Erfolg der Werbeplattform Google bei der rechtlichen Bewertung zu deren Nachteil ausschlagen: Gerade die Verbreitung von Google bewirkt, dass alle Nutzer, die etwas mit "B" suchen, völlig unnötig mit dieser Assoziation konfrontiert werden und ihnen der angebliche Beruf dann praktisch als Ergänzung zum Promi-Namen jedes Mal "einfällt". Man muss schon sehr naiv sein, um diese Zusammenhänge nicht zu sehen.

Es würde zuerst einmal völlig genügen, wenn Google bei Autocomplete Wortkombinationen ausschaltet: der Nutzen wäre immer noch hoch.

Dass Googles Politik (bei Eingriffen in das Autocomplete folgt man dem Geld, nicht dem Recht) rechtlichen und moralischen Maßstäben keineswegs gerecht wird, wird in diesem SPON-Artikel gut zusammengefasst. Wer meint, man müsse diese Politik des Fast-Monopolisten aus Gründen der Internetfreiheit hinnehmen, wie die Financial Times, ist m. E. "on the woodway". Deshalb gebe ich einer Klage von Wulff keine schlechten Chancen.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

Sehr spannende Diskussion ist das hier.

Ich kann mich als Nicht-Jurist wenig über die Haftungsfragen auslassen, aber ich würde einen Punkt bestreiten wollen, den @Richard und @Jannek thematisieren. Zwar hat Richard sehr schön erklärt, wie der Google Suchalgorhrithmus funktioniert, aber das als "Allgemeinbildung" zu verorten, halte ich doch für sehr optimistisch. Ich glaube ein großer Teil der Bevölkerung nimmt die Google Suchergebnisse als zutreffend wahr. Eine Bekannte von mir ist Lehrerin, und sie teilte mir mit, dass Ihre Kinder immer öfter auf die Frage "woher wisst ihr das?" antworten: "Das steht bei Google". Zumindest dort wird also Google zum Synonym für "Wahrheit".  Zur öffentlichen Meinung müsste man wohl mal die Bevölkerung befragen, das wäre wohl eine Interessante Aufgabe für Meinungsforschung.

Meine Frage an die Juristen hier: Selbst wenn Google diese Konnotationen zu Frau Wulff automatisch generiert hat, wird die Verknüpfung nicht auch dann zu einer Persönlichkeitsrechtsverletzung, wenn der deutsche Michel glaubt, diese Verknüpfungen stellen die Wahrheit dar? Die Antwort würde mich mal sehr interessieren.

Ebenfalls ist ein Autocomplete vielleicht doch noch eine etwas extremere Ausbildung als die Reihenfolge der blossen Suchergebnisse. Schließlich ist hier ein "Vorschlag" unterbreitet, noch bevor der Eintrag beendet ist. Ich habe Google also "die Frage noch nicht gestellt", um es mit Richards Worten zu sagen, und habe bereits eine Suggestivantwort, wenn ich nur "b" eintippe. Während man sich um das Ranking noch streiten kann, so ist die Autocompletefunktion hier sehr kritisch zu sehen, zumindest nach meinem laienhaften Rechtsverstäändnis.

 

Darüber hinaus noch ein Wort zur These, Bettina Wolf wolle ledigliich Publicity für ihr Buch: Laut der Süddeutschen geht Frau Wulff schon seit Monaten gegen Blogger und Zeitschriften vor, und hat wohl auch jede Menge Unterlassungserklärungen eingesammelt (wie auch wohl Schmerzensgeld). Es ist also nicht ganz richtig, dass Bettina Wolf genau jetzt Publicity für ihr Buch sucht, und den Persönlichkeitsrechtsverletzungen einfach zugeschaut hat. Das Gegenteil ist wohl der Fall, es ging bisher nur nicht durch die Presse.  

 

Gruß,

 

SH

 

 

5

Mal neben der Hauptdiskussion zur Verantwortlichkeit von Google:

 

Den Prozess hat Frau Wulff schon vorab verloren. Gemäß Medienberichten von heute geht sie in ihrem Buch nicht nur darauf ein, dass es Gerüchte zu ihrer privaten/beruflichen Vergangenheit gibt. Sie nennt sogar die angeblich ehrverletzende Tätigkeit. Und sie topt es damit, dass sie ihren vermeintlichen Künstlernamen und Namen/Ort ihrer angeblichen Wirkungsstätte nennt.

Sie kennzeichnet es zwar als falsche Unterstellung. Aber sie bringt selbst einen Zusammenhang zwischem sich selbst (ihrem Namen) und der Unterstellung und garniert dies mit zielführenden Suchbegriffen. Warum soll das vergleichbare Vorgehen von Google sie dann verletzen?

 

Und so nebenbei: Im Buch sagt sie angeblich, dass sie Angst hat, dass ihr Sohn eines Tages von den Gerüchten erfährt. Vielleicht sollte Mama die Gerüchte dann nicht selbst in der Öffentlichkeit wiedergeben; und ich würde schon wollen, dass mein Kind meine Autobiografie liest.

4

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

sollten wir Juristen uns nicht davor hüten, überall mitreden zu wollen.

Vielleicht bin ich altmodisch, aber denke:

Die Beeinflussbarkeit des Suchalgorithmus können Informatiker besser beurteilen.

Die medialen Wirkungsweisen können Journalisten/PR-Experten besser beurteilen.

Assoziative Wirkunksweisen sind ein Themenfeld für Psychologen.

Ich bin Jurist und frage - schulmäßig - , ob ich den Suchvorschlag "Jürgen Bundestrainer schwul" als Aussage über die sexuelle Orientierung des Betroffenen verstehe. das LG Köln hat dies in einem vergleichbaren Fall verneint:

vgl. http://www.cr-online.de/blog/2012/09/08/bettina-wulff-durfen-blogger-geruchte-kolportieren/ 

Halten sie die Kölner Entscheidung für falsch? Wenn ja, warum?

Herzl. NH

 

 

3

Frau Wulff dürften wohl weniger die rechtlichen Fragen interessieren. Sie hat sich kürzlich mit einer PR-Agentur selbstständig gemacht und plant die Veröffentlichung eines Buches. Der "Streisand"-Effekt, demzufolge mißliebige Gerüchte erst dadurch verbreitet werden, daß man sie juristisch bekämpft, dürfte ihr bekannt sein. Daß Sie gerade zu diesem Zeitpunkt, da man sie schon bald vergessen hatte, öffentlichkeitswirksam (geht das nicht auch leise?) juristische Schritte einleitet, um ein längst versandetes Gerücht zu bekämpfen, zeigt vor allem, daß die Frau etwas von PR versteht. Irgendwie hege ich Zweifel an dem angeblichen Motiv.

3

Wenn denn der Effekt der Assoziation stimmt, was kaum zu leugnen ist, dann muss aber folgerichtig auch jegliche Berichterstattung in der Presse oder öffentliche Diskussion wie diese hier genauso zensuriert werden. Denn all sie tragen dazu bei, dass die Leute sich vorstellen, was Frau Wulff in der Vergangenheit nicht gemacht hat. Und das stellt man sich vor, indem man sich vorstellt, dass sie eben das gemacht hat und es dann verneint. Was also macht diese Diskussion zu etwas anderem als eine Autovervollständigung von Google?

 

pi

3

A propos assoziative Wirkung:

Es gibt keinen Unterlassungsanspruch gegen das Kopfkino des  durchschnittlich verständigen Durchschnittsbürger, soweit - wie vorliegend - eine Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung fehlen. Die Suchvorschläge für Frau W. mögen gegen das gesunde  Volksempfinden verstoßen doch die Zeiten in denen dieses Grundlage der Rechts war sind Gott sei Dank vorbei!

Übrigens, warum Frau W. nicht die auf die rechtswidrigen Inhalte verweisenden Suchergebnisse abmahnt ist mir schleierhaft... Diese müsste Google tatsächlich löschen und tut es normalerweise auch. Das Entfernen der Suchergebnisse würde sich sicherlich auch positiv auf die Suchvorschläge auswirken.

5

Stefan Herwig schrieb:

Ebenfalls ist ein Autocomplete vielleicht doch noch eine etwas extremere Ausbildung als die Reihenfolge der blossen Suchergebnisse. Schließlich ist hier ein "Vorschlag" unterbreitet, noch bevor der Eintrag beendet ist. Ich habe Google also "die Frage noch nicht gestellt", um es mit Richards Worten zu sagen, und habe bereits eine Suggestivantwort, wenn ich nur "b" eintippe.

Da verwechseln Sie mich offenbar mit Kommentator Jannek. Ich sehe das auch anders, weil eine Abfrage der Autocomplete-Funktion per se nach Eingabe je eines Zeichens beendet ist und dem Anwender dies auch anhand deren Funktion und Dynamik vor Augen geführt wird. Dagegen in Bezug auf die gesamte Suchabfrage (in der Vorstellung des Nutzers) kann Google nicht wissen und im Rahmen seines Angebots nicht antizipieren, wann diese vervollständigt ist und welches Ziel mit ihr verfolgt wird. Wenn z.B. Prof. Müller ein B eintippt, um zu ermitteln, ob Google bereits dann einen Vorschlag zu Bettina Wulff unterbreitet, sind in atypischer Weise nach der Eingabe dieses einen Buchstabens sowohl die Autocomplete-Nutzung als auch die Suchanfrage beendet, und zwar nicht nur technisch sondern auch dem gesetzten Zweck nach.
Der Nutzer erhält daraufhin die Information, dass eine Suche (unpersonalisiert, aus meiner Region), die mit B beginnt, nach Berechnung der Google-Algorithmen höchstwahrscheinlich mit -ild vervollständigt wird und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eben auch aus einer Wortkombination bestehen wird, die Frau Wulff mit dem Rotlichtmilieu assoziiert. Der Nutzen des Verfahrens aus der Perspektive eines Suchmaschinenanbieters dürfte generell darin bestehen, Anwendern gerecht zu werden, die noch gar nicht genau wissen, wonach sie suchen wollen. Das ist so nicht zu missbilligen, und es kann juristisch nicht maßgeblich sein, ob man selbst in einer solchen konkreten Verknüpfung irgendeinen Nutzen sieht.

Allerdings kann aus meiner Sicht verlangt werden, dass Google die Verknüpfung aufgrund eines nachvollziehbaren und gegenüber anderen, semantisch vergleichbar starken Wortgruppen neutralen Zusammenhangs mit dem Suchverhalten seiner Nutzer herstellt. Zu verschiedenen Auffassungen könnte man diesbezüglich gelangen, je nachdem ob und wie Google dabei die Presserezeption eines Suchbegriffes mit einfließen lässt - eine Größe, die zumindest bekanntermaßen erfasst wird -, und welche Quellen dazu herangezogen werden. Im Detail wird das sehr kompliziert sein und seitens Google wohl kaum umfänglich vorgebracht werden. Persönlich gehe ich davon aus, dass Google in der Lage ist, Personenentitäten in Suchanfragen zu erkennen und isoliert zu verarbeiten. Würde auch eine Nachrichtenreferenzierung von Namen vorgenommen und käme es im Übrigen allein auf die Nutzereingaben an, hätte es also zwei gänzlich verschiedene, jeweils aber legitime Gründe, weshalb bei der Eingabe von "B" überhaupt eine Kombination mit "Bettina Wulff" an prominenter Stelle angeboten wird, und weshalb diese Kombination zusätzlich eine falsche Berufsbezeichnung enthält. Die Feststellung, dass Bettina Wulff aktuell nicht gleichauf mit der Berliner Sparkasse rangiert, greift jedenfalls ersichtlich zu kurz, um einen Vorwurf zu bilden.

Günther Jauch hat vielleicht kein besonderes Interesse, den Inhalt einer vor neun Monaten in seiner Sendung formulierten Frage zu wiederholen und damit den Rechtsstreit zum Buch zu liefern.
Googles Interesse, auf dem einen oder anderen Wege zu publizieren oder zu reflektieren, wonach ihre Nutzer suchten, ist hingegen erheblich, und in ihm verankert ist ein wesentlicher Teil des Geschäftsmodells der Suchmaschinensparte. Die Problematik betrifft allerdings nicht allein ein Produktspezifikum eines Monopolisten sondern die Arbeitsweisen einer gesamten Technologiebranche und ihre Freiheit bei der Aufbereitung und Wiedergabe von Informationen.
Das Konzept einer inhaltlichen redaktionellen Verantwortung in diesem Bereich ist deshalb so gefährlich, weil es in seiner bislang oberflächlichen Beschränkung auf Unterlassungsansprüche hinsichtlich der Autocomplete-Funktion von Google inkonsequent ist. Seine denkbare Fortsetzung würde schließlich die unvoreingenommene Analyse und authentische Information über Phänomene der Massenkommunikation zumindest zivilrechtlich unmöglich machen, wenn nicht gar kriminalisieren, weil jede Rechtsproblematik des Ausgangsmaterials potenziell auf die Resultate abfärben könnte. Schon wenn Googles Suchvorschlägen ein zurechenbarer Aussagegehalt beigemessen werden soll, wäre an die Strafbarkeit der Verantwortlichen z.B. wegen Volksverhetzung zu denken (gegen welche Ethnie, Religion oder Nationalität, kann man sich dabei aussuchen bzw. "googeln"). Diese Problematik durch Wertungen und Spekulationen über die öffentliche Wirkung der jeweiligen Aufbereitung sowie die psychologischen Eigenschaften und die Auffassungsgabe ihrer Adressaten zu begrenzen, würde letztlich Grundrechte wie Meinungsäußerungsfreiheit, Wissenschaftsfreiheit und freie Berufsausübung in unterschiedliche Reichweiten aufspalten, je nach Sichtbarkeit ihrer Inanspruchnahme.

2

Funktion   Für mich stellt sich die Frage, ob die sogenannte Autocomplete  Funktion überhaupt eine automatische Funktion ist oder ob Google da nicht mit Menschenhand nachgeholfen hat, um anscheinend wahrheitswidrige Behauptungen  stark zu verbreiten.

 

Es ist doch eigenartig, dass selbst einer Eingabe von b oder wu sofort zu dem Thema Suchvorschläge automatisch kommen. 

Der Begriff "Bettina Wulff Prostuierte" liefert nur 84700 Treffer.

Der Begirff "Bettina Wuff" liefert aber  6.320.000 Ergebnisse  .

Der Begriff "Bild" liefert 949.000.000  Treffer.

Der Begriff "Bahn.de" liefert 60.600.000 Ergebnisse  

Und alle vier Begriffe tauchen bei der Automatikfunktion nach der Eingabe b  auf. Sonst nichts.

 

 

 

 

2

Enttäuscht von den Behörden schrieb:

Es ist doch eigenartig, dass selbst einer Eingabe von b oder wu sofort zu dem Thema Suchvorschläge automatisch kommen. 

