§ 111a-StPO-Aufhebung, nur weil Revision eingelegt wurde?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.10.2012

Der Angeklagte wurde beim AG und beim LG verurteilt (incl. §§ 69, 69a StGB). Es gab einen § 111a-StPO-Beschluss. Dagegen legte er nun erfolglos Beschwerde ein:

 

I.

Das Amtsgericht Siegen hat der Angeklagten mit Beschluss vom 29.09.2011 gem. § 111a StPO die Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug vom 02.09.2011 vorläufig entzogen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht Siegen mit Beschluss vom 25.11.2011 verworfen. Dagegen gerichtete Beschwerden wurden bisher nicht beschieden.

Mit Urteil vom 05.03.2012 hat das Amtsgericht Siegen die Angeklagte (u. a.) wegen der o. g. Tat zu einer Geldstrafe verurteilt, ihr die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihr vor Ablauf von 12 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen das Urteil hat die Angeklagte Berufung eingelegt. Die Berufung hat das Landgericht Siegen mit der Maßgabe der Abänderung Sperrfrist auf noch sieben Monate mit Urteil vom 27.07.2012 verworfen.

Unter dem Datum des 30.07.2012 hat die Angeklagte Revision eingelegt und die vorläufige
Aufhebung „der Vollstreckung“ beantragt und ausgeführt, dass sie die Einbehaltung des Führerscheins als rechtswidrig ansehe. Dies hat das Landgericht Siegen
als Antrag auf Aufhebung
der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ausgelegt und den Antrag mit Beschluss vom 31.07.2012 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit der Beschwerde.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu
verwerfen. Die
Angeklagte hat dazu mit Schriftsatz vom 03.09.2012 Stellung genommen.

II.

Die statthafte (§ 304 StPO) Beschwerde ist zulässig. Es handelt sich nicht um eine nach § 310 StPO unzulässige weitere Beschwerde, denn der Beschluss, dessentwegen die Vorlage an das
Oberlandesgericht erfolgt ist, bezieht sich auf den Antrag vom 30.07.2012 auf Aufhebung der Maßnahme. Gegen diese ablehnende Entscheidung ist die Beschwerde als Rechtsmittel gegeben.

III.

Die Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht den Antrag auf Aufhebung der Maßnahme zurückgewiesen und zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung nicht vorliegen.

Nach § 111a Abs. 2 StPO ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufzuheben, wenn ihr Grund weggefallen ist oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht. Letzteres war hier nicht der Fall. Auch der Grund für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist nicht entfallen.

Nach § 111a StPO kann die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (§ 69 StGB). Das ist hier der Fall. Zuletzt ist die Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Berufungsurteil der kleinen Strafkammer bestätigt worden. In dem Urteil ist die Angeklagte einer Katalogtat (§ 316 StGB) wegen der oben genannten Trunkenheitsfahrt für schuldig befunden worden. Die Begehung einer Katalogtat führt dazu, dass der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges anzusehen ist (§
69 Abs. 2 StGB), so dass ihm nach § 69 Abs. 1 StGB deswegen die Fahrerlaubnis zu entziehen ist. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil hatte die Angeklagte zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration von 1,21 Promille. Dieser Wert liegt über 1,1 Promille, ab dem beim Führen von Kraftfahrzeugen die Fahruntüchtigkeit i. S.v. § 316 StGB unwiderleglich vermutet wird. Von diesen Feststellungen hat der Senat auszugehen. Die Angeklagte hat das Urteil der Berufungsstrafkammer mit der Revision angefochten. Während des
Revisionsverfahrens ist diePrüfung der Voraussetzungen des § 69 StGB und damit die im Rahmen des § 111 a StPO zu beurteilende Frage der charakterlichen Eignung der Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen aber dem Beschwerdegericht entzogen, nachdem die letzte tatrichterliche Prüfung der Geeignetheit durch das Berufungsgericht erfolgt ist Nach dem Erlass des Berufungsurteils findet eine weitere Prüfung des Sachverhalts in tatsächlicher Hinsicht nicht mehr statt. Denn die Beantwortung der Frage, ob dringende Gründe für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis im Sinne von § 111 a StPO vorliegen, hängt in diesem Verfahrensstadium nur noch davon ab, ob die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis der Angeklagten, hier nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB, unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten Bestand hat. Mit der Beschwerde gegen die Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111 a StPO kann keine inzidente Vorentscheidung über die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision erreicht werden. Vielmehr ist die ausschließlich nach
revisionsrechtlichen Kriterien anzustellende Prüfung der richtigen Rechtsanwendung im Rahmen des §
69 StGB dem Revisionsgericht vorbehalten (OLG Köln Beschl. v. 22.04.2003 - 1 Ws 9/03 - juris - m.
w. N.; OLG Hamm MDR 1996, 954).

Auch der Zeitablauf seit der Tat rechtfertigt grundsätzlich nicht die Aufhebung der Maßnahme (OLG Düsseldorf NZV 1988, 194; OLG Hamm VRS 49, 111, 112). Wer gegen ein Urteil, in dem eine Sicherungsmaßregel nach § 69 StGB angeordnet worden ist, Berufung einlegt, muss damit rechnen, dass die Fahrerlaubnisentziehung länger dauert, als das Amtsgericht die Sperrfrist bemessen hat
(OLG Düsseldorf a. a. O.; OLG Hamm NStZ-RR 2007, 351). Das ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden (OLG Düsseldorf NZV 1999, 389; OLG Köln Beschl. v. 28.03.2008 - 2 Ws 136/08 - juris).

Allerdings kann der Zeitablauf seit der Tat dazu führen, dass der Eignungsmangel nicht mehr wird festgestellt werden können, so dass eine Aufhebung der Maßnahme dann geboten sein kann, wenn die endgültige Entziehung wegen Zeitablaufs unwahrscheinlich wird (OLG Düsseldorf NZV 2001, 354; OLG Hamm NStZ-RR 2007, 351; Meyer-Goßner StPO 55. Aufl. § 111a Rdn. 11). So verhält es sich hier aber nicht. Seit der Tat ist jetzt ein Jahr vergangen. Dies ist noch kein Zeitraum, der es unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass die Fahrerlaubnis entfallen wird. Dementsprechend hat das Landgericht auch die Berufung insoweit verworfen und auch nachvollziehbar dargelegt, dass der Angeklagten eine gewisse Uneinsichtigkeit und Unbelehrbarkeit innewohnt, wie sich aus den in der Folgezeit nach der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis begangenen Fahrten ohne Fahrerlaubnis, deretwegen die Angeklagte ebenfalls verurteilt wurde, ergibt.

Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, die womöglich ebenfalls die Aufhebung der Maßnahme begründen könnte (OLG Düsseldorf NZV 1988, 194), ist auch nicht ersichtlich.

 

OLG Hamm: Beschluss vom 04.09.2012 - III - 1 Ws 464/12    BeckRS 2012, 20464

 

Ausführlich zu § 111a StPO:

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen