Klassiker: Gaspistole und Waffenbegriff des § 250 StGB

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 19.10.2012
Rechtsgebiete: WaffeGaspistoleStrafrechtVerkehrsrecht1|18302 Aufrufe

Man denkt eigentlich, gewisse Klassiker des StGB sind schon so "ausgelutscht", dass sie in der Praxis gar nicht mehr vorkommen. So ist das mit der Gaspistole. Jetzt hatte der BGH mal wieder Gelegenheit seine Rechtsprechung zu bekräftigen, wonach sich das Urteil des Tatrichters zu der Frage verhalten muss, ob der Explosionsdruck nach Vorne austritt:

 

Die Verurteilungen wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in vier Fällen und bezüglich des Angeklagten R. darüber hinaus die Verurteilung wegen besonders schweren Raubes im Fall 1 der Urteilsgründe halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft keine näheren Feststellungen zur Beschaffenheit der von den Angeklagten bei den Taten verwendeten geladenen Schreckschusswaffe getroffen. Die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestands des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB sind deshalb nicht belegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterfällt eine geladene Schreckschusspistole nur dann dem Waffenbegriff des § 250 StGB, wenn feststeht, dass beim Abfeuern der Waffe der Explosionsdruck nach vorne aus dem Lauf austritt und deshalb die Waffe nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 - GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 201 f.). Hierzu hat der Tatrichter grundsätzlich besondere Feststellungen zu treffen, denn der Austritt des Explosionsdrucks nach vorne mag zwar üblich sein, kann aber nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 - 3 StR 17/10, NStZ 2010, 390). 

 

BGH, Beschluss  vom 25.7.2012 - 2 StR 138/12

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1 Kommentar

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Der BGH hat m.E. die Entwicklung auf dem Schreckschußwaffenmarkt nicht mitbekommen.

Es stellt nämlich absolut die Ausnahme dar, dass bei Schreckschußwaffen der Explosionsdruck nach oben entweicht und nicht nach vorne durch den Lauf. Die Waffen, bei denen der Explosionsdruck nach oben entweicht (sog. Startpistolen für Sportveranstaltungen und einige Modelle aus den 60er und 70er Jahren) dürften sich in Relation zu den im Umlauf befindlichen Schreckschußwaffen im absoluten Promillebereich bewegen.

Ich hatte mich schon vor zehn Jahren im Studium darüber gewundert, dass das von der Rechtsprechung thematisiert wird. Es bedarf schon einiger Mühe, Informationen über solche Waffen zu finden. Es gibt beispielsweise von der Rhöner Sportwaffenfabrik GmbH das Modell SM 110A mit Ausschuß nach oben. Die Waffe bekam 1969 die Zulassung von der PTB. Der Großteil dieser Waffen dürfte entweder auf Dachböden verstauben und verrosten oder in Sammlerhänden sein; sie spielen also bei Delikten keine Rolle.

Zur Ausschußrichtung bei Schreckschußwaffen Feststellungen treffen zu müssen, kann meiner Meinung nach als Anachronismus bezeichnet werden. Es wäre bei "Ausschuß nach oben" zu berücksichtigen, dass die Verletzungsgefahr zwar geringer ist, aber man kann auch jemanden die Waffe mit der Austrittsöffnung vor das Auge halten.

Da es beim Waffenbegriff in § 250 auf die Art der Anwendung meines Wissens (ist lange her) nicht ankommt, sollte man Schreckschußwaffen generell nicht unter "Waffen", sondern unter "gefährliches Werkzeug" oder unter Abs. 1 Nr. 1 b) fassen.

Viele Grüße

Jens

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