Der Begriff "Bettina Wulff Prostuierte" liefert nur 84700 Treffer.

Der Begirff "Bettina Wuff" liefert aber  6.320.000 Ergebnisse  .

Der Begriff "Bild" liefert 949.000.000  Treffer.

Der Begriff "Bahn.de" liefert 60.600.000 Ergebnisse  

Und alle vier Begriffe tauchen bei der Automatikfunktion nach der Eingabe b  auf. Sonst nichts.

Das sind vermutlich die 4 häufigsten Suchanfragen, da geht's nicht um die Anzahl der Treffer für den Suchbegriff (der Begriff "Bau" hat 181.000.000 Treffer und taucht gar nicht auf, weil er nicht so oft gesucht wird.)

Weil aktuell in allen Gazetten über Frau W. diskutiert wird, gibt es auch entsprechend Suchanfragen. Streisand-Effekt.

 

Jannek schrieb:

Übrigens, warum Frau W. nicht die auf die rechtswidrigen Inhalte verweisenden Suchergebnisse abmahnt ist mir schleierhaft... Diese müsste Google tatsächlich löschen und tut es normalerweise auch. Das Entfernen der Suchergebnisse würde sich sicherlich auch positiv auf die Suchvorschläge auswirken.

Dass es positive Auswirkung auf die Suchvorschläge hat, bezweifele ich aus dem oben genannten Grund. Die Art der Suchanfragen ist offenbar wichtiger als die Anzahl der Treffer.

Davon abgesehen geht es um eine zweistellige Anzahl von Abmahnungen und eine 7-stellige Anzahl von Treffern. Jede Seite, die darüber spricht, dass Frau W. ihren Namen nicht mit bestimmten Begriffen zusammen genannt haben will (und wieso nicht und wie es überhaupt dazu kam) handelt nicht rechtswidrig und wird immer noch gefunden - u.a. dieser Thread.

 

Stefan Herwig schrieb:

Es ist also nicht ganz richtig, dass Bettina Wolf genau jetzt Publicity für ihr Buch sucht, und den Persönlichkeitsrechtsverletzungen einfach zugeschaut hat. Das Gegenteil ist wohl der Fall, es ging bisher nur nicht durch die Presse. 

Das eine schließt das andere nicht unbedingt aus, oder wieso wurden ausgerechnet jetzt kurz vor der Buchveröffentlichung Google und Günther Jauch abgemahnt? Die Frau ist im PR-Bereich tätig, wir sollten nicht davon ausgehen, dass sie nicht weiss, was sie da tut.

Und mit dieser Spekulation tun alle Beteiligten ihr dann noch was Gutes, weil sie zusätzlich auf das Buch hinweisen. ;)

5

Sehr geehrter Herr Härting,

Sie schreiben:

Sollten wir Juristen uns nicht davor hüten, überall mitreden zu wollen. Vielleicht bin ich altmodisch, aber denke: Die Beeinflussbarkeit des Suchalgorithmus können Informatiker besser beurteilen. Die medialen Wirkungsweisen können Journalisten/PR-Experten besser beurteilen. Assoziative Wirkunksweisen sind ein Themenfeld für Psychologen.

Nun ist es nun einmal so, dass die rechtliche Dimension von allen diesen Themenfeldern eben gerade von Juristen zu beurteilen ist und (notwendig) von Juristen zu entscheiden ist. Als Richter können Sie nicht sagen: tut mir Leid Frau Wulff, davon haben Juristen leider keine Ahnung, darüber können wir nicht entscheiden...wäre das rechtsstaatlich? Ich lasse mich gern in der Sache belehren, aber das Argument: Halte Dich da raus, kann ich in einer rechtsstaatlichen Demokratie und auch als User des Internet nicht akzeptieren. Und auch Sie halten sich doch nicht raus, sondern nehmen (juristisch!) Stellung zum Thema, was ich begrüße. Btw bin ich psychologisch nicht ganz unerfahren. Und dass Herr Overbeck (jedenfalls mit der von dpa zitierten Äußerung) glattweg lügt, maße ich mir an aus eigenem Sachverstand zu beurteilen: Google greift bei Autocomplete redaktionell ein.

 

Sehr geehrte weitere Kommentatoren,

Sie stellen sich hier z.T. ganz zu Recht die Frage, warum denn die Suche nach den Begriffen "B... W... P..." so außerordentlich häufig ist, dass Google dies schon bei Eingabe eines "B" anbietet. Die Antwort von I.S. ist

Weil aktuell in allen Gazetten über Frau W. diskutiert wird, gibt es auch entsprechend Suchanfragen. Streisand-Effekt.

Die Erklärung von Herrn Härting:

“Erna Müller Escort” - Wenn die Autocomplete-Funktion bei Google diese Suche vorschlägt, enthält dies allenfalls die Aussage, dass besonders viele Google-Nutzer sich dafür interessieren, ob es Informationen zu einer entsprechenden Tätigkeit der Frau Müller gibt. (CR-Online)

Meines Erachtens ist beides nur ein (geringer) Teil der Wahrheit: Der Google-Algorithmus geht nicht nur von realen eingetippten Suchanfragen aus, sondern bezieht ein, wie oft eine vorgeschlagene Suche angeklickt wird. Wenn ich aber bei einer geplanten Suchanfrage, z.B. nach "Bahn" nach Eingabe des "B" so etwas "Interessantes" angeboten bekomme wie "B... W... P...", dann ist eben wahrscheinlich, dass ich diesen "spannenden" Suchvorschlag auch noch anklicke, auch wenn ich eigentlich nach "Bahn" suchen wollte (danach kann ich ja immer noch suchen). So führt der Google-Algorithmus dazu, dass bestimmte Anfragen, obwohl sie gar nicht eingetippt oder gewollt werden, sich selbst als vermeintliches User-Interesse vervielfältigen. Das ist schon etwas anderes als der Streisand-Effekt. Und es bedeutet überhaupt nicht, dass ich mich über B.W. und ihre Tätigkeit informieren wollte.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Sehr geehrter Herr Müller,

in einem öffentlichkeitswirksamen Verfahren, das überall heiß diskutiert wird, tun wir Juristen gut daran, besonnen unser erlerntes Handwerkszeug zu verwenden und sachlich zu argumentieren.

Daher stören mich emotionale Ausführungen. Dies gilt auch für Iht N-Beispiel.

Grüße NH

4

Sehr geehrter Herr Härting,

habe meinen Kommentar schon überarbeitet und ergänzt...

Zum juristischen Handwerkszeug: ich stimme Ihnen zu, dass man auch erst einmal Entscheidungen zu ähnlichen Sachverhalten anschauen sollte. Ich denke jedoch, dass wir es hier mit einer (graduell) anderen Ausgangslage zu tun haben, da auch Google-Nutzer, die gar nicht nach "B.W." suchen (wollen), diese "Information" gegeben wird...

Grüße

HEM

Im Handelsblatt vonheute steht übrigens auch eine Juristisvhe Wuedrigung von einem Medienrechtler, die sehr hilfreich ist.

gRU?;

 

sh

2

Sehr geehrter Herr Müller,

dann noch ein Wort zur Nacht und zu ihrer ergänzten Anmerkung zu meinem "Errna Müller"-Beispiel: Die "Gretchenfrage" lautet: Versteht der durchschnittliche Google- User" dien Suchvorschlag "Erna Müller Lesbe" so, dass Google behauptet, Erna Müller sei lesbisch. Ich meine nein.

Anders als in den Snippet-Fällen verbreitet Google mit dem Wort "Lesbe" auch keine rechtswidrigen Inhalte Dritter. Denn der Subchbegriff ist vieldeutig und kann auch zu Seiten führen, auf denen Erna Müller entsprechende Gerüchte bestreitet (à la Philipp Lahm: "Ich bin nicht schwul."

Wäre ich BWs Anwalt, hätte ich die allergrößte Mühe, über diesen Einwand hinwegzukommen.

Grüße NH

4

Sehr geehrter Herr Härting,

unmittelbarer Anlass meines Beitrags hier war die offenkundige Lüge von Google, man nehme keinen redaktionellen Einfluss auf das Autocomplete. Sicherlich hat Ihre Argumentation mehr Gewicht, aber dennoch mag ich dem nicht ganz zuzustimmen.

Ich hätte als Anwalt von Google Mühe damit, folgende Argumentation zu widerlegen: Jedes Mal, wenn ein Nutzer nur "B" eingibt, bekommt er - neben relativ neutralen einwortigen  Suchvorschlägen - eine einzige drei-Wort-Kombination angeboten, die da lautet "B... W... P... Mit dem Namen "B... W..." und einer zumindest interessanten Wortkombination nutzt Google, ein Unternehmen, das mit Suchanfragen Geld verdient, den bekannten Namen "B... W..." für sein gewerbliches Angebot. Zwar wird damit nicht behauptet, B. W. habe bestimmte Eigenschaften, doch werden User dazu gebracht, mit dem Namen eine bestimmte Eigenschaft zu assoziieren und Google nutzt dies aus, um Suchanfragen zu generieren und sein Angebot interessant zu machen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Ich fände es falsch wegen einer Person irgendwelche Ausnahmen vom System zu machen oder die Autovervollständigung gar abzuschalten. Ausnahmen wären nichts anderes als eine Art Zensur. Das inzwischen sooft Bettina Wulff in Verbindung mit bestimmten anderen Wörtern gegoogelt wird, ist weder die Schuld von Google, noch von deren Systematik.

2

Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist ...

Dadurch, dass Google mit den Suchvorschlägen auch bisher "Unwissende" auf das Gerücht aufmerksam macht und ihnen die Links dazu präsentiert, wird diese "Tatsache" durch Google verbreitet. § 186 StGB dürfte greifen.

Dieses Blog macht auch Leute auf ein Gerücht aufmerksam. Laut "Mein Name" dürfte als § 186 StGB greifen.

Interessant auch die Frage, ob dieser Vorwurf denn überhaupt erhoben werden kann, da das fragliche "Opfer" ja selbst das Gerücht verbreitet, z.B. in einem Buch.

 

pi

1

Sehr geehrte/r Pat,

Sie schreiben:

Ich fände es falsch wegen einer Person irgendwelche Ausnahmen vom System zu machen oder die Autovervollständigung gar abzuschalten. Ausnahmen wären nichts anderes als eine Art Zensur.

Wenn einzelne Personen bewirken, dass Falschbehauptungen nicht mehr verbreitet werden dürfen (etwa indem sie eine entsprechende gerichtliche Verfügung bewirken), ist dies nicht mit staatlicher Vorzensur oder Bestrafung von Meinungsäußerungen zu verwechseln. Ob tatsächlich eine Persönlichkeitsverletzung vorliegt, hat ein Gericht zu entscheiden. Tagtäglich werden viele Zeitungen, Webportale, Fernsehsender verpflichtet, bestimmte Aussagen zu unterlassen und ggf. auch zu Schadenersatz verurteilt.  Diese "Ausnahmen" sind keine Zensur. Derzeit habe ich den Eindruck, dass jeder kleine Blogger leichter zur Unterlassung gezwungen werden kann als Google, das  wesentlich größere Bedeutung bei der Verbreitung von Informationen hat. Ob die Autocomplete-Funktion Tatsachenbehauptungen o. ä. schwerwiegende Persönlichkeitsverletzungen enthält, ist hier Gegenstand der Diskussion. Ob Google (z.B. wenn sie öfter erfolgreich verklagt werden sollten) dann die Funktion ganz abschaltet, ist die Sache von Google selbst.  Suchen funktioniert ja prima auch ohne Autocomplete.

Das inzwischen sooft Bettina Wulff in Verbindung mit bestimmten anderen Wörtern gegoogelt wird, ist weder die Schuld von Google, noch von deren Systematik.

Dass es nicht die "Schuld von Google, noch von deren Systematik" ist, bestreite ich. Denn die Autocomplet-Funktion bewirkt, dass auch Menschen mit der Assoziation konfrontiert werden, die gar nicht nach Frau Wulff googeln (wovon Sie aber offenbar ausgehen). Was ich damit meine, habe ich oben erklärt.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

 

Übrigens: Es ist vorbei! Als ich eben B googelte kam - anders als noch gestern -  nicht mal mehr Bettina, und selbst bei Bettina wurde gar nichts mehr ergänzt. (Wer hat an der (Auto-)Uhr gedreht?)

Gruß

Anke Müller-Jacobsen

 

4

Mit "be" kommt genügend, und je nach Browser kommt auch bei "b" noch etwas ...

Ich revidiere: Auf Google Safari war's wieder da.

Aber wenn ich jetzt schon einmal hier bin. Meine Meinung zur Ansicht einiger Kommentatoren, wonach Frau Wulff die Gerüchte geschickt nutze, um Ihr Buch zu promoten. Vielleicht ist das so - und was bitte wäre das Verwerfliche daran? Andere sollen ruhig von falschen Behauptungen über sie profitieren; sie selbst habe zu schweigen - andernfalls sei sie selbst unredlich? Oder gibt es etwa Anhaltspunkte dahin, sie habe diese Gerüchte vielleicht noch selbst in die Welt gesetzt, um sie auf diese Weise später als Reklame nutzen zu können? Bitte weniger moralaposteln!

Gruß

Anke Mueller-Jacobsen 

 

 

5

Interessanterweise interessiert sich (laut Google Autocomplete) niemand für die Suchbegriffe: "B... W... Google". Selbst wenn man "B... W... Go" eingibt, wird nichts ergänzt. Ist das nun Zufall, oder will Google einfach nicht, dass allzu viele Leute auf die Diskussion über Google in diesem Zusammenhang stoßen? Ich bitte die Algorithmiker hier um Aufklärung.

Meine Sichtweise stützt dieser Blogger mit vielen Beispielen für die redaktionelle Einflussnahme auf Autocomplete.

Es ist zu beachten, dass Google die Vorschläge personalisieren kann anhand von Google-Benutzerkonten, Cookies, IP-Subnetzen und Geo-IP-Zuordnungen. Unpersonalisiert und für die meisten deutschen Provider dürfte aktuell die Liste für b vor Bettina Wulff so aussehen:

bild
bahn.de
berlin tag und nacht
bvg
brutto netto rechner
bonprix
bauhaus
bmi rechner

Die Begriffe sind nicht neu, seit Vorgestern war Wulff in dieser Abfolge auf Platz 7, heute nun auf Platz 9, also keineswegs die einzige oder erste Wortkombination für b. Auch bilden die ersten sechs Vorschläge allein schon drei bis vier leicht unterscheidbare Entitätsklassen, je nachdem, ob man bahn.de zu [bild, bvg, bonprix] zählen möchte; jedenfalls zwei davon mit nur einem Repräsentanten. Wenn dann mit einer Bettina-Wulff-Kombination eine weitere hinzu kommt, kann man nicht sagen, dass die nun neben einer Gruppe von "neutralen" oder untereinander vergleichbaren Vorschlägen aus der Reihe fiele.

Insgesamt lassen sich die aktuellen Vorschläge nicht mehr schlüssig gegen Google verwenden, da das medienwirksame Vorgehen gegen eine bestimmte Wortkombination unter den Vorschlägen diesen Suchbegriffen eine gewisse Aufmerksamkeit verschafft:
http://www.google.com/insights/search/#q=bettina%20wulff%2Cbettina%20wul...

Dieses Phänomen hätte sich zwar nicht eingestellt, hätte Google durch seine vorherbestimmte Auswertung nicht die Möglichkeit dazu geschaffen; es begründet in seiner Erscheinung hinsichtlich der Autocomplete-Platzierung aber nicht, dass das Auswerteverfahren zu missbilligen wäre, weil es gleichsam individualisiert die Ehrverletzung gegen Wulff ausnutze. Die Suchvolumina deuten vielmehr darauf hin, dass ein tatsächliches Interesse an dieser Suchanfrage besteht, das Google nicht gesetzt hat. Eine verstärkende Wirkung ist auch nur dann vorwerfbar, wenn sie nicht inhaltsneutral ist. Denn die Erhöhung der Reichweite einer Information ist nun mal das Wesen des Internets und jedes dort präsenten Kommunikations- und Informationsangebot trägt dazu bei. Deshalb kommt es wie gesagt darauf an, inwiefern Quellen, die typischerweise mit einem potenziell rechtsverletzenden Inhalt belastet sein können, z.B. als Nachrichtenquelle kategorisierte Klatsch-Blogs, neben dem Suchverhalten in die Platzierung mit einfließen, sodass von einer typischen Abweichung des Autocomplete-Rankings in diesen Problemfällen gegenüber anderen Informationsinhalten gesprochen werden könnte.

3

Wer unbelastet (frisch installierter Midori-Browser) "be" eingibt, dem wird angezeigt

berlin tag und nacht
b... w... p...
b... w... e...
berlin
best secret
berufenet
benzinpreise

Das sind schon extrem prominent plazierte Vorschläge, die Google sicher nicht entlasten.

Ein lesenswertes Interview mit Viktor Mayer-Schönberger auf Zeit-Online. Auszüge:

Bei Google geht es um Wertvorstellungen davon, wie Informationen sortiert werden, was relevant ist. Das bildet der Algorithmus ab. Und selbst wenn ein Algorithmus neutral sein könnte, ist er es im Falle von Google nicht, weil das Unternehmen einen Teil seiner Suchergebnisse manuell verändert.

(...)

Die Vorstellung, dass heute ein Algorithmus völlig automatisch und ohne menschliches Zutun die Suchergebnisse darstellt, ist absurd. Immer stärker muss sich Google daher die Frage gefallen lassen, warum es für das Urheberrecht und für politische Fragen solche Ausnahmeregeln zulässt, aber für den Schutz von Persönlichkeitsrechten und der Privatsphäre nicht.

(...)

ZEIT: Was ist das Argument von Google, Bilder wie die von Max Mosley und rufschädigende Stichwörter wie bei Bettina Wulff nicht zu eliminieren?

Mayer-Schönberger: Dazu müssen Sie Google fragen, aber meine Vermutung ist, dass man dort sagt: Wir haben keinen Einfluss darauf, es ist ein automatischer Algorithmus. So hat das Unternehmen zumindest in Spanien argumentiert. Und das ist faktisch falsch.

(...)

Die Vorstellung, dass Google »neutrale« Suchergebnisse präsentiert, ist eine Fiktion. In unserer Netzgesellschaft trifft heute Google in den meisten Fällen die Entscheidung, welche Informationen den Leuten zugänglich sind. Das ist nicht Vielfalt, sondern informationelle Planwirtschaft.

(...)

ZEIT: Was folgt für Sie aus Fällen wie dem von Max Mosley oder dem von Bettina Wulff?

Mayer-Schönberger: Wir verlangen von Internetunternehmen, sich im Rechtsstaat an nationale Gerichtsurteile zu halten. Es kann nicht angehen, dass die Bild-Zeitung rechtstreuer erscheint als Google.

Ich stimme diesen Einschätzungen voll zu. Natürlich müssen Gerichte die  Grenzen des Persönlichkeitsschutzes beachten und dessen Auswirkungen auf die Informationsfreiheit im Netz - nicht jedes unangnehme Suchergebnis, nicht jedes Autocomplete ist schon eine Verletzung der Persönlichkeit. Dass aber nicht einmal ein Name eingegeben werden muss, bevor man durch die Autocomplete etwas über einen Prominenten erfährt, geht aus meiner Sicht zu weit.

Ebenfalls lesenswert: Der Beitrag von Sascha Lobo auf Spiegel Online über die (In)-Transparenz von Googles Suchalgorithmen.

 

Bettina Gaus im Kommentar in der taz von heute, Auszüge:

Am besten gefällt mir das Argument, die Ehefrau des ehemaligen Bundespräsidenten habe ja durch den Kampf gegen die Gerüchte selber dafür gesorgt, dass ein breiteres Publikum überhaupt davon erfuhr. Folgt man dieser Logik, dann sollten alle Opfer von Erpressungen oder Vergewaltigungen brav den Mund halten. Könnte ja sein, dass die Nachbarn davon hören, wenn sie zur Polizei oder zum Anwalt gehen.

Leider hat auch Thomas Stadler (internet-Law) das in diesem Fall wenig intelligente Argument bemüht - die Rede vom "Streisand-Effekt" erscheint mir gerade hier unangemessen. Frau Wulff hat sehr lange gewartet, ob die Gerüchte von allein weggehen, bevor sie sich gewehrt hat.

Bemerkenswert ist auch der Vorwurf, Bettina Wulff habe mit ihren Unterlassungsklagen vor allem Werbung für ihr Buch machen wollen. Sollte das so sein, dann wäre das weder illegal noch moralisch verwerflich. Der Versuch, das eigene Werk zu vermarkten, soll üblich sein im Verlagsgeschäft. Und wenn es der Autorin auf diese Weise gelingt, aus erlittener Unbill wenigstens einen Vorteil zu ziehen, dann ist das nicht schamlos, sondern eine Genugtuung für alle, die anonymen, gehässigen Klatsch widerlich finden.

Auch dieses Argument wurde hier im Beck-Blog und auf anderen Plattformen vorgebracht. Es ist, wie Frau Gaus sagt, nicht stichhaltig.

Übrigens kann man die Interviews, die Bettina Wulff in den letzten Tagen zum Zustand ihrer Ehe gegeben hat, mit gutem Grund indiskret, treulos und weinerlich finden. Ich tue das. Alles, was ich über ihr Buch gehört habe, veranlasst mich, es nicht lesen zu wollen. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Auch Leute, die einem nicht sympathisch sind, müssen sich Rufmord nicht gefallen lassen.

Volle Zustimmung meinerseits. Die ganze Kolumne von Bettina Gaus findet sich hier.

@Richard:

Sie schrieben:

"Insgesamt lassen sich die aktuellen Vorschläge nicht mehr schlüssig gegen Google verwenden, da das medienwirksame Vorgehen gegen eine bestimmte Wortkombination unter den Vorschlägen diesen Suchbegriffen eine gewisse Aufmerksamkeit verschafft..."

 

Darum geht es nicht. Die Suchergebnisse waren auch vor dem "hochjazzen" des Themas durch die medien im Algorithmus prominent platziert. Eher zeiugt dies, wie anfällig der Algorithmus für "Rückkopplungseffekte" ist, etwas das hoch gerankt ist, wird auch länger oben bleiben, und Attribute wie "Prostituierte", "Intimrasur" "geschlechtskrank" werrden sicherlich auch bei der Google Zufallskundschaft, die eigentlich was anderes gesucht hatte, mehr Aufmerksamkeit erregen als "Bausparvertrag" oder "Politikunterricht".

Das zeigt aber das Problem an sich: Worum geht es hier bei der Autocomplete-funktion? Darum, einen Tabloid-Bereiuch in einer Suchmaschine einzurichten?

Kann man Personen der Institutionen  nicht einfach komplett ohne wertende Attribute in der Autocomplete-Funktion darstellen? Dann wäre sicherlich das Persönlichkeitsrechtsproblem zumindest aus der Autocomplete-Funktion raus.

Wenn sich google wirklich eine "Boulevard-Funktion" im Autocomplete verspricht, also das Konzept: "wir schlagen was vor, wonach nicht gesucht ist, dsa sollen die Sucheneden dann "hängen bleiben"", dann sollen sie für  die entstandenen Inhalte haften, denn dann schlagen sie quasi-initiativ häufiger Themen mit einer gewissen Eignung vor. Damit beeinflussen Sie  auch selbstbestimmt den Leser. Also Haftung - zumindest für eine derart gestaltete Autocomplete-Funktion.

"Dieses Phänomen hätte sich zwar nicht eingestellt, hätte Google durch seine vorherbestimmte Auswertung nicht die Möglichkeit dazu geschaffen; es begründet in seiner Erscheinung hinsichtlich der Autocomplete-Platzierung aber nicht, dass das Auswerteverfahren zu missbilligen wäre, weil es gleichsam individualisiert die Ehrverletzung gegen Wulff ausnutze. "

Und: Bisher hat noch niemand behauptet, Google würde individualisiert Wulff verunglimpfen. Ich halte es auch für plausibel, dass diese in der Tat durch den Algorithmus selbst entstanden sind, und nicht durch individuelle Intervention. Aber trotzdem nimmt Google den hier entstandenen Traffic gerne mit - nebst der dadurch generierten Anzeigeneinnahmen....

 

Gruß,

 

SH

 

 

5

Seiten

Die Kommentare sind für diesen Beitrag geschlossen.